Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Huber, ich kann Sie wirklich nicht verstehen. Mir ist nicht klar, weshalb Sie in diese Debatte diese Härte, diese Aggressivität und diese Vorwürfe reinbringen: knebeln, bluten usw.
Ich habe Ihnen zu Beginn deutlich erklärt, dass es uns um die Sache geht. Wenn Ihnen so an einem einstimmigen Beschluss des Landtags gelegen ist, sollten Sie einen anderen Sprachgebrauch wählen.
Es gehört zu einem guten Stil, dass man dem anderen nicht immer unterstellt, er habe keine Ahnung; das möchte ich vorausschicken.
Sie haben von einem zeitlichen Rahmen gesprochen und tun so, als habe es keine Vorgaben gegeben. Herr Huber, Sie müssen doch zur Kenntnis nehmen, dass sich an den Grenzen in Europa Wesentliches geändert hat. Ich schätze Sie schon so ein, dass Sie das wissen. Diese Änderungen haben doch Konsequenzen beim Personal. Reformen sind die Folge, die auch Sie während Ihrer Regierungsverantwortung durchgeführt haben. Herr Huber, Sie waren einmal Finanzminister und wissen, welcher Personalabbau in Bayern durchgeführt wurde, und Sie haben doch auch Tausende von Arbeitsplätzen abgebaut. Jetzt tun Sie so, als hätten Sie Jahre im Voraus Konzepte für den Abbau erarbeitet. Lesen Sie nach, was bei den Wasserwirtschaftsämtern abgelaufen ist. Die Zielvorstellung war, Tausende von Stellen abzubauen, und dann haben Sie überlegt, welche Aufgaben von oben nach unten verlagert werden können, und die Kommunen haben es ausbaden müssen. So ist die Realität.
Zum zeitlichen Ablauf: Ich muss mich zwar ein bisschen Ihretwegen wundern, aber nun gut, Sie wollen die Interessen Bayerns vertreten.
Mir liegt ein Bericht vom 21.04.2000 vor, in dem sich die Kolleginnen und Kollegen der CSU bereits mit dem Thema befasst haben. Darin werden dem Bundesminister gravierende Vorwürfe gemacht, das Hauptzollamt in Augsburg soll aufgelöst werden und nach München kommen. Am 25. Oktober dieses Jahres aber stand in der Zeitung, dass das Hauptzollamt in Augsburg bleibt und in Zukunft sogar über mehr Beschäftigte verfügen wird als bisher, nämlich über 400 statt wie bisher über 170.
Weil wir wissen, dass Reformen notwendig sind, haben wir die Lösung mit dem Hauptzollamt in Lindau mitgetragen. Kollegen, die sogar der Staatsregierung angehören – sie denken offenbar gar nicht einmal darüber nach, ob ihr Verhalten richtig ist –, gehen zu einer Außenstelle von einem Hauptzollamt und lassen sich dort dafür feiern, dass diese Außenstelle nicht geschlossen wird. Herr Minister, mich wundert, dass in Ihrem Kabinett solche Leute sitzen. Sie reden so, und Ihre Kollegen lassen sich in der Presse bereits mit Foto dafür feiern.
Was wollen Sie, Herr Minister? Hier protestieren Sie; dort lassen Sie sich feiern. Welch ein Widerspruch! Ich weiß nicht, was Sie wollen, Herr Minister.
Herr Minister, Sie sagten, dort, wo der Mittelstand sei, wo die Wirtschaftskraft sei, müsse es Zollämter geben. Wenn Sie wirklich wollen, dass es in München kein Hauptzollamt mehr gibt, müssen Sie das den Münchnern sagen. Ich habe den Eindruck, wenn es um Reformen geht, lautet Ihr Wahlspruch: Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass. Wenn Sie wirklich Reformen wollen, müssen Sie auch sagen, wo Einschnitte vorgenommen werden müssen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Ihren vorliegenden Antrag können wir mittragen. Denn Reformen sind notwendig. Doch der Ton, der jetzt gewählt wird, bringt uns nicht weiter. Herr Huber, eine Kollegin hier im Hause hat Ihren Stil bereits angesprochen. Sie haben damit bei den Beratungen zur Steuerreform schon Erfahrungen gemacht. Ich jedenfalls kann nur sagen, ich bezweifele, dass wir mit dem Stil, den Sie an den Tag legen, mit diesem auch etwas arroganten Stil, die Interessen des Freistaats Bayern wirklich vertreten.
Zur Methode. Ich verstehe Ihre Aufregung nicht, meine Damen und Herren von der CSU. Wir haben es hier nämlich mit einem ganz normalen Verfahren zu tun. Die Staatsregierung hat schon zu Beginn dieses Jahres von Grobkonzepten gewusst. Es wäre das erste Mal, dass dies Staatsregierung jetzt nicht weiß, was in Berlin schon vorgestern gedacht wurde. Das weiß man. Doch erst jetzt reagieren Sie. Dies ändert aber nichts daran: Wir haben es hier mit einem ganz normalen Verwaltungsvorgang zu tun.
