Protokoll der Sitzung vom 18.10.2000

(Hofmann (CSU): Abwarten!)

Damals, vor der Klage, haben Sie auch gesagt: abwarten. Was aber bei der Klage herauskam, war für Sie doch eher eine Ohrfeige. Immerhin haben wir jetzt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.1999. Dieses Urteil gibt eine Linie für ein Maßstäbegesetz vor, und das Gericht hat auch einen Zeitpunkt gesetzt. Jetzt erleben wir, dass dieser Zeitpunkt sehr eng gesetzt ist, denn bis zum 31.12.2002 muss das Maßstäbegesetz vorliegen.

(Hofmann (CSU): Das reicht auch!)

Herr Hofmann, wenn Sie sich in diese komplexe Materie einarbeiten, dann werden Sie sehen, dass die Aufgabe nicht so leicht zu erledigen ist. Vor allem muss eine Lösung gefunden werden, die alle mittragen können. So ist das nun mal. Man kann nicht immer einfach sagen: Wir haben Recht, und wir setzen alles durch, alles was uns nützt, müssen die anderen ertragen. Viele der Gesetze, die alle Bundesländer und den Bund betreffen, müssen einvernehmlich geregelt werden.

Wir müssen dieses Gesetz also bis 2005 verabschiedet haben. Einen Konsens gibt es schon einmal in einer Sache, die unumstritten ist: Die neuen Bundesländer bedürfen einer besonderen Unterstützung. Das bestreiten weder Sie noch die anderen Bundesländer, und das bestreitet auch der Bund nicht. Aus unserer Sicht ist auch klar, die Länder müssen in die Entwicklung des Referentenentwurfs eingebunden werden. Das ist keine Frage. Sie kennen die anderen Länderminister doch gut genug. Das hat nichts mit Parteizugehörigkeit zu tun.

Die Länder werden einer Umschichtung zugunsten des Bundes nicht zustimmen. Sie haben selbst gesehen, wie das im Juli im Bundesrat ablief, als es um die Steuerreform ging. Damals war den einzelnen Bundesländern, auch denen der CDU, das eigene Hemd näher als der Rock des anderen.

Im Prinzip geht es doch hier um eines und das ist in der Tat der Hauptknackpunkt: Wie schaffen wir Anreize für Nehmerländer und auch für Geberländer, ihre Einnahmesituation zu verbessern? Hierzu gibt es eine Reihe von Vorschlägen.

Jetzt komme ich noch einmal zu Ihnen, Herr Hofmann. Von grüner Seite aus wurde schon Anfang der Neunzigerjahre darüber diskutiert, dass wir im Länderfinanzausgleich solche Anreize schaffen müssen, weil nämlich zum Beispiel die Lust, Steuerfahndung und Betriebsprüfung zu verstärken, bei den Ländern nicht sehr ausgeprägt ist, wenn ihnen von den Mehreinnahmen nur eine Mark von 100 Mark bleiben würde, wie es zum Beispiel in Bremen und im Saarland der Fall ist. Also muss man hier etwas tun. Hierzu gibt es viele wissenschaftliche Ausarbeitungen, aber es krankt daran, dass man sich zumindest im Moment auf keinen dieser Entwürfe einigen konnte. Aber ich bin zuversichtlich, dass da eine Einigung kommen wird, und ich rate Ihnen, dann nicht mit so einem Antrag daherzukommen, in dem Sie Altbekanntes wiederholen, sondern dass Sie uns dann wirklich Ihren Vorschlag, so wie Sie ihn ausgearbeitet haben – ich meine jetzt nicht den Vorschlag, der sich an den Lichtblau/Huber/Vorschlag anlehnt, sondern Sie kündigen dauernd an, dass Sie noch etwas anderes in der Tasche haben –, vorlegen. Ich fordere Sie also auf, uns dies vorzulegen, und dann reden wir darüber.

Aber ich sage Ihnen auch: So, wie Sie im Bundesrat und generell bundesweit auftreten, machen Sie sich keine Freunde und gewinnen Sie auch keine Unterstützung. Herr Staatsminister Huber, da hilft auch Ihre neue Imagekampagne für 8 Millionen DM nichts; denn es hängt von Ihrem Auftreten und auch von der Redlichkeit ab. Wissen Sie, Länderfinanzausgleich heißt, man muss sich auch ehrlich mit den Notlagen der anderen auseinander setzen, so wie sich die anderen Bundesländer in der Vergangenheit auch mit der Notlage Bayerns auseinander gesetzt haben, als wir nicht unbeträchtliche Summen aus dem Länderfinanzausgleich bekommen haben.

