Gustav Starzmann
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ihr Beifall soeben war sehr aufschlussreich; denn dort, wo die Stimmung nicht vorhanden ist, muss man sie künstlich erzeugen. Vielleicht kommt aber noch Stimmung auf.
Wenn nicht etwas ganz ganz Fürchterliches passiert, ist es voraussichtlich das letzte Mal, dass ich im Bayerischen Landtag zum Haushalt des Landwirtschaftsministeriums sprechen werde.
Haben Sie Verständnis, dass ich mich nicht nur mit den Zahlen des vorliegenden Doppelhaushalts beschäftige. Ich bin so frei, mit dieser Rede einen Rückblick auf 20 Jahre Agrarpolitik im Bayerischen Landtag, eine Bestandsaufnahme und einen kurzen Ausblick, was künftig sein wird, zu verbinden.
Wäre ich ein Populist, müsste ich kritisieren, dass das Agrarinvestitionsförderprogramm um 15 Millionen e gekürzt wird, dass das Programm zur Erhaltung der Kulturlandschaft um 8 Millionen e gekürzt wird und dass die Verbraucherinitiative von einst 68 Millionen e völlig entfällt. Ich will mich aber darüber nicht mokieren, weil wir nicht sind wir ihre Berliner CSU-Kollegen, die alles und jedes kritisieren und denen nichts passt. Wir wissen, dass es eben nicht geht, die Neuverschuldung zu senken ohne zu sparen. Wir finden es richtig, dass die Staatsregierung vorschlägt, Landesmittel dort einzusetzen, wo durch Kofinanzierung mit Landesgeld Millionen
Euro aus der Bundes- und der Europakasse nach Bayern geholt werden können. Es wäre aber auch ehrlich von der Staatsregierung zuzugeben, dass ein großer Teil des bayerischen Agrarhaushaltes Gelder vom Bund und von Europa sind, die jetzt Bayern schmücken. Bayern als immer noch führendes Agrarland profitiert auf diesem Wege sogar von der immer so beklagten Nettozahlerposition der Bundesrepublik in der Europäischen Union.
Ich erlaube mir auch von dieser Stelle aus an die Bundesregierung zu appellieren, ihre Pläne zur Abschaffung des § 13 a des Einkommensteuergesetzes und zur Abschaffung der Umsatzsteuerpauschalierung in der Landwirtschaft zu überdenken.
Es sieht so aus, als wären wir darin erfolgreich. Das bestehende Recht ist nämlich im Grundsatz richtig. Es soll beim Wahlrecht bleiben zwischen den für die Steuerverwaltung für und die betroffenen Bauern einfachen Pauschalierungen und dem Einzelberechnungsverfahren, wer dieses nehmen möchte. 80000 zusätzliche detaillierte, wahrscheinlich ergebnislose Einkommensteuererklärungen und 80000 zusätzliche Umsatzsteuererklärungen allein aus der bayerischen Landwirtschaft fressen die 20 Millionen e der erhofften Steuermehreinnahmen durch Personalkosten bei den Finanzämtern mehr als auf.
Außerdem sind die Hoffnungen auf Mehreinnahmen trügerisch. 2004 werden nämlich die Steuereinnahmen durch die Umstellung erst einmal zurückgehen, weil das vorhandenen Umlaufvermögen – bisher pauschal besteuert – abgezogen werden kann. Ich empfehle daher: Davon lasse man die Finger. Der volle Mehrwertsteuersatz auf Hunde- und Katzenfutter wäre weitaus gerechtfertigter und wahrscheinlich auch unbürokratisch zu handhaben.
Ich will nicht zu parteipolitisch werden, aber Herr Eichel möge bedenken, dass diese Vorschläge von Referenten stammen, die schon unter Waigel eingestellt worden sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den zwanzig Jahren, in denen ich nun dem Bayerischen Landtag angehöre, habe ich fünf bayerische Landwirtschaftsminister aus der Opposition begleiten dürfen. Unter ihnen habe ich nur einen erlebt, der bayerische Landwirtschaft gestaltet und nicht nur verwaltet hat. Dies war Hans Eisenmann. Ihm gegenüber habe ich im Landtag, weil ich jung war, am schärfsten gesprochen. Das tut mir heute Leid.
Er war, als ich 1982 in den Landtag kam, schon 13 Jahre lang Minister. Sein großer Wurf war 1970 das Landwirtschaftsfördergesetz, das den so genannten bayerischen Weg begründete und das vom Landtag einstimmig beschlossen wurde. Leider wurde das Kernstück dieses Gesetzeswerkes bis heute nicht ausreichend umgesetzt. Manche haben es bis heute noch nicht verstanden. Der
Kerngedanke dieses Gesetzes war, die Wettbewerbsanpassung der bayerischen landwirtschaftlichen Betriebe durch technischen Fortschritt auf dem Wege der überbetrieblichen Zusammenarbeit zu erreichen. Stattdessen verfolgte die CSU eine Ideologie möglichst vieler aber leider undefinierter so genannter bäuerlicher Vollerwerbsbetriebe, die auf der Fehleinschätzung basierte, dass durch eine mit Milliarden DM geförderte Betriebsaufstockungswelle der Wettlauf mit dem technischen Fortschritt zu gewinnen sei. Doch die durchschnittliche Betriebsgröße stieg in Bayern seit 1958 nur von 9 auf 24 Hektar, also um 180%, während zum Beispiel die Schlepperstärke um 650% gesteigert wurde, nämlich von 16 auf 120 PS.
Als Folge dieser Fehleinschätzung ist der Begriff „Vollerwerbsbetrieb“ still und verschämt aus dem Vokabular der CSU verschwunden. Er wurde durch den so genannten Haupterwerbsbetrieb ersetzt. Damit ist die VollerwerbsIdeologie des „Wachsen oder Weichen“ gescheitert. Auch die Haupterwerbsbetriebe werden weniger. 60% der bayerischen Landwirtschaft sind bereits Nebenerwerbler. Im Zeitalter der satellitengesteuerten Landwirtschaftstechnik kann sich auch ein tausend Hektar-Betrieb die Eigenmechanisierung nicht mehr leisten. Aber ein Nebenerrwerbsbetrieb im Maschinenring kann auch diese Technik preiswert nutzen. Die Durchschnittsgröße eines bayerischen Maschinenbetriebs beträgt 29000 Hektar, und die besten unter den so genannten Haupterwerbsbetrieben im Maschinenring sind in Wirklichkeit auch Nebenerwerbsbetriebe geworden. Sie haben es nur noch nicht gemerkt. Ihr neuer Haupterwerb stammt nämlich aus Einnahmen als de facto landwirtschaftlicher Arbeitnehmer im Maschinenring.
Was wir jetzt brauchen, und daran traute sich keiner der Eisenmann-Nachfolger heran, ist eine Novellierung des bayerischen Landwirtschaftsförderungsgesetze, die folgende Schwerpunkte zum Ziel hat:
Erstens. Maschinenringe müssen aus der Staatsabhängigkeit heraus. Lieber keine Förderung als Staatsgeld, das sich nur als Hemmschuh auswirkt. Bauern, die es 44 Jahre nach Gründung der ersten Maschinenringe noch nicht gemerkt haben, dass dort ihre Chancen liegen, werden auch durch staatliche Zuschüsse nicht zur Vernunft der überbetrieblichen Zusammenarbeit gebracht.
Zweitens. Wir brauchen eine Hightech-Berufsausbildung speziell für Nebenerwerbslandwirte statt Subventionen. Das Konzept „Landwirtschaftsschule 2000“ in Bayern ist zu kurz gegriffen. Die gleichzeitige Ausbildung zu zwei Berufen für Landwirte, wie sie zum Beispiel im Klessheim bei Salzburg praktiziert wird, könnte auch für Bayern Modell stehen.
Drittens. Die Landwirtschaftsberatung muss unabhängig werden und zumindest zum Teil von den Bauern bezahlt werden. Die kostenlose Offizialberatung wurde eingeschränkt. Die Beamten sind mit Zuschussberechnungen und Zuschusskontrollen, die in Bayern im Übrigen zum Teil hausgemacht sind, überbeschäftigt. Die Restbera
tung befindet sich in der Abhängigkeit politischer Fördervorgaben und ist weit weg von der Marktwirtschaft.
Viertens. Landwirten, die sich ein zweites Standbein als Selbständige schaffen wollen, muss Unterstützung gewährt werden. Nicht nur Investitionen, also nicht nur Geld ist nötig, mindestens ebenso wichtig ist es, den Betroffenen neue Ideen zu vermitteln und die innovative Nutzung immer mehr vorhandener, teurer, leerstehender landwirtschaftlicher Gebäude zu ermöglichen.
Was ist stattdessen seit Eisenmann geschehen? Was haben wir nicht alles an agrarpolitischen Seifenblasen in Bayern erlebt?
Erstens. Als Wahlkampfstrategie gegen die Regierung Helmut Schmidt haben CDU und CSU den Bauern 1983 eine aktive Preispolitik versprochen. Am Beispiel des Getreidepreises sei diese Seifenblase erklärt. 1983 – nach der Wahl zu Beginn der letzten Regierungsperiode – lag der Nettoerzeugerpreis bei Mahlweizen bei umgerechnet rund 23 e pro Dezitonne, während er 1998 nicht einmal 11 e betrug. In 15 Jahren mehr als 50% Preisverfall – ich meine: eine saubere aktive Preispolitik.
Zweitens. Franz-Josef Strauß versprach den Bauern einen Jahrhundertvertrag. Was für 100 Jahre gedacht war, sollte aber doch wenigstens für zehn Jahre gut sein. Deshalb habe ich im Internet nach dem Stand des Jahrhundertvertrages geforscht. Die Ergebnisse sind aufschlussreich: Man gebe den Begriff „Jahrhundertvertrag“ in den Server des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten ein und erhält die Antwort: „Keine Ergebnisse für Jahrhundertvertrag. Prüfen Sie die korrekte Schreibweise der Suchbegriffe“. Macht man das Gleiche bei dem Bayernserver der Staatskanzlei, ist die Antwort: „Suchergebnis Jahrhundertvertrag: Null. Die Suche hat keinen Treffer ergeben.“ Auf dem Server des Bauernverbandes: „Jahrhundertvertrag: Keine Dokumente gefunden. Versuchen Sie es noch mal.“ Kommentar überflüssig.
Drittens. Als Folge von BSE in Bayern wurde eine groß angelegte Verbraucherinitiative verkündet. Im Wesentlichen handelte es sich bei den Millionenaufwendungen um die Beseitigungskosten für Tiermehl. Aber noch immer ist die CSU nicht bereit, die technisch bereits mögliche völlige Einstellung der Tiermehlerzeugung durchzusetzen. Einen Antrag von uns haben Sie abgelehnt.
