Selbst in Ihren eigenen Reihen ist die Förderung nicht ganz unumstritten. Ich erinnere an die Bemerkung Ihrer Kollegin, Frau Lochner-Fischer, im Haushaltsausschuss. Ihre Kollegin hat Bedenken gegen eine hundertprozentige Förderung mit Verankerung im Gesetz. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine Verankerung in den Verwaltungsvorschriften ausreicht, um die notwendige Flexibilität sicherzustellen; denn es wird Beratungsstellen geben – gerade unter den neuen –, die in der Anlaufphase praktische Schwierigkeiten bei der Finanzierung haben werden. Wir können dann mehr finanzieren. Auf der anderen Seite wird es Beratungsstellen geben, die diese Schwierigkeiten nicht haben.
Wir lehnen die gesetzliche Festschreibung eines höheren Staatszuschusses ab. Wir lehnen auch ab, den generellen Anteil auf 70% festzuschreiben; ich habe dies schon begründet. Frau Kollegin Werner-Muggen
dorfer, mein Gespräch mit Trägern hat ergeben, dass diese eine hundertprozentige Förderung gar nicht wollen, und zwar deswegen, weil das ihrem eigenen Selbstverständnis widersprechen würde. Auch aus diesem Grunde lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Dr. Fickler, ich bin etwas überrascht, da ich heute zum ersten Mal höre, dass der höhere Zuschuss so gehandhabt werden soll, dass Beratungsstellen, die neu aufmachen und finanzielle Mittel benötigen, diesen bekommen sollen, während andere, bei denen man denkt, dass sie finanzstärker sind – so wird es ja von Ihnen bezeichnet –, die höheren Zuschüsse nicht bekommen sollen. Dies ist doch genau wiederum die Methode über das Geld, mit der man missliebige Beratungsstellen – ich nenne Pro Familia – an und für sich aushebeln will. Ich kann mich noch sehr genau an den Diskussionsprozess erinnern. Frau Stamm hat – wenigstens konnte man das in der Presse nachlesen – immer gesagt, wenn es einen höheren Zuschuss gibt, dann nicht nur für die Nachfolgeorganisationen der katholischen Beratungsstellen, sondern selbstverständlich für alle. Ich denke, dass Frau Staatsministerin Stewens dazu Stellung nimmt und dies hoffentlich in unserem Sinne klarstellt.
Zum Gesetzentwurf der SPD: Wir werden uns enthalten. Es ist richtig, dass die Höhe des Zuschusses ins Gesetz gehört. Wir haben im Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz ganz eindeutig geregelt: 50% Staat, 30% Kommunen, 20% Eigenanteil. Das ist die gesetzliche Grundlage, auf die sich letztendlich die Schwangerenberatungsstellen auch berufen können. Wenn ich die Finanzierung ändern will, muss ich natürlich das Gesetz ändern, sonst öffne ich der Willkür Tür und Tor, sonst kann ich variabel agieren und sagen: Dem einen gebe ich es, dem anderen nicht. Vor allen Dingen kann ich das sonst je nach Kassenlage von Jahr zu Jahr ändern, und dann fehlt den Beratungsstellen in der Tat Planungssicherheit, die sie unbedingt brauchen.
Anderer Meinung als die SPD sind wir bei der Frage, ob die Beratungsstellen einen Eigenanteil aufbringen können. Da sind wir der Ansicht, dass ein fünfprozentiger Eigenanteil zumutbar ist. Wir sind auch der Ansicht, dass die Beratungsstellen durch diesen Eigenanteil wenigstens einen Teil ihrer Unabhängigkeit und Eigenständigkeit erhalten können. Deswegen lehnen wir den Gesetzentwurf der SPD zwar nicht ab, aber wir enthalten uns.
Frau Kollegin Münzel, ich kann gleich etwas richtig stellen: Natürlich werden in Bayern alle Träger gleichbehandelt; die Zusage meiner Vorgängerin, Frau Kollegin Stamm, gilt nach wie vor. Das ist gar keine Frage.
Keineswegs kann es auf Gnade und Barmherzigkeit ankommen. Es gibt klare Zusagen und klare Absprachen. Auch dieses, meine ich, ist ganz klar.
