Die bayerische Wirtschaft hat stark an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Die Exportquote im verarbeitenden Gewerbe ist allein in den letzten fünf Jahren von 32,9% auf über 38% gestiegen. Wir brauchen eine konsequente Verbesserung der Infrastruktur bei Bildung, Forschung, Entwicklung, Technologietransfer und Telekommunikation. Wir brauchen neue Produkte, neue Märkte, neue Betriebe, neue Investitionen und neue Arbeitsplätze. Dazu gibt es in Zeiten des Strukturwandels keine Alternative. Die Kapitulation vor der Arbeitslosigkeit war für uns noch nie ein Thema. Dies soll mit einem ZehnPunkte-Aktionsprogramm für Wirtschaft und Standort gestützt werden. Dies sind die Hauptbetätigungs– bzw. Hauptkampffelder für die Wirtschaftspolitik:
Erstens. Bei zukunftsweisenden Spitzentechnologien geht es darum, internationale Spitzenpositionen zu bekommen und zu halten. Das gilt für die Informations– und Kommunikationstechnik, für Life Sciences, für neue Werkstoffe, für Umwelttechnik, für Medizintechnik und für die Mechatronik. Deshalb werden diese Felder durch die Hightech-Offensive nachhaltig gestärkt. Dies wird durch den Ausbau der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung, durch Forschungsverbundprojekte und durch neue technologieorientierte Gründerzentren gezielt gefördert. Außerdem wird es weitere Kapitalausstattungen durch Venture-Capital geben.
Nach einer EUROSTAT-Studie weist Bayern unter allen Regionen Europas mit 12,4% heute bereits den höchsten Anteil an Beschäftigten im Hochtechnologiesektor auf. Hinter diesen Zahlen stecken Beharrlichkeit und gezieltes finanzielles Engagement über Jahre hinweg. Über die Offensive Zukunft Bayern I und die HightechOffensive wurden erhebliche Mittel zur Förderung von Forschung, Grundlagenforschung, anwendungsorientierter Forschung, für den Technologietransfer, für das Risikokapital, für gemeinsame Projekte von Wissenschaft und Wirtschaft und für alles, was zur technologischen Innovation beiträgt, mobilisiert. Auch das Programm für technologieorientierte Unternehmensgründungen mit Fördermitteln von nur 26 Millionen DM hat seit dem Jahre 1996 immerhin 140 Unternehmensgründungen mit einem Investitionsvolumen von über 75 Millionen DM angeregt.
Die Risikokapitalgesellschaft Bayern-Kapital in Landshut hat inzwischen fast 100 Beteiligungen mit einem Volu
men von rund 150 Millionen DM. Da wir uns daran jeweils mit einem Privatinvestor sowie der tbg beteiligt haben, wurden rund 450 Millionen DM an Finanzvolumen bewegt. Ein weiterer Fonds liegt auf. Über die Hightech-Offensive kommen weitere Mittel für Umwelttechnologie, für Medizintechnik und andere Sparten hinzu. Die Tatsache, dass wir heute nur mit privaten KoInvestoren investieren hat dazu geführt, dass sich heute 30 Venture-Capital-Gesellschaften in Bayern angesiedelt haben. Bayern ist der Schwerpunkt der Venture-Capital-Szenerie in Deutschland geworden. 25% des Venture-Capitals, das in Deutschland eingesetzt wird, wird in Bayern investiert.
Meine Damen und Herren, ich erinnere an Bayern Innovativ in Nürnberg, das den Technologie– und Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in beide Richtungen ausbaut. Inzwischen steht ein international aktives Netzwerk mit über 30000 Unternehmen und 120 wissenschaftlichen Institutionen. Auch das bringt Innovationsfähigkeit unter Ausnutzung der wissenschaftlichen Ressourcen insgesamt voran. Ich will darauf hinweisen, dass mehr als die Hälfte der Projekte der ersten Säule der HTO im Bereich meines Hauses mittlerweile auf den Weg gebracht worden sind. Auch die Regionaloffensive zur Stärkung der Technologiekompetenz in den Regierungsbezirken kommt planmäßig voran. Mit dem neuen Haushalt wird diese erfolgreiche Politik konsequent fortgesetzt.
