Protokoll der Sitzung vom 10.11.2000

Wir sind davon überzeugt, dass Bayern der richtige Standort für das Südost-Institut ist und für die Osteuropaforschung. Hier gibt es das nötige wissenschaftliche und kulturelle Know-how. Das ist das Hauptargument.

Die Gegenwartsabteilung wird derzeit zu je einer Million vom Bund und vom Land finanziert. Nun sagt das Kanzleramt, wenn die Abteilung nicht nach Berlin kommt, dann finanzieren wir das Institut nicht mehr mit. Diese Haltung ist nach meiner Meinung nicht besonders intelligent. Wir haben dann praktisch keine Alternative mehr. Das Kanzleramt kann doch nicht im Ernst erwarten, dass Bayern das Institut noch fördert, wenn es erst einmal in Berlin ist. Ich weiß nicht, wo die Alternative sein soll. Es geht nicht darum, dass sich das Kanzleramt aus der gemeinsamen Finanzierung zurückziehen will. Man will uns schlicht und einfach die Abteilung wegnehmen. Wir dürfen uns das nicht gefallen lassen. Darauf zielt unser Antrag ab.

Die Verpflichtung des Bundes, die bestehen mag, können wir immer noch einklagen, wenn es Sinn macht. Wir müssen aber ein Signal setzen, und wir müssen es jetzt tun. Wir dürfen nicht nachgeben, wir müssen zeigen, dass wir das Institut nicht hergeben werden. Es ist zwingend, jetzt ein Signal zu setzen, denn das Institut und seine Mitarbeiter dürfen nicht länger in Unsicherheit gelassen werden. Bisher ist nicht klar, wie es nach dem 1. Januar 2001 weitergehen soll, und bis dahin ist es nicht mehr lange.

(Beifall der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Es geht nur um eine Million, aber es gibt eine dumme Redensart, die ist hier leider richtig am Platz: Eine Million haben oder nicht haben, das sind schon zwei Millionen. In diesem Fall stimmt es. Die Gegenwartsabteilung des Südost-Instituts ist für Bayern und für den Bund mehr wert als eine Million. Die Synergieeffekte, die gemein

same Bibliothek – die entstehen könnte, wenn man die Institute zusammenführt, auch sie wäre europaweit einmalig –, die Politik- und die Wirtschaftsberatung im Hinblick auf Osteuropa, all das wird es nicht geben, wenn wir die Abteilung nicht in München behalten. Wir bitten deshalb um Ihre Zustimmung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Dr. Dürr, es ist sehr nett, dass Sie kürzer gesprochen haben. Wenn wir noch abstimmen wollen, dann dürfen die Redezeiten nicht ganz ausgeschöpft werden. Herr Kollege Dr. Spaenle, bitte schön.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Allererstes möchte ich feststellen, dass weder Ihnen noch uns das Land Bayern gehört. Wir alle haben vielmehr die Ehre, dem Land Bayern dienen zu dürfen, die einen mit 50% und die anderen mit weniger. Das ist schon einmal das Allererste.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das Zweite ist, dass wir die große Freude haben, Ihrem Parteifreund, dem Bundesaußenminister nach dieser Rede einen Kübel nach Berlin schicken zu dürfen. Einen Kübel voll mit Krokodilstränen. Was heute hier vorgetragen wurde, das war hohes Staatstheater. Es war schon beeindruckend, mit welcher Eindringlichkeit Sie an uns appelliert haben. Es wäre schön, wenn wir nur über die Rüpeleien, über eine der üblichen Rüpeleien, Ihres grünen Politikmutanten Joschka Fischer reden müssten. Es ist aber viel mehr.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe im ganzen Haus)

Es ist aber leider ein weiterer Baustein im Rahmen dessen, was Wissenschaftsminister Zehetmair heute als Kulturzentralismus angeprangert hat. In dieses schöne Kaleidoskop passt auch, was hier versucht wird. Es wird versucht, einen der wesentlichen Standorte der Südosteuropaforschung, die es bundes- und europaweit gibt, zu zertrümmern. Das ist richtig dargestellt worden. Warum will man das? – Nun, es passt ins Bild. Wenn ich Kulturzentralismus reinsten Wassers auf Kosten von Qualität und auf Kosten bewährter Standorte zerschlagen will. München ist auf diesem Gebiet ohne Konkurrenz.

Es passt außerdem ins Bild, dass es ausgerechnet wieder einmal Bayern trifft. Das ist ein weiterer Baustein; ich nenne nur ein Paar Stichworte in diesem Zusammenhang: Bayreuther Festspiele oder Bamberger Sinfoniker. Das alles hat System. Es ist das Schlimme, dass wir hier den Ausdruck eines Kulturstaatsverständnisses haben, das aus der Steinzeit stammt.

Ein Weiteres werfen wir Ihnen vor, und da merkt man die Absicht und ist verstimmt. Die Berliner wollen schlicht und einfach aber wirkungsvoll durch das Streichen von

Geld erreichen, dass die Bayern parieren. Das werden die Bayern nicht tun.

