Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

sionsgrundlage. Deshalb unterstützen wir den Antrag der SPD. Wir GRÜNEN vertrauen allerdings nicht alleine auf die Schaffenskraft und den Ideenreichtum des Ministeriums. Deshalb werden wir ein eigenes Konzept vorlegen.

(Knauer (CSU): Das ist gut!)

Meine Erfahrung zeigt: Das lohnt sich. Wir machen des Öfteren Vorschläge. Die CSU lehnt ab. Jahre später präsentiert uns die CSU die Ideen als ihre eigenen Ideen.

(Hoderlein (SPD): Das können sie am besten!)

Allerdings darf es diesmal nicht Jahre dauern. Dazu ist der Lehrermangel zu drängend. Diesmal müssen Sie früher zu Potte kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gebe bekannt, dass auf Antrag der CSU-Fraktion über diesen Dringlichkeitsantrag namentlich abgestimmt wird. Als nächste Rednerin hat Frau Ministerin Hohlmeier das Wort.

(Hofmann (CSU): Herr Präsident, stimmen wir regierungsbezirksweise ab!)

Da werden sich die Münchner freuen.

Frau Ministerin, bitte.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme Stellung zum Dringlichkeitsantrag der SPD betreffend „Dem Lehrermangel in Bayern unverzüglich entgegenwirken!“. Ich bin offen gestanden erstaunt, dass, kaum dass ich vor zwei Jahren damit begonnen habe, auf den Lehrermangel in den verschiedenen Schularten aufmerksam zu machen, plötzlich ein Dringlichkeitsantrag auftaucht. Das hat, Herr Irlinger, vor rund einem Dreivierteljahr die Überschriften ausgemacht, als ich anlässlich der Schuljahrespressekonferenz auf einige Details eingegangen bin. Zu Zeiten, in denen in manchen Schularten, zum Beispiel der Grundschule, die Staatsnote eingeführt werden musste,

(Knauer (CSU): Da haben die noch ein Volksbegehren gemacht!)

wurden die Schlagzeilen allerdings dadurch beherrscht, dass angeblich zu viele Lehrkräfte vorhanden seien, währenddessen von Seiten des Kultusministeriums darauf aufmerksam gemacht wurde, dass an den Berufsschulen und den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern spätestens ab dem Jahr 2002 oder 2003 Schwierigkeiten entstehen werden. Die „Plötzlichkeit des Antrags“ überrascht etwas vor dem Hintergrund der seit Jahren dauernden Fachdiskussion, die den einen oder anderen vielleicht noch nicht erreicht hat, in Fachkreisen aber schon etwas länger geführt wird.

Punkt 2: Das Kultusministerium und die Bayerische Staatsregierung insgesamt müssen nicht erst aufgefor

dert werden, jetzt etwas zu tun. Wir sind seit längerer Zeit dabei, mit verschiedenen Maßnahmen in verschiedenen Fachbereichen insbesondere für die Berufsschulen zu agieren, weil wir ansonsten in bestimmten Fachbereichen heute schon nicht mehr die Lehramtsstellen bzw. die Lehrerplanstellen mit adäquaten Fachkräften besetzen könnten. Es ist nichts Besonderes, dass an den Berufsschulen Fachexperten von außen mitwirken. Das ruft immer wieder Erstaunen hervor, ist aber an den Berufsschulen schon seit vielen Jahren gute Praxis. Handwerksmeister, Techniker oder Fachexperten aus der Industrie kommen an die Berufsschulen.

Wir werden diese Praxis ausbauen und in bestimmten Bereichen, wo Mangel existiert, vorübergehend Experten aus der Wirtschaft einsetzen, die bereit sind, für ein oder zwei Jahre im Schulwesen für entsprechende Fachstunden zur Verfügung zu stehen. Das ist nichts Sensationelles. Diese Praxis hat es immer gegeben, und sie wird wegen des Lehrermangels in spezifischen Fachbereichen wieder eingesetzt werden. Das wird nicht dahin gehend Praxis werden, dass die Experten ohne jegliche pädagogische Ausbildung auf Dauer in das Lehramt übertreten. Wenn jemand das möchte, muss er eine entsprechende pädagogische Ausbildung mitbringen. Mit Billigkeit geht es nicht. Es geht nur mit qualitativ hochwertiger Ausbildung.