Zweitens. Bayern setzt auf Existenzgründer. Existenzgründungen sind notwendig, um die Erneuerung der Wirtschaft und um den Ersatz von Arbeitsplätzen, die im Strukturwandel wegbrechen, kontinuierlich voranzutreiben. Durch die Gründeroffensive sind allein seit Verabschiedung des Beschäftigungspaktes 1996 rund 20000 neue Unternehmen mit rund 60000 Arbeitsplätzen entstanden. Wir haben heute im Vergleich zu 1993120 000 Selbstständige mehr als damals. Wir haben einen Bestand von 680000 Selbstständigen. Die Selbstständigenquote beläuft sich damit auf etwa 12,8%. Dies ist die höchste Quote aller Länder in Deutschland. Wir haben die Businessplan-Wettbewerbe in München und Nordbayern erfolgreich vorangetrieben. Aus diesen Businessplan-Wettbewerben sind bereits 135 Unternehmensgründungen entstanden. Wir werden diese Wettbewerbe ebenso wie die Coaching-Programme fortführen.
Die Information von Gründern über Beratungs– und Fördermöglichkeiten mit Hilfe moderner Medien läuft weiter. Das Netz der Gründerberater wird noch enger geknüpft. Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein paar Vergleichszahlen nennen: Bayern gibt knapp 3% des Bruttoinlandprodukts für Forschung und Entwicklung aus. Das Land Baden-Württemberg gibt dafür prozentual noch etwas mehr aus. Alle anderen Länder geben weniger aus. Bei den Patentanmeldungen im Deutschen Patentamt kamen im letzten Jahr 25,2% der Anmeldungen aus Bayern. Aus Baden-Württemberg kamen 22% der Patentanmeldungen. Die beiden Südländer stellen fast 50% der Patentanmeldungen. Der Rest verteilt sich auf das übrige Deutschland. Bei den Existenzgründern sind wir in Deutschland Spitze. Wir haben in Bayern die höchste Betriebsdichte. Außerdem haben wir die
höchste Lehrstellenquote. Deshalb sind wir auch die europäische Region mit der niedrigsten Jugendarbeitslosigkeit. 25% des in Deutschland eingesetzten VentureCapitals fließt nach Bayern. Wir haben auch mit 25% in Westdeutschland einen hohen Anteil bei den neuen Arbeitsplätzen. Die Zahlen haben alle etwas miteinander zu tun.
Drittens. In der Ansiedlungswerbung rücken wir unsere technologische und naturwissenschaftliche Kompetenz verstärkt in den Vordergrund. Die Attraktivität der Qualität von Forschung und Entwicklung, von beruflicher Bildung sowie von Wissen und Können sind die Schlüsselthemen. Mittlerweile sind insgesamt 537 amerikanische High-tech-Firmen und über 100 japanische Unternehmen in Bayern tätig. Die Tatsache, dass sich Firmen aus anderen Ländern längst in Bayern angesiedelt haben, ist ein Beweis dafür, dass diese Qualität und Standortattraktivität geschätzt wird. Seit Anfang 1999 konnten wir über 90 amerikanische Unternehmen ansiedeln. Zudem haben sich seither 22 japanische Unternehmen und über 100 Unternehmen aus der übrigen Welt in Bayern niedergelassen. Die meisten dieser Unternehmen werden von der Standortbetreuung des bayerischen Wirtschaftsministeriums betreut. Diese Serviceleistungen werden erwartet. Das Standortmarketing und die Investorenbetreuung erfolgt über eine Stabsstelle „Invest in Bavaria“, die mir unmittelbar zugeordnet ist. Damit können Entscheidungsprozesse schnell und zügig vorangetrieben werden.
Viertens. Bayern und die Staatsregierung bleiben Anwalt des Mittelstandes und der eigentümergeführten Unternehmen. Unsere Devise heißt: „Unterstützen statt belasten“. Das gilt auch für die Ordnungspolitik. Es gilt auch für die Steuer– und Abgabenpolitik. Ich bin gespannt, wie die rot-grüne Bundesregierung ihr Versprechen halten wird, die Lohnzusatzkosten bis 2002 auf unter 40% zu drücken. Wenn Sie dafür die Steuerbelastung in anderen Bereichen ausweiten, wird die Belastung lediglich verschoben aber nicht reduziert. Da können Sie dann leicht schöne Sprüche machen.
