Protokoll der Sitzung vom 31.01.2001

Dann lasse ich mich überraschen. Im Ausschuss wurde jedenfalls auch die Einführung des Hare-Niemeyer-Prinzips in allen Gremien abgelehnt. Ebenfalls abgelehnt wurde der Antrag, dass die Verwendung der Überschüsse der Sparkassen für gemeinnützige Zwecke über die kommunalen Haushalte läuft. Nur die übrigen zwei Vorschläge wurden angenommen. Wenn sich das geändert haben sollte, freut mich das sehr. Meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, vielleicht überlegen Sie es sich auch noch einmal. Es wäre sicher ein Gewinn für unsere Demokratie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Heike.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Der vorliegende Antrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN ist zwar sehr umfangreich, aber – so leid es mir tut – ich halte den größten Teil davon für Etikettenschwindel. Natürlich hört es sich sehr gut an, wenn hier steht, dass man damit die kommunale Demokratie stärken will. Man muss aber dazu sagen, wenn man hinter die Kulissen schaut, sieht das alles etwas anders aus.

In dem ersten Antrag auf Drucksache 14/3785 wird zum Beispiel die Gleichstellung von vorberatenden und beschließenden Ausschüssen verlangt. Warum dies gefordert wird, ist nicht klar. Schon in der Grundlagenvorlesung für Verwaltungs- und Verfassungsrecht haben wir gehört, dass es unterschiedliche Ausschüsse gibt, nämlich vorberatende und beschließende, und dass die Unterschiede richtig und wichtig sind. Es gibt keinen Grund, warum wir Ausschüsse mit unterschiedlicher Zielrichtung plötzlich in einen gemeinsamen Topf werfen sollten. Dafür gibt es keine Begründung. Wir werden den Antrag deshalb ablehnen.

Ich komme zu der Einführung des Hare-Niemeyer-Prinzips bei der Sitzverteilung. Ich weiß nicht, warum der Antrag gestellt wird. Das ist nichts Neues. Auf gut Deutsch gesagt, ist das kalter Kaffee. Jede Gemeindeordnung und jede Mustergeschäftsordnung beinhaltet die Möglichkeit hierzu. Eine Reihe von Gremien der kommunalen Verwaltung hat dies übernommen. Darüber muss jeder Stadtrat oder Gemeinderat selbst entscheiden. Dafür wollen wir das kommunale Selbstverwaltungsrecht nicht antasten. Die Geschäftsordnung gibt die Möglichkeit. Was soll also der Antrag? Wir werden ihn ablehnen.

Der Antrag auf Drucksache 14/3787 beschäftigt sich mit der Repräsentation in Zweckverbänden. Hier wird es schon etwas interessanter. Die GRÜNEN hoffen offensichtlich, dass ein Grundmandat eingeführt wird. Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet mit Sicherheit keine Demokratie.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Lieber Kollege und Verfassungsrechtler Dr. Hahnzog: Demokratie ist dann, wenn diejenigen, die gewählt worden sind, auch entsprechend bestimmen können, und nicht die, die schlecht oder überhaupt nicht gewählt worden sind, dann plötzlich mit Grundmandaten belohnt werden sollen. Das ist mit Sicherheit nicht demokratisch.

(Beifall bei der CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der SPD)

Im Übrigen geht es ja hier – – Ach, jetzt hat wieder die Frau Edeljuristin Stahl noch einen Einwurf. Aber es tut mir Leid, es ist leider schlecht zu verstehen, und Ihre Zwischenrufe bin ich auch inzwischen schon gewöhnt. Wenn etwas mehr Qualität wäre, könnte man es vielleicht einmal beantworten.

Herr Kollege Heike, ich bin mit allen Versuchen gescheitert, die Kollegen dazu zu bringen, Ihnen zuzuhören. Leider tut es noch nicht einmal Ihre eigene Fraktion.

Die Materie ist wohl auch sehr trocken. Aber der Antrag liegt vor, deswegen müssen wir ihn behandeln, und wir müssen unsere Begründung dazu, Herr Präsident, auch geben können. Und ich glaube, das werden Sie auch sehr wohl durchsetzen können.

Wir kommen zum Antrag 3789. Da geht es um die Änderung des Sparkassengesetzes. Dort wird – sogar contra legem – ein Antrag gestellt. Wir können meines Erachtens beim Sparkassengesetz keine Änderung durchführen, weil wir dazu gar nicht berechtigt sind. Das hat mit Demokratie in der Gemeindeordnung nichts zu tun, sondern das sind Regeln, die in einem wirtschaftlichen Betrieb – und das sind die Sparkassen – auch so üblich sind.

