Protokoll der Sitzung vom 12.07.2000

(Beifall und Heiterkeit bei der CSU – Frau Raderma- cher (SPD): Das ist ein ungeheuer sachliches Argument!)

Das war eine Vorbemerkung. Wissen Sie, Frau Radermacher, ich stelle eines fest: Wenn Sie wissen, dass Sie nicht recht haben, werden Sie nervös und rufen dazwischen.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Nur gut, dass Sie wissen, wie es uns geht!)

Wir sind heute auf dem richtigen Weg, Sie nicht. Kommen wir aber zur Sache zurück. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bundesweit gleichlautende gesetzliche Begrenzung der Neuverschuldung in Höhe der im Haushalt ausgewiesenen Investitionen hat sich als unzureichende Schranke für die Staatsverschuldung erwiesen. Das gilt wohl für alle und wird auch nicht bestritten. Der staatliche Schuldenturm wird von Jahr zu Jahr immer größer. Ende 1999 standen die öffentlichen Haushalte bereits mit 2,4 Billionen DM in der Kreide.

Neue Kredite dienen angesichts dieses Schuldenturms immer weniger dem staatlichen Finanzierungsspielraum und stattdessen immer mehr der Finanzierung von Zinsen und Altschulden. In Bayern nahm die Staatsverschuldung dank der jahrzehntelangen soliden Finanzpolitik – das müssen Sie zur Kenntnis nehmen – bei weitem nicht die Ausmaße wie beim Bund oder den übrigen Ländern an. Der Finanzminister hat darauf hingewiesen, dass die bayerische Finanzierungsquote nur ein Drittel des westlichen Länderdurchschnitts beträgt und dass die Pro-Kopf-Verschuldung in Bayern nicht einmal halb so hoch ist wie im Durchschnitt der westlichen Bundesländer.

Aber auch in Bayern hat sich unstrittig die Kreditverschuldung innerhalb der letzten 20 Jahre mehr als vervierfacht und sich im Verhältnis zum Zuwachs des Bruttoinlandprodukts überproportional erhöht. Die bundesweit gleich geregelte Verschuldungsgrenze hat trotz des Junktims zwischen Neuverschuldung und öffentlichen Investitionen nicht den Erhalt hoher öffentlicher Investitionen bewirkt. Im Gegenteil: Die Investitionsquoten in den öffentlichen Haushalten sind seit Jahren rückläufig. Im Zeitraum von 1970 bis 1999 nahm der Schuldenstand des Bundes um rund 4000% zu. Der Schuldenstand der Länder nahm im gleichen Zeitraum um 2100% zu.

Von 1970 bis 1982 hat es eine sozialliberale Koalition in Bonn gegeben. Die Investitionsausgaben haben sich im gleichen Zeitraum beim Bund um nur 284% und bei den Ländern um 315% erhöht. Gerade die ständig steigende Zinsbelastung der öffentlichen Haushalte trug in der Vergangenheit wesentlich dazu bei, Herr Kollege Straßer, dass die öffentlichen Investitionen statt der öffentlichen Konsumausgaben zurückgedrängt wurden, da sich Investitionsvorhaben in der Regel leichter strecken bzw. schieben lassen als laufende Transfer- und Personalausgaben.

Ich stelle somit stolz fest: Bayern hat die höchste Investitionsquote unter den alten Bundesländern. Einschließlich der Privatisierungserlöse beläuft sie sich in diesem Jahr 2000 auf 16,4%. Das sind rund 50% mehr als die anderen Flächenländer West im Durchschnitt aufweisen können. Trotz dieses nach wie vor bestehenden erheblichen Investitionsvorsprungs verzeichnet aber auch Bayern auf lange Sicht gesehen einen Rückgang der Investitionsquote. In diesem Punkt sind wir uns in der Beurteilung also sogar einig, Herr Kollege Strasser.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was müssen wir deshalb tun? Wir müssen uns in der Politik intensiver als in der Vergangenheit der Verpflichtung zum längerfristigen Denken stellen. Herr Kollege Mehrlich, Sie brauchen sich nicht zu bemühen. Ich lasse jetzt keine Zwischenfrage zu, weil Sie sich sonst so erregen wie vorher beim Kollegen Freiherr von Rotenhan. Ich will vermeiden, dass Sie hier fast einen Herzinfarkt bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Mehrlich (SPD): Sehr souverän!)

