Protokoll der Sitzung vom 14.12.2000

Ich habe vorhin das berühmte „Doppelspiel“ angesprochen, das die CSU gerne spielt. Ich greife noch ein paar Beispiele heraus. Zum Beispiel prangert ein Finanzminister bei den Finanzbeamten in Neu-Ulm an, dass die Bundesregierung und der Bundesfinanzminister nicht bereit seien, den Beamtinnen und Beamten eine zeitgemäße Besoldungserhöhung für Beamte und Versorgungsempfänger zu geben. Er bemängelt das und bekommt Beifall; das ist klar. In dem Augenblick, wo es um den eigenen Haushalt geht, sagt er aber: Danke Herr Schily, dadurch sparen wir uns 250 Millionen DM. Herr Minister, Sie haben sich 250 Millionen DM sparen können. Das ist doch nicht schlecht. Das ist ein schönes Geschäft.

Hätten Sie es ernst gemeint, hätten Sie im Bundesrat einen Gesetzentwurf einbringen können, wie Sie es sonst auch gern machen. Auf den Seiten 2 und 6 steht, dass der Freistaat Bayern durch die verzögerte Besoldungserhöhung 250 Millionen DM spart. Draußen sagt man so, und hier redet man anders. Wenn Sie es tatsächlich ernst meinen mit den Beamtinnen und Beamten des Freistaats Bayern, sollten Sie der Initiative der SPD folgen und die 40-Stunden-Woche zurücknehmen, damit die Beamtinnen und Beamten des Freistaats Bayern genauso lange arbeiten müssen wie die anderen.

(Beifall bei der SPD)

Davon höre ich nichts. Sie bleiben ganz, ganz ruhig. Das ist das Problem.

Vor ein paar Tagen stand in der Zeitung, dass die Kultusministerin geklagt habe, dass Lehrer fehlten. Wer hat das denn zu verantworten? – Sie sind schon lange an der Regierung. Ich muss Sie daran erinnern – die Kolleginnen und Kollegen des Bildungsausschusses werden es wissen –, dass es sehr viele Petitionen von jungen, ausgebildeten Fachkräften mit den Noten 1,7 oder 2,3 gab, die beschäftigt werden wollten. Sie haben diese jungen Leute nicht beschäftigt. Jetzt wundern Sie sich, dass es eine Reaktion gibt. Ich finde die Verträge unsozial, die mit den jungen Pädagoginnen und Pädagogen geschlossen werden. Sie werden zum 1. Februar angestellt und zum 26. Juli wieder entlassen, damit kein Arbeitslosengeld gezahlt werden muss. Mit diesen hoch qualifizierten jungen Menschen wird nicht ordnungsgemäß umgegangen. Sie haben es zu verantworten, dass es nicht genügend Lehrkräfte gibt.

(Beifall bei der SPD)

Wir stellen immer wieder fest, dass Sie sehr oft darstellen, dass im Vergleich zu anderen Bundesländern im Freistaat Bayern alles toll und hervorragend laufe.

Ich möchte nun ein Thema anschneiden, das uns immer wieder bewegt. Es geht um einen Lotsen in der Politik. Es gibt immer wieder jemand, der vieles vorgibt, der einen Brief schreibt, noch einen Brief schreibt, und wenn er in einem Ausschuss gehört wird, sagt, er sei das nicht gewesen. Das sei Waldenfels, das sei der Finanzminister, das sei Sauter usw. gewesen. Dieser Lotse zeichnet sich dadurch aus, dass er sich sehr schnell für etwas begeistern lässt. Er sagt: Jawohl, wir müssen in das große Bauträgergeschäft mit der LWS einsteigen. Wenn es dann aber rote Zahlen gibt, war es der Lotse nicht. Dann waren es die anderen. Es geht an die Nerven, dass aufgrund eines Lotsen-Briefes eine Wohnungsbaugesellschaft eine halbe Milliarde DM Miese macht. Der Lotse hat die Richtung vorgegeben.

Ich sage Ihnen ein zweites Beispiel. Der Lotse ist nicht bereit, eine normale Besprechung durchzuführen.

(Wörner (SPD): Er ist gar nicht da!)

Nein, er lädt ein. Drei Mal lädt der Lotse zu einem Gipfel ein, denn wir besprechen nichts mehr normal. Der Lotse Stoiber lädt ein zum Gipfel. Wir brauchen drei Mal hintereinander einen großen „Stadiongipfel“. Plötzlich stellt man fest, dass daraus auch nichts wird.

(Widerspruch bei der CSU – Meyer (CSU): Was tut denn der Ude?)

In den letzten Tagen erlebten wir etwas, zu dem sich der Lotse auch schriftlich geäußert hat. Ich meine, wir müssen das ernst nehmen, weil es um Beschäftigte geht und weil es um die Gesundheitsvorsorge geht. Es geht um die Menschen in den Regionen. Der Lotse sagt: Lieber Hans, ich empfehle dir, dass du diesem Orden die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts gibst. In anderen Fällen wurde Nein gesagt. Die Anzahl – Herr Minister, schauen Sie nach – der Mitglieder ist sehr klein. Der Lotse schreibt wieder einen Brief und fordert erneut, die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erteilen. Warum geschieht das? Warum schreibt ein Ministerpräsident einem Minister, dass man diesen Status zuerkennen soll?

