Zu schwer und zu umfangreich sind die Verfehlungen der Staatsregierung hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Haushalts- und Wirtschaftsführung. Zu sorglos – das zeigt der ORH-Bericht an 35 Beispielen quer durch alle Ressorts – wird da und dort mit Steuergeldern umgegangen. Zu großzügig wird immer wieder mit Subventionen verfahren. Häufig werden die Förderziele nicht genügend hinterfragt und kontrolliert.
Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, zu einer anderen Einschätzung kommen, dann ist das Ihre Angelegenheit. Ich habe die der Sozialdemokratie vorzutragen, und Sie werden sicher Verständnis dafür haben, dass wir das durchaus in erster Linie kritisch zu tun haben.
Es ist vermutlich der schwarze Amigo-Filz, der in diesem schönen Freistaat die Vetternwirtschaft immer wieder fröhliche Urständ feiern lässt.
Ob Ihnen das gefällt oder nicht, es ist nun einmal so, dass bei der Erfolgskontrolle von Subventionen Nachlässigkeiten an der Tagesordnung sind, weil dabei offensichtlich Vitamin B eine zentrale Rolle spielt.
Das Versagen bayerischer Finanzpolitik lässt sich aber auch an harten Fakten festmachen, so zum Beispiel am Nachweis der Disparität zwischen dem Anspruch dieser Staatsregierung und der Wirklichkeit draußen im Land. Ein Anspruch zum Beispiel lautet, gleichwertige Lebensbedingungen innerhalb Bayerns sicherzustellen, wie es auch unsere Verfassung vorgibt. Die Finanzpolitik spielt bei der Erreichung dieses Zieles die Schlüsselrolle. Die raue Wirklichkeit zeigt uns aber, wie weit die Staatsregierung von diesen Verfassungsauftrag entfernt ist.
Lassen Sie mich als Beleg und beispielhaft nur vier Zahlen in einen Vergleich stellen: 3055 DM, 1677 DM, 2609 DM und 893 DM. Es handelt sich dabei um die kommunalen Steuereinnahmen von vier Gebietskörperschaften im Jahre 1998. Die 3055 DM je Einwohner und Jahr sind die der Landeshauptstadt München, die 1677 DM sind
die der Regierungshauptstadt von Unterfranken, Würzburg. Die 2609 DM sind die des Landkreises München und die schlappen 893 DM die des Landkreises Würzburg. Das sind harte Fakten, die nicht trügen. Sie sind der Beweis, wie verfehlt diese Finanzpolitik ist, wie unausgewogen die Strukturförderung ist und wie weit wir von dem Verfassungsziel der gleichwertigen Lebensbedingungen in allen Landesteilen entfernt sind.
Deshalb klingt der Satz des Ministerpräsidenten, Oberbayern sei die Steigerung von Bayern, zum Beispiel den Menschen in Franken und in der Oberpfalz wie Hohn in den Ohren.
Natürlich auch in Niederbayern, liebe Frau Kollegin Kellner. Weil die Menschen dort sehen und spüren, wie es um die Chancengerechtigkeit bestellt ist, etwa bei zukunftsgerechten Arbeitsplätzen oder bei der Bildung, wird so ein Satz als Hohn empfunden. Die Bevölkerung in diesen benachteiligten Landesteilen muss die mangelnde Effizienz und das schlechte Controlling beim Umgang mit Fördergeldern als doppelte Bestrafung empfinden, und zwar deshalb, weil diese benachteiligten Gebiete ungenügende Strukturförderung erhalten und gleichzeitig mit ansehen müssen, wie andernorts damit Missbrauch getrieben wird.
Bevor ich zu einzelnen Beispielen komme, möchte ich zunächst zu den hauswirtschaftlichen Quoten Stellung beziehen. Sie werden von der Staatsregierung allzu gern zur Schau gestellt. Man vergleicht sich dabei mit anderen Bundesländern und klopft sich selber auf die Schultern.
Schauen wir uns einmal die Zinsausgabenquoten an: Bayern 3,3%. Die Flächenländer West liegen im Durchschnitt bei 8,7%. Man könnte meinen, Bayerns Finanzminister, Herr Faltlhauser, hätte die finanzpolitische Weisheit mit dem Löffel geschlürft. Aber weit gefehlt, Herr Staatsminister! Auch Sie kochen nur mit Wasser. Vielmehr ist die Leistungsbilanz der einzelnen Bundesländer zum Beispiel für Bildung, Soziales, Kultur, Umweltschutz und Wirtschaftsförderung viel zu unterschiedlich, als dass der Quotenvergleich eine solide Basis hätte, ganz zu schweigen von Sonderlasten, die den Quotenvergleich weiter verzerren.