Viertens. Der BSE-Schock hat immerhin die Bayerische Staatsregierung veranlasst, sich für mehr Umweltschutz in der Agrarförderung einzusetzen. Deshalb kritisierte der Bayerische Landwirtschaftsminister Miller am 4. März 2001 die Bundeslandwirtschaftsministerin dafür, dass sie die von der EU ermöglichte so genannte Modulation, das heißt die Abschöpfung von Zahlungen an Großbetriebe zugunsten der Honorierung von Umwelt und ökologischen Leistungen, nicht umgesetzt habe. Miller wörtlich: „Es ist doch höchste Zeit, eine Differenzierung als wesentlichen Bestandteil des derzeitigen Prämiensystems auch in Deutschland einzuführen.“
Auch diese Kritik war offensichtlich nur eine Politseifenblase, denn am 18. Oktober 2002 war in der Zeitung zu lesen, dass auf Vorschlag desselben Ministers Bayern einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen werde, um die Aufhebung des vom Bundestag bereits beschlossenen Gesetzes zur so genannten Modulation landwirtschaftlicher Direktzahlungen zu erreichen. Heute hat er sich wieder damit gebrüstet. Da soll sich noch einer auskennen, was die CSU wirklich will.
Da wundert es auch nicht, dass wir mit vier Landwirtschaftsministern nach Eisenmann alle möglichen Skandale erleben durften, die alle zulasten des Landwirtschaftshaushalts gingen:
Erstens. Die unkorrekte Abrechnung und Einstellung von Dorfhelferinnen und der damit verbundene Schaden in Millionenhöhe hat sich über mehrere Amtsperioden entwickelt und wurde erstaunlicherweise von der ganzen Staatsregierung trotz Kritik des Rechnungshofs nicht entdeckt.
Zweitens. In eine Amylosefabrik wurden Steuergelder in Millionenhöhe gesteckt, als bereits das Scheitern des Vorhabens absehbar war und obgleich Fachleute und Rechnungsprüfer davor warnten.
Drittens. In Daglfing und Riem ging und geht es beim Pferdesport und bei der Ausbildung von Pferdewirten drunter und drüber.
Viertens. BSE in Bayern hat ihre eigene Note durch ungenügende staatliche Futtermittelkontrollen und persönliche Beschwichtigungs- und Beschönigungsversuche des Ministers zum Schaden von Bauern und Verbrauchern bekommen.
In einer entwickelten Demokratie hätte jedes dieser Vorkommnisse für sich allein schon zu einem Ministerrücktritt gereicht. Bei der CSU jedoch ist durch wiederholte Überdosen an Wählerstimmen eine Demokratieresistenz ausgebildet worden.
20 Jahre in der Opposition sein zu müssen kann einen ganz schön ärgern. Noch ärgerlicher aber ist es, wenn man zuschauen muss, wie die Vorschläge, die man als Opposition einbringt, Zug um Zug von den Regierenden realisiert werden und nicht der Ideengeber, sondern der Nachahmer ohne eigene Schöpferkraft, der Epigone, Erfolg bei den Wahlen angerechnet bekommt. Einige Beispiele belegen dies:
Erstens. Als ich 1982 im Landtag anfing, war der Begriff „Direkte Einkommenshilfe“ auf Bauernversammlungen Dank der Propaganda der CSU das, was für den Teufel das Weihwasser ist. Aber als die CSU statt aktiver Preispolitik Preissenkungen hinnehmen musste, stieg sie auf das System der direkten Einkommenshilfen um und
brüstete sich später ungeniert, davon Höchstsummen auszuzahlen.
Zweitens. Als ich 1982 im Landtag anfing lachte die CSU über die biologische Landwirtschaft. Sie bezeichnete sie als Unsinn oder Museumslandwirtschaft. Jahr für Jahr konnte ich aber zuschauen, wie sich Dank unserer Beharrlichkeit und – das muss anerkannt werden – auch durch den Einzug der GRÜNEN in den Landtag die Bewertung der CSU änderte. Von „Unsinn“ ging die Meinungsänderungsreise zu „Es ist kein Modell für alle.“, weiter über „Das ist und bleibt Nischenproduktion.“ zu „Jeder soll es machen, wie er will.“ und später zu „Bio ist gut, wenn man damit Geld verdient.“ In den letzten Jahren brüstet sich die Staatsregierung, als ob sie ihre Erinnerung verloren hätte damit, dass die höchsten Prämien, die sie an Landwirte bezahlt, an die Ökobauern fließen. Der BSE-Schock saß so tief, dass selbst die CSUStaatsregierung lauthals ankündigte, den Anteil des Ökolandbaus in Bayern von drei auf zehn Prozent auszudehnen. Zu dem vorliegenden Haushalt gab vorige Woche Landwirtschaftsminister Miller bekannt: „Wir zahlen an die Ökobauern 250 e pro Hektar; soviel wie kein anderes Bundesland. Ökolandbau ist keine Nische.“ Ich frage mich: War da etwas?
Drittens. Wir haben in einem Antrag die Möglichkeit für die Maschinenringe gefordert, gewerblich tätig werden zu können. Zugegeben: Die CSU hat – Herr Müller, Sie waren dabei – unserem Antrag zugestimmt und das Landwirtschaftsförderungsgesetz entsprechend geändert. Bestimmt wird es aber die CSU als ihren Erfolg feiern, wenn einst die Maschinenringe, wie wir das heute fordern, von den staatlichen Fesseln völlig befreit sein werden.
Viertens. Wir haben die Qualitätskennzeichen bayerischer Produkte immer gefordert. Am bayerischen Zeichen „Qualität und Herkunft aus Bayern“ QHB, haben wir kritisiert, dass es zwar die Herkunft, nicht aber besondere, über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Qualitätsstandards beinhaltete. Dieser Tage dürfen wir erfahren, wie die Nachfolgemarke des toten QHB, von der EU kritisiert, das Zeichen „Geprüfte Qualität“ solche sozialdemokratischen Forderungen wie Verbot aller antibiotischen Leistungsförderer, Verbot der Klärschlammausbringung und sogar Begrenzung der Schlachttiertransporte auf vier Stunden enthält. Merken Sie etwas? Was wir fordern kommt in jedem Fall, manchmal aber leider nur zehn Jahre später.
Die Agrarpolitik steht vor dem größten Umbruch seit 20 Jahren. Wir werden mit der von allen demokratischen Parteien befürworteten EU-Osterweiterung langfristig auf dem EU-Markt mit vielen guten und billigen Agrargütern aus dem mittel- und osteuropäischen Ländern rechnen müssen. Deshalb ist die Anpassung an den Wettbewerb für unsere Bauern so wichtig wie noch nie. Was Bayern dazu beitragen kann habe ich mit den vier Forderungen an das Landwirtschaftsförderungsgesetz genannt. Aber auch die EU muss sich ändern. Es geht
doch nicht, dass fünf Prozent der Betriebe in der EU rund die Hälfte der Direktzahlungen erhalten, andererseits aber 50% der Landwirte in der EU weniger als 2000 e jährlich bekommen. Es darf doch nicht so bleiben, dass in Deutschland ein Prozent der Bauern 30% der nach Deutschland fließenden EU-Beihilfen kassiert.
Am unteren Ende der Skala verteilen sich auf ein Viertel der deutschen Landwirte lediglich 1,5% der EU-Gelder. Deshalb ist es notwendig, dass auch Bayern eine neue Agrarpolitik unterstützt.
Erstens müssen die Prämien von der Menge der erzeugten Agrarprodukte abgekoppelt werden. Zweitens müssen im Prämiensystem umweltverträgliche Produktionsmethoden honoriert werden. Verbunden damit ist die obligatorische Einführung der Modulation. Drittens sind die Zuwendungen in einem vereinfachten Verfahren mit wenig Antrags- und Kontrollaufwand auszuzahlen. Viertens sind die pro Betrieb ausgezahlten Unterstützungen nach oben zu begrenzen, oder die Förderbeträge sind an der Zahl der notwendigen Arbeitskräfte auf einem landwirtschaftlichen Betrieb zu bemessen. Wie schön und wie hoffnungsvoll, wenn sich Parteigrenzen nach 20 Jahren verwischen!
Franz Fischler von der ÖVP, Ihr österreichischer Parteifreund, schlägt endlich das vor, wofür ich mich mit den Sozialdemokraten seit langem einsetze. Es wird auch so kommen. Vorige Woche hat der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments einstimmig – also auch mit den Stimmen von CDU und CSU – die Midterm-ReviewPläne der EU-Kommission unterstützt, und die Europaabgeordneten der CSU haben auch im Plenum des Europaparlaments dem zugestimmt. Die CSU muss aufpassen, dass sie auf den deutschen, den europäischen und den internationalen Tanzböden der Agrarpolitik nicht zum Mauerblümchen verkommt. Damenwahl findet dort nämlich nicht statt.
Zum Schluss möchte ich Ihnen eine Bitte zur Forstpolitik vortragen. Sie richtet sich an die Kollegen, die dem nächsten Landtag angehören werden. Wenn ich mir wirklich etwas zurechnen darf, das ich in 20 Jahren Landtagstätigkeit erreicht habe, dann ist es das, dass ich kräftig mitgeholfen habe, den Grundsatz Wald vor Wild in Bayern auch bei der Regierung durchgesetzt zu haben.
Ich habe mit dafür gesorgt, dass der Landtag die Staatsforstverwaltung in diesem Bemühen unterstützt. Wir haben dazu Anträge eingereicht, die auch mit den Stimmen der CSU beschlossen worden sind.
Zweitens habe ich es mit erreicht, dass der Landwirtschaftsminister seinen Förstern den Rücken stärkt und
sie nicht im Stich lässt, wenn sie wieder einmal ungerechtfertigt für ihren Jagdvollzug angegriffen werden.
Drittens habe ich es schließlich mit erreicht, dass die Förster mit den allermeisten Waldbauern die waldgerechte Wildreduzierung als nachhaltige Daueraufgabe erkannt haben und praktizieren. Dem bayerischen Forsthaushalt bleiben dadurch Millionenverluste erspart. Die ganze Gesellschaft profitiert davon. Ein vitaler Wald – das haben die Hochwasserkatastrophen und Murenabgänge der letzten Zeit gezeigt – ist kein romantisches Ziel, sondern er bedeutet den Schutz unserer Lebensgrundlagen. Die Erhaltung des Waldes und die Garantie stabil nachwachsender Wälder ist und bleibt eine Daueraufgabe, die im Wesentlichen von der Jagdpraxis abhängt. Auch viele in meiner Partei haben das am Anfang nicht glauben wollen und Wildererwitze gerissen. Wir haben jedoch erreicht, dass die Gemeinwohlfunktion des Waldes heute jedem bewusst ist.