Das ist doch nicht normal. Sie müssen einmal die Hintergründe sehen. Was geschieht hier? Ich sage das deshalb, weil Menschen betroffen sind, die jetzt Schwierigkeiten haben. Sie sagen, dass es ein Sanierungskonzept gebe und die Menschen ihr Geld bekämen. Das ist aber Geld, das der Beitragszahler schon längst bezahlt hat. Es handelt sich nicht um eine Wohltat der Staatsregierung.

(Beifall bei der SPD)

Die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts hat etwas mit Geld zu tun. Wenn man keine Körperschaft des öffentlichen Rechts ist und Kredite von den Banken haben möchte, dann wird man Schwierigkeiten haben, denn man muss Sicherheiten, zum Bei

spiel Grundstücke usw., bieten. Eine Körperschaft des öffentlichen Rechts braucht dies nicht. In anderen Bundesländern hat man darauf gedrängt, das Grundvermögen zu beleihen. Aufgrund von Gesprächen ist man dann auf die Idee gekommen, dies in Bayern anders zu machen. In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass in Augsburg vom Deutschen Orden eine Eliteuniversität errichtet werden soll. So etwas begeistert den Ministerpräsidenten. Dieselbe Begeisterung hat er gezeigt, als er seinerzeit ins Bauträgergeschäft einstieg, um Geld zu machen.

(Zuruf des Abgeordneten Odenbach (SPD))

Der Ministerpräsident hat Einfluss genommen, was meiner Meinung nach nicht in Ordnung ist. Ein Ministerpräsident darf es sich nicht leisten, einen Ministerkollegen indirekt oder direkt dazu zu drängen, dem Deutschen Orden die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu geben. Was wäre denn geschehen, wenn der „Minister Hans“ nein gesagt hätte? Wir wissen doch mittlerweile alle, dass in dem Kabinett ein Augenzwinkern reicht, um etwas durchzusetzen. Der Minister hätte keine Möglichkeit gehabt, Nein zu sagen. Deshalb ist der Brief, den der Ministerpräsident an seinen „lieben Hans“ mit der Bitte geschrieben hat, dem Deutschen Orden die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts zu verleihen, die eigentliche Ursache des Debakels. Aber wiederum müssen es andere ausbaden, nicht der Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden wollen, dann müssen Sie die Sache ernst nehmen. Man kann sich nicht vorstellen, was es für Krankenschwestern, Ärzte usw., die hervorragende Leistungen erbracht haben, heißt, wenn sie nicht wissen, ob sie ihr Geld erhalten oder nicht. Die Verantwortung dafür liegt bei der Bayerischen Staatsregierung. Mit diesem Brief wurde ein großer Fehler gemacht, der jetzt in den Regionen ausgebadet werden muss. Mittlerweile überlegen Kreistage und Landräte, ob sie die Trägerschaft von sozialen Einrichtungen übernehmen. Man muss den Gesamtzusammenhang sehen. Es handelte sich um gute Unternehmen, die Krankenhäuser haben gut funktioniert. Man hat sie dem Deutschen Orden übertragen, weil dieser mit dem Prädikat werben konnte, dass der Ministerpräsident empfohlen hat, den Deutschen Orden als Körperschaft des öffentlichen Rechts anzuerkennen. Die Verantwortung für das Debakel des Deutschen Ordens tragen daher der Ministerpräsident, die CSU-Fraktion und die Bayerische Staatsregierung.

(Beifall bei der SPD)

Wir fordern für die künftigen Haushaltsberatungen, dass fiskalische Rahmendaten in Zukunft früher geliefert werden müssen. Solange wir einen Doppelhaushalt haben, ist in jedem Jahr ein Nachtragshaushalt notwendig. Zusätzliche Spielräume dürfen nicht das Spielzeug der Staatsregierung sein. Beides muss im Parlament beraten und entschieden werden. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob es nicht eine Stärkung des Parlamentes bedeuten würde, das bisherige System des Doppelhaus

halts aufzulösen und jährliche Haushaltsberatungen durchzuführen.

Insgesamt kann man feststellen, dass der Haushalt des Freistaates Bayern eine gute Einnahmequelle hat.

(Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Das ist etwas Gutes. Wir haben im laufenden Jahr Steuermehreinnahmen von mindestens 1 Milliarde DM. Nach den aktuellen Schätzungen ist es sogar noch wesentlich mehr. Wir profitieren von einer hervorragenden Wirtschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung. Von dem Kurs der Bundesregierung, den Bundeshaushalt zu konsolidieren, profitieren die Länder, wir alle und auch der Freistaat Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Herr Staatsminister Huber hat um das Wort gebeten.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Strasser hat soeben die Behauptung aufgestellt, die Staatsregierung und der Herr Ministerpräsident seien an der Misere des Deutschen Ordens schuld. Ich weise diese Behauptung als unwahr, falsch und schmutzig zurück.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD)

Die Staatsministerin für Unterricht und Kultus hat gestern auf die mündliche Anfrage von Herrn Kollegen Dr. Dürr ausführlich dargelegt, wie das Verfahren zur Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts gelaufen ist.