Schauen wir uns einmal das kleine Bundesland Rheinland-Pfalz an. Dort wurden in den letzten Jahren große Sonderlasten von insgesamt 2,5 Milliarden DM getragen. Dabei wurde in Kauf genommen, dass die Kreditfinanzierungs- und Zinsausgabenquote gewaltig nach oben ging; damit ging natürlich auch der Durchschnitt der Flächenländer West nach oben.
Ich spreche von den 2,5 Milliarden DM, die dieses relativ kleine Bundesland aus Landesmitteln für die Konversion aufgewendet hat, um die strukturellen Folgen des Truppenabzugs der US-Streitkräfte abzumildern. Das ist eine schwere Last, wenn man die 4 Millionen Einwohner von Rheinland-Pfalz mit den 12 Millionen Einwohnern Bayerns in Relation setzt. Das rheinland-pfälzische wäre mit
einem bayerischen Konversionsprogramm von 7,5 Milliarden DM zum Ausgleich der Folgen der Bundeswehrreform vergleichbar. Aber anstatt ein Landeskonversionsprogramm aufzulegen, entscheidet man sich hier lieber für großes Feldgeschrei Richtung Berlin, obwohl man dafür die Milliarden durch eine höhere Umsatz- und Mehrwertsteuerbeteiligung bereits kassiert hat.
Ein interessantes Bild ergibt sich auch bei der Personalausgabenquote. Hier lag Bayern 1999 mit 41,4% wiederum über dem Bundesdurchschnitt von 40,8%.
Die Staatskanzlei, bekanntlich die größte Werbeagentur Europas, mit mehr umbautem Raum ausgestattet als das Weiße Haus und mit erheblich mehr Personal besetzt als die Staatskanzlei von Nordrhein-Westfalen, dem bevölkerungsreichsten Bundesland, treibt die Personalkosten Bayerns offensichtlich gewaltig nach oben.
Aber stellen wir uns einmal vor, Sie hätten in den letzten Jahren keinen Stellenabbau bei der Lebensmittelüberwachung, der Ernährungsberatung oder der Futtermittelkontrolle durchgeführt, dann wären die Personalausgaben und damit die Quote noch gewaltig höher. Stellenabbau in der Staatskanzlei wäre der richtige Weg gewesen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es war falsch, jahrelang beim Verbraucherschutz zu sparen, wie das Ergebnis, dass Bayern jetzt im Zentrum der BSE-Krise und des Schweinemastskandals liegt, zeigt.
Ich fordere Sie auf, Herr Staatsminister Faltlhauser, hören Sie erstens auf mit dem Quotenwettlauf! Und hören Sie zweitens auf mit dem Wettstreit gegen Bundesfinanzminister Eichel um den ersten Haushalt ohne Nettoneuverschuldung! Die Bürger erwarten natürlich einen sparsamen und wirtschaftlichen Umgang mit ihren Steuergeldern, aber nicht um den Preis einer unsicheren Ernährungspolitik. Die Verbraucher erwarten jetzt schnell eine artgerechte Tierhaltung, die sichere Produktion gesunder Nahrungsmittel und eine umweltgerechte Landwirtschaft. Verbraucher und Steuerzahler haben kein Verständnis, wenn diese elementaren Bedürfnisse bei Ihren Wettläufen, Herr Finanzminister, unter die Räder kämen. Die Gefahr, dass sie unter die Räder kommen, sehe ich deshalb, weil Sie jetzt Ihr 600 MillionenDM-Programm angekündigt haben, das Sie über eine Erhöhung der Haushaltssperre von 12 auf 15% nach der so genannten Rasenmähermethode finanzieren wollen.
Herr Kollege, die Zwischenfrage, die ich Ihnen hier stellen will, ist mir bedeutsam. Sie haben gerade gesagt, dass wir das Ziel des ausgeglichenen Haushalts im Hinblick auf mögliche
zusätzliche Ausgabennotwendigkeiten, wie Sie sie definieren, doch bitte schön aufgeben sollten. Ich frage deshalb ganz präzise: Fordern Sie damit den bayerischen Finanzminister, das bayerische Kabinett und die Mehrheitsfraktion auf, von dem Ziel, bis zum Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt, einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung zu haben, aufzugeben?
Herr Staatsminister, das habe ich so nicht gesagt, sondern ich habe gesagt, Sie sollten den Wettstreit mit Finanzminister Eichel um den ersten Haushalt ohne Nettoneuverschuldung aufgeben. Ich habe nicht gesagt, dass Sie das Ziel, Haushalte ohne Nettoneuverschuldung aufzustellen, grundsätzlich aufgeben sollten. Sie sollten das deshalb nicht tun, weil die Verbraucher zu Recht erwarten dürfen, dass die Priorität der Produktion gesunder Nahrungsmittel Vorrang vor dem Ziel hat, im Jahr 2006 einen Haushalt ohne Nettoneuverschuldung zu erreichen.