(Dr. Hahnzog (SPD): Ho! Ho!)

Wir kommen zum Antrag 3792: Einführung einer Einwohnerversammlung. Ein solcher Teilnehmerkreis, wie er dort gewünscht wird, kann von uns nicht akzeptiert werden. Wir halten es nicht für richtig, dass dort jeder soll reden können; es sollen nur die tatsächlich Betroffenen berechtigt sein. Das dürfte auch die vernünftigste Lösung sein. Deswegen werden wir auch diesen Antrag wie die vorherigen alle ablehnen.

Der nächste Antrag, Drucksache 3793, betrifft die Stärkung der städtischen Bezirksausschüsse. Dabei ist es natürlich ein besonderes Münchner Recht. Ich muss allerdings dazu sagen: Wir sehen auch hier keine Notwendigkeit und überhaupt keine Gegebenheit, etwas zu ändern, so dass also deshalb die Zersplitterung von irgend- welchen Entscheidungskompetenzen mit umständlicher, wenn überhaupt noch möglicher Verwaltungsvollzugsmöglichkeit keinesfalls die Verwaltung leistungsfähiger macht, sondern sie höchstens lahm legt.

Der letzte Antrag betrifft die Änderung der Sparkassenordnung in Drucksache 3790. Da, muss ich sagen, ist eigentlich auch alles eindeutig; denn wir können nicht in den Betrieb der Sparkassen eingreifen. Die Gewährträger entscheiden, und das haben sie bisher wohl auch offensichtlich ordnungsgemäß gemacht, denn wir kennen da relativ wenige Einwendungen, um nicht zu sagen: ernsthafte Einwendungen überhaupt keine. Hier ist ein großes Thema der angeblichen Verbesserung der Demokratie eingefordert worden. Ich muss dazu sagen: Das, was wir hier vorliegen haben, ist zu wenig, als dass man sich damit ernsthaft weiter befassen sollte, und deshalb können wir dem nicht zustimmen.

Lassen Sie mich aber zum Schluss, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, noch sagen: Das Motto „Hin zu den Fleischtöpfen auch bei den Sparkassen und anderen Institutionen!“ wird Ihnen von uns nicht abgenommen. Sie haben ein ganz anderes Verständnis bisher gehabt. Vielleicht sind Sie auch hier auf einem neuen Weg, aber das ist nicht unser Problem. Die kommunale Selbstverwaltung, die Sie hier angreifen, die Sie teilweise sogar unterlaufen würden, wird von uns sehr hoch geachtet. Wir werden deshalb auch die kommunale Selbstverwaltung weiterhin in den Vordergrund stellen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: In Ihren Vorschlägen sind so viele Beschneidungen und sogar Entmündigungen der Gemeinde-, der Stadt- und der Kreisräte, dass wir dem mit Sicherheit auch aus diesem Grunde nicht zustimmen werden.

Wir glauben, dass unsere gewählten Vertreter, Männer und Frauen in den Gemeinde- und Stadträten wie in den

Kreistagen, ihre Arbeit sehr gut machen. Das kommunale Ehrenamt wird von uns hoch gehalten, und wir wollen auch, dass der kommunale Spielraum weiter erhalten bleibt. Deshalb werden wir Ihre Anträge in Gesamtheit ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung Herr Kollege Volkmann. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem pflichte ich Herrn Heike zu: Es ist nach außen scheinbar eine sehr trockene Materie. Es könnte fast langweilig sein; es scheint ja nur Gesetzestechnik zu sein.

Trotzdem meine ich, dass die Debatte, und zwar schon die erste Lesung in der Plenarsitzung am 11.07. des vergangenen Jahres, vor allem aber auch die Debatten in den Ausschüssen doch einiges Grundsätzliche deutlich gemacht haben. Sie haben deutlich gemacht, in welcher Art und Weise die CSU mit ihrer absoluten, leider muss man ja sagen: fast absolutistischen Mehrheit in vielen Fällen umgeht. Darauf werde ich gleich noch zurückkommen.

Ich möchte noch einmal ganz kurz Bezug nehmen auf das, was Frau Tausendfreund vorhin bereits in der Begründung vorgetragen hat, nämlich die Ziele, die eigentlich sehr lobenswert sind: mehr Transparenz; mehr Berücksichtigung des Wählerwillens; mehr Beteiligung von Bürgern; Interesse wecken durch erweiterte Beteiligungsmöglichkeiten; Integration von Ausländern und letztlich auch Bekämpfung von Politikverdrossenheit.

Herr Heike, wie Sie zu Ihrer Einschätzung kommen, ist mir fast schleierhaft. Aber wir werden auch darauf noch kurz zurückkommen.

