Protokoll der Sitzung vom 15.02.2001

Im Einzelnen wurden von Seiten der Fraktion der CSU als Mitglieder benannt:

Herr Herbert Ettengruber, Frau Petra Guttenberger, Herr Jürgen W. Heike, Herr Thomas Kreuzer und Herr Thomas Obermeier; als deren Vertreter:

Herr Prof. Dr. Jürgen Vocke, Herr Christian Meißner, Herr Alexander König, Herr Eberhard Rotter und Herr Bernd Sibler.

Die SPD-Fraktion hat als Mitglieder Herrn Harald Güller und Frau Dr. Hildegard Kronawitter sowie als deren Vertreterin bzw. Vertreter Frau Marianne Schieder sowie Herrn Rainer Volkmann vorgeschlagen.

Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat als Mitglied Frau Susanna Tausendfreund und als stellvertretendes Mitglied Frau Christine Stahl benannt.

Besteht Einverständnis, dass ich über die Fraktionsvorschläge gemeinsam abstimmen lasse? – Widerspruch erhebt sich nicht.

Wer mit der Entsendung der soeben genannten Landtagsmitglieder in den Untersuchungsausschuss einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Auch das ist das gesamte Hohe Haus. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Ebenfalls keine. Damit ist auch dies so beschlossen.

Gemäß Artikel 3 Absatz 1 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags bestellt die Vollversammlung den Vorsitzenden sowie den stellvertretenden Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses. Vorsitzender und Stellvertreter müssen jeweils verschiedenen Fraktionen angehören und sollen die Befähigung zum Richteramt besitzen. Das Vorschlagsrecht für den Vorsitzenden steht nach Artikel 3 Absatz 2 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags der SPD-Fraktion zu.

Als Vorsitzenden hat die SPD-Fraktion Herrn Harald Güller vorgeschlagen. Als dessen Stellvertreter wurde von der CSU-Fraktion Herr Thomas Kreuzer benannt.

Ich gehe davon aus, dass wir auch über diese Vorschläge gemeinsam abstimmen können.

Wer auch mit diesen Vorschlägen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist wiederum das gesamte Hohe Haus. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Ebenfalls keine. Damit ist das ebenso beschlossen.

Dieser Tagesordnungspunkt ist damit erledigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir machen nun Mittagspause bis 14.00 Uhr.

(Unterbrechung von 13.09 bis 14.04 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir setzen die Fallsitzung des Plenums fort.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 9

Aufruf der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Radermacher, Irlinger, Goertz, Egleder, Pfaffmann, Pranghofer und Fraktion (SPD)

Notstand an Bayerns Schulen – Dem Lehrermangel in Bayern unverzüglich entgegenwirken! (Drucksa- che 14/5752)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Kollege Irlinger.

(Maget (SPD): Ist die Frau Ministerin auf Lehrersuche?)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich wollte in meine Anrede eigentlich auch die Frau Ministerin einbeziehen. Vielleicht weiß das Präsidium, wo sie ist.

(Zuruf Knauer (CSU): Der Staatssekretär Regensburger ist da!)

Der Stellvertreter des stellvertretenden Ministerpräsidenten.

(Frau Radermacher (SPD): Der wird uns viel helfen! – Gegenruf des Abgeordneten Herrmann (CSU): Der ist gebildet! – Dr. Wilhelm (CSU): Also, fangen wir an!)

Ich erkläre offiziell noch einmal: Herr Kollege Irlinger hat das Wort.

Kolleginnen und Kollegen! Es gab zu diesem Thema in der letzten Zeit viele Zeitungsüberschriften. Eine lautete: „Ministerin Hohlmeier geht in Österreich auf Lehrersuche“. Dabei sind mir ein paar Bilder eingefallen. Geht sie jetzt von Schultür zu Schultür? Geht sie vielleicht im Büßergewand nach Österreich?

(Dr. Wilhelm (CSU): Warum?)

