Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

(Leeb (CSU): Herr Kommissar Fischler!)

Der Herr Kommissar Fischler schlägt vor, dass wir Rinderprämien nur noch für bis zu 90 Tiere gewähren. Dies war ein Vorschlag, den wir als bayerische SPD immer gefordert haben. Soviel ich weiß, ist dies auch ein Vorschlag, den die CSU in ihrem Arbeitskreis Landwirtschaft in Bayern ebenso wie degressive Förderungen durchaus unterstützt hat. Wir beide sind in unseren Parteien aber nicht durchgekommen, und zu diesen Zeiten konnten die GRÜNEN sagen: Schaut her, wir wären diejenigen, die diese kleinen Betriebe fördern. Jetzt steht Frau Künast Seite an Seite mit Sonnleitner und sagt: Eine Begrenzung auf 90 Tiere kommt nicht infrage, da wir in Ostdeutschland Betriebe mit 1000 und 2000 Tieren haben.

Meine Damen und Herren, groß und klein kann der Unterschied nicht sein, und ich glaube, dass auch in großen Betrieben Ökologisierung möglich ist und dass wir trotzdem die Degression dadurch bekommen müssen, dass wir die Reduzierung der Förderung auf kleinere Strukturen, die landeskulturell eine Bedeutung haben, bewerkstelligen. Wir tragen auch das Gentechnikmoratorium mit. Ich warne davor, sich in der Agrarpolitik von Skandal zu Skandal zu hanteln. Wir haben es jetzt erlebt: BSE wird fast schon vom Antibiotikum-Skandal überholt. Man kann absehen, dass die nächste Diskussion in der Bevölkerung sein wird: Wir wollen die gentechnisch veränderten Lebensmittel nicht essen; wir wollen zumindest frei entscheiden können, was wir kaufen. Deswegen ist es richtig, jetzt den absehbaren nächsten Skandal, den Gentechnikskandal, zu vermeiden, indem man sich jetzt mit einem Moratorium festlegt, zumindest einstweilen die Gentechnik in landwirtschaftlichen Produkten nicht anwenden zu lassen.

Meine Damen und Herren, im Antrag der GRÜNEN werden deutliche Abstände der Förderhöhe zwischen anerkannter ökologischer Bewirtschaftung und anderen Einzelfördertatbeständen gefordert. Auch das unterstützen wir. Das bayerische Kulturlandschaftsprogramm leidet unter einem Grundfehler. Dieser Fehler war veranlasst von dem Versuch der Staatsregierung, sich bei den Bauern anzudienen. Das Lob, das sich die Staatsregierung

selbst erteilt, lautet immer: Schaut her, aus unserem Kulturlandschaftsprogramm bekommen so viele Bauern einen Zuschuss. Dies ist der Fall, weil die Einstiegsstufe in dieses Programm eigentlich keinen großen ökologischen Vorteil hat.

(Signal der Frau Zweiten Vizepräsidentin Riess)

Frau Präsidentin, heißt das, dass ich noch Redezeit habe oder dass ich schon am Ende bin?

(Heiterkeit bei der CSU)

Ich bin am Ende meiner Redezeit – Sie wissen das; ich glaube, Sie hätten mir niemals etwas anderes unterstellt, weil Sie alle so freundliche Menschen sind. Ich darf Ihnen noch sagen, dass wir dem Antrag der GRÜNEN zustimmen und den Antrag der CSU ablehnen. Wir werden aber in unseren Ausschusssitzungen intensiv weiterhin über die Vorschläge der GRÜNEN, unsere eigenen und die der CSU diskutieren. Ich hoffe, wir lernen alle so viel aus dieser Krise, dass wir weitgehend gemeinsam eine neue Agrarpolitik fordern, wie sie sich der Verbraucher vorstellt und bei der sich Kälber nicht mehr gegenseitig die Haare vom Leib fressen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatsminister Miller. Bitte.

Staatsminister Miller (Landwirtschaftsministerium) : Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Aufgrund des BSE-Schocks wird die bisherige Agrarpolitik von vielen Kreisen der Bevölkerung kritisch in Frage gestellt. Ich glaube, es besteht Einigkeit, dass wir rasch eine Weiterentwicklung der Agrarpolitik brauchen. Darüber gibt es in Deutschland großes Einvernehmen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage ist aber, wie und wodurch diese Agrarpolitik weiterentwickelt wird oder ob sie nur durch Reden weiterentwickelt wird. Wir brauchen eine Agrarpolitik mit Taten.