Ich will nun auf die Situation in der Fachoberschule und der Berufsoberschule eingehen. Herr Irlinger, die Situation an der Fachoberschule und der Berufsoberschule wurde vom Kollegen Knauer sehr zutreffend beschrieben. Vor zwei Jahren gab es noch keinen Lehrermangel. Anfang der neunziger Jahre drohte aufgrund des Schülermangels und des Rückgangs von Schülerzahlen die Schließung mancher Fachoberschule. Warum kann das nicht prognostiziert werden? – Der Schüleranstieg um 30% innerhalb eines Jahres an der Berufsoberschule kann nicht prognostiziert werden. Das ist weder über die Geburtenzahlen prognostizierbar noch kann per Würfel darüber entschieden werden, wie viele Jugendliche im letzten Schuljahr eine Berufsoberschule besuchen werden. Einen so hohen Anstieg hat es noch nie gegeben. Er war nicht prognostizierbar. Er war nicht vorhersehbar. Auch der Anstieg der Schülerzahlen an den Fachoberschulen war deutlich höher als die Geburtenzahlen wiedergeben. Was ist eingetreten? – Die jungen Menschen scheinen ihr so genanntes Bildungsverhalten zu verändern. Anfang der neunziger Jahre gab es das Schreckgespenst, dass der Arbeitsmarkt schwierig werden würde und man besser an der Stelle bleibt, an der man die Ausbildung erhalten hat, seinen Arbeitsplatz nicht mutwillig aufs Spiel setzt und sich insbesondere nicht auf das Wagnis einlässt, eine Schulausbildung zu machen, weil man nicht sicher sein konnte, einen Arbeitsplatz zu erhalten.

Zu diesem Zeitpunkt gingen die Schülerzahlen an den Berufsschulen und Fachoberschulen zurück. Da momentan die Arbeitsmarktaussichten sehr gut sind, die jungen Leute sich besser qualifizieren wollen, um gute Arbeitsplätze bekommen und die geforderten Qualifikationen erfüllen bzw. anstreben zu können. Das Verhalten ist sehr vernünftig und gut. Wir werden uns darauf einzustellen haben. Die Größenordnungen waren jedoch nicht

prognostizierbar. Wir werden versuchen müssen, zum nächsten Schuljahr das Problem einigermaßen vernünftig in den Griff zu bekommen und ausgleichen zu können. In der kurzen Zeit wird das nicht leicht werden.

Ich gehe nun auf den Vorwurf von Herrn Irlinger ein, dass es jedes Jahr Einsparungen bei den Lehrerplanstellen gegeben habe. Herr Irlinger, ich glaube, Sie haben die Staatshaushalte der vergangenen zehn Jahre bis heute noch nicht gelesen. Bei den Lehrern wurde keine einzige Mark eingespart. Wir haben ständig zusätzliche Lehrerplanstellen ausgewiesen. Wie in anderen Ländern – in Bayern nicht ganz so stark – konnte der Anstieg nicht komplett durch Lehrerplanstellen ausgeglichen werden. Es ist etwas anderes, ob Lehrerplanstellen eingespart werden – wie das in Niedersachsen und anderswo der Fall war – oder ob nicht genügend zusätzliche Lehrerplanstellen ausgewiesen werden können, um den gesamten Schülerzuwachs abdecken zu können.

(Irlinger (SPD): Beim Sport wurden 900 Lehrer eingespart!)

Welche Staatsregierung in Deutschland hat es gegeben, die weit vorausblickend fünfmal 500 Zweidrittel-Stellen ausgewiesen hat, um möglichst vielen jungen Lehrern, die auf dem Arbeitsmarkt keine Möglichkeit gehabt hätten, eine Anstellung zu geben? Hätten wir die Zweidrittel-Stellen nicht ausgewiesen, hätten wir wesentlich weniger junge Leute anstellen können. Dann wäre heute der Lehrermangel und die Bedrohlichkeit des Lehrermangels erheblich größer.

(Beifall bei der CSU)

Das haben Sie, Herr Irlinger, allerdings nicht bemerkt.

(Irlinger (SPD): Es gibt doch keinen Lehrermangel, so sagte Kollege Knauer!)

Wir haben über die fünfmal 500 Zweidrittel-Stellen junge Lehrer gebunden, ihnen eine Anstellung gegeben. Diese Stellen können wir in ganze Planstellen umwandeln und dadurch den Lehrermangel dort mindern, wo es Schwierigkeiten gibt. Wir haben relativ langfristig und nicht nur kurzfristig gedacht. Wir haben insbesondere an die Zeit gedacht, die jetzt eintritt.