Immer wieder gibt es Leute, die das Rad zurückdrehen wollen. Meine Bitte deshalb an diejenigen, die dem nächsten Landtag angehören werden: Lassen Sie das bitte nicht zu. Erfolge müssen gepflegt werden, wenn sie bestehen bleiben. Ich möchte gerne ein Jahr lang daran noch aktiv mitarbeiten. Danach möchte ich als Bürger stolz sein können auf einen Bayerischen Landtag, der das Waldland Bayern schützt. Gott segne Sie.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte es für absolut richtig, für die Staatsfreiheit und die Parteiferne der öffentlich-rechtlichen Sender zu kämpfen. Das ist absolut richtig. Ich bin allerdings – Sie werden es noch merken – nicht mit dem Weg einverstanden, den die GRÜNEN gehen; denn sie gehen ein Stück weiter und möchten die Parteiferne der Aufsichtsgremien des Bayerischen Rundfunks. Hier beginne ich zu differenzieren.
Die Staatsferne für öffentlich-rechtliche Rundfunksender ist meines Erachtens sehr sehr dringend notwendig. Wenn es bisher keinen Hinweis gegeben hätte – es gab natürlich welche –, dann wäre er jetzt da, und Kollege Hoderlein hat deutlich gemacht, dass Kollege Hofmann in öffentlicher Sitzung diesen Hinweis geboten hat, indem er deutlich demonstriert hat: Es gab einen Intendanten-Kandidaten des Bayerischen Ministerpräsidenten. Herr Hofmann hat dies nett formuliert und gesagt: Dieser Intendant war nicht der Kandidat des Kandidaten. Die Schlussfolgerung ist, der Ministerpräsident hätte wohl einen Kandidaten.
Ich sage das deswegen, weil ich der Auffassung bin, dass Ihr Einfluss auf die öffentlich-rechtlichen Sender nicht so plump ist, wie die GRÜNEN das meinen, son
dern ungeheuer diffizil, beispielsweise über den Weg des Geldes, Einfluss auf den Rundfunkrat zu nehmen. Der Einfluss darf aber nicht in der Form bestehen, dass der Staat oder ein Abgeordneter von außen erklärt, man müsse denen die Gebühren wegnehmen, wie das Herr Glück getan hat. Diese Glück-Äußerung geht weit über das gesetzlich zulässige hinaus, nämlich als Abgeordneter Einfluss zu nehmen und zu sagen: Wenn mir der Inhalt nicht passt – so war das sinngemäß – muss ich darauf reagieren, indem ich dem Sender das Geld wegnehme.
Das ist falsch. Wir müssen uns mit dem Inhalt auseinandersetzen, wir dürfen aber nicht mit dem Entzug des Geldes reagieren.
Wir wissen doch, dass Sie von der CSU jede Möglichkeit nutzen – dies allerdings sehr diffizil –, die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zugunsten der privaten Medien einzuschränken. Ich weiß, dass Sie hier nicht plump vorgehen, aber ich werde es Ihnen noch beweisen.
Das beginnt beispielsweise mit der Debatte über die neue Rundfunkgebührenstruktur. Diese läuft letztendlich auf eine Senkung der Gebühren hinaus. Es setzt sich fort mit der Äußerung Glücks, „man müsse denen das Geld wegnehmen“. Es setzt sich fort mit den Vorschlägen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Werbung zu verbieten. Das bedeutet für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weniger Geld.
Ich sagte ja, Sie gehen differenziert vor. Sie können argumentieren, diese Maßnahmen würden dem Hörer zugute kommen. Das Gegenteil ist aber der Fall. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird beschnitten. Sie sind kein Freund des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Sie sind letztendlich nicht für die journalistische Unabhängigkeit. Lassen Sie die Finger weg von den Vorschlägen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Werbung zu verbieten. Sie wissen, dass Ihre Vorschläge in der Öffentlichkeit gar nicht auf die Resonanz gestoßen sind, wie Sie es wollten. Jetzt beginnen Sie subtiler. Natürlich können Sie sich darauf berufen, dass es Professor Ring war, der vorgeschlagen hat, mit der Gebührenbeschneidung beim Hörfunk anzufangen. Dort fällt es nicht so auf. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass das die schlimmeren Methoden sind.
Jetzt zu dem Antrag der Grünen, meine Damen und Herren. Mir erschließt sich der Sinn dieses Antrags auch nicht ganz. Sie wollen offensichtlich Einfluss auf die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien nehmen. Dazu schreiben Sie in den Antrag hinein, dass Sie die Zahl der Vertreter des Landtags von zwölf auf neun reduzieren – Herr Dürr hat dabei von einer Entziehungskur in kleinen Schritten gesprochen.
Ja, so war es mal. Wenn Sie mit der Frage beginnen, welche Abgeordneten den Landtag im Rundfunk vertre
ten sollen, muss ich natürlich auch fragen, ob ein Grundmandat so absolut richtig ist. Darüber kann man diskutieren.
Wenn Sie uns schon eine Entziehungskur in kleinen Schritten vorschlagen und wenn Sie glauben, den Rundfunkrat entpolitisieren und die Staatsferne dieses Gremiums dadurch garantieren zu können, dass nicht zu viele Mitglieder des Landtags darin vertreten sind, dann lesen Sie zunächst einmal ganz genau das Rundfunkgesetz. Sie werden zu dem Ergebnis kommen, dass nicht zu viele Landtagsabgeordnete im Rundfunkrat vertreten sein sollen. Wenn Sie aber dort gute grüne Vertreter haben wollen, schlage ich Ihnen vor, Herrn Runge zurückzuziehen und Carl Amery vorzuschlagen. Das ist gesetzlich möglich. Dann hätten Sie Carl Amery im Rundfunkrat und damit wäre Ihr Vorschlag, dass nicht zu viele Abgeordnete des Bayerischen Landtags im Rundfunkrat vertreten sein sollen, realisiert.
Herr Staatsminister, ich frage Sie, weil Sie auf die streckenbezogene Maut abheben: Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, dass eine Tunnelstrecke bei der Bemautung erheblich teurer sein wird als eine offene Strecke und dass es gar nicht so leicht sein wird, über die Bemautung eine Verkehrslenkung zu erreichen, die man erreichen müsste, wenn man den Verkehr in den Tunnel zwingt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, der CSU-Antrag, der hier eingereicht wurde, wird dem Problem absolut nicht gerecht.
Erstens. Dieser Antrag – das möchte ich in ein paar Punkten begründen – ist ein scheinheiliges Wahlkampfgetöse ohne auf die Zukunft gerichteten Inhalt. Die CSU ist offensichtlich nicht an einer Lösung der Probleme, die unbestritten bestehen, interessiert, sondern sie ist an einer billigen Wahlkampfauseinandersetzung interessiert. Den Wahlkampf führt sie dabei mit sehr schlecht konstruierten Schuldzuweisungen an Leute, die sie bekämpfen möchte.
Zweitens. Die CSU und die Staatsregierung haben in dieser Sache durch ihr eigenes Verhalten jedes Recht auf Kritik verwirkt.
Die Staatsregierung sitzt in der Frage, ob eine Regierung ihre nachgeordneten Behörden im Griff hat, im Glashaus.
Steine zu werfen empfiehlt sich dort nicht. Ich denke nur an Herrn Sinner, dessen Behörden von der lang andauernden Tätigkeit eines nicht zugelassenen BSE-Testlabors nichts wissen, nicht wussten oder nichts wissen wollten. Das hat Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen getroffen.
Haben Sie es noch nicht verstanden? – Sie greifen Frau Künast an, weil ihre Behörden etwas nicht gemeldet haben, aber Ihre Minister schlafen und wissen gar nichts von den Behörden und den Labors, die es gibt.
Meine Damen und Herren, das wird uns im Plenum noch beschäftigen.
Drittens. Das Spiel Sinners, die Schuld auf andere zu schieben, ist dreist, oberdreist. Die Unwissenheit ist gespielt und vorgetäuscht. Wo ist denn das Nitrofen erstmals aufgetaucht, und wer hat es entdeckt? – Die ersten Funde waren in Bayern und wurden von der Firma Hipp privat entdeckt. Wer heute mit dem Finger auf andere zeigt, sollte zugeben, dass die CDU/CSU die 16 Jahre, die sie die Bundesregierung gestellt hat, nichts für die Verbesserung der Meldepflicht von Schadstoffbelastungen getan hat und dass die CSU auch die letzten vier Jahre das Thema nicht über den Bundesrat aufgegriffen hat. Wer aber selbst untätig ist, sollte nicht andere kritisieren.
Viertens. Die Ankündigung der Staatsregierung, das Ökolandbaugesetz um eine erweiterte Mitteilungspflicht der Unternehmen zu ergänzen, kommt zu spät. Letzte Woche wurde im Bundesrat das neue Ökolandbaugesetz von Frau Künast verabschiedet, und der DBV hat es begrüßt. Damit sind jetzt die Kontrollstellen zwingend verpflichtet, sämtliche festgestellten Unregelmäßigkeiten oder Verstöße der zuständigen Behörde zu melden. Auch das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz wurde schon letzten Freitag vom Bundestag auf Antrag der SPD-geführten Regierung verschärft. Stille Rückrufaktionen wie bei Hipp werden nicht mehr möglich sein. Damit macht Deutschland das, was erst 2005 EU-Standard wird, bereits jetzt. Sie von der CSU kommen wieder zu spät.
Fünftens. Wenn Sie eine Meldepflicht für alle privaten Labors wollten, warum haben Sie sie nicht beantragt? Im Gegenteil: Jeden Fortschritt für Verbraucher haben Sie blockiert, zuletzt das Verbraucherinformationsgesetz. Sie sind kein guter Anwalt der Verbraucher.
Wenn es um Verbraucherschutzfragen geht, stehen Sie jedes Mal auf der falschen Seite. Nur wenn ein Skandal auftritt, wachen Sie auf.
Sechstens. Ihre Aufregung über Frau Künast erscheint besonders künstlich, wenn man die bedenkenlosen Erklärungen aus dem Hause von Landwirtschaftsminister Miller liest, wo es um das Fleisch von Tieren aus dem bayerischen Staatsbetrieb Acheleschwaig geht, die mit Nitrofen belastetem Futter gemästet wurden. Die Staatsregierung läßt verlautbaren: „Das Fleisch kann als Normalware in den Handel gebracht werden, wenn Proben am Schlachthof ergeben, dass die Nitrofenbelastung unter 0,01 Milligramm pro Kilogramm Fleisch liegt.“ Wer so redet, begibt sich unter die Verharmloser.