Das Motto „Unterstützen statt belasten“ gilt auch für die bayerische Handwerkspolitik. Mit 17% der Erwerbstätigen und 40% der Lehrlinge ist das Handwerk einer der Eckpfeiler der bayerischen Wirtschaft. Darum fördern wir Qualifizierung, Markterschließung und Berufsberatung im Handwerk mit 60 Millionen DM und bekennen uns klar zum Meisterprinzip und zum Großen Befähigungsnachweis. Es hat sich gezeigt, dass der Große Befähigungsnachweis die primäre Garantie für den Erfolg, die Fortführung und die Gründung von Betrieben, ist. Wenn Leute mit dem Meisterbrief Betriebe gründen und fortführen, gelingt dies mit Erfolg in 85% der Fälle. Wenn Betriebe ohne diese Qualifikation gegründet werden, liegt die Trefferquote nur noch bei 50%. Deshalb ist der „Meister“ Voraussetzung für eine erfolgreiche Existenzgründung und Betriebsfortführung. Der „Meister“ soll deshalb nicht begleitend nach einer Betriebsgründung erworben werden.
Die Überlegung, im Laufe von zehn Jahren nach der Betriebsgründung den „Meister“ zu machen, geht daneben. Damit wird auch das Privatvermögen derer gefährdet, die bei einer Gründung alles, was sie haben, als Sicherheit für aufgenommene Kredite verwenden müssen. Zur Sicherung der mittelständischen Strukturen im Handel haben wir die landesplanerischen und städtebaulichen Kriterien zur Beurteilung von Einzelhandelsgroßprojekten und FOCs verstärkt. Über weitere Punkte wird nachgedacht. Im Fremdenverkehr fördert die Staatsregierung Vermarktung und Vertrieb von Tourismusleistungen sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Angebots– und Servicequalität von Regionen mit jährlich 11 Millionen DM. Ich bedanke mich beim Haushaltsausschuss dafür, dass dem entsprechenden Antrag der CSU-Fraktion Rechnung getragen worden ist.
Wir haben der „Bayerntourismus Marketing GmbH“ damit die entsprechenden Mittel gegeben. Wir arbeiten daran, die Effizienz des Mitteleinsatzes zu erhöhen.
Ein wichtiges Instrument zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen bleibt das Mittelstandskreditprogramm. Allein von 1995 bis 1999 wurden damit mehr als 20000 Investitionsvorhaben mittelständischer Unternehmen, die Hälfte davon Existenzgründungen, mit einem Investitionsvolumen von rund 8,2 Milliarden DM gefördert. Das hat immerhin fast 30000 neue Arbeitsplätze ergeben. Die Inanspruchnahme der Mittelstandsförderung wurde durch die Haftungsfreistellung für Existenzgründer verbessert, die deutlich angehoben worden ist. Das Programm wurde auf Dienstleistungen und freie Berufe ausgeweitet. Das Mittelvolumen wird um 15 Millionen auf 90 Millionen DM aufgestockt, und wir erschließen mittelständischen Unternehmen durch die Einbindung des Mittelstandskreditprogramms in das neue Ziel-2-Programm auch Mittel der Europäischen Union.
Fünftens. Die Regionalförderung bleibt ein wesentliches Instrument, um nach wie vor bestehende wirtschaftliche Disparitäten im Land auszugleichen. Ich bin darüber froh, dass im Doppelhaushalt 2001/2002 für die Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur sowie von Unternehmensinvestitionen in diesen Gebieten 222 Millionen DM zur Verfügung stehen. Die Mittel sind knapp; das muss ich einräumen. Wir müssen sie nach strengen Kriterien vergeben. Dabei sind Mitnahmeffekte ohnehin ausgeschlossen. Mancher Fall, der es verdient hätte, kann nicht gefördert werden. Deshalb müssen wir diese Mittel dort einsetzen, wo sie am notwendigsten gebraucht werden.