Sie sprachen vorhin von einem länderübergreifenden Konzept, damit der gesamtdeutsche Lehrerarbeitsmarkt transparenter und freizügiger gestaltet und damit Lehrerinnen und Lehrer flexibel eingesetzt werden können. Wissen Sie, wie man das ganz einfach machen könnte? Dagegen wehren sich aber die SPD-regierten Länder. – Man könnte das planstellenneutrale Lehreraustauschverfahren schlichtweg dahin gehend regeln, dass jede Lehrkraft dahin gehen darf, wohin sie möchte. Die Länder, in denen die Lehrkräfte gearbeitet haben, müssen für diese Jahre die Altersversorgung übernehmen. Das Land, in das die Lehrer gehen, müsste die Altersversorgung nur für die Jahre übernehmen, in denen der Lehrer in diesem Land arbeitet.

Das bedeutet, dass wir einen Lehrer, der mit den Fächern Mathematik und Physik aus Nordrhein-Westfa

len kommt, in Bayern herzlich begrüßen werden. Wir wollen aber nicht einen Lehrer aus Bayern zwangsweise abgeben müssen, was beispielsweise das planstellenneutrale Austauschverfahren verlangt. Warum sind die SPD-regierten Länder davon nicht begeistert, obwohl dieses System transparent, flexibel und schnell wäre. Das liegt daran, dass die Bilanz der anderen Länder negativ wäre, weil zehn Lehrer nach Bayern wollen und maximal einer in den Norden Deutschlands.

(Knauer (CSU): So ist es!)

Das würde also einen gewaltigen Aderlass für die anderen Länder bedeuten. Ich kann mich mit diesem Vorschlag sehr gut anfreunden, und ich hoffe, dass wir das durchsetzen können. Frau Kultusministerin Schavan hat ein solches flexibles Verfahren vorgeschlagen. Ich wehre mich lediglich dagegen, dass Lehrer aus anderen Klassen während des Schuljahrs abgeworben werden. Dieses Verfahren akzeptiere ich nicht.

(Dr. Eykmann (CSU): Sehr richtig!)

Jedes Kind in jedem Land Deutschlands hat einen Anspruch darauf, seinen Lehrer bis zum Ende des Schuljahrs behalten zu dürfen. Ich halte es schlichtweg für unmöglich, dass sich die Länder während des Schuljahrs gegenseitig Lehrer abwerben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Münzel?

Aber bitte.

Frau Ministerin, ist es eine Vermutung von Ihnen, dass mehr Lehrer nach Bayern kommen wollen als von Bayern in andere Länder gehen, oder gibt es Statistiken und Untersuchungen darüber?

Es gibt keine Statistiken, aber es gibt Anfragen. Das bedeutet, dass es Anfragen von vielen Lehrkräften anderer Länder gibt, die gerne zu uns nach Bayern kommen würden. Wir müssen in Bayern einen Austauschpartner suchen. Das Verhältnis beträgt in der Regel 10 : 1 zugunsten Bayerns. Das Verhältnis von Bayern zu Baden-Württemberg beträgt 4 : 1. Es gibt keine eigenen Statistiken, aber wir können im Laufe der Jahre anhand der Anfragen aus anderen Ländern und der Nachfragen von Lehrern aus Bayern, die in andere Länder gehen wollen, feststellen, wie das Verhältnis ist. Aus diesem Grunde hätte ich gegen ein neues flexibilisiertes System überhaupt nichts einzuwenden. Die Frage der Altersversorgung muss allerdings geregelt sein. Der Freistaat Bayern kann nicht die Kosten der Altersversorgung der anderen Länder übernehmen, die teilweise in der Größenordnung bis zu einer Million DM pro Person liegen. Die Länder, die die Lehrer bisher in der Altersversorgung hatten, müssten den Anteil entsprechend bezahlen.

Lassen Sie mich auf die Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufes eingehen. Frau Münzel, ich gebe Ihnen darin Recht, dass der Lehrerberuf nicht allein durch mehr Geld attraktiv wird. Das Gehalt ist aber einer der Faktoren, die eine Rolle spielen. Ein Lehramt ohne Beförderungsmöglichkeiten ist nicht so attraktiv wie ein Lehramt, das Beförderungsmöglichkeiten hat. Es kommen jedoch noch viele andere Faktoren hinzu. Es müssten parteiübergreifend alle Politiker und diejenigen, die in der Gesellschaft Verantwortung tragen, die Leistung der Lehrkräfte respektieren. In dieser Beziehung sind Ausdrücke wie „faule Säcke“ nicht besonders vorteilhaft. Dieses Wort ist immer noch in aller Munde und hat dazu geführt, dass die Lehrkräfte enorm beleidigt sind, und das zu Recht.