Siebtens. Sie werfen Frau Künast vor, dass sie ein einheitliches Bundes-Ökosiegel auf dem Standard des EURechts eingeführt hat. Frau Künast kann kein regionales Ökosiegel einführen, aber Sie könnten es, haben es aber nicht fertig gebracht. Gäbe es ein bayerisches Ökosiegel mit bayerischer Herkunftsbeschränkung, bräuchten wir uns heute in Bayern vor Ökogetreide aus Mecklenburg-Vorpommern nicht zu fürchten. Aber Sie sind wieder zu spät dran. Das sieht auch der Generalsekretär der CSU so. Er schreibt an den „lieben Josef“ – gemeint ist nicht der Heilige, sondern Landwirtschaftsminister Miller –:
Du erinnerst Dich: Im Juli 2001 habe ich in Deiner Abwesenheit
der Generalsekretär –
in Deinem Amtszimmer mit den Spitzen Deines Ministeriums und Biobauern aus meinem Stimmkreisumgriff ein Gespräch geführt, das den Herren Deines Hauses verdeutlichte, dass nicht wenige von
den Bauern, die freiwillig und/oder notgedrungen auf die Bioproduktion umgestiegen sind, heute darunter leiden, dass ihnen für die Präsentation ihrer Ware ein verlässliches Ökosiegel fehlt.
Darf ich von dir hören, wann meine Gesprächspartner hier damit rechnen können, sich mit ihren Bioproduktionsplänen auf festem Terrain zu bewegen?
Das alles stammt vom Oktober 2001. Offensichtlich hat Herr Goppel es so geregelt, dass auch uns dieser Brief bekannt geworden ist.
Achtens. Sie werfen Frau Künast mangelhafte Aufklärungsarbeit vor. Wo sind denn die bayerischen Lebensmittelbehörden, die Nitrofenbelastungen festgestellt hätten? Hipp hat sie schon im Januar selbst festgestellt – und geschwiegen. Der Staatsbetrieb Acheleschwaig musste von Naturland darauf aufmerksam gemacht werden, dass er nitrofenbelastetes Futter gekauft hatte. Was hat denn die Staatsregierung zur Aufklärung beigetragen, als schon Anfang Mai der Inhaber einer Putenfarm das Ministerium telefonisch von Nitrofen im Putenfleisch eines Wettbewerbers informierte? Was geschah denn dann? Wurden Proben veranlasst oder nicht? Wurden die zuständigen Landratsämter verständigt oder nicht? Wurde den Hinweisen überhaupt sachgerecht nachgegangen? Das Haus Sinner ist keinen Deut schlauer als das Bundesministerium.
Neuntens. Sie verlangen lückenlose Aufklärung. Wir auch! Gegen eine Wand des Schweigens und gegebenenfalls des Täuschens ist aber schwer anzurennen; Minister Sinner verwendet gerade dieses Argument und diese Ausrede für sein eigenes Versagen im BSE-TestSkandal. Das Lager in Malchin gehört zum Raiffeisenverband. Dieser hätte schließlich auch etwas zur Verhinderung des Vorfalls und zur Aufklärung beitragen können. Noch immer ist unklar, wie die Kontamination zustande kam. Kriminelle Machenschaften können nicht ausgeschlossen werden. In manchen Ländern, so Frau Künast, kommt sie an die mit Futter aus Malchin belieferten Adressen nur über die Landeskriminalämter ran.
Zehnte und letzte Bemerkung: Sie können sich darauf verlassen, dass in Berlin und Schwerin das Notwendige zur Aufklärung getan wird. Wären die Minister Miller oder Sinner zuständig, wäre ich mir dessen nicht sicher.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Hartenstein.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Ich bemühe mich, ein bisschen leiser zu reden, weil dann alle anderen auch leiser sind.
Gestatten Sie mir folgende Vorbemerkung: Ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass bei dieser Debatte der Ministerpräsident anwesend ist.
Es ist zwar heute einmal gesagt worden, er habe ein Wirtschaftsgespräch.
Aber ich denke, dass dieses Wirtschaftsgespräch mit Sicherheit allmählich zu Ende wäre, und ich hätte erwartet, dass er aus Respekt gegenüber dem Parlament einer solchen Debatte folgt.
Wenn er den nicht hat, hätte ich erwartet, dass er anwesend ist, um den beiden Ministern, deren Rücktritt wir fordern, sozusagen deutlich zu machen, dass er hinter ihnen steht. Ich denke, seine Abwesenheit ist auch ein kleines Signal dafür, dass er eben nicht so sehr hinter diesen beiden Ministern steht.
Die Bayerische Staatsregierung, meine Damen und Herren, hat im Verlauf der BSE-Krise in Bayern sicher schwerwiegende Fehler begangen. Diese haben unter anderem auch zum Rücktritt von Frau Staatsministerin Stamm geführt. Ministerpräsident Dr. Stoiber hat gut daran getan, den Rücktritt von Frau Stamm anzunehmen.
Ministerpräsident Dr. Stoiber hat darüber hinaus als Folge aus den Fehlern im Zusammenhang mit der BSEKrise Maßnahmen angekündigt und einige davon vollzogen. Zu den vollzogenen Maßnahmen gehört die Herauslösung des Ernährungsbereichs aus dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Herauslösung wesentlicher Bereiche aus dem Sozialministerium. Die Bildung eines neuen Ministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz sollte eine Verbesserung der Verwaltungsstrukturen und der Kontrollmöglichkeiten bringen, weil es offensichtlich war, dass es bisher an den Kontrollen gefehlt hat.
Das Debakel um die BSE-Tests in einem nicht zugelassenen Labor in Westheim hat endgültig gezeigt, dass die in die Neuordnung der Geschäftsbereiche gesetzten Erwartungen bei weitem nicht erfüllt wurden.
Es hat sich auch bestätigt, dass das Rumpflandwirtschaftsministerium unter die Grenze einer existenzfähigen Größe geraten ist. Es hat so gut wie nichts zur Aufarbeitung der BSE-Krise beigetragen – oder beitragen können wegen fehlender Zuständigkeiten.
Allerdings ist die Untätigkeit auch der Führung des Ministeriums zuzuschreiben. Wenn nämlich dieses Miniministerium auch nicht mehr für Fragen der Ernährung zuständig ist, nachdem es sozusagen beschnitten wurde, wäre es in diesem Fall absolut nicht gehindert gewesen, einmal die legitimen Interessen der Bauern zu vertreten und sich darüber zu informieren, wie zuverlässig in Bayern denn überhaupt die unter Mühen von den Landwirten großgezogenen Schlachttiere auf BSE getestet werden.
Die Ausrede, bei fast allen Fragen nicht zuständig zu sein, belegt die Überflüssigkeit einer eigenen Ministeriumsleitung.
Es zeigt sich, dass die Zusammenlegung der Zuständigkeiten für Ernährung, Verbraucherschutz und Landwirtschaft effektiver und günstiger ist. Die Zeit für diese Zusammenlegung ist mittlerweile überreif. Das fordern inzwischen auch bereits maßgebliche Vertreter des bayerischen Bauernverbandes.
Hinzu kommt, dass Staatsminister Miller noch immer nicht die Konsequenzen aus seinen beiden schwerstwiegenden Fehlern in der BSE-Krise gezogen hat. Staatsminister Miller hat gewusst, dass in 50% der getesteten Rinderfuttermittel tierisches Eiweiß enthalten war. Er hat damals keine Konsequenzen gezogen, sondern durch jahrelange Vernachlässigung der Futtermittelkontrolle
der BSE-Ausbreitung sogar Vorschub geleistet. Staatsminister Miller hat die bayerischen Verbraucher durch seine damalige Aussage getäuscht und sogar gefährdet, dass, wer Fleisch mit dem bayerischen Siegel QHB kaufe, 100% sicher sei, kein Fleisch von einem BSEkranken Tier zu kaufen. Der erste bayerische BSE-Fall war bekanntlich dann auch in einem QHB-Betrieb.
Die Zusammenlegung der Geschäftsbereiche für Ernährung, Verbraucherschutz und Landwirtschaft böte Staatsminister Miller eine elegante Rückzugsmöglichkeit.
Aber auch Staatsminister Sinner hat nach einer einjährigen Bewährungsphase die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. In seinem Zuständigkeitsbereich konnte ein halbes Jahr lang ein nicht zugelassenes BSE-Testlabor arbeiten. Die Folgen sind Schäden für Bauern und die Staatskasse in zweistelliger Millionenhöhe und eine erneute Verunsicherung der Verbraucher. Meine Damen und Herren, auch die Lobbyfestigkeit hat der Minister in der Garderobe der Staatskanzlei abgegeben. Am 13. Januar erklärte er: Ohne Lizenz getestetes Fleisch ist genussuntauglich. Am 27. Januar erklärte er nach einer Besprechung, nachdem Sonnleitner und der Ministerpräsident auf ihn eingewirkt haben, das Fleisch sei genusstauglich. Erst jetzt musste er sich von der EU eines Besseren belehren lassen. Erst jetzt steht fest, dass mindestens die Hälfte des getesteten Fleisches eben doch genussuntauglich ist.
Der Europäische Rechnungshof hat dem zuständigen Verbraucherschutzminister Sinner wegen der mangelnden Kontrollen im Rahmen der EU-Kennzeichnungsverordnung eine Abmahnung geschickt. Insbesondere ist in Bayern gegen die Vorschrift, Risikobetriebe wie zum Beispiel Viehhöfe und Handelsplätze mindestens einmal jährlich zu kontrollieren, massiv verstoßen worden. Von vorgeschriebenen etwa 27000 Kontrollen wurden in Bayern nur 7000 durchgeführt. Es mangelt an der Koordinierung mit dem Rumpfministerium für Landwirtschaft, und die versprochene Intensivierung der Kontrollen hat nicht stattgefunden.
Mit dem 600-Millionen-Verbraucherprogramm wurde auch die Verbesserung der Schlachtstätten versprochen. Nach einem Jahr haben maximal 50% der Schlachthöfe die von Staatsminister Sinner so gelobten Einrichtungen für sichere Schlachtmethoden. Die Neuordnung des Gesundheitsdienstes, eine dringende Maßnahme zur Verbesserung der Kontrollen in Bayern, ist bisher und über ein Jahr liegengeblieben. Das Thema ist heikel – das gebe ich zu. Deshalb traut sich Minister Sinner nicht daran. Da ist es kein Wunder, wenn der Präsident der neuen Landesanstalt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, kaum im Amt, seinen Rücktritt wegen unzureichender Arbeitsmöglichkeiten erklärt.
Er hat erklärt, dass er die Arbeitsmöglichkeiten, die er benötigt hätte, nicht vorgefunden oder nicht bekommen hat.
Die Situation in der Bayerischen Staatsregierung ist dringend verbesserungsbedürftig. Dies ist nur mit einem personellen Neubeginn und einem effektiven Ministerium möglich. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Glück. Bitte.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will einige Dinge richtig stellen, die behauptet worden sind. Herr Kollege Glück hat mir vorgeworfen, eine falsche Behauptung im Zusammenhang mit dem Ablauf, wie Herr Kollege Sinner Fleisch als genusstauglich bzw. genussuntauglich erklärt hat, aufgestellt zu haben. Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass Herr Kollege Sinner im Landwirtschaftsausschuss erklärt hat, das Fleisch müsse schon deshalb für genussuntauglich erklärt werden, weil die Tests keine Lizenzierung hatten. Es ging dort um den Begriff „Test ist Test“. Wenn Fleisch einmal getestet wurde, dann muss der Test auch in Ordnung sein. Sonst kann das Fleisch nicht für genusstauglich erklärt werden.
