Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Die Gründe für die jetzt nach Ihrem Wunsch zu streichende Ruhegehaltsfähigkeit von Zulagen und Beihilfen bestehen nach wie vor. Sie sind für die Bediensteten nicht weggefallen. Aber da geht es wieder einmal nach dem Motto: Was mit der einen Hand gegeben wird, wird von der Staatsregierung mit der anderen Hand an anderer Stelle genommen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe nicht lange darüber nachgedacht, mit welcher Hand das jeweils geschieht. Aber eigentlich kann es nur

so sein, dass die Linke gibt und die Rechte wieder wegnimmt.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Initiative der Staatsregierung sieht, zusätzlich zu diesen allgemeinen Maßnahmen, drei Maßnahmen vor, die von besonderer Bedeutung sind: erstens die Steigerung der Ruhegehaltsfähigkeit von Zulagen, zweitens die Auslagerung der Beihilfe und drittens die Abschaffung des Anspruchs von Arbeitnehmern auf Beihilfe.

Dieser Gesetzentwurf vollzieht dabei nicht nur eine Anpassung von Landesregelungen an Bundesrecht, wie man uns in den Ausschussberatungen glauben machen wollte. Der Freistaat Bayern geht durchaus eigene Wege und setzt eigene Schwerpunkte. Ein deutliches Beispiel hierfür ist der Wegfall der Ruhegehaltsfähigkeit von Zulagen. Mit diesen Streichungen will man nicht unerhebliche Einsparungen auf dem Rücken der Bezieher mittlerer und kleinerer Einkommen erzielen. Gleichzeitig will man dafür den Bund zum Sündenbock machen. Die Streichung der Ruhegehaltsfähigkeit von Stellenzulagen trifft in vielen Fällen die sozial Schwächeren in ihrem Ruhestand, vor allem diejenigen, deren Situation sowieso nicht rosig ist. Nicht ohne Grund müssen viele von ihnen Nebenjobs annehmen. Ich rede bei diesen Nebenjobs nicht von A 10 aufwärts und von B 3 oder C 4, Medizinprofessoren; denn deren Nebenjobs sind anders einzuordnen.

Es war der erklärte Wille des Gesetzgebers, dass Stellenzulagen ruhegehaltsfähig werden. Wie unsozial und ungerecht diese Streichung ist, will ich an einem Beispiel deutlich machen. Ich finde es beschämend, einem Volksschullehrer, der 30 Jahre seines beruflichen Lebens an einer Sonderschule eingesetzt war und in dieser Zeit nicht das Gehalt eines Sonderschullehrers bezogen hat, sondern zu seinen Volksschullehrerbezügen nur eine wesentlich niedrigere Zulage bekommen und auf diese Weise dem Freistaat nicht nur redlich gedient, sondern auch noch geholfen hat, den Lehrermangel auszugleichen, zu sagen: Nachdem du nun in den Ruhestand gehst, behandeln wir dich so, als hättest du nicht 30 Jahre unter erschwerten Bedingungen gearbeitet und dabei auch noch Geld gespart; nein, in deinem Ruhestand ist alles das vergessen, was du vorher geleistet hast; jetzt, da wir dich für die Arbeit an der Sonderschule nicht mehr brauchen können, bekommst du einen Fußtritt, und deine Zulage fällt weg. Dies ist der besondere Dank des Freistaates dafür, dass jemand 30 Jahre lang eine wesentlich belastendere Arbeit an der Sonderschule geleistet hat – großartig. Deshalb haben wir beantragt, dass der Wegfall der Ruhegehaltsfähigkeit von Stellenzulagen unterbleibt; das ist vom Bundesgesetzgeber nicht zwingend vorgeben. Dies muss man deutlich sagen und müssen die Betroffenen draußen wissen.