Der Gedenke der Nachhaltigkeit, der in der Umweltpolitik bereits selbstverständlich ist, muss, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch in der Finanzpolitik zur generellen Entscheidungsmaxime werden. Deshalb hat die CSUFraktion mit ihrem Beschluss vom 24. Mai dieses Jahres ein Signal für ein Mehr an Solidarität zwischen den Generationen gesetzt. Damit komme ich nun zum Knackpunkt der Diskussion, auf den wir uns eigentlich beschränken sollten: Bayern soll ab dem Jahr 2006 Haushalte ohne Neuverschuldung aufstellen. Dies soll in der Bayerischen Haushaltsordnung als Regelfall vorgeschrieben werden. Was nun folgt, wird Sie schmerzen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Bayern ist auch hier das erste Bundesland, das sich gesetzlich verpflichtet – ich betone: gesetzlich verpflichtet –, den Staatshaushalt in Zukunft ohne neue Schulden auszugleichen.

Ausnahmen sollen nur möglich sein – der Finanzminister hat bereits darauf hingewiesen, man muss es aber an dieser Stelle wiederholen –, wenn schwerwiegende Gründe, insbesondere aber gesamtwirtschaftliche Erfordernisse dies zwingend erfordern.

Bayern stellt damit seine Vorreiterrolle in der Finanzpolitik erneut eindrucksvoll unter Beweis. Ich sage das mit einem gewissen Stolz. Nur mit einem Haushalt ohne Neuverschuldung werden wir auch in Zukunft Gestaltungsspielräume haben und diese bewahren können. Was bringt dieser Haushalt ohne Neuverschuldung noch? Er sorgt für mehr Gerechtigkeit. Es wäre ungerecht und unverantwortlich, den kommenden Generationen neben einer wachsenden Rentenlast auch noch eine stetig zunehmende Zinslast aus einer fortlaufenden Neuverschuldung aufzubürden. Die gegenwärtige Neuverschuldung – Sie haben gehört, es handelt sich dabei um 1,37 Milliarden DM – muss im nächsten Jahr stufenweise weiter zurückgeführt werden. Auch hier gibt es einen Plan: Rund 240 Millionen DM müssen jährlich zurückgeführt werden – Sie können das im Haushalt nachlesen –, damit wir im Jahr 2006 eine Neuverschuldung erreichen, die bei null DM liegt.

Dieses ehrgeizige Ziel stellt Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen und die Bayerische Staatsregierung vor eine schwierige Aufgabe. Wir müssen uns heute und jetzt selbst beschränken, damit wir unserer Verantwortung für die Zukunft gerecht werden. Dabei darf es nicht bei Worthülsen bleiben. Alle Politikbereiche müssen noch stärker als bisher ihre Einsparpotentiale ausschöpfen und Prioritäten setzen.

Nun noch einiges zu Ihnen, Herr Kollege Straßer, was das Zahlenwerk anbetrifft. Während der Bundesfinanzminister Sparen zur Tugend der Bundesgenossen erklärt, machen Sie in Bayern getreu Ihren bisherigen Denkmustern weiter. Von Sparen wollen Sie nach wie vor nichts wissen. Sie wollen lieber Wohltaten über das ganze Land verteilen, was Sie in Ihrem jüngsten Dringlichkeitsantrag und auf der Pressekonferenz, die vorgestern stattfand, zum wiederholten Mal deutlich gemacht haben. Ich bin schon jetzt auf Ihre Finanzierungsvorschläge bei den Haushaltsberatungen im kommenden Herbst neugierig.

Herr Kollege Straßer, Sie haben gesagt, Sie hätten nie Mehrforderungen im genannten Ausmaß gestellt. Hier muss ich, was die Zahlen anbelangt, einiges richtig stellen. Das sind die Zahlen des Finanzministeriums, nicht meine. Ich gehe davon aus, dass das Finanzministerium so gut rechnen kann wie Sie und ich, Herr Kollege. Oder können Sie noch besser rechnen als das Finanzministerium? Sie glauben das aufgrund Ihrer Position zu können, das kann ich durchaus nachvollziehen. Für 1999 betrugen die Mehrforderungen 3,2 Milliarden DM und für 2000 3,4 Milliarden DM. Ihr Dringlichkeitsantrag, über den wir heute noch diskutieren werden, fordert weitere Milliardenausgaben. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie, wie können Sie davon reden, Sie würden immer Ihren Beitrag für einen soliden und ausgeglichenen Haushalt leisten?

(Beifall bei der CSU)

Ich finde, das ist so hervorragend nicht. Sie haben gesagt, die hervorragende Arbeit der Regierung in Berlin sei Ausfluss dessen, dass die Steuereinnahmen mehr würden. Ich frage Sie: Wann sind Sie denn an die Regierung gekommen? – Das ist eineinhalb Jahre her.

(Frau Radermacher (SPD): Sie waren 16 Jahre an der Regierung!)

Und wir haben 16 Jahre lang gut gewirtschaftet.

(Frau Radermacher (SPD): 4 Millionen Arbeitslose!)

Frau Kollegin Radermacher, wir waren 16 Jahre an der Regierung – hier widerspreche ich Ihnen nicht.