Lehrkräfte müssen den Rückhalt der gesamten Gesellschaft haben. Lehrkräfte brauchen Anerkennung innerhalb der Gesellschaft und müssen wissen, dass die Arbeit, die sie leisten, auch im Bewusstsein der Menschen eine wichtige Arbeit ist. Sie dürfen nicht bezichtigt werden, einen Halbtagsjob auszuüben. Unsere Lehrkräfte haben keinen Halbtagsjob. Jeder, der jeden Tag in der Schule steht, weiß, dass manche, die draußen fromme Reden halten, sich besser in die Klassen stellen sollten. Dann wüssten sie besser, was es bedeutet, bei den heutigen familiären Verhältnissen eine Lehrkraft zu sein.

(Odenbach (SPD): Tun Sie das!)

Ich selbst tue das gerne, Herr Odenbach. Das müssten alle miteinander tun.

Lassen Sie mich nun zu den native speakers kommen. Frau Münzel, native speakers können gerne bei uns eingesetzt werden. Wir haben das selbst vorgesehen. Wir haben allerdings in den letzten Jahren auch erfahren, dass es nicht ganz einfach ist, native speakers zu gewinnen. Es ist nicht leicht, junge Männer und Frauen aus anderen Ländern als Lehrkräfte für eine gewisse Zeit zu bekommen, wenn sie Familie haben. Denn diese Lehrkräfte wollen bei ihren Familien bleiben und nicht mit der ganzen Familie umziehen, nur weil sie eine Zeitlang im Ausland arbeiten. Es ist also relativ kompliziert, native speakers zu gewinnen. Wir haben versucht, native speakers aus England und Frankreich zu bekommen. Es funktioniert auch hin und wieder, aber im großen Maßstab funktioniert es nicht. Ich halte native speakers an der Grundschule für eine interessante Variation, weil es für Kinder, die in eine Sprache hineinwachsen, besonders vorteilhaft ist, die Sprache von einem Muttersprachler zu erlernen. Deshalb arbeiten wir auch eng mit England, Frankreich und Italien gerade im Grundschulbereich eng zusammen.

Ich möchte darauf hinweisen, dass dieser Antrag nicht notwendig ist, weil wir zu nichts aufgefordert werden müssen. Wir müssen nicht erst durch einen Dringlichkeitsantrag darauf aufmerksam gemacht werden, dass unter Umständen ein Lehrermangel existieren könnte. Die Initiative ist von uns ausgegangen, und Sie von der SPD versuchen, sich auf das Trittbrett zu setzen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Radermacher hat noch ums Wort gebeten. Ich weise darauf hin, dass pro Fraktion für alle Dringlichkeitsanträge zusammen nur 45 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen.

(Hofmann (CSU): Frau Radermacher hat noch drei Minuten!)

Ach, Herr Hofmann, Sie hören mich doch so gern reden.

(Hofmann (CSU): Verraten Sie nicht alles!)

Ich weiß doch, dass Sie mir länger als drei Minuten zuhören wollen.

(Herrmann (CSU): Zumindest Ihnen mehr als anderen!)

Es ist schon eine merkwürdige Situation. Herr Knauer hat vehement deutlich zu machen versucht, dass es keinen Lehrermangel gibt. Ich bin froh, dass Sie, Frau Hohlmeier, schon vor zwei Jahren erkannt haben, dass der Lehrermangel ein Problem ist. Insofern sind unsere beiden Positionen näher beieinander als Ihre Position an der von Herrn Knauer. Herr Knauer, Sie sollten endlich einmal aufhören, in Ihren Reden die Taktik einzuschlagen, auf andere Bundesländer zu verweisen, wenn Sie persönlich offensichtlich keine Lösungsvorschläge für ein Problem haben. Noch nicht einmal Herr Hofmann, der ein begeisterter Fan von Ihnen ist, hat da noch geklatscht. Überdenken Sie noch einmal Ihre Taktik, sie ist nicht gerade toll.