Protokoll der Sitzung vom 17.10.2000

(Dr. Kaiser (SPD): Wer polemisiert denn mehr als Sie?)

Es ist richtig, dass es für Kernkraftwerke keine europäischen Sicherheitsstandards gibt. Deshalb wundere ich mich immer, wenn der Bundesumweltminister von europäischen Sicherheitsstandards redet. Es gibt Regeln der IAEA, der Internationalen Atomenergieagentur, es gibt Standards in Deutschland, in Frankreich, in den USA und in anderen Ländern. Einen gemeinsamen europäischen Standard gibt es aber nicht. Darum ist der Hinweis der Bundesregierung auf die europäischen Standards und auf die Beitrittsverhandlungen falsch.

Kollege Runge sprach davon, die Preisaufsicht sei für Überkapazitäten verantwortlich. Das ist falsch. Die Überkapazitäten waren nicht durch die Preisaufsicht veranlasst, sondern durch den kartellierten Markt und die Tatsache, dass die Energieversorger auf ihrem Markt genügend Kraftwerksreserven vorhalten mussten für den Fall, dass ein Kraftwerk ausfällt. Wenn die Kartellgrenzen wegfallen und man die Kapazitäten zusammenaddiert,

dann gibt es Überkapazitäten. Das hat aber nichts mit der Preisaufsicht zu tun.

Zweitens haben Sie gesagt, die Preisaufsicht sei verantwortlich für die Bereicherung der Stromerzeuger. Das müssen Sie einmal den Kommunen erzählen, die an den Preisverhandlungen teilgenommen haben und denen die Preise nicht hoch genug sein konnten, um den Querverbund finanzieren zu können. Ihre Argumentation ist auch deswegen komisch, weil wir ohne Wettbewerb als Preisaufsichtsbehörde keine Marktpreisfindung betreiben konnten. Die Preisaufsicht war immer ein kostenorientiertes Instrument. Es bestand immer ein Streit zwischen den Herstellern und der Preisaufsicht darüber, was an notwendigen Kosten anerkannt wird und was nicht anerkannt wird. Darauf hat es auch immer eine Rendite gegeben. Diese Preisfindung unterscheidet sich wesentlich von der Preisfindung im Markt. Darum kann eine staatliche Preisfindung durch Preisaufsicht nie die Effekte haben, die eine Preisfindung im Markt hat. Obwohl wir die staatliche Preisaufsicht führen, bin ich immer für eine Preisfindung im Markt eingetreten, weil sie angemessener ist und ganz andere Wirkungen hat. Nachdem beim früheren System die Betreiber aber möglichst Kosten aufbauen wollten, sind durch hohe Beschäftigung und sonstige Effekte so hohe Kosten entstanden, wie wir sie in Deutschland gehabt haben.

Diesen Effekt bewirken die unterschiedlichen Instrumente, die keiner außer Kraft setzen kann. Herr Runge, ich habe auch auf die Stilllegungen bis zu den Jahren 1998 und 1999 hingewiesen und auf den Verzicht von Franken II. Im übrigen hat sich durch die Fusion mit den Isar-Amperwerken der Reservekraftwerkspark automatisch erhöht, auch damit ist die Notwendigkeit für Franken II entfallen. Ich habe auf Aschaffenburg hingewiesen, Schwandorf, das RWE-Werk in Dettingen. Ich habe auch gesagt, dass die Maßnahmen für die meisten Standorte schmerzhaft, aber maßvoll und noch verkraftbar waren. Sie sehen, ich habe das nicht außer Acht gelassen. Die 900 Megawatt, die Sie zitiert haben, sind durch diese Verzichte bzw. Stilllegungen bereits weit überschritten.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich, ich kann sie Ihnen aufrechnen.

Die jetzige Stilllegungsaktion geht allerdings weit darüber hinaus. Das wollte ich klarstellen.

Besonders gefreut habe ich mich über den Beitrag von Herrn Schläger, der die Stilllegungen als „Kapitalismus pur“ und „kalten Kapitalismus“ und sonst was bezeichnet hat.

(Zuruf des Abgeordneten Willi Müller (CSU))

Ich mahne immer zu einer etwas maßvolleren Sprache.

(Lachen bei der Opposition)

Ich nehme das Beispiel RWE. Die haben auch stillgelegt. An RWE sind eine Menge Kommunen beteiligt, sie stellen sogar den Großteil der Gesellschafter. Eine Menge

dieser Kommunen sind von Rot bzw. Rot-Grün regiert – Gott sei Dank sind auch ein paar Schwarze dabei. RWE legt genauso still. Die Eigentümerkommunen leiden anscheinend auch alle unter „Kapitalismus pur“ oder „eiskaltem Kapitalismus“ im Rahmen der Globalisierung. Das ist doch ziemliches Blech, was hier erzählt wird.