Und nun kommt Ihr genialer Vorschlag. Wir machen es so: Die Berliner streichen das Geld und damit das Institut bei uns bleibt, zahlen wir es selbst. Wenn wir Föderalismus so verstehen, können wir im Prinzip die Debatte in diesem Hohen Hause für wesentliche Bereiche einstellen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn das der Wettbewerbsföderalismus ist, dass man sagt, die Berliner nehmen uns das Institut weg und wir zahlen dafür, dann ist das einer der Lösungswege, die mit uns nicht zu gehen sind. Deswegen sage ich: Man merkt die Absicht und ist verstimmt.

Sie haben Gott sei Dank die Qualität und Einmaligkeit des betreffenden Instituts und auch des Standortes München für die Südost- und Osteuropaforschung betont. Der Einsatz der Minister Zehetmair und Huber sowie Prof. Dr. Faltlhauser in dieser Frage gegenüber der Bundesregierung kann sich sehen lassen. Wiederholt wurden die unterschiedlichsten Modelle zum Verbleib dieser wichtigen Forschungseinheit am Standort München diskutiert. Dazu passt auch, dass sich in Pullach und bei anderen Bundesdienststellen weitere Verlagerungswünsche abzeichnen.

Wenn es irgendeiner Nagelprobe zwischen Reden und Tun bedürfte, dann sind es diese ganz konkreten Entscheidungen, von denen wir eine hier diskutieren müssen. So machen wir das nicht. Sie sind Mitglied einer regierungstragenden Partei im Bund. Sie können sicher sein, dass die Mehrheit diesen Hohen Hauses Sie in Ihrer löblichen Absicht unterstützen wird, aber setzen Sie sich bitte da ein, wo Sie die politische Verantwortung tragen und wo Sie auch Einfluss nehmen können; ansonsten ist Ihr Antrag nämlich ein Ausdruck politischer Bankrotterklärung von Rot-Grün. Wenn Sie die politische Mehrheit dieses Hohen Hauses dazu brauchen, um einen inhaltlich sinnvollen Antrag, nämlich den Erhalt des Südost-Instituts in der jetzigen Konfiguration bei Ihrem Bundesaußenminister und in Ihrem Kanzleramt durchzusetzen, dann ist das eine politische Bankrotterklärung. Insofern können wir weder aus wissenschaftspolitischer Sicht noch aus der Sicht eines vernünftigen Kulturföderalismus diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf der Abgeordneten Pau- lig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Ich danke dem Kollegen Dr. Spaenle; nächste Wortmeldung: Frau Dr. Baumann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will versuchen, wieder etwas mehr Sachlichkeit in die Debatte zu bringen.

(Beifall bei der SPD)

Es geht um zweierlei. Es ist entschieden, dass die Stiftung für Wissenschaft und Politik aus dem oberbayerischen Ebenhausen südlich von München im Dezember nach Berlin umzieht. Es handelt sich um ein eindeutiges Politikberatungsinstitut, das in den siebziger Jahren von der Bundesregierung gegründet wurde. Auch Bundeskanzler Kohl hat in den folgenden 16 Jahren dieses Institut ausgiebig genutzt. Dieses Institut zieht jetzt nach Berlin um. Das ist beschlossen. Das Gebäude in Berlin wird im Dezember bezogen.

An dieser Stiftung für Wissenschaft und Politik existiert bisher keine Abteilung Osteuropa. Die EU-Erweiterung steht an; sie kommt auf uns zu. Ob es da vielleicht sinnvoll ist – ob es jetzt das Bundeskanzleramt ist oder der GRÜNEN-Außenminister ist mir letztlich egal –, dass eine Bundesregierung sich in Ortsnähe in Berlin auch südosteuropäisch beraten lassen möchte, will ich jetzt nicht diskutieren; aber es gehört mit zum Hintergrund.

Wenn jetzt von diesem Südost-Institut die Abteilung Gegenwartskunde abgezogen wird, bedeutet das, dass in Berlin gegenwartskundlich politisch beraten wird, aber auf keinem Fall mehr gegenwartskundlich geforscht wird. Das Osteuropainstitut in München ist ein Forschungsinstitut mit politischem Schwerpunkt. Was dann nicht mehr gemacht wird und was in der Tat ein Verlust wäre, sowohl für das Land als auch für die Wissenschaft – weitere Institutionen sind bundesweit in dieser Größenordnung nicht zu finden –, ist, dass eben keine länderkundliche Forschung mehr betrieben wird, sondern nur noch reine Politikberatung. Um diesen Sachverhalt geht es. Da möchte ich nun an die Zuständigkeit des Wissenschaftsministers in Bayern appellieren, den diesbezüglichen Forschungsstandort in München zu erhalten.

Wir haben in den letzten Jahren durch.Petitionen im Hochschulausschuss immer wieder erlebt, dass gerade die Forschungsschwerpunkte, die vielleicht einmal existiert haben – Osteuropa und das Baltikum hatten wir als letzte Petitionen – in der bayerischen Hochschullandschaft eingeschränkt wurden.