Ich gebe zu, ich war von vornherein über diese mutige Äußerung von Herrn Sinner sehr erstaunt. Ich habe sie nicht geteilt. Ich hätte erwartet, dass er sagt, das Fleisch wird sichergestellt und untersucht. Die Aussage, dieses Fleisch sei genussuntauglich, war eine mutige Aussage.
Im Januar hat er in einem Brief an das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und an die obersten Landesbehörden geschrie
ben, es müsse untersucht werden, ob das Fleisch, welches über die mittlerweile festgestellten fehlerhaften wenigen Proben – ich glaube, es waren damals 46 – noch genusstauglich sei.
Drittens erging ein Schreiben an die obersten Landesbehörden und an das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, in dem es hieß, das Fleisch aus den 46 Proben sei genussuntauglich, das Fleisch der übrigen in Westheim getesteten Rinder bleibe dagegen genusstauglich und dürfe in den Verkehr gebracht werden. Dies erklärte Herr Sinner am 30. Januar. Er fügte hinzu: „Wir werden deshalb die zuständigen Behörden in Bayern auffordern, die Sicherstellung des Fleisches insoweit rückgängig zu machen.“ Am selben Tag musste Sinner diese Erklärung nach einer Besprechung zwischen dem Bundesministerium und den Länderbehörden zurücknehmen. Er hat diese Erklärung auch zurückgenommen und das Fleisch wiederum für sichergestellt erklärt. Im Übrigen war dieses Vorgehen richtig, denn nur die zuständige Behörde und nicht Herr Sinner für Bayern allein kann entscheiden, ob Fleisch, welches über die ganze Bundesrepublik verteilt war, für genusstauglich erklärt wird.
Deswegen war es dann auch eine richtige Entscheidung, dass die Europäische Union nach Überprüfung des Labors erklärt hat, dass 38 Fälle übrig geblieben seien, in denen die Tests nicht funktioniert hätten, und dass alles Fleisch, welches habe getestet werden müssen, genussuntauglich sei.
Um die Lobbyfestigkeit des Ministers zu testen, wird zu prüfen sein, was in der Staatskanzlei besprochen wurde. Herr Huber, wir werfen Ihnen nicht vor, dass Sie mit dem Präsidenten des Bauernverbandes sprechen. Es geht uns nicht darum, dass Sie ihn zu irgendeiner Besprechung hinzuziehen. Es geht uns darum, was bei dieser Besprechung passiert ist. Geben Sie uns als Opposition doch das Recht, zu vermuten, dass bei dieser Besprechung etwas passiert ist, wenn wenige Tage vorher ein Minister das Fleisch für genussuntauglich erklärt, dann an einem Sonntagvormittag in der Staatskanzlei eine Besprechung stattfindet und anschließend das Fleisch für genusstauglich erklärt wird. Sie müssen uns doch zugestehen, dass wir solche Vermutungen anstellen.
Sie müssen uns auch zugestehen, dass wir wissen wollen, wie dieses Besprechungsergebnis zustande gekommen ist. Das wird noch zu klären sein. Es wird auch noch zu klären sein, wann die Verwaltung von Milan Westheim Bescheid wusste. Auch dazu sind uns nicht alle Unterlagen zur Verfügung gestellt worden. Immer wieder bekommen wir Hinweise, dass die Verwaltung früher hätte informiert sein müssen.
Herr Miller, Sie sagen heute, QHB habe nie BSE-Freiheit bedeutet. Damals haben Sie es aber fälschlicherweise erklärt. Herr Sinner, Sie haben mir vorgeworfen, ich hätte in der Frage der Verbrauchergefährdung Panik gemacht. Sie haben Starzmann dazu gesagt, und deswegen stehe ich hier und erkläre, dass ich das nie getan habe. Ich
habe in jeder Rede, die ich zu diesem Thema begonnen habe, als Erstes gesagt, die Verbraucher seien nicht gefährdet, die fehlerhaften Proben seien keine Angelegenheit der Bauern oder der Verbraucher, sondern eine Angelegenheit eines unfähigen Ministeriums.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Affäre Milan ist zu einer Affäre Sinner geworden.
Die erste Frage ist: Welche Gefährdung der Verbraucher war eigentlich entstanden? Es handelte sich doch von vornherein nicht um die Feststellung technisch fehlerhafter Tests, sondern um die fehlerhafte Überprüfung eines Labors durch die Behörden im Verantwortungsbereich des neuen Ministers Sinner. Niemand konnte mit Belegen behaupteten, es gebe falsche Tests. Allerdings, eine Überprüfung und Schließung des Labors war sicherlich zu veranlassen, weil eine Genehmigung des Labors nicht vorlag. Aber die 273 erwähnten Beanstandungen aus den 40000 Tests in Westheim, aus den 40000 dort durchgeführten Untersuchungen, werden derzeit überprüft. Dabei handelt es sich nicht um 273 einzelne Testverfahren, sondern um Verfahren auf Titerplatten, die jeweils 90 Proben enthalten. Nach und nach stellt sich heraus, dass zum Beispiel einige angeblich falsche Untersuchungen nicht Fehler bei den Testreaktionszeiten, sondern Fehler bei der Computereingabe waren. Und oh Wunder: Am Sonntag waren es nur noch 90, und derzeit sind es nur noch 47. Vielleicht sind es bald null fehlerhafte Tests.
Minister Sinner hat mit seinem Vorgehen die Verbraucher unnötig und zutiefst verunsichert. Er hat den Eindruck entstehen lassen, es komme nicht getestetes bzw. falsch getestetes Fleisch in den Verkehr. Mc Donald’s musste eine riesige Anzeige aufgeben und versichern, dass es sein Fleisch zurückziehe. Schiffe liefen aus den Häfen nicht nach Korea aus, weil Minister Sinner glauben machte, hier sei giftiges Fleisch unterwegs. Dann versuchte Sinner durch Schuldzuweisungen an die Firmen, die die Tests in Auftrag gaben, von seiner Verantwortung für die Überwachung und Sicherstellung ordnungsgemäß arbeitender Labors abzulenken. Sinner hat aber seine Hausaufgaben selber nicht gemacht. So waren zum Zeitpunkt der Anordnung der Schließung des Labors noch circa 1000 Proben vorhanden, es wurde aber versäumt, diese Proben unverzüglich gegenzutesten, um wenigstens einen Überblick über die Zuverlässigkeit der zurückliegenden Tests zu bekommen
und um dadurch die mögliche Gefahr für den Verbraucher abzuschätzen bzw. möglicherweise zu entkräften. Auf diesem Trip ist er nämlich derzeit. Immerhin war ja in Westheim getestetes Fleisch ein halbes Jahr lang mit dem Stempel amtlicher Veterinäre in Verkehr gebracht worden.
Die zweite Frage ist: Was ist mit dem in Westheim getesteten Fleisch eigentlich los, und was ist passiert? Immer trug das in Westheim getestete Fleisch den Stempel amtlicher Veterinäre, es sei verkehrsfähig, ein halbes Jahr lang. Minister Sinner hat die Veterinärämter niemals
angewiesen – auch nach der Schließung des Labors nicht –, diese Freigabe zu widerrufen, weil er sonst den Grund hätte nennen müssen. Der Grund ist nämlich: Seit dem 27. Juli konnte in Bayern ein Testlabor unbeanstandet mit amtlichen Stellen zusammenarbeiten, obwohl ihm die formale Anerkennung fehlte.
Sinner hätte also erklären müssen, dass das Fleisch von circa 40000 getesteten Rindern nicht verkehrsfähig ist, weil bayerische Behörden in seinem, Sinners, Verantwortungsbereich geschlampt haben.
Das hätte möglicherweise zu Schadenersatzforderungen von rund 80 Millionen DM geführt. Es hat aber nur zu einer Krisensitzung in der Staatskanzlei geführt, weil man vor 80 Millionen DM Schadensersatz gegen die Staatsregierung natürlich zusammenzuckt. Minister Sinner musste seine Position über die Nichtverkehrsfähigkeit dieses Fleisches um 180 Grad ändern.
Meine Damen und Herren, wer ist denn schuld, dass ein nicht lizenziertes Labor eingesetzt wurde und ein halbes Jahr lang amtliche Ergebnisse liefern konnte? Sicherlich zuallererst die Firma Milan – das gebe ich zu –, die nie einen Antrag auf Zulassung des Zweiglabors in Westheim gestellt hat. Wieso aber konnte dieses nicht zugelassene Labor seit Juli 2001 zirka 40000 Tests in Zusammenarbeit mit amtlichen Veterinären und Behörden durchführen, obwohl feststeht, dass alle Veterinärämter die Namen der zugelassenen Labors vorliegen haben und leicht hätten überprüfen können, ob Westheim zugelassen ist, und obwohl amtliche Veterinäre laufend Probenbegleitscheine ausdrücklich für Milan Westheim ausstellten? Uns liegen Beweise vor, Herr Sinner, und zwar nicht nur, wie Sie sie uns vorlegen, vom Dezember, kurz vor Schließung, sondern bereits seit einem halben Jahr, dass amtliche Stellen an Milan Westheim schreiben.
Es ist so, dass die rücklaufenden Probenbegleitscheine sämtlich die Faxleiste „Milan Westheim“ und den Stempel „Milan Westheim“ trugen und wiederum von amtlichen Veterinären gegengezeichnet wurden. Und es ist so, dass bei Kontrollen der Firma Milan in Passau den amtlichen Kontrolleuren die Ordner Passau und die Ordner Westheim vorlagen.
Die Beweisstücke sind bei der Staatsanwaltschaft. Niemand von den amtlichen Kontrolleuren im Verantwortungsbereich des Herrn Sinner fragte danach, was „Westheim“ bedeuten soll.
Aber – jetzt kommt es, meine Damen und Herren – auch das Ministerium unmittelbar – vergleichen Sie das mit anderen Vorgängen, die Sie heftig kritisieren – stand in Kontakt mit Milan Westheim über nicht testfähige Proben. Wenn zum Beispiel im Schlachthof für eine Testung nicht geeignetes Gewebe entnommen wurde – in zwei Fällen wurden solche Proben von amtlichen Veterinären nach Westheim geschickt –, dann muss das Sinner-Ministerium unmittelbar informiert werden. Zwei solche
Probeergebnisse von der Firma Milan Westheim sind im zweiten Halbjahr 2001 eindeutig erkennbar aus Westheim an das Ministerium berichtet worden. Die Beweisstücke befinden sich bei der Staatsanwaltschaft.
Meine Damen und Herren, grobe, gefährliche Fehler von Beamten müssen verantwortet werden – von den Beamten oder vom Minister. Die Presseerklärung des Ministers von gestern mit dem Inhalt „Jetzt wird aber scharf geprüft!“ oder „Der Staat macht’s selber!“ enthält eine Erkenntnis, die um mindestens ein Jahr zu spät kommt.