Wir sind grundsätzlich der Meinung, dass die vorgesehene Berechnung der Beihilfe durchaus ein gangbarer Weg ist. Wir stehen ihr grundsätzlich positiv gegenüber, wenn sich Synergieeffekte ergeben und wenn es die Kommunen preiswerter erledigen können. Wir halten es

aber für wichtig, dass dabei der Datenschutz gewährleistet ist. Insofern haben wir vor allem dann Bedenken, wenn nicht nur die Servicestellen von Versicherungen tätig werden, die diese Daten sowieso aufgrund der Abrechnung von Versicherungsleistungen bearbeiten, sondern wenn sonstige geeignete Stellen tätig werden. Deshalb haben wir uns für die Streichung dieser sonstigen Stellen ausgesprochen; denn, Herr Kollege Dr. Waschler, uns ist im Gegensatz zu Ihnen der Ort der Beihilfeberechnung nicht egal.

Die Staatsregierung präsentiert sich einerseits verbal als großer Vorreiter, der nötigenfalls sogar die Beamtenbesoldung gemäß den tariflichen Kriterien gestalten würde, wenn es darum geht, dem Bund eins auszuwischen. Übrigens haben Sie bei der Kappung der 40-StundenWoche nicht mitgezogen. Andererseits ist sie aber sofort bereit, Streichungen vorzunehmen und damit „kleine“ Leute, Bezieher niedriger Einkommen, zu belasten. Das beste Beispiel hierfür ist die Streichung des Beihilfeanspruchs für Arbeiter und Angestellte. Den geplanten Wegfall der Beihilfe für Arbeitnehmer und Angestellte im öffentlichen Dienst lehnen wir kategorisch ab. Angesichts der Behauptung der Staatsregierung, sie wolle lediglich eine klare Trennung von Beamtenbesoldung und Tarif und damit keinesfalls konkrete Einsparungen erreichen, kommen mir mit Blick auf die Hartnäckigkeit, mit der die Staatsregierung und die CSU das Begehren vertreten, die Tränen. Ich frage mich, warum sie dies so hartnäckig vertritt, wenn es nur um eine formale Trennung geht. Doch da steckt mehr dahinter: Es geht Ihnen um ein Stück Sozialabbau.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Kempfler (CSU))

Dies ist keine zwingende Vorschrift. Man muss nicht nur den Sparkassenverband zitieren, der deutlich gemacht hat, dass sich durch den Wegfall der Arbeitnehmerbeihilfe die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter der Sparkassen deutlich verschlechtern würden, weil für sie die Beihilfegewährung seit langem fester Bestandteil der Sozialleistungen war. Damit würden Arbeitsmarktverzerrungen gegenüber den privaten Banken entstehen. Man könnte dem entgegenhalten, den Mitarbeitern der Sparkasse gehe es nicht so schlecht.

(Zuruf von der CSU. Wissen Sie, warum diese so schimpfen? – Weitere Zurufe von der CSU)

Uns geht es nicht nur um diese Mitarbeiter, denen es nicht unbedingt besonders schlecht geht.

(Dr. Kempfler (CSU): Aber den anderen!)

Die Abschaffung des ergänzenden Beihilfeanspruchs für außergewöhnliche Belastungssituationen trifft vor allem die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen, also Arbeiter und Angestellte. Dies ist ein unsozialer Akt zulasten der Bezieher niedriger Einkommen. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich nicht ohne Grund gegen diese Streichung gewandt, obwohl sie vielleicht Gelder eingespart hätten. Die Kommunen und kommunalen Verbände haben vor allem mit der Beihilfe dafür geworben, dass die Leute zu ihnen kommen. Die Beihilfe gibt vor allem dort, wo es schwierig ist, Personal zu

gewinnen, eine Möglichkeit, etwa im Krankenhaus, wo nicht unbedingt Spitzenverdiener arbeiten. Herr Dr. Eykmann, insofern sind wir uns sicher einig.

Die Streichung der Beihilfe betrifft beim Freistaat nur 37%, jedoch bei den Kommunen fast 90% der Mitarbeiter und hat dort somit eine andere Bedeutung.

(Zuruf von der CSU: Nur für künftige Fälle!)