Warum, das ist die Frage. Warum sollte sie im Büßergewand gehen? Weil sie, ihr Vorgänger und auch die CSU sich eingestehen müssen, dass sie eine falsche Politik betrieben haben: amateurhaft verschleiernd, ohne Konzept, was die langfristige Personalentwicklung angeht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Einen weiteren Grund gibt es, um Buße zu tun. Früher wäre es undenkbar gewesen, dass ein Bayer/eine Bayerin in ein anderes Land ging. Es wurde immer gesagt: Wir in Bayern haben doch ein ganz anderes Niveau. Da wurden Mauern um Bayern herum aufgebaut, wenn es um die Lehreranstellung ging.

Mit ist noch ein Beispiel von vielen in Erinnerung. Da ging es darum, dass eine nordrhein-westfälische Lehrerin in Nürnberg angestellt werden wollte, um Sportunterricht zu erteilen. Man hat sie nicht nach Bayern hereingelassen,

(Frau Radermacher (SPD): Skifahren hat sie nicht nachweisen können!)

weil ihr ein klitzekleiner Nachweis, der Skigrundschein gefehlt hat.

Vielleicht trägt die Frau Ministerin – denke ich mir in meinem Bild – neben dem Büßergewand auch noch Schamesröte im Gesicht, weil ihr klar sein muss, dass der Lehrernotstand hausgemacht ist. Sie wissen seit Jahren, welche Probleme wir im Berufsschulbereich haben, darauf komme ich noch näher zu sprechen. Wir wissen seit Jahren, dass in zwei, vielleicht drei Jahren kein Musikunterricht mehr erteilt werden kann, weil die Lehrer dafür fehlen, ebenso im Kunstbereich. Wir haben drastische Maßnahmen unternommen, um im Sport die Lehrerinnen und Lehrer auszugrenzen, und wir haben die Warnungen nicht ernst genommen, was zum Beispiel den Mathe- und den naturwissenschaftlichen Unterricht angeht. Schamesröte wäre Ihnen gut angestanden – der Staatssekretär ist jetzt da –, weil Sie in all diesen Fällen, in denen sich diese Entwicklung abgezeichnet hat, eigene, zurechtgerückte Zahlen herausgebracht und die Entwicklung ignoriert haben.

Natürlich sind die Probleme hausgemacht. Mir ist aufgefallen, dass die Ministerin über lange Zeit, noch bis ins letzte Jahr hinein den Lehrermangel dementiert hat und erst vor einigen Monaten plötzlich einen eklatanten Lehrermangel erkannt hat.

Dabei sind, so muss man feststellen, Meldungen über den Unterrichtsnotstand in fast allen Schularten an der Tagesordnung. Die Berufsschulen – ich habe es erwähnt – haben schon lang Warnung gegeben, aber die Ministerin sagte noch Ende 1999, im Schuljahr 1999/2000: Es gibt einen ausgeglichenen Markt, die Zahl der Bewerber reicht aus. Auch im Ausschuss, als wir den Antrag stellten, war sie noch sehr zögerlich. Erst jüngst meint sie, es sei doch ein eklatanter Lehrermangel an den Berufsschulen festzustellen. Diese Situation hätte längst bekannt sein müssen, und man hätte dieses Problem längst angehen müssen, denn diese Problemsituation wird sich, wenn nicht noch drastisch umgesteuert wird, negativ auf das gesamte duale System auswirken. Wir haben jetzt schon einen Mangel, und die großen Pensionierungswellen werden erst kommen.

Auch im gymnasialen Bereich ist mehrfach, aus dem Verband und von den Betroffenen, vor den Folgen eines sich abzeichnenden Lehrermangels gewarnt worden. Man machte darauf aufmerksam, dass man bestimmte

Fächer nicht mehr wird halten können und dass man angesichts der Schülerströme, die jetzt erst ins Gymnasium kommen, den Unterricht nicht mehr wird bewältigen können.