Ich bedaure es, dass sich der Bund im Moment aus dieser Aufgabe immer mehr zurückzieht. Im nächsten Jahr kann Bayern aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ nur noch mit einem Bundesanteil von 24 Millionen DM rechnen. Das sind 40% weniger als 1997. Leider ist es der Bundesregierung nicht gelungen, die angemeldeten GA-Gebiete, die vom Planungsausschuss einstimmig beschlossen wurden, gegenüber der EU-Kommission durchzusetzen. Der Bundeskanzler hat es bei den Konferenzen in Köln und Berlin versäumt, hier rechtzeitig einzusteigen. Nachher war es leider zu spät.
Die Förderkonkurrenz aus den neuen Ländern und demnächst aus Tschechien gebietet es, dass wir den verbliebenen Förderspielraum gezielt für die Neuerrichtung und Erweiterung von Betrieben in den betroffenen Gebieten nutzen. Wir würden ein Programm benötigen, wie es beim Beitritt Spaniens etc. in den Grenzregionen aufgelegt worden ist. Ich hoffe, dass hier noch etwas vorangeht.
Sechstens. Wir setzen im Zeichen von Europäisierung und Globalisierung auch auf die Außenwirtschaft. Die Exporte der bayerischen Wirtschaft sind seit 1993 um fast 60% auf 154 Milliarden DM gestiegen. Auch der Exportanteil der Klein- und Mittelbetriebe ist gestiegen und erreicht fast ein Drittel. Wir fördern deshalb ganz besonders den bayerischen Mittelstand über unsere elf bayerischen Auslandsrepräsentanzen, über unsere Partnerschaften, die Auslandsmessen, Delegationsreisen, zinsgünstige Kredite, Bürgschaften und Garantien, über die Außenwirtschaftsberatung und über den Aufbau von Vertriebsstrukturen in Ländern außerhalb der Europäischen Union durch das Drittmärkteprogramm.
Die Vorbereitungen zur Gründung des Außenwirtschaftszentrums in Nürnberg laufen gut. Die Mittelausstattung durch die HTO ist hier ebenfalls gut.
Siebtens, Aus- und Fortbildung. Wir haben eine hervorragende Lehrstellenbilanz. Ich verweise auf die Ausführungen in der Vorlage auf den Seiten 16 und 17. Wir haben damit gleichzeitig die Möglichkeit, wie in BadenWürttemberg den jungen Menschen beste Berufsperspektiven zu bieten. Auch wenn die Zahl der Schulabgänger bis zum Jahr 2006 steigt, ist die Nachfrage heute nach Lehrlingen sehr stark. Der bestehende und sich noch steigernde Fachkräftemangel ist unübersehbar. Deshalb liegt es im eigenen Interesse der Betriebe, auf Vorrat auszubilden, um qualifiziertes Personal zu haben, auch wenn die Nachfrage nach Lehrplätzen nach 2006 zurückgeht und die Nachfrage nach Lehrlingen dann zwangsläufig steigt.
Wir setzen auch Schwerpunkte in der IT-Ausbildung, so mit der IT-Akademie Bayern in Augsburg und mit dem Virtuellen Campus Bayern in Hof. Für die wissensbasierte Ökonomie von morgen sind Investitionen in die Köpfe heute unerlässlich. Das ist nicht nur eine vornehme Aufgabe der Bildungs-, sondern auch der Wirtschaftspolitik. Hier gibt es Verflechtungen von Wirtschafts-, Wissenschafts- und Bildungspolitik, die so evident sind wie selten zuvor.
Achtens. Bayern braucht eine kontinuierliche Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Export braucht Transport. Daher ist es notwendig, die Verkehrsinfrastruktur nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern zu verbessern. Je stärker die Arbeitsteilung international zunimmt, je mehr einfachere Produkte in anderen Ländern hergestellt und uns zugeliefert werden, je mehr die internationale Vernetzung und der Export zunehmen, umso stärker sind die Bedürfnisse von Logistik und Transport. Dem wird man sich nicht entziehen können. Deshalb ist die dumme Polemik gegen den Lkw ebenso vordergründig wie falsch. Die Probleme des Transports löst man nicht
durch die Beschimpfung eines wesentlichen Wirtschaftsteils und durch dessen wirtschaftliche Benachteiligung.