Über die Interessen Bayerns haben wir ja schon gesprochen, über die Interessen Oberfrankens und den Gedanken, dass es in jedem Regierungsbezirk ein Hauptzollamt geben sollte. Es ist doch kein Problem: Wir tragen all das in Berlin vor. Eines müssen wir allerdings auch sehen – Herr Huber, Sie waren lange Zeit Finanzminister und wissen das auch -: Es kann nicht angehen, hier im Freistaat Bayern im Haushaltsausschuss und im Landtagsplenum davon zu sprechen, dass wir mit Blick auf die nächsten Generationen den Haushalt konsolidieren und die Verschuldung auf Null senken müssen, dass Sie aber, meine Damen und Herren von der CSU, wenn es darum geht, konkret zu werden und etwas zu tun, auf Bundesebene als Opposition verkünden – die CSU als Regionalpartei -: Aber nicht mit uns! Wir sind dagegen!
Dass es um 1200 Arbeitsplätze geht, ist auch uns bewusst. Entscheidungen in einem solchem Umfeld sind immer schwierig. Was sich jetzt abzeichnet, haben wir nicht erfunden, Herr Huber. Auch früher, unter Dr. Theo Waigel, wurden Arbeitsplätze abgebaut. Ich kann Ihnen Zollämter nennen, in denen es unter CSU-Verantwortung dazu gekommen ist. Sich trotzdem hierher zu stellen und zu sagen, man sei gegen Kahlschlag usw., das ist doch unredlich. Es dient auch nicht der Sache. Wir bitten einfach darum, in dieser Diskussion zur Sachlichkeit zurückzukehren. Wir, die Sozialdemokraten, wir meinen: Nachdem sich an den Grenzen etwas geändert hat, – –
Lieber Herr Kollege, selbstverständlich hat sich etwas geändert. Die Aufgaben der Zollämter haben sich wesentlich geändert und werden sich noch weiter ändern. Die Position der CSU, nach der Osterweiterung der EU werde sich rund um die Grenzen nichts ändern, ist falsch.
Lesen Sie doch die entsprechende Vorlage des zuständigen Bundesministers. Ich kann sie Ihnen geben. Ihr ist zu entnehmen, welche Konsequenzen die Osterweiterung haben wird. Ich bitte Sie einfach: Lesen Sie die Vorlage gründlich durch. Danach können wir miteinander diskutieren.
Wir meinen: Hier haben wir es mit einem normalen Vorgang zu tun. Wir halten es für wichtig, dass alles ausgeglichen gestaltet wird. Als wir uns im April schon einmal mit der Problematik befasst haben, habe ich Ihnen das Beispiel Schwabens genannt. Dort wurde eine befriedigende Lösung erzielt, nachdem wir Kontakt zu Berlin aufgenommen hatten. Wir sind der Auffassung, dass es in jedem Regierungsbezirk ein Hauptzollamt geben sollte. Das erscheint mir gerade für Oberfranken wichtig.
Auch unsere gemeinsamen Vorstellungen hinsichtlich der Grenzen muss der Freistaat Bayern in sachlicher Form dem Bundesfinanzminister vortragen, nicht in der aggressiven Weise und in der Sturheit, die hier manchmal festzustellen sind. Wir vertreten jedenfalls die Interessen des Freistaats Bayerns. Wir haben unsere Position klar dargestellt. Wir meinen, dass der angesprochene aggressive Stil und gegenseitige Vorwürfe der Sache nicht dienen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Huber, neben vielem anderen haben Sie dankenswerter Weise auch klargestellt, dass Sie sich einer Organisati
onsreform bzw. einer Reorganisation der Zollämter nicht verschließen und dass Sie auch einsehen: Zollämter müssen effizienter gestaltet werden. In dem Zusammenhang wird auch der Abbau von Arbeitsplätzen nötig sein. – Das haben Sie gesagt. Das ist ein Wort.
Nun zum nächsten Punkt. Aufgrund eigener Erfahrung als Finanzminister wissen Sie: Reformen haben es nun einmal an sich, dass sie Veränderungen mit sich bringen. Bei Reformen gibt es Gewinner und Verlierer. So besteht eine Aufgabe des Gesetzgebers darin, darauf zu achten, dass die Verlierer nicht nur in einer Ecke sitzen und dass irgendwie ein Ausgleich zwischen allen Betroffenen herbeigeführt wird.
Sie selbst sagen: Herr Minister Eichel drängt auf bestimmte Veränderungen, weil er seinen Haushalt konsolidieren muss. Da frage ich Sie, Herr Staatsminister Huber: Warum ist es in Bayern zu den Artikeln 6 a, 6 b und folgende des Haushaltsgesetzes gekommen? Sie mussten 12 000 Stellen einziehen. Warum wohl? Wir haben doch im Haushaltsausschuss darüber debattiert: Grund dafür war unter anderem, dass uns die Pensionskosten davonlaufen.