(Frau Radermacher (SPD): Das wissen wir doch!)

Zunächst hat es eine Reihe von Gesprächen mit dem Kultusministerium gegeben. Anschließend hat der Deutsche Orden auch ein Gespräch mit dem Ministerpräsidenten geführt, und dann hat es einen Brief gegeben, der natürlich nicht das formelle Verfahren ersetzt hat. Das formelle Verfahren ist ordnungsgemäß unter Beteiligung aller Stellen durchgeführt worden. Die Anerkennung ist letztlich darauf zurückzuführen, dass es in Bayern ein Konkordat gibt, welches ermöglicht, dass Kirchen und Orden die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts bekommen. Im Rahmen dieses Verfahrens ist alles, was geboten ist, geprüft worden. Das Verfahren ist ordnungsgemäß gelaufen, und es gibt daher keinen Millimeter Raum für Vorwürfe parteipolitischer Art gegen den Kultusminister, gegen das Ministerium oder den Bayerischen Ministerpräsidenten.

(Beifall bei der CSU)

Es ist bedauerlich, dass der Deutsche Orden in den letzten Jahren durch eigenes Verschulden in finanzielle Schwierigkeiten gekommen ist. Der Deutsche Orden hat 120 Einrichtungen in ganz Deutschland. Mit etwa 5000 Beschäftigten ist der Deutsche Orden mit sozialen Einrichtungen in ganz Deutschland vertreten. Von den

5000 Beschäftigten arbeiten etwa 1500 in Bayern. Bis gestern haben sie angeblich ihre November- und Dezembergehälter nicht bekommen. Ich stelle fest, dass die bayerische Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Frau Kollegin Stamm, sich intensiv und erfolgreich bemüht hat, ein Überbrückungsprogramm zustande zu bringen. Es sind weitere 30 Millionen DM mobilisiert worden. Aufgrund dieses Einsatzes der Bayerischen Staatsregierung ist es möglich geworden, dass die sozialen Einrichtungen fortgeführt werden, die Arbeitnehmer ihr Geld bekommen und der Sachaufwand getragen wird. Dies gilt für alle Einrichtungen in Deutschland. Ich frage mich, wo beispielsweise die Regierung von NordrheinWestfalen war, wo auch entsprechende Einrichtungen sind. Sie hat sich einfach davongemacht.

(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Der Deutsche Orden hat sich davongemacht!)

Sie haben doch keine Ahnung, Frau Kollegin.

Die Regierung von Nordrhein-Westfalen hat eine Einladung bekommen, sich an den Gesprächen zu beteiligen.

(Strasser (SPD): Wann ist denn die Einladung gekommen? Das war am Freitag um 17.00 Uhr!)

Das ist richtig. Die Einladung kann am Freitag um 17.00 Uhr gekommen sein. Das Gespräch war am Montag. Wenn aber Nordrhein-Westfalen Interesse daran gehabt hätte, die Einrichtungen zu erhalten und 1000 Menschen vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren, dann hätte es möglich sein müssen, bis Montag einen Vertreter zu schicken. Wer das nicht tut, der stiehlt sich aus der Verantwortung.

(Beifall bei der CSU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Wörner?

Nein. Die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung und andere bayerische Banken haben in einer Sonderaktion einen besonderen Beitrag geleistet, um die Liquidität des Deutschen Ordens herbeizuführen. Natürlich hat sich die Katholische Kirche über die Diözesen mit 10 Millionen DM daran beteiligt. Die Kirche wird auch darauf drängen, dass es einen Sanierer des Deutschen Ordens gibt.

Das heißt: Es ist das in die Wege geleitet worden, was nach Fehlentscheidungen der letzten Jahre des Deutschen Ordens oder wirtschaftlich bedenklichen Weichenstellungen notwendig ist. Ich stelle fest: Weder die Staatsregierung insgesamt noch eines ihrer Mitglieder war an wirtschaftlichen Entscheidungen des Deutschen Ordens beteiligt. Herr Kollege Strasser, ich halte es für ein schmutziges parteipolitisches Spiel, hier die Staatsregierung anzugreifen.

(Unruhe bei der SPD)

Passen Sie doch einmal auf. Darf ich denn erwarten – –

(Dr. Hahnzog (SPD): Sie reden so neben der Sache, dass es sich nicht lohnt, Ihnen zuzuhören! – Weitere Zurufe von der SPD)

Darf ich denn erwarten, dass Sie zuhören, wenn ich Ihnen antworte, Herr Kollege Strasser? – Ich weise Ihre Ausführungen in aller Form als Verleumdungen, als unwahr und rufschädigend zurück.

(Beifall bei der CSU – Unruhe bei der SPD)