Wenn die Aufgaben des Transports und der Logistik durch einheimische Transporteure und Speditionen nicht mehr gelöst werden können, werden sie von ausländischen Transporteuren und Speditionen gelöst; denn gelöst werden müssen sie. Wenn ausländische Transporteure bei uns billiger fahren, dann lösen sie inländische ab. Viele unserer Betriebe flaggen aus und gehen nach Tschechien oder anderswohin oder machen dort einen Betriebszweig auf. Ihre Lkws, die unseren Anforderungen, auch den ökologischen, genügen, stationieren sie dort und fahren sie mit billigen Kräften. Sie müssen dann Sozialvorschriften bei uns im Land nicht mehr beachten. Damit wandert volkswirtschaftliches Potential und Beschäftigung in andere Länder ab. Ich mache ein Fragezeichen dahinter, ob man das wollen kann. Daher halte ich die Forderungen unserer Betriebe, im nationalen und internationalen Wettbewerb mindestens so gestellt zu werden wie die französischen Transporteure, selbstverständlich für berechtigt. Man kann daher nicht immer nur auf die Angleichung der Sozialvorschriften verweisen, sondern muss auch auf die Mineralölsteuer, die Ökosteuer und all diese Punkte verweisen, weil dadurch die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wird.
Nur auf die Schiene zu verweisen hilft leider nicht weiter. Herr Mehdorn erklärt, dass die Bahn auf Strecken unter 100 oder 150 Kilometern nie wettbewerbsfähig sein wird. Herr Mehdorn sagt auch, dass die Bahn auf der Fernstrecke stärker eingesetzt werden soll. Dieser Meinung bin ich auch. In der Anlieferung von Gütern und im Transport im Nahbereich ist der Lastwagen eben unschlagbar. Daher hilft nur ein integriertes Transportsystem von Lkw, Schiene und vernünftiger logistischer Organisation; es hilft nur eine Verbesserung von Pünktlichkeit, Servicequalität und Lieferqualität der Bahn. Lediglich die Verteuerung des Transports auf der Straße nützt nichts, weil damit die Liefer- und Servicequalität des Transports auf der Schiene nicht hergestellt werden. Leider ist der Cargo-Bereich bei der Bahn am marodesten.
Daher muss hier am Stärksten investiert werden. Die Appelle, den Straßenverkehr überproportional zu belasten, sind ebenso kurzsichtig wie wirtschaftsschädlich wie dumm.
Wir fordern Investitionen in die Infrastruktur. Wir fordern den Ausbau der Strecke Augsburg – München, der bisher nur schleppend vorankommt. Wir fordern, dass die Strecke Nürnberg – Erfurt, die leider gekippt wurde, weiter ausgebaut wird. Ich ärgere mich fast täglich darüber,
dass sich das Neigetechnikprojekt Allgäu verzögert. Im Januar hatten wir eine Besprechung im Bundesverkehrsministerium, die in 20 Minuten beendet war, weil es hieß, es gebe kein Problem. Bis heute aber waren Bund und Bahn nicht in der Lage, einen unterschriftsreifen Vertrag für die Vorfinanzierung vorzulegen, obwohl die Mittel reserviert sind. Bei telefonischen Nachfragen werden einmal diese, einmal jene Gründe dafür angegeben. Mittlerweile beklagt sich die Bahn bei mir schon darüber, dass Anschreiben an das Eisenbahnbundesamt vom Juli dieses Jahres bis Oktober nicht beantwortet wurden. Wie soll man denn überhaupt weiterkommen, wenn das bei einem so einfach zu lösenden Problem schon nicht gelingt?
Ich hoffe, dass wir in absehbarer Zeit mit dem Bau der Strecke München – Mühldorf – Freilassing beginnen können und wir eine Finanzierung über die UMTS-Einnahmen erhalten. Das Neu- und Ausbauvorhaben München – Ingolstadt – Nürnberg liegt im Plan. Ich hoffe, dass wir bei der Vorfinanzierung der Strecke Augsburg – Ulm – Stuttgart in absehbarer Zeit zu einem Ergebnis kommen. Die Länder Bayern und Baden-Württemberg sind bereit, erhebliche Beiträge zu leisten. Das dient der Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, und das kann man nicht auf das Jahr 2010 oder auf noch später verschieben.
