Das Bundesverfassungsgericht – das war der nächste Schritt, Frau Kollegin Kellner – hat dann etwas vorgestellt, was im Grunde von rationaler Klarheit war. Für einen neuen Finanzausgleich sind Verteilungskriterien möglichst rational festzulegen. Also nicht zuerst rechnen und dann irgendetwas gewissermaßen als Erklärungs
mantel darüber werfen. Zuerst muss das Maßstäbegesetz kommen und dann im zeitlichen Versatz von zwei Jahren erst das Finanzausgleichsgesetz, damit das wirklich gerecht und klar wird.
Der gegenwärtige Zustand, Frau Kollegin Kellner, ist das Gegenteil dessen, was das Bundesverfassungsgericht fordert. Die so genannten Nehmerländer, die sich, gleichgültig welcher Parteizugehörigkeit, im Hannoveraner Kreis zusammengefunden haben, rechnen fleißig und sagen: Aufrechterhaltung der bestehenden Zustände. Alles, was das Bundesverfassungsgericht gesagt hat, interessiert uns nicht. Wir wollen unser Geld behalten und möglicherweise sogar mehr Geld von den Geberländern haben. Das ist der Punkt. Sie rechnen zuerst, und hinterher wird ein Erklärungsmechanismus über diese Zahlen gezogen als eine Art „rationaler Zuckerguss“. Das hat das Bundesverfassungsgericht gerade nicht gewollt, und deshalb ist diese Vorgehensmethode meiner Ansicht nach in hohem Maße fragwürdig.
Dazu gibt es natürlich auch das Problem der Bundesregierung. Frau Kollegin Kellner, da können Sie sich beweisen oder meinetwegen auch der neue Parteivorsitzende der SPD in Bayern – wenn er da wäre. Er könnte zu seinem Freund Schröder hingehen, den er, wie er darlegte, vor kurzem besonders gnädig gesehen hat und freudig erstarrt war, weil der Bundeskanzler ihm die Hand gegeben hat.
(Oh-Rufe von der SPD – Gartzke (SPD): Vom Stoiber brauchen wir keine Hand! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schönes Bild!)
Das Bild freut Sie? Mich freut es auch. Ich stelle mir vor: Hoderlein kommt unterwürfig in den Dunstkreis des Bundeskanzlers.
Der Bundeskanzler ist gnädig genug, ihm die Hand zu reichen, und Hoderlein zerschmilzt vor lauter Gerührtheit. Das ist ein wunderschönes Bild.
und untertänigst dem Bundeskanzler entgegentreten und von ihm fordern: Auch wir Bayern wollen Gerechtigkeit im Finanzausgleich.
Der Sachverhalt ist der, liebe Kolleginnen und Kollegen: Der Bundesfinanzminister hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, in dem die Zielsetzung klar ist: Der Bund will von seinen 26 Milliarden DM vertikalen Finanzausgleich, von
seinen Ergänzungszuweisungen erkennbar nach unten. Wenn er seine Bundesleistungen um 2 oder 3 Milliarden DM, so schätzen wir, abschmilzt, wer soll das dann bezahlen? Bremen etwa oder das Saarland oder Niedersachsen oder wer? Das sollen dann die Baden-Württemberger, die Hessen und die Bayern bezahlen,
Ich kann Sie nur auffordern – das wäre eine Aufgabe für Herrn Hoderlein und die ganze SPD-Fraktion –,
uns auch gegenüber der Bundesregierung zu helfen, dass sie bei dem bleibt, was bisher bezahlt wurde.
Das steht auch im Antrag der SPD, das ist lobenswert, weil es aus dem Antrag in der Finanzministerkonferenz übernommen wurde. Aber das dürfen Sie nicht nur hier in einen Antrag hineinschreiben, sondern das müssen Sie auch mit Tapferkeit vor dem Freund in Berlin sagen. Das ist Ihre Aufgabe.