Es ist die Frage: Wie ist die CSU mit diesen Vorschlägen umgegangen? Wir haben es in den Ausschüssen schon gehört: Sie haben zu allen Beschlussempfehlungen in den Tagesordnungspunkten 8 bis 15 Ablehnung signalisiert. Herr Heike hat es jetzt auch wiederholt. Das ist ja auch nicht weiter überraschend, aber die Begründung ist doch interessant.

Herr Heike hat jetzt zum Teil das Gleiche gesagt wie am 11.07.2000 bei der ersten Lesung. Ich darf Sie da einmal zitieren:

Es besteht kein Bedürfnis nach besserer Kontrolle, sondern es geht einfach um den Hang, einigen Freunden kleine Freundlichkeiten in Form von Aufsichtsratssitzen, Mitgliedschaften in Zweckverbänden und Ähnlichen zukommen zu lassen.

Also ich finde Ihre Motivation eine ausgesprochen edle und anerkennenswerte, denn Sie machen das umgekehrt sicherlich nicht. Sie machen es nur aus Idealismus, während Sie den GRÜNEN die genannte Motivation unterstellen. Ich finde, Sie sollten zumindest mit dem

gleichen Maß messen und nicht den GRÜNEN etwas unterstellen, was Ihnen ganz selbstverständlich ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Beifall des Abgeordneten Herbert Müller (SPD))

Sie sind übrigens damals fortgefahren mit den Worten:

Wenn Sie den Minderheitenschutz anmahnen, sage ich Ihnen, dieser ist wichtig und wird von uns ernst genommen. Aber machen Sie es doch ganz einfach: Schaffen Sie sich möglichst viele Wähler durch eine gute, vertrauensvolle Arbeit, dann werden Sie über die Diskussion zum Minderheitenschutz wahrscheinlich schnell hinwegkommen.

Also, wir wissen aus diesen Ausführungen von Herrn Heike, was die CSU unter Minderheitenschutz versteht: Die Minderheit soll schauen, dass sie eine Mehrheit bekommt, und dann ist sie darüber leicht hinweggekommen, und dann braucht man auch auf Minderheitenschutz keine Rücksicht mehr zu nehmen. Das ist, denke ich, genau das, was hinter dem steht, was Ihre Motivation für das Abstimmungsverhalten in diesem Bereich aufzeigt.

(Vereinzelter Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Lassen Sie mich ein Drittes vom Mitberichterstatter im Wirtschaftsausschuss, Herrn Brosch, zitieren. Es ist kein wirkliches Zitat, aber ich hoffe, dass es im Wesentlichen seine Auffassung wiedergibt. Im Prinzip ähnlich hat es ja Herr Heike auch gesagt. Im Protokoll vom 16.11.2000 ist ausgeführt:

Im Sparkassenwesen dürfe es nicht nach Parteienproporz gehen, sondern allein nach fachlichen Gesichtspunkten. In den Sparkassenzweckverbänden gehe es überhaupt nicht mehr nach politischen Vorgaben. Hier stünden allein fachliche Kriterien im Mittelpunkt.

Und dann heißt es noch wörtlich:

Nach Artikel 8 Absatz 3 des Sparkassengesetzes

(Glocke des Präsidenten)

seien Proporzgesichtspunkte auszuschließen.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja, ja!)

Jetzt sehe ich einmal davon ab, dass falsch zitiert ist, weil im Artikel 8 Absatz 3 lediglich steht, dass der Gemeinde- oder Stadtrat mit Mehrheit beschließt, wer jeweils in diesen Ausschuss kommt; aber es ist inhaltlich trotzdem richtig. Es steht im Artikel 10 Absatz 1 des Sparkassengesetzes, dass von den Mitgliedern des Verwaltungsrates als Voraussetzung Wirtschaftskunde und Sachkunde verlangt werden.

Was Sie jetzt sagen, dass Sie es nämlich auch aus der gesetzlichen Formulierung heraus dabei belassen wollen, dass Mehrheiten von 51% alle diese Sitze besitzen,

heißt doch ganz schlicht und einfach nur: Sie gehen davon aus, Sachkunde und Wirtschaftskunde seien nur bei der jeweiligen Mehrheit vorhanden.

Nachdem es nun in Bayern bedauerlicherweise so ist, dass auch Mehrheiten ganz überwiegend sich auf Seiten der CSU befinden, – –

(Zurufe von der CSU: Gott sei Dank!)

Ja, Gott sei Dank sagen Sie. Ich meine, jeder kann sich irren.

(Zurufe von der CSU)