Aber jenseits der großen Aufgabe der Haushaltskonsolidierung, die sich sowohl dem Bund als auch den Ländern und den Kommunen stellt, ist es aus meiner Sicht eine Selbstverständlichkeit und auch eine Daueraufgabe jeglicher Verwaltung, die Verwaltung so zu gestalten, dass sie effizient ist und neue Aufgaben übernimmt und dass der Stellenplan dem Rechnung trägt, wenn Aufgaben entfallen oder sich verlagern.
Ich muss Ihnen sagen, Herr Minister: Ich verstehe nicht, warum Sie die Diskussion hier verschärfen und reihum Leute abkanzeln, wenn diese andere Vorstellungen haben als Sie. Wenn Sie ein Feinkonzept haben, dann kommen Sie doch bitte mit diesem in die entsprechenden Landtagsausschüsse. Wir sind gerne dazu bereit, uns damit auseinander zu setzen. Denn auch wir wollen nicht, dass in strukturschwachen Räumen Verwaltungsbehörden abgebaut werden. Es muss doch möglich sein, sich zu einigen, wenn man ehrlich und redlich miteinander diskutiert. Doch was ich wirklich überhaupt nicht dulden kann und was ich für unredlich halte, ist, sich hier ans Pult zu stellen und zu sagen: Alle Reformen, die der Bund durchführt, die andere durchführen, sind von Haus aus schlecht. Doch wenn wir hier Tausende von Arbeitsstellen einziehen, ist es gut, weil es der Haushaltskonsolidierung dient oder den veränderten Aufgaben Rechnung trägt. – So können Sie mit uns nicht umgehen, meine Damen und Herren von der Staatsregierung.
Sie haben gesagt, die Staatsregierung werde zu dem vorliegenden Grobkonzept Stellung nehmen. Die Bundesregierung betont im Übrigen in ihren Darstellungen immer: Was vorliegt, ist ein Grobkonzept. Im übrigen sind die Länder aufgefordert, sich dazu zu äußern, Stellung zu nehmen. Wenn der Finanzminister ein umfangreiches Papier ausgearbeitet hat, das, wie ich hoffe, auf verlässlichen Daten basiert, besteht die richtige Vorgehensweise darin, dieses Konzept dem Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes und wohl auch dem Wirtschaftsausschuss zu präsentieren.
Nein, Wichtiges gehört intensiv diskutiert. So kann es nicht angehen, dass man hier einen Antrag vorlegt und erklärt, in zehn Minuten werde darüber abgestimmt.
Wir kennen doch noch nicht einmal das Konzept und die Stellungnahme. Doch sollen wir dem vorliegenden Dringlichkeitsantrag zustimmen. Meine Damen und Herren von der CSU, Sie können mit uns über alles reden, über alles diskutieren. Legen Sie uns etwas vor. Wir sind gutwillig. Wir sind für eine gute Struktur- und Regionalpolitik, aber bitte schön nicht in diesem Ton. Ich muss abschließend noch einmal feststellen: Meine Damen und Herren von der CSU, Sie sind wie wir der Auffassung – so haben Sie es gesagt –, dass eine effiziente Zollverwaltung bestehen bleiben und dass man geänderten Aufgaben auch Rechnung tragen muss.
Wenn die EU-Osterweiterung kommt, haben wir eine andere Sachlage als jetzt. Aber die EU wird sicher nicht morgen erweitert werden. Da wir noch nicht wissen, wie dann die Sachlage ist, haben wir noch Zeit, das eine oder andere zugunsten der strukturschwachen Räume zu bewegen.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin vorhin schon etwas überrascht gewesen, als Kollege Strasser in Richtung unseres Herrn Staatsministers gesagt hat, er vertrete die Interessen Bayerns. Denn es ist unsere gemeinsame Aufgabe, auch in dieser Frage die Interessen der Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Bayern und nicht die Berliner Politik zu vertreten.
Ich möchte festhalten, dass dieses Konzept in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fällt und, wie ich vorhin ausgeführt habe, insbesondere die strukturschwachen Gebiete trifft. Deshalb lehnen wir dieses Grobkonzept des Bundes ab.
Verehrte Frau Kollegin Kellner, wir sind für eine sinnvolle und vor allem bürgernahe Verwaltungsreform. Wir machen – im Gegensatz zu Ihnen – die Betroffenen zu Beteiligten. Herr Staatsminister Erwin Huber hat eben das Beispiel der Wasserwirtschaft genannt. Wir sind mit unseren Wasserwirtschaftsämtern in der Fläche und Breite Bayerns geblieben, um bürgernah arbeiten zu können.
Jetzt liegen wohl keine Wortmeldungen mehr vor. Dann können wir zur Abstimmung kommen. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/4790 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Dies sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Dann ist dieser Antrag bei Abwesenheit des Abgeordneten Hartenstein einstimmig so beschlossen worden.