(Beifall bei der CSU – Dr. Wilhelm (CSU): Sehr richtig!)

Das ist alles ziemlicher Unsinn. Ziehen Sie doch die Vergleiche. Es ist schön, wenn man auf eine Sache draufschlagen kann. Gott sei Dank, lässt es das föderale System zu, dass in verschiedenen Ländern verschiedene politische Konstellationen herrschen. Es sind zwar zu viele von Rot-Grün. Aber immerhin, wir haben Vergleichsfälle. Deswegen sollte man bei dem Thema im Rahmen bleiben.

Herr Runge, Sie haben gesagt, die Windstromvergütung sei von Rot-Grün gesenkt worden. Das ist falsch. Sie wurde von Rot-Grün erhöht, genauso wie die Solarenergie-Vergütung. Der letzte Stand: Die Windstromförderung war 16,1 Pfennige und ist auf 17,8 Pfennige erhöht worden; Solar war 16,1 Pfennige und ist auf 99 Pfennige erhöht worden, Biomasse war bei 14,3 und ist auf 20, 18 oder 17 Pfennige erhöht worden – je nach Größenordnung der Kraftwerke –, Wasser war bei 14 oder 11,6 Pfennige und ist jeweils erhöht worden. Wenn Sie derartige Behauptungen aufstellen, sollten Sie das vorher nachprüfen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Runge (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist so schon richtig.

Frau Paulig hat behauptet, dass die CO2-Emissionen seit 1990 in Bayern gestiegen seien. Das ist richtig. Sie sind aber auch in allen anderen westdeutschen Ländern gestiegen. Der Rückgang auf Bundesebene trifft nur wegen des Effektes in Ostdeutschland zu, wo eine Menge alter Kohlekraftwerke geschlossen wurden oder die Kraftwerke Rauchgasreinigungsanlagen bekommen haben. Wer früher drüben war – ich war öfter dort –, weiß, wie die Luft dort war. Das ist der Effekt. Darum ist das kein bayernspezifischer Effekt. Deswegen sollte man ihn nicht auf diese Weise in die Debatte einführen.

Die vorletzte Bemerkung, die ich machen will: Dass Sie das Stromeinspeisungsgesetz ausschließlich der neuen Regierung zurechnen wollen, ist falsch. Es gibt aber ein paar Zusammenhänge. Es wurde seinerzeit von der CSU entwickelt – das wird uns im Bundestag des öfteren vorgehalten – und 1990 durchgesetzt. Man hat damals mit 50 Millionen DM pro Jahr an Mehrkosten kalkuliert, die erträglich sind und die, weil die Summe nicht hoch war, von der EU akzeptiert waren. Es war allgemeine Meinung, das sei keine Wettbewerbsverzerrung. Das Ganze hat sich erheblich stärker entwickelt als geplant war. Die Förderung ist auf über 700 Millionen DM im Jahr 1999 gestiegen, und das Stromeinspeisungsgesetz-Modell war aus Gründen des Verfassungsrechts – Stichwort „Kohlepfennig“ – und wegen EU-Rechtsproblemen nach Meinung aller reformbedürftig. Die Rechtsunsicherheit

ist durch das EEG nicht beseitigt worden, sondern wegen des Volumens, das angestrebt wird, deutlich erhöht worden.

Das ist der Grund, warum sich die EU-Kommission die Prüfung gemäß dem Beihilferecht vorbehalten hat. Das ist auch der Grund, warum wir der Meinung sind, dass das Gesetz eine Menge Investitionen auslösen kann, die so nicht auf Dauer finanziert werden könnten, wie das geplant ist. Deswegen ist es doch relativ stark auf Sand gebaut. Wenn die EU-Kommission das genauso prüft, wie andere Beihilfen geprüft werden, wissen Sie, was herauskommt.

Letzter Punkt, Herr Kollege Kaiser, damit das nicht falsch angekommen ist: Ich sage nicht, dass Frankreich seine Marktschottung von Anfang an mit dem zunehmenden Subventionsstrom bei uns begründet habe. Sie wurde auf andere Weise begründet. Aber dem Druck, den Frankreich Richtung Öffnung bekommt, begegnet es mit dem Argument: Was sollen wir tun, wenn in Deutschland der regulierte und subventionierte Markt auf bis zu 40% neu aufgebaut wird? Dann kann man von uns nicht die volle Liberalisierung verlangen. In dieser Hängepartie läuft zur Zeit die Debatte. Das war meine Feststellung, das wollte ich zur Liberalisierung noch sagen.

