Der von der Staatsregierung eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes dient der Umsetzung der zitierten Entscheidung aus dem Jahr 1998. Neben der Streichung von 12 Pflichtmandaten sind auch 12 Stimmkreise weniger als bisher zu bilden: in München, im restlichen Oberbayern sowie in Unterfranken und Schwaben je zwei Stimmkreise weniger, in Niederbayern, Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken je ein Stimmkreis weniger.
Dem Gesetzentwurf liegen die Zahlen der deutschen Hauptwohnungsbevölkerung vom Stand 31. März 2000 zugrunde. Wir werden voraussichtlich Ende März die Zahlen zum Stand 30. Juni 2000 haben und dem Landtag mitteilen können. Ich kann jedoch schon jetzt festhalten, dass trotz des neuen Einbürgerungsrechts keine wesentlichen Änderungen zu erwarten sind. Erst die Einbürgerung von rund 210000 Ausländern würde zu einer Veränderung der Verteilung der Sitze auf die Wahlkreise führen. In Bayern wurden im vergangenen Jahr aber nur rund 35000 Einbürgerungsanträge gestellt, übrigens in Bayern deutlich mehr als beispielsweise in Berlin oder Norddeutschland. Trotzdem sind wir weit davon entfernt, dass das Auswirkungen auf die Sitzverteilung hätte.
Wie noch nie zuvor bei einer Stimmkreisreform haben wir uns bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs um eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit bemüht. Bereits im April vergangenen Jahres haben wir erste Vorschläge im Internet veröffentlicht und nicht nur den angeschriebenen Landtagsfraktionen und den im Landtag vertretenen Parteien sowie den kommunalen Spitzenverbänden Gelegenheit zur Äußerung gegeben, sondern jedem Interessierten die Möglichkeit geboten, uns eigene Vorstellungen mitzuteilen. Daraufhin sind bereits mehrere hundert Einzeläußerungen eingegangen.
Wir haben daraufhin einen Gesetzentwurf erarbeitet und diesen den Landtagsfraktionen, den im Landtag vertretenen Parteien und den kommunalen Spitzenverbänden mit der Gelegenheit zur Äußerung zugeleitet. Auch dieser Gesetzentwurf wurde im Internet veröffentlicht. Allein hierzu sind rund 150 Äußerungen eingegangen.
Trotz dieser großen Resonanz ist hervorzuheben, dass sich ganz überwiegend, in nahezu 90% aller Fälle, Kommunen, örtliche Parteigliederungen und Mandatsträger, nicht aber, sieht man von den Unterschriftenaktionen ab, die einzelnen Bürgerinnen und Bürger geäußert haben. Dies zeigt mir, dass die Bürgerinnen und Bürger keinen Zweifel daran haben, dass sie auch nach dieser Reform ihren Abgeordneten werden wählen können. Es ist für mich auch ein Zeichen dafür, dass die Bürger verstanden haben: Die Stimmkreisreform ist bei aller Bedeutung keine Gebietsreform, auch nicht der Vorbote einer solchen Reform. Auch ändern sich dadurch beispielsweise keine Behördenzuständigkeiten oder Schulsprengel.
Die zahlreichen Äußerungen haben uns viele Anregungen für den notwendig werdenden Neuzuschnitt der Stimmkreise gebracht. Es war jedoch von vornherein klar, dass wir nicht allen Wünschen und Anregungen entsprechen konnten. Bei Wegfall von zwölf Stimmkreisen kann Enttäuschung nicht ausbleiben. Für diese Enttäuschung habe ich viel Verständnis, gerade weil sie häufig Ausdruck eines besonderen Engagements vor Ort ist. Umso mehr möchte ich den vielen auch aus diesem Hause danken, die schon im Vorfeld bereit waren, für unbequeme Entscheidungen, die die Stimmkreisreform mit sich bringt, vor Ort um Verständnis zu werben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, unser Ergebnis kann sich sehen lassen. Das gilt vor allem auch deswegen, weil wir nicht nur zwölf Stimmkreise einsparen mussten, sondern uns auch einem Maßstab unter
worfen haben, der strenger ist als der Maßstab, den wir bei Änderungen von Stimmkreisen bisher zugrunde gelegt haben. Nach bisheriger Staatspraxis, war die Obergrenze für die höchstzulässige Abweichung 331/3%. Wir haben dagegen bereits Abweichungen von über 25% vom Wahlkreisdurchschnitt generell vermieden und Abweichungen von über 15% nur in begründeten Fällen zugelassen.