Wir haben in den letzten Jahren die Leistungen im Nahverkehr auf der Schiene um insgesamt 20% ausgeweitet. Das ist ein Umfang, wie das kaum ein anderes Land geleistet hat. Von den SPD- und GRÜN-regierten Ländern brauchen wir uns dabei gar nichts erzählen zu lassen. Sie sind mit den Ausweitungen der Schienen-Personen-Nahverkehrsleistungen in der Regel viel weiter hinten. Wir brauchen die Mittel, die hier zur Verfügung stehen, natürlich auch für die Infrastruktur, nämlich für moderne Fahrzeuge, aber auch für den Bau von Umsteigeanlagen, für den Bau von S-Bahn-, U-Bahn- und Straßenbahnstrecken und für den Bau von Schnittstelleneinrichtungen. Deswegen ist die Forderung, noch einmal 20 oder 30% mehr neue Zugkilometer zu bestellen, falsch. Das, was die Bahn defizitär im Fernverkehr betreibt, wofür der Bund verantwortlich ist, können wir nicht auf den Nahverkehr übernehmen.
Der neunte Punkt ist die Energiepolitik. Wir konnten uns darüber gestern ausführlich unterhalten. Deswegen will ich diesen Punkt gar nicht weiter ausführen. Wir werden aber weiter die Entwicklung regenerativer Energien vorantreiben. Wir haben unsere Förderprogramme der Förderung durch den Bund angepasst, der in manchen Bereichen zu Lasten der Stromkunden sehr stark eingestiegen ist. Wir fördern nicht doppelt, sondern steigen um auf die Förderung von Forschungs-, Entwicklungsund Pilotprojekten, auf wichtigen Gebieten der Energietechnologie, auf die Förderung kommunaler Konzepte zur Energieeinsparung und auf die Förderung von Solarkollektoren bei kommunalen und kirchlichen Antragstellern, für die der Bund nichts macht. Wir steigen verstärkt auf die Förderung von Wärmepumpenanlagen und auf die Erdwärmeerschließung um, weil auch dort der Bund
nichts macht. Als weiterer Förderschwerpunkt ins Auge gefasst sind Pilotvorhaben zur kommunalen Nahwärmeversorgung auf der Basis erneuerbarer Energien. Weiter wollen wir die Wasserstofftechnologie deutlich vorantreiben.
Der zehnte Punkt ist der Dialog zur zukünftigen Entwicklung – er muss verstärkt ein Instrument der Wirtschaftspolitik werden, auch wenn er es bisher schon war. Jeder weiß, dass das verfügbare Wissen in den nächsten Jahrzehnten zunehmen wird. Folgt man den Gutachtern, wird es um den Faktor 625 zunehmen. Das ist eine gigantische Zahl. Die technologischen Neuerungen allein werden immer mehr und komplexer. Wir haben A. D. Little aufgefordert, in einem Chancenpapier „Bayern 2020“ zu eruieren, welche Branchen zukunftsträchtig sind, welche Einflüsse und mögliche Entwicklungen es im Technologiebereich und welche Veränderungen es im Bereich der Produktion, des Exports und der Dienstleistungen geben wird. Wirtschaftspolitik kann heute nicht nur Sanierungspolitik sein. Wir müssen gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft vorausschauen, auf welche Entwicklungen wir uns einstellen müssen. Wir müssen sehen, wo die Chancen liegen, wo Potenziale ausgeschöpft werden können und auf welche Weise wir diese Entwicklung politisch begleiten und positiv beeinflussen können.
Dieses Chancenpapier „Bayern 2020“ ist auch die Grundlage für eine etwas andere Gestaltung des Branchendialogs, den wir seit Jahren mit den verschiedensten Branchen führen. Wir müssen uns nämlich auf die Entwicklungen einstellen und über die entsprechenden Fragen reden. Wir brauchen Reaktionen aus den Betrieben, wie die Entwicklungen dort eingeschätzt werden und wir brauchen die Reaktion aus der Wissenschaft, mit welchen Überlegungen man sich dort auseinandersetzt.