Ansonsten glaube ich, dass die Debatte zur Energiepolitik insgesamt mit dem Anspruch auf langfristig tragfähige, wettbewerbsfähige und innovative Lösungen geführt werden muss. Was heute mit dem Ausstieg aus der Kernenergie, der Notwendigkeit, viele konventionelle Kraftwerke stillzulegen und dem riesigen Ausbau des subventionierten Marktes gemacht wird, in dem keine Innovationspotenziale stecken, halte ich für keine tragfähige Konzeption.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich lasse über die Dringlichkeitsanträge abstimmen, die mitberaten wurden. Zunächst lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 14/4449 abstimmen. Die CSU-Fraktion hat hierzu während der Aussprache einen Änderungsantrag gestellt. Nachdem die SPDFraktion mit den vorgeschlagenen Änderungen einverstanden ist, stelle ich den Dringlichkeitsantrag jetzt in der geänderten Fassung zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag mit den vorgeschlagenen Änderungen zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und der CSU. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. So beschlossen. Kollege Hartenstein (fraktionslos) ist nicht anwesend.

Ich lasse über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 14/4450 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich ebenfalls um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Dringlichkeitsantrag ist abgelehnt.

Nun lasse ich noch über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 14/4451 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Dringlichkeitsantrag ist damit angenommen.

Damit ist Tagesordnungspunkt 1 erledigt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2

Haushaltsplan 2001/2002; Einzelplan 06 für den Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen

Im Ältestenrat wurde für die Aussprache eine Redezeit von einer Stunde 30 Minuten festgesetzt. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 42 Minuten, auf die SPDFraktion 30 Minuten und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 18 Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Als erste Rednerin hat Frau Kollegin LochnerFischer das Wort. Bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin! Bevor wir heute in die Beratung des Einzelplans 06 – Finanzverwaltung – einsteigen, möchte ich im Namen meiner Fraktion und wohl auch im Namen der anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses unseren Finanzbeamtinnen und Finanzbeamten für ihre Arbeit herzlich danken; denn ohne ihre Arbeit und ihren unermüdlichen Einsatz könnten wir hier beschließen, was wir wollten – das Geld dazu wäre nicht da.

(Beifall bei der SPD und bei der CSU)

Dies zur Frage, warum diese Beamtinnen und Beamten so wichtig sind und warum wir als SPD keinerlei Verständnis dafür haben, dass gerade der Einzelplan 06 permanent und leider auch weiterhin das Stiefkind jeder Haushaltsberatung ist; denn daran hat sich überhaupt nichts geändert. Ich hätte dies heute den Ministern in das Stammbuch geschrieben, doch sie sind – mit einer Ausnahme – nicht anwesend. Vielleicht sorgt Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser dafür, dass sie das Protokoll bekommen.

Wenn es im Kabinett Auseinandersetzungen über den hohen Personalanteil im Einzelplan 06 gibt, frage ich mich schon, ob den anderen Ministern nicht klar ist, dass die Finanzverwaltung hauptsächlich aus Menschen besteht und nur diese Menschen für Steuereingänge sorgen. Es bringt uns überhaupt nichts, wenn wir den Personalkostenanteil dadurch verändern, dass im Einzelplan 06 möglichst viel gebaut wird oder – ähnlich wie im Hochschulhaushalt – die Investitionskosten, mit denen man immer toll prahlen kann, in die Höhe schnellen, und dann die Leute auf der Strecke bleiben, die eigentlich arbeiten und dafür sorgen, dass das Geld tatsächlich eingeht.

(Starzmann (SPD): Der Minister telefoniert draußen, man sollte ihn hereinzitieren – Unmöglich!)

Danke für diesen Hinweis. Ist es möglich, den Herrn Minister zu bitten, hereinzukommen?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin, Herr Dr. Rieger holt ihn eben herein. Sie können fortfahren.

Ich halte das Verhalten des Finanzministers nicht unbedingt für richtig, dass er gerade bei der Beratung seines eigenen Haushalts draußen bleibt.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Außerdem geht es nicht nur um seinen Haushalt, sondern auch um die Menschen, für die er als Minister Sorge zu tragen hat.

(Beifall bei der SPD)

Es hat mich ziemlich erschreckt, im Ausschuss erfahren zu müssen, dass hierbei Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser teilweise mit seinen eigenen Kollegen Schwierigkeiten habe.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Prof. Dr. Faltlhauser?

Frau Kollegin, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich die ganze Zeit und zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie nicht anwesend waren, in der Plenarsitzung war, jetzt 45 Minuten auf den Beginn der Beratungen des Einzelplans 06 gewartet und jetzt gerade mit einem Bürger in einem dringenden Anliegen telefoniert habe?

(Zurufe von der SPD – Glocke des Präsidenten)