Minister Sinner ist offensichtlich überfordert. Ich stelle fest: Nach einem faulen Fallrückzieher gilt ihm die dunkelgelbe Karte.
Nur, meine Damen und Herren, jetzt gibt es noch ein Problem: die Schadensbegrenzung. Den Schaden, den der Minister angerichtet hat, können wir, meine ich, nicht durch die Lösung beheben, die die GRÜNEN in Ziffer 1 ihres Dringlichkeitsantrags fordern. Ich halte es für eine ausgesprochen bürokratische Lösung festzustellen, die Zulassung des Labors fehle, wobei jedoch gleichzeitig festzustellen ist, dass das Labor ordentlich gearbeitet hat. Insofern muss genau überlegt werden, ob ein solcher Schaden wegen der Nachlässigkeiten und Unzulänglichkeiten von Herrn Minister Sinner jetzt noch vom Bayerischen Landtag sozusagen bestätigt werden soll.
Ich bin der Auffassung, dass wir über Ziffer 1 dieses Antrags getrennt abstimmen sollten. Alle Vorwürfe der GRÜNEN gegen das schlampige Ministerium Sinner stimmen, aber ich bin dagegen, dass wir wegen der Schlamperei des Herrn Ministers der bayerischen Fleischwirtschaft noch einen Schaden von 80 Millionen DM zufügen. Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich, über Ziffer 1 dieses Antrags der GRÜNEN getrennt abzustimmen, damit wir diesen Punkt ablehnen und den richtigen Erkenntnissen der GRÜNEN zustimmen können.
Mit Sicherheit wird auch der Restschaden in Höhe von 4 bis 6 Millionen DM, den das Haus Sinner der bayerischen Landwirtschaft zugefügt hat, zu einem Schadensersatzanspruch führen. Es wäre gut, wenn dieses Hohe Haus feststellen würde: Die bayerischen Bauern sind nicht von ihrer Genossenschaft, sondern von Herrn Minister Sinner in diese Schadenssituation hineingebracht worden. Das besagt unser Antrag. Mit unserem Antrag unterstützen Sie 45000 bayerische Bauern und 6000 Arbeitsplätze in Bayern.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Gröber und Herr Loscher, haben Sie eine Rednerschulung gemacht? Sie sind ja begnadete Redner. Wenn Herr Sinner einen Fehler macht, beschimpft Herr Gröber Südfleisch, und Herr Loscher redet über BSE in Japan.
Das sind die Verteidigungslinien, mit denen man vom Problem ablenkt. Ich bin noch einmal hierher an das Rednerpult gekommen, weil ich keine Legenden aufkommen lassen möchte. Herr Sinner, es stimmt nicht, dass wir Sie dafür kritisieren, dass Sie das Labor geschlossen haben. Sie hätten besser zuhören müssen. Ich habe gesagt, eine Überprüfung und die Schließung des Labors waren veranlasst. Ich habe hier auch erklärt, dass Milan schuld ist.
Die Frage, die wir jetzt hier als Parlament zu erörtern haben, muss doch lauten: Was war vorher? Warum ist es dazu gekommen? Warum hat Herr Sinner seine Hausaufgaben nicht gemacht und diese Labors überprüft?
Was geschah nach dem Verbot dieses Labors? Da ist Herr Sinner in den Landwirtschaftsausschuss gekommen und hat erklärt, das Fleisch sei definitiv nicht verkehrsfähig, weil es in einem nicht zugelassenen Labor getestet wurde.
Dann aber hat er gemerkt, dass seine Aussage alleine bei Südfleisch einen Schaden von rund 80 Millionen DM verursachten würde. Daraufhin gab es eine Krisensitzung in der Staatskanzlei; denn 80 Millionen DM steckt die Staatsregierung nicht weg. Die Südfleisch hatte angekündigt, man werde die Staatsregierung haftbar machen wegen Ihrer Fehler, und da knickte der Herr Sinner ein und sagte: Gestern für verkehrsunfähig erklärtes Fleisch mache ich heute wieder verkehrsfähig. Er hat
den Mund zu voll genommen. Das ist sein Fehler. Er hat nicht richtig testen lassen.
Wenn Ihr Haus richtig gearbeitet hätte, hätte es bei der Schließung des Labors feststellen müssen, was noch da ist.
Herr Sinner fragt mich, warum ich mich aufrege. Eigentlich bin ich von Natur aus sehr ruhig, aber jetzt muss ich mich aufregen. Ich rege mich auf, weil die Verbraucher verunsichert werden und weil die 45000 Bauern von Ihnen in den Senkel gestellt werden. Darüber hinaus hat es Herr Gröber noch nicht kapiert, dass es falsch ist, die Südfleisch anzugreifen. Herr Dürr behauptet sogar, wir hätten mit Südfleisch etwas am Hut. Nein, ich will lediglich Gerechtigkeit, und ich will nicht den Falschen angegriffen haben.
Derjenige, der den Fehler macht, soll ihn bekunden. Das ist der Grund für meine Aufregung. Herr Heckel, es tut mir leid. Im Übrigen können wir in Ruhe miteinander reden, aber solche Fehler muss man eben erkennen.
Meine Damen und Herren, auch wir sind für einen Auslieferungsstopp bei diesem Fleisch. Aber Sie hätten auch erklären müssen, wie es weitergehen soll. Sie können doch nicht einfach nur sagen, die fehlende Zulassung mache das Fleisch nicht verkehrsfähig, und dann, wenn Sie merken, dass diese 80 Millionen DM Schadensersatz anfallen würden, sagen: Das wollen wir nicht, also bezeichnen wir es wieder als verkehrsfähig. Sie hätten von Anfang an tun sollen, was Sie Mitte Januar begonnen haben, nämlich überprüfen, was in diesem Labor geschehen ist.
Noch einmal: Ich möchte von Ihnen eine Antwort, die Sie vermutlich tief in den Sumpf Ihres Ministeriums zieht: Wo in Ihrem Haus finden sich die beiden Schreiben aus dem Labor Milan, mit denen zwei nicht testfähige Proben von Milan Westheim an Ihr Haus gemeldet wurden? Wann ist in Ihrem Haus die Post eingegangen? Die Staatsanwaltschaft hat diese Schreiben bei Milan beschlagnahmt. Ich möchte wissen, wo diese Papiere sind. Wenn Sie hier erklären wollten, eine solche Meldung testunfähiger Proben durch Milan sei nicht erfolgt, dann säßen Sie tief in der Tinte.
Herr Gröber, ich wehre mich dagegen, den Auftraggeber für die Fehler eines Labors und für die Überwachungsfehler der Staatsregierung verantwortlich zu machen.
Ansonsten ist mir die Südfleisch wurst. Ich habe vor kurzem einmal ferngesehen. Ich tue das nicht gern, und das Bayerische Fernsehen schaue ich schon überhaupt nicht gern an.
Jawohl, dieses Thema trage ich gern im Rundfunkrat aus, meine Damen und Herren. Also, ich musste mir da einmal Herrn Beckstein anschauen. Herr Beckstein hat gefordert, Herr Schily solle sich insbesondere in Bayern entschuldigen, weil in seinem Haus Fehler gemacht worden sind. Sie wissen genau, worum es geht.
Herr Sinner, wenn das gilt, erwarte ich eine Entschuldigung von Ihnen gegenüber den 45000 bayerischen Bauern, die hinter Südfleisch stehen. Herr Gröber, da können Sie sich anschließen. Ich erwarte eine Entschuldigung gegenüber den Verbrauchern, die Sie mit Ihrem Verhalten verunsichert haben, und ich erwarte eine Entschuldigung bei den 6000 Arbeitnehmern, die Sie verunsichert haben. Und, Herr Sinner, eigentlich sollten Sie sich auch beim Herrn Ministerpräsidenten entschuldigen. Er hat Sie während Ihrer Rede ausgesprochen missmutig angesehen. Er weiß, dass Sie seine Regierung zusätzlich in Misskredit bringen. Nehmen Sie also die Aufforderung von Herrn Beckstein an Herrn Schily persönlich und tun Sie, was Herr Beckstein von Herrn Schily verlangt.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe ja, dass Sie auf unseren Antrag so reagieren, dass Sie sagen, die Kritik am Minister und den Vorwurf seiner Mitverantwortung könnten Sie als Mehrheitsfraktion im Bayerischen Landtag natürlich nicht per Beschluss bestätigen. Wir werden es zum Teil durchaus gerne zur Kenntnis nehmen, dass Fehler von Beamten nicht unbedingt zur Verantwortung des Ministers führen. Die Ablehnung eines solchen Antrages werden wir auf Parallelfälle zu übertragen wissen.
Nun zu dem Antrag der CSU: Sie werden Ihrerseits verstehen, dass wir uns natürlich nicht dazu hergeben können, das von uns massiv kritisierte und für falsch gehaltene Verhalten der Staatsregierung als entschlossen und konsequent zu begrüßen. Wir können nicht von erforderlichen Maßnahmen und schon gar nicht von Maßnahmen zu Gunsten des Verbraucherschutzes sprechen. Bei dieser Verunsicherung der Verbraucher, die auch durch das Ministerium Sinner ausgelöst worden ist, können wir uns mit dem ersten Absatz Ihres Antrages überhaupt nicht einverstanden erklären.
Gewiss unterstützen wir Bemühungen der Staatsregierung, eine gemeinsame Haltung von Bund und Ländern herbeizuführen, und natürlich sind wir auch der Meinung, dass am korrekten Testverfahren künftig keine Zweifel mehr bestehen dürfen und dass deswegen die angekündigten und teilweise bereits eingeleiteten Maßnahmen – darüber müsste man auch streiten – erforderlich sind. Wir sind der Meinung, dass wir neue Maßnahmen brauchen. Wir haben erklärt, diese Maßnahmen seien längst überfällig. Aber Sie verstehen, dass wir auf Ihre Ablehnung, den Minister für seine Handlungen verantwortlich zu machen, mit Ablehnung des gesamten Antrages reagieren, wenn Sie nicht davon abgehen zu sagen, Sie begrüßten auch noch, was Sinner gemacht hat. Mit dieser Formulierung überstrapazieren Sie unseren guten Willen. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir einen solchen Antrag beileibe nicht annehmen können.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich bei der Abstimmung über die Anträge der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN der Stimme enthalten und weiche damit von der Abstimmungsempfehlung meiner Fraktion ab. Ich möchte dies kurz erklären. Auch ich bin für den Ausstieg aus der Atomkraft. Ich bin auch dafür, dass Temelin nicht ans Netz geht. Ich halte allerdings einen Boykottaufruf gegen bestimmte Stromfirmen nicht für zielführend. Ich möchte das begründen.