Auch bei Ihrem Lieblingskind, Herr Freller, den Realschulen – die lange Zeit in ihrem Verhalten gegenüber der Staatsregierung brav waren, es ging ja um eine strukturelle Reform –, wird gesagt, dort zeichne sich für die nahe Zukunft ein ganz erheblicher Lehrermangel ab. Der Verband spricht von einem bedenklichen Trend und befürchtet für die Zukunft Schwierigkeiten und Hemmnisse für die geplante Qualitätsentwicklung an den Realschulen aufgrund des Personalmangels. Die Schülerzahlen, so heißt es, werden steigen, gleichzeitig werden mehr Lehrkräfte altersbedingt aussteigen und in den Ruhestand gehen.

So könnte man mit den Schularten fortfahren. Ich nenne die Hauptschulen. Wir kennen das Problem. Dieses Lehramt ist nicht attraktiv genug. Die Leute arbeiten mehr, unter schwierigeren Bedingungen, kriegen weniger Geld, haben keine Beförderung, und dadurch wird dieses Lehramt auch weniger studiert.

Besonders eklatant ist der Unterrichtsnotstand seit langem an den Förderschulen, und wir erleben leider keine Gegensteuerung.

Wie wir jüngst der „Süddeutschen Zeitung“ entnehmen mussten, haben sich sogar Förderlehrer nach Hessen gemeldet, weil sie dort mehr materielle Sicherheit bekommen.

Wir haben bereits im Bildungsausschuss darüber diskutiert, dass die Fachoberschulen mit denselben Merkmalen wie an vielen anderen Schularten den Schulnotstand ausgerufen haben: Ignoranz der Situation, es werden keine zusätzlichen Lehrerstellen zur Verfügung gestellt mit der Folge einer eklatanten Mangelsituation. Wir mussten es in der Vergangenheit oft erleben und konnten auch gestern in der Zeitung lesen, dass an der Fachoberschule die Lehrkräfte fehlen und dass Stellen nach Pensionierungen nicht wieder besetzt werden.

Auch die 10prozentige Budgetkürzung trägt zu einem massiven Unterrichtsausfall bei. Hinzu kommen untragbare Klassenstärken von durchschnittlich 30 Schülern in Klassenzimmern, die für 25 Schüler gebaut wurden. Auch dies gehört zur Mangelsituation. Diese Berichte über die Lage und die Mangelsituation an Schulen sind eine Bankrotterklärung der Schulpolitik der CSU.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben es versäumt, die Personalentwicklung seriös und wissenschaftlich nachhaltig zu gestalten. Sie haben sich immer Ihre eigenen Prognosen zurechtgebastelt und nicht auf den Ruf der Wissenschaftler, schon gar nicht auf Professor Klemm aus Essen, Nordrhein-Westfalen – das ist sowieso suspekt – gehört, der seit Jahren auf den zu Beginn der 2000er Jahre kommenden Lehrermangel hingewiesen hat. Wir bräuchten unabhängige Prognosen von Profis. Es stünde uns nicht schlecht an, einen Lehrstuhl für Bildungsforschung und -ökonomie zu

schaffen, damit wir dieses Thema nicht amateurhaft und dilettantisch angehen. Sie haben jedes langfristige Konzept abgelehnt und von der Hand in den Mund gelebt. Sie haben auch, und dies stellt sich als schlimmer Fehler heraus, jedes Jahr am Lehrerpersonal neue Einsparungen getätigt, die Lehrer draußen gelassen, nicht eingestellt, nicht verjüngt und im Grunde das Lehrerdasein immer belastender gemacht, was mit den heute diskutierten Konsequenzen davor abschreckt, das Lehramt zu studieren.

(Beifall bei der SPD – Zurufe des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Meine Damen und Herren von der CSU, das heißt, Sie sind von der Unterrichtsgarantie weiter weg denn je. Dies ist eine schlimme Konsequenz Ihrer verfehlten Politik.