Wenn jetzt zugelassen wird, dass die Gegenwartskunde des Südost-Instituts nach Berlin entschwindet, – politisch will ich das, wie gesagt, nicht werten, sondern nur forschungspolitisch –, dann ist das ein Forschungspunkt in Bayern weniger. Deswegen stimmen wir diesem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank Frau Kollegin Dr. Baumann. Herr Staatsminister Zehetmair.

Herr Präsident! Hohes Haus! Das Thema ist uns seit Monaten bekannt. Seit Monaten ist die Staatsregierung darum bemüht, die Bundesregierung davon zu überzeugen, dass die Fortsetzung der bisher sehr bewährten Form wichtig ist, wonach dieses wissenschaftliche Institut jedweder Bundesregierung die Basiskompetenz ver

mittelt hat, die man wissenschaftlich braucht, wenn man nicht ideologisch politisch aus der Lamäng schießen will. Es wird in Deutschland keinen Standort geben, der eine vergleichbare Kompetenz in der Interdisziplinarität der Einrichtungen hat wie München. Dies kann in Ebenhausen sein oder in München direkt, und es wäre zu knapp gedacht, wenn man nur auf die Abteilung Gegenwartskunde in Ebenhausen schauen würde.

Wir haben fünf mit Osteuropa verbundene wissenschaftliche Einrichtungen, wir haben grundlegende Lehrstühle in der Ludwigs-Maximilians-Universität und die Bayerische Staatsregierung – in diesem Fall unter meiner Verantwortung – wird mit Sicherheit alles tun, dass wir das Kompetenzzentrum Nummer eins für Osteuropastudien sind und bleiben.

(Zuruf von der CSU: So ist es!)

Nur, wenn das die Politik weiterhin ist, Frau Kollegin Dr. Baumann, dann können Sie sich nicht rausstehlen. Es ist schon ein trauriger Vorgang, dass ihr in Berlin gar nichts zu reden habt.

(Zuruf von der SPD)

Moment ich gehöre dieser Regierung ja nicht an; dies hat mit uns nichts zu tun. Herr Dürr hat offensichtlich zu Herrn Fischer ein noch schlechteres Verhältnis als ich.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Sonst hätten Sie ihm das ja wenigstens sagen können. Ich hätten Ihnen dann noch den Wunsch mitgegeben, dass er sich um die auswärtige Kulturpolitik besser kümmern möge. Dasselbe gilt natürlich auch für die große Fraktion und den Kanzler, die aus der Sozialdemokratie stammen.

Das, was hier geschieht – Sie haben das richtig definiert, Frau Dr. Baumann –, ist eine absolute Hinführung zur Oberflächlichkeit, dass man mundgerecht jemanden etwas aufbereitet, gleichzeitig aber den Background, den man aus der Tiefe der Forschung und der Wissenschaft braucht, schwächt beziehungsweise kaputtmacht. Das ist eigentlich das Widerliche. Mir ist es ziemlich egal, was aus dem Antrag wird; er nutzt mir nichts. Er ist ein Schaufensterantrag übelster Art. Es ist ein Schaufensterantrag übelster Art, weil ich Ihnen dazu sagen muss, dass Sie versagt haben. Wofür sind Sie denn mit in der Bundesregierung verantwortlich? Was bringen Sie eigentlich noch für Bayern? Sie verkaufen die paar Kilometer, die durch UMTS für uns abfallen. Es ist ein ungeheurer Vorgang, den es vorher nie gegeben hat, dass an der Regierung der Länder vorbei über die Parteien solche Dinge verkündet werden.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Oh, oh!)

Das ist ein ungeheurer Vorgang, meine Damen und Herren.

(Anhaltende Zurufe – Maget (SPD): Das ist ständige Praxis! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das glauben Sie ja selbst nicht!)

Nein, Herr Maget, da täuschen Sie sich ganz gewaltig. Wir haben sogar Sie häufig mitkommen lassen. Das müssen Sie schon sehen. Obwohl viele in der Stadt München das nicht gutiert haben.

Ich will abschließend Folgendes sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Die Bayerische Staatsregierung wird – das ist auch meine Bitte an die CSU-Fraktion und wenn es geht an das ganze Hohe Haus – ein neues Strukturkonzept unter meiner Federführung vorlegen.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schon wieder? Wie oft noch?)

Ihnen kann es ja gar nicht oft genug sein, aber ich werde Sie daran nicht beteiligen jedoch darüber informieren.

(Beifall bei der CSU – erneute Zurufe von der SPD)

Das neue Strukturkonzept wird auch die Gegenwartskunde abdecken, die wir im Südost-Institut als Bestandteil unseres wissenschaftlichen Netzes für erforderlich halten. Freilich wird das zur Folge haben, dass die Bundesregierung daran nicht in dem Maße partizipieren kann, das sie eigentlich dringend nötig hätte.