(Wörner (SPD): Das kommt doch einer Schmierenkomödie gleich, was Sie da aufführen! – Zuruf der Frau Abgeordneten Kellner (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN))
dass sie uns noch in zwei entscheidenden Punkten hilft. Erstens: Der Bund hat gemeinsam mit anderen Ländern die Absicht, den Anteil der Kommunen an der Zumessung der Finanzkraft, heute 50%, nach oben zu setzen mit dem Ziel 100%. Der Freistaat Bayern hat gesunde und finanzstarke Kommunen. Wenn diese in die Bemessung der Steuerkraft eingebracht werden, heißt das, dass Bayern in massivster Weise draufzahlt. Wir haben uns das ausgerechnet. Dann zahlen wir auf das, was ohnehin schon zu zahlen ist, obendrein noch einmal 1,3 Milliarden DM. Das muss unter allen Umständen verhindert werden.
Gehen Sie zu Ihren SPD-Kollegen, gehen Sie zum Bundeskanzler und zu Herrn Finanzminister Eichel und sagen Sie: 50% für Bayern ist das Einzige, was verträglich ist. Helfen Sie uns dort, das ist meine Bitte Nummer eins. Da können Sie beweisen, dass Sie weiß-blau sind.
Sie sind zwar gerade gekommen, Herr Kollege Werner, und wissen wahrscheinlich gar nicht, worum es jetzt geht. Aber Sie sind fleißig im Zwischenrufen.
Es geht vor allem um die langfristige Anreizwirkung, die schon in der Konzeption Mayer-Vorfelder/Huber mit angelegt war. Wenn es so ist, dass wir vernünftigerweise sagen: Wir können nicht die haushaltsmäßigen Grundlagen anderer Länder von heute auf morgen durch eine Neuordnung wegnehmen – das ist selbstverständlich, das haben wir auch immer gesagt, wir haben auch immer gesagt, der Solidarpakt muss verlängert werden, da gibt es verfälschende Märchen –, muss man die Rationalität der langfristigen Entwicklung fördern.
Dann muss ein Anreiz vorhanden sein, damit es sich rentiert, Industrie anzusiedeln und eine gute Politik zu betreiben. Eine gute Politik eines Landes muss sich im finanziellen Ergebnis niederschlagen. Das ist das Entscheidende. Deshalb werde ich keinem Antrag zustimmen, weder hier noch sonst wo, in dem das Anreizsystem als zwingende Forderung nicht aufgenommen ist. Das ist die Kernbedingung, meine Damen und Herren.
Es hat doch keinen Wert, wenn von 100 DM zusätzlichen Steuereinnahmen, welche beispielsweise das Saarland durch eine Industrieansiedlung gewinnt, 1,30 DM eigenen Geldes verbleiben und fast 99 DM durch das Umverteilungssystem wieder weggenommen werden. Soll das ein Anreiz für Leistung sein? Das ist leistungsbekämpfend und nicht zuletzt: Die Wissenschaftler sagen uns, dass eine derartige Leistungsbekämpfung das Wachstum in unserem Land insgesamt dämpft. Wir verzeichnen Wachstumsverluste von bis zum einem Prozent, weil wir kein Anreizsystem haben, sondern ein Umverteilungssystem, welches endlich beendet werden muss.
Ich fasse zusammen. Frau Kollegin Kellner, es ist sehr wohl aktuell, dass heute dieses bayerische Parlament mit einer Stimme in Richtung Berlin und in Richtung der Nehmerländer spricht: Nehmt das Verfassungsgerichtsurteil ernst, und dreht die Tendenz dieses Urteils nicht um. Nehmt die Interessen der Geberländer und den Fleiß ihrer Bürger ernst. Schließlich, gestaltet einen
Finanzausgleich, der langfristig Leistung belohnt. Wenn Sie uns dabei helfen, werden Sie bayerische Oppositionspolitikerin.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, wir würden Ihnen empfehlen, nicht immer wieder vom Rednerpult aus uns in oberlehrerhafter Manier Ratschläge zu erteilen, was wir zu tun haben.
Wir Sozialdemokraten wissen Bescheid, und unsere Interessen werden bestens in Berlin vertreten, lieber Herr Minister.