Ich möchte jetzt fortfahren. Die Frage, wie die Staatsregierung mit den Steuergeldern unserer Bürgerinnen und Bürger umgeht, stellt sich in besonderer Weise aber auch im Zusammenhang mit den Folgekosten aus der Verwendung von Privatisierungserlösen. Seit 1994 wurde Grundstockvermögen im Wert von rund 8,7 Milliarden DM privatisiert. Das Geld wurde größtenteils in die Offensiven „Zukunft Bayern“ und in die Hightech-Offensive reinvestiert. Soweit, so gut. Aber bis heute, Herr Finanzminister, fehlt die Vorlage einer konkreten, saldierten Folgekostenabschätzung. Dem Parlament liegen bis heute keine projektbezogenen Folgekostenabschätzungen vor. Der Hinweis auf den Bayernfonds ist nicht ausreichend. Wir erwarten jetzt endlich eine Folgekostenabschätzung – so weit wie möglich projektbezogen –, welche die Erträge und Kosten saldiert darstellt. Ein rechtzeitiges projektbezogenes Controlling und seine Offenlegung sind auch deshalb nötig, um notfalls reagieren bzw. besonders erfolgreiche Investitionen gegebenenfalls verstärken zu können.
Deshalb hat die SPD-Fraktion einen entsprechenden Antrag eingereicht. Das heißt, wir gehen in dieser Frage über die Feststellung des Obersten Rechnungshofs hinaus. Der ORH hat uns zwar sehr schöne Übersichten über die Verwendung der Privatisierungserlöse geliefert, der Forderung nach einer Präzisierung der Folgekosten darf aber nicht länger ausgewichen werden.
Ich möchte noch einige Einzelergebnisse der ORH-Prüfung aus verschiedenen Geschäftsbereichen der Staatsverwaltung ansprechen.
Ich bleibe zunächst beim Finanzministerium. Wegen anhängiger Rechtsbehelfsverfahren waren zum 31.12. 1999 2 Milliarden DM Steuern von der Vollziehung ausgesetzt, weil keine rechtzeitige und zeitnahe Einspruchsbearbeitung erfolgte. Im so genannten Hightech-Land Bayern wurden nämlich Rechtsbehelfe per Liste geführt; automatische Abwicklung und selbst automatische
Unterstützung: Fehlanzeige. Ich kritisiere nicht die Arbeitsleistung des Personals. Ich kritisiere aber, dass diese Staatsregierung am 31. März einen Hightech-Tag zelebrieren und sich dabei selbst feiern will, aber in der Finanzverwaltung den Mitarbeitern teilweise Hightech vorenthält mit der Folge, dass 2 Millionen DM Steuern vom Vollzug ausgesetzt sind. Wie so oft predigen Sie Wein und reichen Sie nur Wasser.
Eine zentrale Schwachstelle quer durch alle Ressorts ist offensichtlich das Controlling über die Verwendung von Fördergeldern. Der ORH-Bericht zeigt uns elf Beispiele aus dem Verantwortungsbereich von sieben Ministerien, die leichtfertigen Umgang und Missbrauch von Fördermitteln aufgezeigen und teilweise eine regelrechte Selbstbedienungsmentalität erkennen lassen. Wir haben es hier entweder mit einem Systemfehler oder mit einer Seuche zu tun. Vielleicht ist die Seuche die Ursache für den scheinbaren Systemfehler, der den Steuerzahlern jährlich teuer zu stehen kommt. Hierfür einige Beispiele. Erstens wurde eine staatliche Dienststelle verlagert und das bisherige Grundstück an einen Unternehmer verkauft, der zugesagte Investitionen ebenso wenig wie die versprochenen Neueinstellungen tätigte. 9 Millionen DM Fördergelder sowohl des Freistaates als auch der Kommune wurden gewährt, ohne dass das Förderziel erreicht wurde.
Zweitens. Zur Errichtung eines Jagd- und Fischereimuseums erhielt ein Zweckverband 5,2 Millionen DM aus dem Topf der regionalen Wirtschaftsförderung mit dem Ziel, den Freizeitwert der Region nennenswert zu erhöhen. Stattdessen wurden die Fördermittel zur Renovierung eines bisher ungenutzten Schlossflügels, also bestenfalls zur Erhöhung des Freizeitwertes des Schlossherrn, aber nicht des Freizeitwerts der Region eingesetzt.