Ich bitte bei diesem komplexen und ernsten Thema wirklich um eine sachgerechte Diskussion. Sie sollten hier nicht ständig einen so unwürdigen Schlagabtausch führen, bei dem Sie immer mit der Intention auftreten: Bayern vorn, wir können alles am besten und die anderen können nichts! – So geht es nicht und so kommt man auch nicht vorwärts.

Also noch einmal: Unsere Fraktion wird dem Antrag der SPD zustimmen, weil das der Antrag ist, über den gegenwärtig abgestimmt werden kann. Ihren Antrag lehnen wir ab, weil er wieder eine reine Showeinlage ist. Herr Faltlhauser, legen Sie uns Ihre neuen Vorschläge vor, dann werden wir sie auch im Haushalts- und Finanzausschuss diskutieren und unsere Vorschläge dazu einbringen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Um das Wort hat Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser gebeten.

Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministe- rium) : Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aussprache über die Dringlichkeitsanträge von Opposition und Mehrheitsfraktion wäre meiner Ansicht

nach eine Chance für die Oppositionspartei in diesem Haus, bayerische Interessen zu unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Strasser verweist uns darauf, wir sollten doch zu Herrn Diepgen gehen und mit ihm reden. Herr Diepgen vertritt seine Berliner Interessen. Wir haben bayerische Interessen zu vertreten und Sie als Opposition sollten auch bayerische Interessen vertreten.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wäre die Chance für Sie, in diesem Haus endlich zu beweisen, dass Sie in ein bayerisches Parlament und nicht in ein Berliner Parlament gewählt worden sind.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist richtig, wenn Sie feststellen, dass die Bayerische Staatsregierung, die Regierung von Baden-Württemberg, die Regierung von Hessen und eigentlich auch die Regierung von Nordrhein-Westfalen gegenwärtig bei den Zusammenkünften der Ministerpräsidenten ebenso wie bei den Zusammenkünften der Finanzminister der Länder nicht die Mehrheit haben. Das ist verständlicherweise schwierig, weil es dabei um sehr viel Geld geht. Aber gerade weil das so ist, wäre dieses gesamte Parlament stark, wenn die Opposition einsehen würde, was bayerische Interessen sind.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Mehrlich (SPD))

Meine Damen und Herren, wenn Sie sich auf die Zahlen konzentrieren, werde ich Sie sicherlich überzeugen können. Das, was Herr Strasser sagt, ist natürlich richtig, wenn er darauf verweist, dass der Freistaat Bayern in der Nachkriegsgeschichte ebenfalls Empfängerland war. Wir sind nach wie vor sehr dankbar dafür, dass wir diese Mittel bekommen haben. Diese Mittel haben uns geholfen, aus einem Agrarstaat zu einem modernen Industrieund Technologiestandort zu werden. Das ist wichtig und das will ich eingangs feststellen.

Wir haben bis zum Jahre 1993 insgesamt, zusammengezählt in der ganzen Nachkriegsgeschichte, 6,7 Milliarden DM erhalten. Ich wiederhole: 6,7 Milliarden DM. In den Jahren bis 1996, also in den ersten drei Jahren, haben wir unsererseits insgesamt 6,1 Milliarden DM in den horizontalen Finanzausgleich einbezahlt, im Jahre 1997 allein 3,1 Milliarden DM, im Jahre 1998 2,9 Milliarden DM, im Jahr 1999 3,2 Milliarden DM, das heißt insgesamt, seitdem wir zum Zahlerland geworden sind, ohne das gegenwärtig laufende Jahr, 15,3 Milliarden DM. Das heißt, wir haben in der Zwischenzeit schon weit mehr als das Doppelte in den horizontalen Finanzausgleich zurück bezahlt, als wir in der ganzen Nachkriegsgeschichte bekommen haben.

Insofern brauchen wir als Freistaat Bayern nicht in Sack und Asche daherzugehen. Wir haben bereits sehr, sehr viel zurück bezahlt.

(Zuruf des Abgeordneten Mehrlich (SPD))

Das ist, Herr Kollege, meiner Ansicht nach auch das Sinnvolle des Finanzausgleichs: Hilfe zur Selbsthilfe. Wir haben Geld bekommen und etwas daraus gemacht.