Herr Starzmann, wenn die SPD jetzt ihren Bundeslandwirtschaftsminister verloren hat, dann ist dies eine gewisse Aufgabe. Wenn Sie hier erklären, es gibt keine finanzielle Solidarität mit der arg gebeutelten Landwirtschaft, dann ist dies keine gute Aussage. Herr Dürr, Sie sollten aufhören, immer von Bayern als dem Zentrum des BSE-Skandals zu sprechen.

(Beifall bei der CSU)

Sie sollten damit aufhören. Rechnen Sie einmal die Viehzahlen in Schleswig-Holstein hoch, wo Sie mitregieren, und bringen Sie das in Verhältnis zu den dortigen BSE-Fällen. Sie kommen dann zu einem anderen Ergebnis.

Ganz entscheidend ist, dass von den 900 Millionen DM, die die Bundesregierung jetzt zur Verfügung stellt, die eine Hälfte aus Brüssel kommt und die andere Hälfte umfinanziert wird. Es gibt keine Solidarität, und der Kanzler ist nicht einmal bereit, an den Gesprächen mit

den Ministerpräsidenten teilzunehmen. Daran sieht man, welchen Stellenwert die Landwirtschaft hat.

Herr Dürr, Sie sollten vom Ökozentrum Bayern sprechen, was ökologischen Landbau angeht. Ich darf Ihnen einmal die Zahlen nennen:

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dafür können doch Sie nichts! Das haben doch die Bauern selbst gemacht!)

39% der Verbandsbetriebe plus tausend Betriebe, die nach dem EU-Ökostandard wirtschaften. Im Durchschnitt erhält jeder Betrieb des Ökolandbaus 426 DM je Hektar in Bayern, im Bundesdurchschnitt dagegen nur 270 DM je Hektar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie jetzt die Verbraucherinitiative Bayern begrüßen, die Sie ja als Antwort auf Ihre Fragen sehen, dann liegen wir nicht mehr auseinander. An BSE-Hilfen werden 245 Millionen DM zur Verfügung gestellt, die Entsorgungskosten für Futtermittel werden vollständig übernommen. Wo bleibt da die Bundesregierung? 150 Millionen DM Umstellungsprogramm „Gesunde Landwirtschaft“; Tierhaltungssysteme, Förderung von Futterpflanzen, Förderung des Regionalmarketing – 25 Millionen DM Ökolandbau –. Andere Bundesländer können darüber nur staunen – ich habe heute Staatssekretär Griese aus Nordrhein-Westfalen getroffen. Wir müssen in der Bundes- und in der EUAgrarpolitik umsteuern. Der Druck auf die Bauern, immer billiger zu produzieren, muss gemildert werden.

Gerade die bäuerlichen Betriebe können da nicht mithalten.

Ich möchte auf einige Punkte eingehen, die Sie angesprochen haben: Sie fordern, illegale Praktiken, zum Beispiel Verstöße gegen das Lebensmittelrecht usw., konsequenter zu ahnden und zu verfolgen. Hier stimmen wir überein. Es reicht allerdings nicht aus, in Brüssel zu fordern, Antibiotika aus dem Futter herauszunehmen, wenn dies frühestens im Jahr 2005 erfolgt. Sie fordern außerdem die Stärkung der bäuerlichen Eigenständigkeit und eine bodengebundene Produktion. Auch auf unseren Vorschlag wurde der Mais aus der Ausgleichzulage herausgenommen. Allerdings sollte wenigstens für den Ackerfutterbau eine Ausgleichszulage gewährt werden, weil dies ökologisch sinnvoll ist. Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.

Herr Kollege Dr. Dürr, ich würde Ihnen dringend raten, sich einmal über die Zuchtziele zu informieren. Wir haben Langlebigkeit, Fruchtbarkeit und Gesundheit. Wir liegen bezüglich der Milchleistung an letzter Stelle im Bundesgebiet. Die rot-grün regierten Länder brüsten sich dagegen, dass sie bei der Milchleistung an erster Stelle lägen. Bei uns standen immer andere Zuchtziele im Vordergrund. Dies wird auch künftig so sein. Nun zur Ausbildung: Ich möchte nur das Zentrum des ökologischen Landbaus in Landshut-Schönbrunn nennen. Diese Schulen finden wir in den Ländern, in denen Sie regieren, nicht. Wir müssen die Beratung verbessern. Herr Kollege Starzmann, ich stimme Ihnen zu, dass wir den Ökolandbau über die Vermarktung fördern müssen,

wie das in Österreich geschieht. Die Ökoprodukte müssen dort angeboten werden, wo berufstätige Frauen einkaufen. Hier sind wir uns einig.