Dieser Maßstab soll in Anlehnung an eine entsprechende Regelung im Bundeswahlrecht nunmehr ausdrücklich im Landeswahlgesetz verankert werden. Damit sollen durch Gesetz die Anforderungen an die Wahlgleichheit konkretisiert werden. Wir entsprechen damit auch einer Absprache zwischen den Fraktionen der CSU und der SPD, die anlässlich der Verfassungsreform im Jahr 1998 getroffen wurde. Wenn auch die beiden Fraktionen meiner Bitte, mir diese Absprache schriftlich zu übermitteln, nicht nachgekommen sind, so bedanke ich mich doch beim Kollegen Dr. Hahnzog für informelle Amtshilfe. Er hat zwar nicht die Absprache gemacht aber den Entwurf dazu vorgelegt. Wir haben das entsprechend aufgenommen.
(Dr. Hahnzog (SPD): Das kam inhaltlich von uns, bürotechnisch von der CSU! – Welnhofer (CSU): Unsere Schriftstücke sind offenbar bei der SPD am besten aufgehoben!)
Lieber Kollege Hahnzog, lassen Sie mich außerhalb des formellen Teils sagen: So wünschen wir es uns immer, dass bei uns die Entscheidungen vorgedacht und geschrieben und dass sie bei Ihnen gut aufbewahrt und beachtet werden.
Bei Anwendung dieses Maßstabs haben wir uns darum bemüht, die Stimmkreise dort einzusparen, wo Stimmkreise aufgrund ihrer hohen Abweichung vom Wahlkreisdurchschnitt künftig ohnehin nicht mehr in ihren bisherigen Grenzen fortbestehen können. Der Ausgangspunkt war, dass man gesagt hat: Wo der Stimmkreis am kleinsten ist, muss man Verständnis dafür haben, dass man dort die Einsparung vornimmt. Auch andere Prinzipien wären denkbar. Man könnte sagen: Wo man es am einfachsten verwirklichen kann, werden Stimmkreise – ich denke zum Beispiel an den Stimmkreis Fürth-Land – geopfert, um in der Nachbarschaft die Stimmkreise auffüllen zu können.
Wir haben darüber viele Diskussionen geführt. Ich bin mir sicher, dass der Ausschuss unseren Überlegungen folgen wird. Meine Mitarbeiter haben zu den Vorgängen ein Computerprogramm entwickelt. Dabei wurde offensichtlich, dass wir den richtigen Weg gegangen sind. Die andere Meinung, man könne auch im Durchschnitt befindliche Stimmkreise opfern, um kleinere in anderen Bereichen bestehen lassen zu können, wird von uns nicht geteilt.
Im Ergebnis ist uns ein Zuschnitt gelungen, bei dem von den 92 Stimmkreisen die Einwohnerzahl von nur 17 Stimmkreisen um mehr als 15% vom Wahlkreisdurchschnitt abweicht. In diesen 17 Fällen liegen jeweils
besondere Gründe für die Abweichung um mehr als 15% vor. In sechs Fällen, namentlich in den Stimmkreisen Mühldorf, Altötting, Kelheim, Fürth-Stadt, Neustadt/ Aisch und Würzburg-Land, sind die Grenzen der Stimmkreise jeweils deckungsgleich mit der jeweiligen Gebietskörperschaft. Beim Stimmkreis Lichtenfels-Kronach konnte durch Zusammenlegung von zwei Landkreisen die Durchschneidung von Landkreisgrenzen vermieden werden.
Die Abweichung um über 15% in den Stimmkreisen Ingolstadt-Neuburg, Pfaffenhofen-Schrobenhausen, Ansbach Nord und Ansbach Süd-Weißenburg-Gunzenhausen hätte nur unter Inkaufnahme einer Dreiteilung eines Landkreises vermieden werden können.
Es handelte sich dabei um Fragen, die die Parteien intern weniger bewegt haben. Über solche Fragen entbrannte nicht der Streit zwischen SPD und CSU. Vielmehr haben Vertreter der beteiligten Regionen geäußert, sie wollten derartige Maßnahmen nicht haben. Beispielsweise hat der Landesvorsitzende der SPD das ursprüngliche Dreiteilungskonzept, das wir in Ansbach in der ersten Anhörung vertreten haben, scharf angegriffen. In mehreren Interviews hat er dann selber hervorgehoben, dass man ohne weiteres über die Abweichung von 15% hinausgehen könne.