In der heutigen Zeit wird Strom an der Strombörse verkauft. Wer eine bestimmte Firma, zum Beispiel E.ON, vom Strombezug ausschließen möchte, muss auch andere Stromfirmen, die ebenfalls Lieferverträge mit der CEZ haben, ausschließen. Außerdem kann man nicht
sichergehen, wenn man von einer Firma Strom bezieht, die keinen Liefervertrag mit CEZ hat, dass man nicht Temelin-Strom kauft. Diese Firma hat den Strom nämlich an der Strombörse eingekauft. Mein Anliegen, aus der Atomkraft auszusteigen und Temelin nicht ans Netz gehen zu lassen, kann also auf diese Weise nicht erfüllt werden. Deshalb habe ich mich der Stimme enthalten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, ich hatte den Eindruck, Herr Gröber hat die Gelegenheit genutzt, einmal vor dem Plenum zu sprechen und über Dinge zu reden, die mit dem Antrag nichts zu tun haben, damit er, wenn er schon einmal am Rednerpult steht, etwas erzählen kann. Beschlossen werden soll nämlich etwas anderes, als er erzählt hat. Ich hoffe, dass Sie das beschließen wollen, was im Antrag steht.
In dem Antrag steht, dass Sie begrüßen, was die von Ihren Parteifreunden geführten CDU-regierten Bundesländer unter anderem angeregt haben, und dass Sie einen finanziellen Ausgleich zwischen Bund und Ländern haben wollen. Richtig ist, was Herr Gröber in einem Satz gesagt hat, dass ein, wie Sie es nennen, fairer Ausgleich, also ein Ausgleich, der beiden Seiten recht sein muss, auch von den Ministerpräsidenten der Länder, also aller Parteien, einstimmig vom Bund gefordert wurde. Diese parteiübergreifende Initiative, beispielsweise vom CSU-geführten Bayern und dem SPD-geführten Mecklenburg-Vorpommern, wurde gemeinsam an den Kanzler herangetragen. Nach unserer Meinung sollte das, was die Ministerpräsidenten parteiübergreifend wollen, umgesetzt werden. So viel Solidarität haben auch wir in Bayern mit unseren SPD-Ministerpräsidenten in den anderen Bundesländern.
Wir sehen allerdings keinen Grund, daraus irgendwelche parteitaktischen Spielchen abzuleiten, die Sie in Ihren Antrag auch gar nicht hineingeschrieben haben. Deswegen mussten Sie sie außerhalb des Antrages in Ihrer Rede unterbringen. Ich habe mich im Vorfeld der Beratung dieses Antrages mit Kollegen aus der CSU unterhalten. Wir könnten Ihrem Antrag zustimmen, wenn Sie bereit wären – ich bitte die Antragsteller zuzuhören –, den zweiten Absatz in Ihrem Antrag folgendermaßen zu ändern – er heißt dann neu –:
Der geforderte faire Ausgleich der finanziellen Lasten zur Bewältigung der BSE-Folgen ist entsprechend dem einstimmigen Beschluss der Ministerpräsidenten zu gewähren.
Wenn Sie diese Umformulierung annehmen, würden wir diesem Antrag zustimmen, weil es ein gemeinsames Anliegen ist, dass Bund und Länder in der BSE-Folgenkrise jeweils zu ihrer Verantwortung stehen und gemeinsam zahlen.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Sprinkart. Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat noch zwei Minuten Redezeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, es gibt im Beruf manchmal sehr schwierige Situationen. Eine der schwierigsten ist es, zum letzten Tagesordnungspunkt einer Plenarsitzungswoche zu sprechen, wenn alle bereits heim wollen. Mir bleibt nur noch der Appell an Sie, dass Sie sich vom Inhalt her für mein Thema Schutzwaldsanierung erwärmen, weil ich Ihr Interesse an diesem Thema nicht dadurch wecken möchte, dass ich von einer namentlichen Abstimmung rede, sondern ich möchte über den Inhalt reden. Der Inhalt sind zwei Anträge von SPD und CSU zum Thema Verstärkung der Schutzwaldsanierung. Diese Anträge sind aufgrund von zwei Besuchen der Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen und auch des Haushaltsausschusses an verschiedenen Orten in den Alpen, wo Schutzwaldsanierung durchgeführt wird, zustande gekommen. Wir sind dabei gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schutzwaldsanierung im Prinzip vernünftig gemacht wird. Sie ist notwendig, sie zahlt sich aus, und sie muss fortgesetzt werden. Wir sind sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass sie verstärkt fortgesetzt werden muss.
Ich sage das auch deswegen hier im Plenum, weil bei der Umsetzung auch von einstimmigen Beschlüssen dieses Hauses oft eine Rolle spielt, wie es das Haus gemeint hat. Da der Haushaltsausschuss eine Formulierung, die wir gemeinsam im Umwelt- und im Landwirtschaftsausschuss gefunden haben, am Ende ablehnen wollte, meine ich, dass es notwendig ist, deutlich zu machen, dass das, was jetzt zur Beschlussfassung vorliegt, der Wille des Parlaments ist, nämlich dass die Schutzwaldsanierung fortgesetzt wird und dass die Möglichkeit besteht, die Schutzwaldsanierung zu verstärken.
Wir haben bei der wiederholten Beratung dieser Anträge schließlich das Wort „Verstärkung“ herausgenommen. Ich möchte aber für den späteren Vollzug auf Folgendes hinweisen: Das Wort „Verstärkung“ ist nicht herausgenommen worden, weil es einer Verstärkung der Schutzwaldsanierung möglicherweise nicht bedarf, sondern weil wir Rücksicht nehmen auf die Kompetenzen im Hause, wobei sich der Haushaltsausschuss vorbehält, wenn die Verstärkung ansteht, noch einmal bezüglich der Mittel gefragt zu werden, weil sie in den Haushalts eingestellt werden müssen. Dafür haben wir Verständnis, aber wir weisen darauf hin, dass eine Verstärkung wohl sein muss.
In diesem Zusammenhang möchte ich zitieren, was das Forstministerium dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses geschrieben hat. Ich zitiere nur zwei Sätze:
Im Zusammenhang mit der langfristigen Forstbetriebsplanung wurde im Jahr 2000 auch die Schutzwaldsanierungsplanung überarbeitet und fortgeschrieben. Die genauen Ergebnisse liegen noch nicht vor. Es ist aber jetzt absehbar, dass Sanierungsflächen und die Notwendigkeit von Verbauungen zunehmen werden.
Ich weise auf diese Position der Forstverwaltung und des Forstministeriums hin, die von uns mit diesem Antrag unterstützt wird. Ich weise in diesem Zusammenhang auch deshalb noch einmal darauf hin, weil ich den Eindruck habe, dass manche gegnerische Haltung hinsichtlich der Schutzwaldsanierung deswegen zustande kommt, weil mit einer vernünftigen Schutzwaldsanierung natürlich auch ein vernünftiges Jagdmanagement mit Ausnahme von Bejagungsbegrenzungen und verschiedenen Erhöhungen der Abschüsse verbunden ist, was Kritik bei Leuten hervorruft, die weniger den Wald im Auge haben und mehr die Jagd.
Aus diesem Grunde weise ich darauf hin, dass das Hohe Haus am 15. Februar dieses Jahres beschlossen hat: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, bei der Planung von Schutzwaldsanierungen durch Pflanzaktionen gleichzeitig dafür zu sorgen, dass ein vernünftiges Konzept mit den Beteiligten, insbesondere der Jägerschaft, erarbeitet wird, um den Verbiss der Pflanzungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.“
Wenn dies und der heutige Beschluss umgesetzt werden und wenn der Haushaltsausschuss einer Verstärkung der Maßnahmen zustimmt, wenn es notwendig wird, wie wir das hier wollen, dann glaube ich, dass wir einen guten Schritt und eine gute Tat für die Natur und für den Wald im Gebirge tun.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine erste Bemerkung zielt auf Herrn Kollegen Maget, für dessen Kritik an der Abwesenheit des Ministerpräsidenten ich kein Verständnis habe. Der Ministerpräsident ist nämlich später gekommen. Ich habe ihn genau beobachtet und festgestellt, dass er nicht zugehört hat. Warum sollte er aber auch zuhören, wenn Staatsminister Miller eine Rede vorträgt, die Ministerpräsident Stoiber selbst geschrieben hat?
Es ist wirklich nicht lustig, hierher zu kommen und zuzuhören, wie ein anderer seine Rede vorträgt.
War es eine Pflichtübung oder ein Ablenkungsmanöver von der eigenen Schuld? Klug waren die Angriffe von Staatsminister Miller auf Bundeskanzler Schröder und
seine agrarpolitische Grundsatzentscheidung für eine Wende jedenfalls nicht.
Unbestritten ist, dass auch diese Regierungserklärung zur Landwirtschaft in Bayern letztendlich durch die Forderung des Bundeskanzlers nach einer Wende in der Agrarpolitik verursacht ist.
Irgendwie bestimmt also der Bundeskanzler sogar die agrarpolitische Diskussion in Bayern. So ist es, und das ist gut so.
Der Bundesregierung einen Zickzackkurs vorzuwerfen, ist allerdings ziemlich unverfroren von einem Länderminister, der in seiner Regierungserklärung an einer Stelle von berechtigten Forderungen nach einer Neuausrichtung der Agrarpolitik spricht und im Titel seiner Rede nur die Weiterentwicklung nennt. Einmal heißt es: „Wir nutzen in der Krise die Chance, in unserer Agrarpolitik die Weichen neu zu stellen.“ In derselben Rede heißt es aber an anderer Stelle, dass man auf ein gutes Fundament aufbauen wolle, wobei man allerdings eingesehen hat, dass zum Beispiel die Tierhaltungssysteme und die Produktionsmethoden einem „Umstellungsprogramm unterzogen“ werden sollen. Von „weiter so“ bis zur „Neuausrichtung“ ist alles enthalten, wie es euch beliebt. Das ist die wahre Politik der Beliebigkeit, vertreten von Josef Miller.
Was ist eigentlich von einem Staatsminister für Landwirtschaft zu halten, der den Bundeskanzler mit einem Vorwurf überzieht, weil dieser gefordert hat, die deutsche Landwirtschaft müsse sich dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt stellen? Der Landwirtschaftsminister sagt selber heute in seiner Regierungserklärung: „Deshalb müssen Rahmenbedingungen sowohl für regionale Vermarktung wie für Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Landwirtschaft in Europa geschaffen werden.“ Wer widerspricht sich denn da?
Herr Miller sagt hier und heute: „Exporte in- und außerhalb der EU sichern gerade den Bauern in Bayern ihr Auskommen.“ Wer widerspricht sich denn da, Herr Mehrlich?
Richtig.