Drittens. Ein landwirtschaftlicher Verein zur Fleischprüfung erhielt in der Zeit von 1994 bis 1998 18 Millionen DM Fördermittel. Gleichzeitig hat man in dieser Zeit einen Monopolisten großgezogen, der bei der Klassifizierung und Gewichtsfeststellung seiner Tierprodukte 90% Marktanteil erreichte. Aufgrund der besonderen Marktstellung wurden 1994 in diesem landwirtschaftlichen Verein sogar Überschüsse in Höhe von 3,12 Millionen DM erzielt. Dass es dennoch weiterhin Fördermittel gab, ist unglaublich. Ich bin davon überzeugt, dass wir es mit einem Netzwerk von Lobbyismus und Selbstbedienungsmentalität im Agrarsektor zu tun haben. Die Leistungsfähigkeit des Vereins blieb bei der Gewährung von Fördermitteln jahrelang außen vor. Dies ist ein weiteres Paradebeispiel dafür, wie sich die Bayerische Staatsregierung zum Handlanger einer Agrarlobby machen lässt. Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass die Kritik im Zusammenhang mit der BSE-Krise an einer Landwirtschaftspolitik, die sich mehr von Standesinteressen als vom Verbraucherschutz leiten lässt, allzu berechtigt ist. Die Landwirtschaftspolitik muss viel mehr als in der Vergangenheit kunden- und verbraucherorientiert sein.
Eine ähnliche Situation haben wir im Bereich Umweltschutz beim Vollzug des Vertragsnaturschutzprogramms mit dem Erschwernisausgleich. Von über 1000 geprüften
Fällen mussten 50% beanstandet werden. Bei etwa jedem siebten Fall wurden Verstöße gegen die Vertragsauflagen festgestellt. Das Controlling durch die Unteren Naturschutzbehörden war mangelhaft. Die Verstöße gehen allerdings nicht auf das Konto von Naturschutzverbänden; denn der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz leisten im Bereich des Naturschutzes und der Landespflege eine sehr gute Arbeit. Die Verstöße betreffen vielmehr eine große Anzahl von kleinsten Privatflächen. Deshalb stellt sich natürlich die Frage der Einziehung von sinnvollen Bagatellgrenzen für Flächen und Förderhöhen.
Fazit: Der Missbrauch von Fördermitteln mangels wenig effektivem Controlling quer durch alle Ressorts ist nur mit einem Systemfehler oder mit einer Seuche erklärbar. Als Symptome fallen dabei durch Wiederholung besonders auf: mangelhafte Registrierung von Fördervorgängen, unvollständige Antragsunterlagen, unzureichende Vorkontrollen, häufig keine ordnungsgemäße Bewilligung, Missachtung des Vier-Augen-Prinzips, ungenügender Abgleich mit dem Förderprogramm und unvollständiger bzw. nicht eindeutiger Vertragsinhalt. Alle diese Symptome lassen weniger auf einen Systemfehler, sondern eher auf eine Seuche namens „schwarzer Filz“ oder „Amigosumpf“ schließen.
Herr Finanzminister, entlausen Sie den Filz, legen Sie den Sumpf endlich trocken und sorgen Sie dafür, dass dem massenhaften Missbrauch beim Umgang mit Fördermitteln ein Ende bereitet wird. Sorgen Sie für ein effektives Controlling, welches individuell ansetzt. Sorgen Sie dafür, dass in den Finanzämtern die EDV die manuelle Listenführung bei den außergerichtlichen Rechtsbehelfen nicht nur hilfsweise, sondern voll und ganz ablöst. Sorgen Sie auch dafür, dass der finanzpolitische Anspruch und die Wirklichkeit im Sinne einer geordneten Haushalts- und Wirtschaftsführung endlich übereinstimmen. Ordentliche, das heißt wirkungsvolle Kontrollen und ein modernes, EDV-gestütztes Qualitätsmanagement-System gegen den Subventionsmissbrauch auf breiter Front sind überfällig. Das Regierungstagebuch der Unverantwortlichkeit darf so nicht weitergeschrieben werden.
Ich möchte zu Tagesordnungspunkt 8 überleiten, dem Antrag des Obersten Rechnungshofes auf Entlastung aufgrund des Beitrages zur Haushaltsrechnung 1998 für ein Einzelplan 11, dem wir zustimmen werden. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, nochmals allen Mitarbeitern des Obersten Rechnungshofes und der beteiligten Rechnungsprüfungsämter im Namen der SPD-Fraktion zu danken. Ihre nicht einfache Aufgabe, die meines Erachtens einen Spagat zwischen wirkungsvoller Kontrolle und präventivem Handeln gleichkommt, findet unseren vollen Respekt.
Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Kellner. Doch bevor ich Frau Kellner das Wort erteile, möchte in der Diplomatenloge den Präsi