Im Stimmkreis Bad Tölz-Wolfratshausen-Garmisch-Partenkirchen hätte eine weitere Reduzierung der Abweichung der Einwohnerzahl vom Wahlkreisdurchschnitt eine weitere Durchschneidung der Wahlkreisgrenzen erfordert.
Für die Stimmkreise Weilheim-Schongau, ErlangenHöchstadt und Haßberge-Rhön-Grabfeld wäre eine Verringerung der Abweichung mit einem stärkeren Eingriff in einen Landkreis verbunden.
Beim Stimmkreis Passau-Ost ist die geringfügige Abweichung über 15% vom Wahlkreisdurchschnitt damit begründet, dass die Orientierung von Gemeinden aus dem Landkreis Freyung-Grafenau in Richtung Passau-Ost so weit wie möglich berücksichtigt werden sollte. Die Gemeinden dort haben sich sehr deutlich geäußert, und dem wollten wir Rechnung tragen.
Von den insgesamt 92 Stimmkreisen weichen demnach 75 Stimmkreise und damit 81,5% aller Stimmkreise um weniger als 15% nach oben oder unten vom Wahlkreisdurchschnitt ab. Es ist mir ein besonderes Anliegen, insbesondere an Ihre Adresse, Herr Kollege Hahnzog, festzustellen: Dieses Ergebnis kann sich auch im Vergleich mit den Ergebnissen der Bundeswahlkreiseinteilung sehen lassen.
Sie müssen die Zahlen sehen und in Ihrer ideologischen Verblendung nicht einfach Prinzipien darstellen.
Bei den Bundestagswahlkreisen kann es jeder nachlesen. Sowohl zum Zeitpunkt der Vereinbarung zwischen den Fraktionen als auch jetzt weichen von den 44 bayerischen Wahlkreisen 16 über 15% nach oben oder unten ab. Bei unseren Landtagswahlkreisen sind es wie gesagt 17 von 92. Also ist bei uns der Prozentsatz der Abweichungen deutlich niedriger als bei den Bundestagswahlkreisen.
Darauf hinzuweisen ist mir deshalb ein besonderes Anliegen, weil ich es nicht zulasse, dass irgendjemand unsere Absprachetreue infrage stellt. Wir haben die getroffene Absprache, die Grundfragen des Bundeswahlrechts zu übertragen, 1:1 übernommen, mit bayerischer Präzision und bayerischen Fleiß sogar noch wesentlich besser, sonst hätten wir nämlich mehr Abweichungen vornehmen können. Wir wollten aber so weit wie möglich eine Lösung schaffen, die dann auch wieder über Jahre Bestand haben kann. Deswegen haben wir den Grundsatz der Wahlgleichheit so hoch gewertet, und das, obwohl in Bayern anders als im Bund der Grundsatz der Deckungsgleichheit sogar in der Verfassung verankert ist und damit besonderes Gewicht besitzt.
Eine weitere Reduzierung der Fälle von Abweichungen über 15% nach oben oder unten vom Wahlkreisdurchschnitt dürfte schwer fallen. Die SPD-Fraktion hat das bei ihrer Anhörung gefordert, ohne allerdings konkrete Angaben dazu zu machen. Ich will aber ausdrücklich hervorheben, dass in den weiteren Gesetzesberatungen Gelegenheit bestehen wird, auch über alternative Zuschnitte zu diskutieren.
Es wäre besonders hilfreich, sage ich salopp, solche Maßnahmen konkret vorzuschlagen und nicht allgemein. Allerdings weiß ich aus der Erfahrung schon beim Blick auf den Absender und seine Adresse ziemlich genau, was jeweils der Inhalt eines Vorschlages ist, denn Derartiges spielt eine große Rolle.
Ich versichere, dass wir alle Vorschläge in den Ausschussberatungen konstruktiv begleiten werden. Ich gehe davon aus, dass wir mit den Möglichkeiten, die uns die EDV bietet, Änderungsvorschläge in ihren Auswirkungen sofort präziser abschätzen und diskutieren können, als das bisher der Fall war.