Ich weiß, dass sich auch die SPD-Fraktion mit diesem Papier gründlich befasst hat. Das entnehme ich zumindest einem Thesenpapier, das von ihr vorgelegt wurde, welches auch einige Aussagen aus diesem Chancenpapier enthält. Das begrüße ich auch. Die Auseinandersetzung mit diesem Thema ist notwendig und richtig, wenn man den Entwicklungen nicht nur nachlaufen, sondern auch Chancen wahrnehmen will, wie es immer ein Markenzeichen der bayerischen Wirtschaftspolitik in den letzten Jahrzehnten war. Schließlich ist es auch unsere Aufgabe, dort Korrekturen oder Reparaturen vorzunehmen, wo unangenehme Entscheidungen getroffen werden. Bayern ist nicht umsonst vom Land, das nach 1949 die rote Laterne getragen hat, zum führenden Land in der Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik geworden. Wir sind nicht umsonst vom Nehmerland im Finanzausgleich zum Geberland geworden. Deswegen ist dieser Dialog bei veränderten Bedingungen des Wirtschaftens in Europa und auf internationaler Ebene zwingend notwendig. Wir sind eine Region, in der durch entsprechende politische Anreize und Anstöße Entwicklungen positiv beeinflusst werden können.
Am Übergang ins 21. Jahrhundert stehen die Unternehmen in Bayern, die Wirtschaftspolitik und der Freistaat Bayern als Standort vor großen Chancen, aber auch vor großen Herausforderungen. Wir stehen insgesamt in der Bewährung. Im beschleunigten Strukturwandel bleibt
beschleunigte Modernisierung eine Daueraufgabe. Die enormen Chancen der Globalisierung müssen gemeinsam entschlossen ergriffen werden, die Risiken müssen soweit wie möglich eingedämmt und abgefedert werden. Durch die Osterweiterung der Europäischen Union werden wir zudem wieder europäisches Kernland. Das bringt auch wirtschaftliche Chancen. Die Zuwächse in der Außenwirtschaft mit den Beitrittsländern sind sprunghaft gestiegen. Die Osterweiterung bringt aber auch Risiken. Um strukturelle Verwerfungen durch den Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder zu vermeiden, brauchen wir nicht nur vernünftige Übergangsregelungen bei Dienstleistungsfreiheit und Arbeitnehmerfreizügigkeit. Wir müssen uns auch gegen die neue Niedriglohnkonkurrenz wappnen. Hier steht auch EUKommissar Verheugen, der mit den Verhandlungen beauftragt ist, in der Verantwortung. Wir führen mit Tschechien und Ungarn einen Dialog über Fragen des Beitritts und über die Probleme und Chancen, die auf beiden Seiten bestehen. Denn auch auf diese Weise können wir mehr Klarheit über die Chancen und Risiken schaffen, denen beide Seiten ausgesetzt sind.
Wir schaffen mit einer offensiven Wirtschaftspolitik die besten Voraussetzungen dafür, dass Wirtschaft, Staat und Gesellschaft diese Bewährungsprobe erfolgreich bestehen. Bayern ist wie wenige andere Länder für dieses neue Jahrhundert gerüstet. Das heißt aber nicht, dass wir sagen können, die Voraussetzungen sind gut, und deshalb könnten wir es uns bequemer machen. Wir müssen für neue absehbare Herausforderungen rechtzeitig Antworten entwickeln. Wir müssen rechtzeitig agieren, um die Entwicklungen vernünftig zu gestalten. Wir haben aber die Voraussetzungen, um diese Entwicklungen so gestalten zu können, dass sie für unser Land und für die Menschen in unserem Land die besten Chancen mit sich bringen. Daran wollen und werden wir weiter arbeiten.
Im Ältestenrat wurde für die allgemeine Aussprache eine Redezeit von 1 Stunde 30 Minuten festgesetzt. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 42 Minuten, auf die Fraktion der SPD 30 Minuten und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 18 Minuten. Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat Herr Kollege Dr. Kaiser das Wort.