Wir sind letztendlich lediglich gegen eine Gesetzesänderung. Wir sagen: Eine Gesetzesänderung ist nicht notwendig; wir regeln das über die Richtlinien. Nach diesen Richtlinien werden gleiche Sachverhalte gleichbehandelt, das gilt auch für die Höhe des Zuschusses. Dies ganz klar als Anmerkung dazu, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Einige Anmerkungen zum Schwangerenberatungsgesetz und der aktuellen Situation in Bayern. Trotz des Rückzugs der katholischen Kirche aus dem staatlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung stellt der Freistaat Bayern seit Beginn dieses Jahres ein ausreichend plurales Beratungsangebot für schwangere Frauen zur Verfügung. Dass der Freistaat trotz des Rückzugs den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag erfüllen kann und werdenden Müttern und Müttern in Not ein plurales Beratungsangebot anbieten kann, ist besonders auch dem Einsatz engagierter Christen – Stichwort donum vitae Bayern – zu verdanken. Donum vitae hat 17 Beratungsstellen übernommen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Die Vereine „Frauen beraten“, die sich aus dem Bereich des Sozialdienstes katholischer Frauen gegründet haben, führen in München, Ingolstadt und Würzburg die Schwangerenberatung im staatlichen System fort.
Den Frauen und Männern, die sich aus ihrer christlichen Verantwortung dem Lebensschutz trotz erheblicher Widrigkeit angenommen haben, möchte ich von dieser Stelle aus meinen ganz besonderen Dank ausdrücken. Diese Laienorganisationen haben vielerorts Unterstützung erfahren. Unter dem Dach der Vereine „Frauen beraten“ haben sich katholische und evangelische Christen im Interesse des Lebensschutzes zusammengeschlossen. „Frauen beraten“ wurde dann vom Diakonischen Werk als Mitglied aufgenommen. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, das ist praktizierte Ökumene, eine vorbildliche christliche Zusammenarbeit. Die evangelische Kirche hat einen ganz wichtigen Beitrag zur Konsolidierung der Schwangerenberatung in Bayern geleistet, die ohne dieses christliche Beratungsangebot nicht denkbar ist.
In Ansbach ist die neue staatlich anerkannte Schwangerenberatungsstelle in evangelischer Trägerschaft. Damit sind seit Januar dieses Jahres insgesamt 29 Beratungsstellen in christlich geprägter Trägerschaft. Die bereits staatlich anerkannten Schwangerenberatungsstellen von Pro Familia in Bamberg, Kempten, Passau, Regensburg und Würzburg erhalten seit diesem Jahr eine öffentliche Förderung.
Durch den Ausstieg der katholischen Kirche aus dem staatlichen System der Schwangerschaftskonfliktberatung ist ein Bedarf entstanden, der so in der Vergangenheit nicht gegeben war, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Insgesamt neun Pro-Familia-Beratungsstellen werden damit öffentlich gefördert. In Bayern bieten nunmehr – dies ist wichtig, um die Gesamtlage zu kennen – insgesamt 118 staatlich anerkannte Schwangerschaftsberatungsstellen Beratung für ratsuchende Frauen und Männer an, davon 76 staatlich anerkannte Schwangerenberatungsstellen in den Landratsämtern, die bereits heute 46% aller Schwangerenkonfliktberatungen in Bayern durchführen, und 42 staatlich anerkannte Schwangerenberatungsstellen freier Träger. Dem Großteil der Beratungsstellen stehen freilich keine Kirchensteuermittel mehr zur Verfügung; sie sind ausschließlich auf Spenden angewiesen. Zur Sicherstellung eines ausreichenden pluralen Beratungsangebots für schwangere Frauen in Not wird daher der Freistaat Bayern einen erheblichen Beitrag leisten.
Wie Sie wissen – damit kommen wir zum Punkt –, haben wir den staatlichen Förderanteil von derzeit 50% auf 65% der zuschussfähigen Gesamtkosten erhöht und damit für eine bessere finanzielle Absicherung aller staatlich anerkannten Schwangerenberatungsstellen freier Träger gesorgt. Das führt im Haushalt zu einer Mehrbelastung von 2,79 Millionen DM im Jahr. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, in Anbetracht der staatlichen Verpflichtung zum Schutz des ungeborenen Lebens und zur Sicherstellung eines qualifizierten Beratungsangebots nach dem Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz ist dies auch eine ganz wichtige Maßnahme.
Zusammen mit dem kommunalen Zuschuss in Höhe von 30% verbleibt den Trägern einer staatlich anerkannten Schwangerenberatungsstelle damit lediglich ein geringer Eigenanteil von 5%. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, mit einer öffentlichen Förderung von 95% steht Bayern bundesweit an der Spitze. Ich habe in Erfahrung gebracht, dass die SPD vor zirka einem Jahr schon einmal signalisiert hatte, dass sie mit 95% einverstanden ist. Eine gesetzliche Verankerung im Bayerischen Schwangerenberatungsgesetz, wie dies die SPD-Fraktion fordert, ist in dieser schwierigen und andauernden Umbruchsituation nach unserer Auffassung nicht zielführend. Der Freistaat war aufgefordert, schnell und flexibel zu reagieren.