Auf diesen Punkt komme ich noch zu sprechen. Wir treten dafür ein, dass die bisherige Regelung in Interesse der sozial Schwächeren beibehalten wird. Wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden zumindest für deren Bereich eine Öffnungsklausel gefordert, weil hauptsächlich deren Personal betroffen ist. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, warum wollen Sie den Wettbewerb, den die Staatsregierung zwischen den Ländern ständig propagiert, im eigenen Bereich nicht zulassen? Die Antwort kann nur lauten: Sie wollen diesen Sozialabbau überall und haben deswegen hier keiner Öffnung zugestimmt. Sie haben unseren Antrag abgelehnt, diese soziale Verschlechterung wenigstens nur für die neu in den öffentlichen Dienst eintretenden Tarifbeschäftigten vorzusehen und die bisherigen Bediensteten auszunehmen; es sollte alle Bediensteten negativ treffen.

(Glocke des Präsidenten)

Herr Ach, plötzlich sind auch Sie umgekehrt, weil Sie aus den Reihen der Betroffenen Gegenwind und zahlreiche Proteste verspürt haben. Kollege Dr. Waschler hat Ihre Kehrtwende eben mit der Formulierung elegant umschrieben, durch einen intensiven Gedankenaustausch sei man dahingekommen, dass etc. Für mich war dies kein intensiver Gedankenaustausch. Sie haben nicht aus Überzeugung, sondern aus purem Populismus eingelenkt, als wir im Ausschuss versucht haben, Sie zu überzeugen.

(Beifall bei der SPD)

Die Streichung des Beihilfeanspruchs zeigt beispielhaft, wie nahe bei der Staatsregierung Kleckern und Klotzen beieinander liegen. Sie lässt keine noch so kleine und unsoziale Maßnahme aus, um das nötige Kleingeld zusammenzukratzen. Ein drastisches Beispiel dafür ist der versprochene 100 Millionen-DM-Zuschuss für den Umbau des Olympiastadions. Dafür gibt es wahrhaft ein großzügiges Geschenk.

(Dr. Eykmann (CSU): Oberbürgermeister Ude und Maget sind anderer Meinung als wir!)

Er interessiert mich in diesem Falle nicht. Ich bin als Abgeordneter nicht für die Stadt München verantwortlich.

(Zurufe von der CSU)

Die Stadt München kann anders verantwortlich sein; denn das Olympiastadion liegt auf ihrem Gelände. Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber als Gönner des Millionenclubs FC Bayern hat seinem Freund und Präsidenten

des FC Bayern offenbar etwas versprochen nach dem Motto: Die Tenöre brauchen dazu einen Dritten, aber in Bayern reichen die zwei Präsidenten aus. Da kann man nur sagen: Das ist wirklich der Gipfel der Bayern.

Da die Wirtschaft zunehmend boomt, wird es immer schwieriger, gutes Personal für den öffentlichen Dienst zu gewinnen. In der Demokratie ist dies aber ganz wichtig. Der Bericht des Landespersonalausschusses, der vor kurzem im zuständigen Ausschuss gegeben wurde, hat dies deutlich gemacht. Er hat beispielsweise aufgezeigt, dass es im Einzugsbereich der Stadt München fast nicht mehr gelingt, Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst zu interessieren, Bewerber müssen sozusagen aus anderen Bundesländern rekrutiert werden. Dies ist kein gutes Zeichen; das ist auch nicht unbedingt ein Zeichen für die Attraktivität unseres öffentlichen Dienstes. Dass der Freistaat nur nach aktuellem Bedarf ausbildet, kommt noch erschwerend hinzu.

Um den öffentlichen Dienst attraktiver zu machen, ist es notwendig, vieles zu verbessern. Der bayerische Gesetzgeber muss sich darüber Gedanken machen. Wir müssen intensiv darüber nachdenken; solch kleine Verbesserungen und Veränderungen, auch Verschlechterungen, reichen nicht aus. Vor allen Dingen hat auch nicht ausgereicht, dass man den Bediensteten mit einer riesengroßen Kampagne den Gedanken des Leitbildes vertraut gemacht hat. Dadurch hat sich für die Bediensteten gar nichts verbessert.

Der öffentliche Dienst muss nicht nur attraktiv und leistungsorientiert bleiben, sondern muss für seine Bediensteten auch eine leistungsorientierte Bezahlung vorsehen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb reicht der Spruch „Bayern ist der Hort des Berufsbeamtentums“ nicht aus.