(Starzmann (SPD): Sie sollten nicht darüber reden, sondern handeln!)

Für das Regionalmarketing werden wir 25 Millionen DM zur Verfügung haben. Mit diesen Mitteln können wir eine für die Bundesrepublik beispielhafte Agrarpolitik gestalten. Ich würde mich freuen, wenn andere Länder sich daran beteiligen würden.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/5753, das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD sowie Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/5767, das ist der Antrag der Fraktion der CSU, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und Herr Kollege Hartenstein. Ich sehe keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum SPD-Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/5752 bekannt geben. Mit Ja stimmten 63, mit Nein 82 Kolleginnen und Kollegen. Es gab eine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Willi Müller, Kobler und anderer und Fraktion (CSU)

Risikoanalyse der Nahrungsmittelkette (Drucksache 14/5754)

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Willi Müller.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe einen sehr guten Antrag zu begründen. Deshalb gehe ich davon aus, dass die Opposition mit großer Freude diesem Antrag zustimmen wird. Ich sage nichts Neues, wenn ich darauf verweise, dass BSE zu einer tiefen Verbraucherverunsicherung in Deutschland geführt hat. Der Fleischkonsum ist massiv zurückgegangen. Die

fleischverarbeitende Wirtschaft in Bayern ist in eine schwere Existenzkrise geraten. Deshalb ist es Aufgabe der Politik, alles zu tun, um den Verbrauchern die Angst vor den Nahrungsmitteln zu nehmen.

Gestern hat der Ministerpräsident bekanntlich ein großartiges Programm angekündigt, das mit viel Geld ausgestattet ist und sicher ein sehr wichtiger Beitrag für den Verbraucherschutz in Bayern ist. Ich habe hier einen wichtigen Detailbereich des Verbraucherschutzes zu vertreten, nämlich eine Risikoanalyse in der Nahrungsmittelkette. Politik kann nur dann fundiert und langfristig verantwortlich handeln, wenn wir fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse haben. Im Moment müssen wir leider feststellen, dass die Dinge sehr unterschiedlich beurteilt werden. Viele Wissenschaftler und Fachleute sagen oftmals verschiedene Dinge. Deshalb bin ich der Meinung, wir müssen diese Risikoanalyse vorlegen. Sie muss sich mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Nahrungsmitteln beschäftigen. Ich darf Sie herzlich bitten, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Scharfenberg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Dringlichkeitsantrag, der die ungeteilte Zustimmung der Bündnis-Grünen findet. Wäre dieser Antrag von unserer Partei vor drei Monaten gestellt worden, wäre er noch im Papierkorb gelandet.

Insgesamt unterstützen wir Ihren Antrag, wollen aber unbedingt, dass eine Abstimmung mit dem Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin – BGVV – als einer wissenschaftlich orientierten selbstständigen Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit stattfindet. Dieses Institut wurde schon im Juni 1994 eingerichtet. Seit dieser Zeit wurden dort etliche Untersuchungen zur Verbesserung des gesundheitlichen Verbraucherschutz durchgeführt. Dies gilt auch für Themenkreise, die Sie angeführt haben, wie zum Beispiel für Lebensmittel, Chemikalien, Kosmetika, Tierarzneimittel, Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfungsmittel.

Sie begründen Ihren Antrag mit der Feststellung, dass Deutschland einen sehr hohen Schutzstandard im Lebensmittelrecht für den vorbeugenden Gesundheitsschutz habe. Dem können wir uns anschließen. Was nützen aber die besten Gesetze, wenn nicht konsequent gehandelt wird? Strafe allein genügt nicht. Dies hat der Antibiotika-Skandal gezeigt.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin Scharfenberg, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Starzmann?

Frau Kollegin, hätten Sie die Freundlichkeit, dem Hohen Haus

mitzuteilen, dass auch die SPD-Fraktion diesem Antrag zustimmen wird? Wir haben keine Redezeit mehr.

(Heiterkeit)

Der Wink mit dem Zaunpfahl ist angekommen. Wir unterstützen diesen Antrag ebenso wie die SPD-Fraktion.

(Glück (CSU): Oppositionskoalition!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Der nächste Redner ist Herr Staatsminister Sinner.