Im Doppelhaushalt 2001/2002 wurde die Erhöhung des staatlichen Zuschusses festgeschrieben. Den zuständigen Regierungen wurden ferner Grundsätze für eine einheitliche Vergabe der ergänzenden freiwilligen Leistungen zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise war es möglich, rasch und flexibel auf die veränderte Situation in Bayern zu reagieren. Der Ausstieg der katholischen Kirche hat uns in der Tat vor eine schwierige Situation gestellt. Die gegenwärtige Entwicklung ist aber nach meiner Auffassung durchaus positiv. Zwar sehe ich noch einige Herausforderungen auf uns zukommen. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir diese bewältigen werden. Ich möchte meiner Vorgängerin Barbara Stamm ausdrücklich für ihren Einsatz für die Schwangerenberatungsstellen danken.
Ohne diesen Einsatz gäbe es in Bayern nicht eine so gute Beratungssituation. Ich möchte noch etwas zu den Beraterinnen sagen: Knapp zwei Drittel der langjährig erfahrenen Beraterinnen sind zu den neuen Trägern gewechselt. Damit ist die entscheidende Kontinuität in der Qualität der Schwangerenberatung gewährleistet. Wir alle wissen, dass der Erfolg der Beratung entscheidend von der Qualifikation und der Erfahrung der Beraterinnen abhängt. Wir brauchen engagierte Fachkräfte, die den Frauen in den Konfliktsituationen Mut zusprechen und ihnen Perspektiven für ein Leben mit den Kindern eröffnen können. Ich werde mich in der Nachfolge von Barbara Stamm dafür einsetzen, dass das seit über 25 Jahren erfolgreich praktizierte bayerische Schwangerenberatungskonzept bestehen bleibt.
Die Entwicklung der Beratungszahlen in den Jahren 1998 bis 1999 sprechen für sich. Während die Zahl der Ratsuchenden 1998 bei knapp 19000 lag, betrug sie im vergangenen Jahr zirka 72000. Die Zahl der Ratsuchenden ist also um das Vierfache gestiegen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. 1999 haben die staatlich anerkannten Schwangerenberatungsstellen 22617 Frauen in Konfliktsituationen beraten. Die Zahl für das Jahr 2000 liegt noch nicht abschließend vor. Ein Vergleich der Beratungszahlen der letzten Jahre mit den Abbruchzahlen macht deutlich, dass sich etwa jede dritte Frau nach der Konfliktberatung für ihr Kind entscheidet. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund des Verfassungsgerichtsurteils wichtig.
Mit diesem hervorragenden Ergebnis dürfen wir uns nicht zufrieden geben. Wir müssen weiterhin, gemeinsam mit allen zuständigen Stellen, Trägern und Fachkräften, an der Optimierung, also an der ständigen Verbesserung des Lebensschutzes arbeiten. Wir erwarten von unseren Partnern, dass sie diese Verantwortung bestmöglich für den Schutz des ungeborenen Lebens tragen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Lebensschutz braucht Akzeptanz in der Öffentlichkeit. Lebensschutz braucht eine breite gesellschaftliche Unterstützung. Lebensschutz braucht auch die politische Unterstützung.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Stewens, wir bedanken uns für die Zusage, dass alle Beratungsstellen gleich behandelt werden. Sie sind in Ihren Ausführungen noch einmal auf die Frage eingegangen, ob es ein ausreichendes plurales Angebot in Bayern gibt oder nicht. Sie sagen, wir hätten ein ausreichend plurales Angebot. Die Opposition ist in dieser Frage anderer Ansicht. Ich möchte darauf nicht weiter eingehen, weil wir darüber bereits sehr heftig und intensiv gestritten haben. Ich möchte das hier jedoch noch einmal deutlich machen, damit ein Schweigen nicht als Zustimmung zu Ihrer Position gewertet wird. Zu diesem Thema sind immer noch
einige Gerichtsverfahren anhängig. Letztlich werden die Gerichte darüber entscheiden, ob das momentane Angebot als ausreichend plural bezeichnet werden kann oder nicht.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf Drucksache 14/3335 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dem Gesetzentwurf entgegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der SPD. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Ich gebe jetzt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 14/5619 bekannt. Mit Ja haben 103 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 72. Es gab keine Stimmenthaltungen. Der Dringlichkeitsantrag ist damit angenommen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Paulig, Kellner, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gesetzentwurf der Abgeordneten Paulig, Kellner, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Gesetzentwurf der Abgeordneten Paulig, Kellner, Elisabeth Köhler und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)