(Kaul (CSU): Was hat die SPD nicht alles versprochen, und was ist daraus geworden? – Gegenrufe der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD) und der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Ich sage Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ergebnisse des jetzigen Wirtschaftsaufschwungs sind kein Ergebnis der jetzigen Bundesregierung. Die Grundlagen liegen weit, weit vor dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der CSU)

Ich gebe Ihnen eine Empfehlung mit: Sie sollten sich nicht so sehr um den bayerischen Finanzminister kümmern, denn der macht eine gute, saubere und solide Arbeit.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Sie sollten sich lieber um Ihren Bundesfinanzminister kümmern, denn dieser macht die Einsparungen ohne Rücksicht auf die Investitionsquote. Die Investitionsausgaben des Bundes gehen nach der Finanzplanung des Bundes von 5,7 Milliarden DM im Jahr 2001 auf 52 Milliarden DM im Jahr 2004 zurück. Die Investitionsquote beträgt beim Bund dann nur noch 10,3%.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Lochner-Fischer (SPD))

Liebe Kollegin Lochner-Fischer, wenn diese Investitionsquote käme, wäre das ein Skandal. Darin geben Sie mir sicherlich Recht.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Man muss nach dem Warum fragen!)

Ich hoffe, dass es nicht so kommt. Sie müssten an Ihre Bundesgenossen appellieren, dass diese ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht werden, um Arbeitsplätze und Ähnliches nicht wieder zu gefährden.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Da haben Sie Recht! – Frau Lochner-Fischer (SPD): Die CSU torpediert die Steuerpläne!)

Sie, Kolleginnen und Kollegen von der SPD, bringen immer wieder ins Spiel, dass sich der Freistaat Bayern zu Lasten seiner Kommunen entschulde. Ich frage Sie: Was macht der Bund? – Es hat noch keine Bundesregierung gegeben, die sich so gnadenlos zu Lasten der Kommunen in diesem Lande entschuldet.

(Beifall bei der CSU – Frau Lochner-Fischer (SPD): Diese Argumentation darf doch nicht wahr sein!)

Was wahr ist, muss wahr bleiben.

(Lachen bei der SPD)

Herr Kollege Ach, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mehrlich?

Ja, er fragt sehr gerne.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Kann es sein, dass das Ministerium Ihnen das aufgeschrieben hat?)

Nein, ich brauche das nicht.

Herr Kollege Ach, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass die Verschuldung der Kommunen in Bayern von 1988 bis 1998 um über 72% gestiegen ist, während die Verschuldung des Landes im gleichen Zeitraum nur um die Inflationsrate von 29% zugenommen hat? Würden Sie angesichts dieser Fakten und Zahlen meiner Feststellung widersprechen, dass sich der Freistaat auf Kosten seiner Kommunen finanziell schadlos hält?

(Beifall bei der SPD)

Lieber Kollege, diese Frage ist so alt, wie Sie sich mit dem Thema befassen. Ich konnte das schon in der „Staatszeitung“, im Würzburger Bayernteil und in dem örtlichen Teil der Zeitung lesen. Ich bin gerne bereit, Ihnen das vorzurechnen. Ich hätte das am liebsten vor der Sommerpause noch getan, wollte Sie aber nicht mit einem Schock in die Sommerferien schicken.

(Mehrlich (SPD): Das sind Zahlen des Landesamts für Statistik!)

Den bayerischen Kommunen geht es besser als allen anderen Kommunen in dieser Republik. Die bayerischen Kommunen haben einen Investitionsvorsprung von 3 Milliarden DM. Die Probleme der Kommunen hängen mit den Pflichtaufgaben der Kommunen zusammen, die der Staat zum Teil freiwillig mit finanziert – zum Beispiel Abwasser und Wasser.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Aufgaben, die er ihnen erst per Gesetz auferlegt hat!)

Das ist Bundesgesetz und zum Teil europäische Regelung.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Nur zum Teil; das KSHG ist von diesem Hause beschlossen!)

Wir werden im Ausschuss darüber diskutieren. Jetzt habe ich nur eine halbe Stunde Redezeit. Ich weigere mich nicht, dies zu diskutieren. Wenn Sie ständig dazwischenreden, komme ich nicht zum Ende dessen, was ich zu sagen habe.

Ich komme zurück zur Investitionsquote. Ich habe erwähnt, dass die Aussagen über die Kommunen so nicht stimmen. Ihr Bundesfinanzminister belastet die Kommunen erheblich mehr. Sie zitieren den Städtetag gerne, wenn es darum geht, den Freistaat Bayern vorzuführen. Jetzt gibt es einen Städtetag-Vorsitzenden, der die Bundesregierung vorführt. In der Tat entschuldet sich der Bund zu Lasten der Kommunen. Sie können das in dem Organ des Städtetags nachlesen.