Ich meine, dass der vorgelegte Gesetzentwurf eine gute Grundlage dafür ist, die Änderungen, die notwendig, aber auch schmerzlich sind, vorzunehmen. Ich bitte um eine zügige und konstruktive Beratung.
Ich eröffne die Allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurden zehn Minuten Redezeit je Fraktion vereinbart. Als Erster als Herr Kollege Dr. Hahnzog das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Beckstein, Sie sind die ideologische Schiene gefahren und haben die Bundesebene ins Gespräch gebracht. Ich möchte daraufhin weisen, dass die Einteilung der Bundestagswahlkreise zunächst ein Vorschlag des Bundeswahlleiters war. Das ist der Präsident des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden, Herr Johann Hahlen. Er ist Mitglied der CDU und war unter Herrn Kanther lange Mitarbeiter im Innenministerium.
Von diesen Vorschlägen des Herrn Hahlen hat sich vor der letzten Bundestagswahl die damalige Mehrheit in Bonn gelöst und etwas anders zusammengeschnippelt. Die jetzige Regierungskoalition ist aber wieder zu den Vorschlägen des CDU-Mitglieds Hahlen, auch für München, zurückgekehrt. Das tut mir Leid, Herr Haedke. Der Bundeswahlleiter hat eben nicht so viel Rücksicht auf Ihren etwas unglücklichen Oberbürgermeisterkandidaten nehmen können, dessen Stimmkreis München-Mitte für die Bundestagswahl in Zukunft nicht mehr da sein wird. – Aber dies nur nebenbei und als Erwiderung auf etwaige Zwischenfragen, damit das gleich geklärt ist.
Wahlgesetze sind Fundamente der Demokratie. Deshalb wundert mich schon, was bezüglich der bayerischen Regelung noch vor wenigen Tagen zu lesen war. Der Kollege Strehle von der CSU sagt zum Beispiel: Warum machen wir es nicht einfach, nehmen mehr Stimmkreisdirektkandidaten und kürzen bei den Listenkandidaten? Dem steht eine Regelung entgegen, die wir eigens in die Verfassung geschrieben haben, und zwar aus guten Gründen. Das wäre ohne die CSU nicht gegangen. Machen Sie doch nicht solche Nebenkriegsschauplätze auf, die vielleicht bei der Bevölkerung und der Presse etwas bringen, aber zeigen, dass man keine demokratische Verantwortung kennt.
Ich will noch eins drauflegen, Herr Hofmann, damit Sie endlich zu Ihren Zwischenrufen kommen, denen anzumerken ist, dass Sie als Landratskandidat einem Freien Wähler unterlegen sind und deswegen gewisse Vorbehalte in diesem Bereich haben.
Die letzte größere Stimmkreisneueinteilung war im Jahr 1973. Damals hat ein Oppositionsabgeordneter an diesem Pult erklärt: „Jede Wahlgesetzänderung birgt die Gefahr in sich, dass von irgendeiner Seite, von der jeweiligen Regierung oder der Mehrheitspartei, manipuliert wird.“
Bei dem Gesetzentwurf 1973 wurde dieser Versuchung widerstanden. Dieses Lob kann ich jetzt leider nicht wie
derholen. Diesmal wird in nicht wenigen Fällen von der Staatsregierung und der CSU manipuliert und getrickst.
Zunächst zur ersten Ebene, zum Vorschriftenteil. Herr Beckstein hat schon darauf hingewiesen: Nach langem Ringen ist es gelungen, die verbindliche Vereinbarung zwischen den Fraktionen der CSU und der SPD jetzt auch ins Gesetz zu bringen. Die 15% als Soll und die Pflicht zur Neueinteilung bei 25% war im Dezemberentwurf der Staatsregierung noch nicht enthalten. Jetzt ist sie drin. Es freut mich, dass man sich auf Vereinbarungen verlassen kann. Es hätte mir schon Leid getan, wenn ich den Kollegen Manfred Weiß, der damals mein Verhandlungspartner war, des Wortbruchs hätte zeihen müssen und die ganze CSU-Fraktion dazu. Das ist jetzt geklärt.
Ein Zweites: Diese Regelung hat auch einen guten Sinn, nicht nur weil es so im Bundeswahlgesetz steht, sondern weil das Bundesverfassungsgericht in neuesten Entscheidungen sehr große Bedenken gegen die 331/3Grenze geäußert hat.