Vergleichbar, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zum Beispiel das Land Niedersachsen. Das Land Niedersachsen hat ebenso wie der Freistaat Bayern vom ersten Tag der Nachkriegszeit aus dem horizontalen Finanzausgleich Geld, anfangs auch in ähnlicher Größenordnung, bekommen. Was ist dort geschehen? Das Land Niedersachsen bekommt diese Größenordnung bis heute. Es hat nichts daraus gemacht. Bayern hat etwas daraus gemacht. Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CSU)

Wenn ich schon bei den Zahlen bin, darf ich etwas hinzufügen, und das ist auch von Bedeutung im Hinblick auf die Aktualität, die von Frau Kellner bezweifelt wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Jahr 2000 ist glücklicherweise auch ein Jahr, in dem wir Steuermehreinnahmen zu verzeichnen haben. Der Freistaat Bayern hat gute Steuermehreinnahmen im laufenden Jahr, zumindest bis zum Monat Juli – seitdem gibt es einen nicht erklärlichen Einbruch. Aber von 100 DM zusätzlichen Steuern bekommen wir in diesem Jahre bestenfalls 15 DM in unsere Kassen. Der Rest wird in den Finanzausgleich geschoben. Warum? Weil die Steuermehreinnahmen außergewöhnlich asymmetrisch sind. In Bayern ist die Wirtschaft aufgrund der politischen Rahmenbedingungen der Bayerischen Staatsregierung hervorragend. Wir haben ein höheres Wachstum, wir haben eine geringere Arbeitslosigkeit, wir haben bessere Rahmenbedingungen. Deshalb haben wir auch mehr Steuereinnahmen. Aber andere Länder haben ein Minus, haben Null, haben plus 1%. Deshalb bleiben uns von 100 Mark Lohnsteuer zusätzlich bestenfalls 15 Mark. Das bedeutet – und darauf will ich jetzt hinaus –, dass wir nach meiner Hochrechnung in diesem Jahr deutlich mehr als 4 Milliarden DM an Finanzausgleich bezahlen werden.

Das ist noch nicht alles. Ich will den Mehrwertsteuer-Vorwegausgleich gar nicht hinzurechnen. Dazu müssen Sie 1,25 Milliarden DM für den Fonds Deutsche Einheit rechnen. Das ist auch ein spezifischer Finanzausgleich.

Wenn wir dann also 4,3 oder 4,4 Milliarden DM für den Finanzausgleich plus 1,25 Milliarden DM für den Fonds Deutsche Einheit bezahlen, kommen wir auf einen Betrag, Herr Kollege – jetzt passt er wieder nicht auf. Wenn es interessant wird, passt er nicht auf,

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Der passt schon auf!)

lieber Kollege in der Größenordnung von 10% unseres Haushaltsvolumens, den wir in diesem Jahr an andere Länder bezahlen.

(Zuruf von der CSU: Wahnsinn!)

Sich dann von anderen Ländern und Politikern vorwerfen lassen zu müssen, wir seien unsolidarisch, das ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CSU)

Genau deshalb brauchen wir auch Ihre Unterstützung. Ihre Solidarität im Gespräch mit anderen Ländern wäre nutzbringend.

(Sackmann (CSU): Genau!)

Ihre Solidarität im Gespräch mit der Bundesregierung wäre nutzbringend.

(Sackmann (CSU): Sehr gut!)

Ich rufe Sie zur Mithilfe auf und nicht zur Solidarität mit den anderen, die uns das Geld wegnehmen.

(Beifall bei der CSU – Sackmann (CSU): So ist es, genau!)

Ich will noch etwas weiter zurückblenden. Auf der Regierungsbank sitzt mein Vorgänger Erwin Huber.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich habe das genau beobachtet. Erwin Huber hat in der Frage des Finanzausgleichs lange Zeit politisch gerungen, mehr noch: Er hat gemeinsam mit seinem badenwürttembergischen Kollegen Mayer-Vorfelder ein Konzept vorgestellt, das vor allem darauf abzielt, dass es sich durch Anreize langfristig gewissermaßen lohnt, Steuermehreinnahmen im eigenen Land zu produzieren. Gleichzeitig hat er mit Herrn Mayer-Vorfelder festgelegt, dass in einer langen Übergangszeit von sage und schreibe 50 Jahren den anderen Ländern nichts weggenommen wird.

Angesichts dieses Vorschlags ist es ein ungeheuerlicher Vorgang, dass andere Länder gesagt haben: Bayern und Baden-Württemberg wollen uns finanziell an die Gurgel gehen. – Keine Mark sollte weggenommen werden. Es sollte eine Bestandsgarantie für 50 Jahre geben, aber auch Anreizeffekte im System. Das war der Grundvorschlag.

Aber über diesen Vorschlag wollte absolut niemand von den Nehmerländern diskutieren. Das politische Gespräch wurde verweigert – das muss ich der historischen Wahrheit wegen sagen. Erst dann haben wir uns nicht mehr zu helfen gewusst und sind vor das Verfassungsgericht gegangen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))