Meine Damen und Herren, ich erwarte von der Staatsregierung keine wohlfeilen Sprüche, wie wir sie heute gehört haben, dass also die Landwirtschaft gesunde Lebensmittel zu angemessenen Preisen produziert. Ich
will wissen, wie die Staatsregierung garantiert, dass die Landwirtschaft so produzieren kann. Sie haben gesagt, die Landwirtschaft der Zukunft produziere nicht naturnah oder wirtschaftlich, sie produziere im Einklang mit der Natur und wirtschaftlich. Wer Sprüche von solcher Qualität loslässt, sollte auch sagen, wie er den Verbrauchern und den Bauern in Bayern garantieren will, dass so produziert werden kann.
Sie haben sich doch noch nicht einmal darauf geeinigt, ob Sie nun eine Neuausrichtung oder eine Weiterentwicklung der Landwirtschaft in Bayern wollen. Herr Minister, wie ist Ihre Aussage zu verstehen, dass es mit dem Wechsel von Funke auf Künast in der Bundesrepublik einen radikalen Bruch gibt? Bedauern Sie diesen Bruch oder begrüßen Sie ihn? Im ersten Fall wäre die Bundesagrarpolitik gut gewesen, im zweiten Fall würde sie erst gut werden. Sie müssen sich jetzt entscheiden. Wenn Sie es persönlich meinen, kenne ich mich ebenso wenig aus. Denn an anderer Steller Ihrer Rede zitieren Sie Funke mit dem Unterton der Zustimmung, während Ihr Ministerpräsident nach der Regierungserklärung von Frau Künast nur lobende Worte für die neue Frau gefunden hat. Also war und ist die Agrarpolitik der Bundesregierung gut.
Wer die Neuausrichtung der Agrarpolitik will, kann in Bayern eben nicht auf ein gutes Fundament aufbauen. Ihnen wurden wesentliche Teile Ihrer Kompetenzen entzogen, und zwar so viele, dass ich mich schon frage, ob ein eigenständiges Landwirtschaftsministerium in Bayern noch lange Bestand haben wird. Das sogenannte Fundament der Landwirtschaftsminister ist unverändert.
Dieses Fundament aber wackelt und bröckelt in Bayern. Die bayerische SPD und die bayerische Bevölkerung werden froh sein, wenn es auch in Bayern einen radikalen Wandel von Miller zu – wer weiß – wem auch immer geben wird.
Vieles von dem, was Sie heute als Neuausrichtung oder auch nur als Weiterentwicklung, ein anderes Mal als Weichenstellung oder nur als gutes Fundament und wieder ein anderes Mal als Umstellung oder als Korrektur von Fehlleistungen dargestellt haben, teilen wir. Wir zweifeln aber daran, dass der alte Agrarminister für eine Neuausrichtung ein gutes Fundament sein wird.
Wir zweifeln deshalb, weil Sie Ihre persönliche Fehleinschätzung, wer auf das Zeichen „Qualität aus Bayern – garantierte Herkunft“ achte, habe die Gewissheit, absolut BSE-freies Fleisch aus heimischer Produktion zu
erhalten, nie eindeutig korrigiert haben. Wir zweifeln deshalb, weil Sie wussten, dass sich seit 1977 in rund der Hälfte aller Rinderfuttermittelproben Spuren tierischen Ursprungs fanden. Sie schwiegen dazu, statt Alarm zu schlagen. Wir zweifeln deshalb, weil Sie erst am 29. November – und das auch erst auf Anfrage durch den Bayerischen Rundfunk – mit der Wahrheit herausgerückt sind. Wir zweifeln deshalb, weil Sie die Feststellungen des Tiergesundheitsdienstes kennen mussten, dass in den letzten Jahren die Beanstandungen von Arzneimittelaufzeichnungen bei landwirtschaftlichen Betriebskontrollen stetig gestiegen sind und dass die Bereitschaft der Landwirte abnahm, diese Mängel abzustellen. Wir zweifeln deshalb, weil Sie statt zu handeln die Schuld auf andere schieben. Wer diese Probleme nicht in den Griff bekommt bzw. nicht im Griff hat, lässt daran zweifeln, ob die von ihm verkündete Weiterentwicklung wirklich zu einer ebenfalls von ihm verkündeten notwendigen Neuausrichtung der Agrarpolitik in Bayern führen wird.
Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte vorsichtiger sein, wenn er andere kritisiert. Wer die sogenannte Modulation, die Abschöpfung von Zahlungen an Großbetriebe zugunsten von Umwelt und ökologischen Leistungen einfordert, darf die Agenda 2000 nicht kritisieren, sondern er sollte anerkennend darauf hinweisen, dass erst die Agenda 2000 solche Möglichkeiten zulässt. Wer die Modulation jetzt fordert, sollte auch sagen, wann, wo und wie er das beantragt hat. Wer kritisiert, das Frau Künast einer Fördergrenze von 90 Tieren widerspricht, sollte sagen, dass die Staatsregierung den Bauern in Bayern nur noch Förderungen für 90 Tiere zahlen will. Das sagen Sie nicht, und das wollen Sie nicht. Zusammen mit dem Bauernverband stehen Sie an der Seite von Frau Künast, hier aber haben Sie den Mut, sie zu kritisieren. Wer heute pro Hektar nur noch zwei Großvieheinheiten fördern will, sollte sagen, warum diese Grenze nicht schon unter der alten Bundesregierung eingeführt wurde. Wer heute Schlachttiertransporte bis zu höchstens vier Stunden fordert, muss sich fragen lassen, warum er das bisher immer abgelehnt hat. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Noch ein Wort zu den 600 Millionen DM für die Verbraucherhilfe in Bayern. Selbstlob ist erlaubt, aber es riecht. 200 Millionen davon werden nämlich für die selbstverschuldete Vergangenheitsbewältigung benötigt. Sie kommen bei den Bauern nicht an, sondern fließen in die Kontrollmaßnahmen. Für die angekündigte Futterpflanzenprämie liegt keine Genehmigung durch die EU vor. Es liegen noch keine Kriterien für die Umstellung der Stallsysteme vor. Für die geplante Liquiditätshilfe fehlen die Kriterien. Bei der Schlachtstättenhilfe in Höhe von 7 Millionen DM frage ich mich, wer denn die kommunalen Schlachthöfe in Bayern hat hopsgehen lassen.
Ein dichtes Netz von Schlachthöfen ist doch Voraussetzung für kurze Schlachttiertransporte, die neuerdings auch Sie fordern.
Meine Damen und Herren von der CSU und Herr Minister, dämpfen Sie Ihre Vorwürfe an die Bundesregierung.
Wieviel von den 600 Millionen DM ist bei den Bauern schon angekommen und wieviel wird bei den Bauern je ankommen? Es gibt eine Agrarpolitik, die allen Bauern und allen Verbrauchern gefällt. Diese findet allerdings nur in Wolkenkuckucksheim statt. Ich unterstelle das der Staatsregierung nicht. Im Gegenteil, selbst der Minister nennt die so genannten realistischen Rahmenbedingungen, die derzeit – so seine Rede – nicht geändert werden können. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis ließe sich zwischen Regierung und Opposition konstruktiv diskutieren. Sie sollten die Oppositionsrolle nicht verachten, meine Damen und Herren von der CSU. Ich finde es überheblich, wenn der Minister einen so genannten Agrardialog mit über 100 Teilnehmern einberuft, das Parlament dabei aber übergeht. Das war ein Agrarmonolog.
Meine Damen und Herren, Sie müssen es akzeptieren, dass auch von der Opposition gute Vorschläge kommen können. Der erste Beweis dafür: Hätten Sie beim Tiermehlverbot auf uns gehört, stünde Bayern heute gut da.
Der zweite Beweis dafür: Ich habe dem Minister unser in Irsee beschlossenes Agrarpapier als meine Reaktion auf die unterbliebene Einladung zum Agrardialog zugesandt. Ich finde in Ihren heutigen Vorschlägen einiges an Übereinstimmung mit unserem Agrarpapier. Ein dritter Beweis dafür, dass Sie Oppositionsarbeit nicht verachten sollten: Die Oppositionsarbeit darf nicht umsonst sein. Ihre Kollegen säßen doch sonst schon zweieinhalb Jahre umsonst im Bundestag, und sie würden mit ziemlicher Sicherheit auch weitere fünfeinhalb Jahre umsonst dort sitzen.
Ich möchte deshalb noch einmal versuchen, Ihnen unsere Vorschläge zu unterbreiten. Auch wo wir nicht alleine für die Landwirtschaftspolitik zuständig sind, müssen wir Position beziehen. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, unterstützen Sie die Position der Bundesregierung und der EU, dass sie bei den Agrarverhandlungen bei der WTO neben den gesundheitlichen Standards auch ökologische, soziale, ethische, tierschützerische und kulturelle Standards fordern bzw. dass Sie den Mitgliedstaaten das Recht einräumen, für ihre Bevölkerung geltende Standards aufzustellen und diese bei der WTO anzumelden. Bei uns müssen Antibiotika als Leistungssteigerer total verboten werden. Die Hormonverwendung in der Fleischerzeugung wollen wir nicht. BST – das bovine Somatotropin – ist in der Milchproduktion zu verbieten. Diese Positionen sind über die EU bei den vorbereitenden Beratungen für die Agrarrunde bei der WTO anzuwenden. Unterstützen Sie uns dabei.
Auch auf EU-Ebene sind wir nicht allein. Aber statt der bayerischen Nörgelei und verbissener Rhetorik des Ministerpräsidenten wäre es besser, Bayern würde mit der Bundesregierung zusammenarbeiten, um auf europäischer Ebene etwas zu erreichen.
Herr Minister, Sie haben hier geäußert, Frau Künast werde von Ihnen daran gemessen werden, ob sie sich gegen die anderen 15 in der EU durchsetzt. Wohlweislich haben Sie in Ihrer Rede den Passus weggelassen, dass die nach Ihrer Meinung guten Vorschläge des Herrn Bocklet bei der EU leider nicht durchgedrungen sind.
Also, meine Damen und Herren, mit zweierlei Maß können Sie nicht messen. Bocklet macht gute Vorschläge und kommt nicht durch. Das lassen Sie unter den Tisch fallen. Frau Künast ist neu angetreten, aber Sie kritisieren sie heute schon, obwohl sie wahrscheinlich fünf Mal besser sein wird.
Meine Damen und Herren, wir brauchen auf der europäischen Ebene eine der Food and Drug in den USA vergleichbare Behörde, die Lebensmittel, Tierfutter und deren Herstellungswege überprüft und europaweit zertifiziert.
Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass jede Förderung ökologisch oder sozial begründet wird. Als Maßstab für die Höhe des Förderungsanspruchs kann nicht weiter nur die Fläche, was den Ostländern zugute kommt, oder die Tierzahl, was den Intensivbauern zugute kommt, gelten. Es muss auch die Zahl der notwendigen Arbeitsplätze auf dem Bauernhof berücksichtigt werden. Ökologisierung der Landwirtschaft bedeutet eine Vermehrung der notwendigen Arbeitskraft. Wer unsere Landschaft pflegt, die Natur schont, hat ein Recht auf Bezahlung seiner Arbeitsleistung.