Ich habe inzwischen gemerkt, dass diesen Spruch mittlerweile alle CSU-Abgeordneten auswendig gelernt haben, um ihn bei Veranstaltungen der Beamtenbünde loszulassen. Eigentlich fehlt nur noch, diesen Spruch per Verordnung des Kultusministeriums in den von unseren Schulkindern auswendig zu lernenden Kanon von Liedern und Gedichten aufzunehmen.

(Beifall bei der SPD)

Die Wahrheit aber sieht anders aus. Sie tun so, als ob Sie den öffentlichen Dienst in Bayern so pfleglich behandeln wie weiland Konrad Adenauer seine Lieblingsrose. In Wirklichkeit aber gehen Sie mit dem öffentlichen Dienst so um wie mit einer Brennesselhecke in der Ecke Ihres Schrebergartens.

(Herrmann (CSU): Ich liebe Brennesseln, Herr Kollege!)

Sicher, wenn man sie lange genug ansetzt, kann man Dung daraus gewinnen. Das ist wohl das Einzige, was Sie daraus gewinnen können.

(Herrmann (CSU): Die kann man sogar schmackhaft zubereiten!)

Ich bin schon einigermaßen vertraut mit den Gegebenheiten im Garten.

Kollege Dr. Waschler hat vorhin gesagt, der vorliegende Gesetzentwurf passt das Besoldungsrecht an die Bedingungen des 21. Jahrhunderts an. Lieber Herr Kollege Dr. Waschler, Sie haben wirklich rückständige Vorstellungen vom 21. Jahrhundert. Darüber kann ich nur den Kopf schütteln.

Zum Abschluss möchte ich sagen: Unsere Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht beste Dienstleistungen von unseren Verwaltungen. Unsere Bediensteten sind dazu bereit. Dazu gehören aber auch angemessene Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung. Wir sind bereit dazu, dafür zu sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Tausendfreund.

Frau Tausendfreund (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf ist durchaus ein im Detail aufwendiges Werk, was den Berichterstattern viel Fleißarbeit abverlangte. Ich werde mich heute auf einen Aspekt beschränken, der aus unserer Sicht ein sehr zentraler Punkt der Diskussion gewesen ist: die schon angesprochene Gewährung von Beihilfen für die Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden im Dienst des Freistaates, der Gemeinden und Gemeindeverbände.

(Dr. Eykmann (CSU): Aber Frau Kollegin, das Problem ist doch gelöst!)

Der Gesetzentwurf sah zunächst vor, diese Beihilfen gänzlich zu streichen, und zwar nicht nur für die Angestellten und Arbeiter des Freistaates, sondern eben auch für die der Kommunen. Darauf möchte ich besonders eingehen, Herr Dr. Eykmann. Die kommunalen Spitzenverbände hatten zu Recht heftig dagegen protestiert. Unser Antrag, die Kommunen selbst entscheiden zu lassen, ist von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, abgelehnt worden. Dabei wäre es sehr wichtig gewesen, dass den Kommunen ein ausreichender Spielraum gewährt wird, eine Flexibilität, mit der sie selbst entscheiden können, ob sie diese Beihilfen nun gewähren oder nicht. Die Gemeinden sind im Beamtenbereich sowieso schon weitgehend durch die Stellenobergrenzenverordnung eingeengt. Jetzt geht es um eine weitere Einschränkung, wo die Kommunen ihren Bediensteten noch Anreize schaffen könnten. Gerade Gemeinden müssen attraktive Arbeitsplätze bieten können; denn bei den Gemeinden ist die Besoldungsstruktur auch nicht besonders hoch angesiedelt.

(Dr. Waschler (CSU): Die Beförderungen in den Gemeinden sind optimal!)

Die Staatsregierung fordert permanent, dass Kompetenzen und Zuständigkeiten von oben nach unten verlagert werden. Dies gilt für sie immer nur dann, wenn von der europäischen Ebene oder von Berlin etwas auf Bayern verlagert werden soll. Ich appelliere an Sie, den bayerischen Föderalismus zu leben. Dazu gehört auch, den Kommunen gerade in diesem Bereich Entscheidungsspielraum zu lassen.