Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

Bitte, Frau Kollegin.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Neben den gefürchteten ORH-Sonderberichten – ich erinnere an den LWS- und den LfA-Sonderbericht, die bekanntlich bisweilen dramatische Folgen bis hin zur Ministerentlassung und bis zu Untersuchungsausschüssen haben – gibt es den jährlichen Missstandsbericht, den wir immer kurz vor Weihnachten erhalten. Mit diesem jährlichen Missstandsbericht beschäftigen wir uns heute. Herr Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser, erfreulicherweise sind Sie anwesend und kann ich Ihnen ein paar Tipps mit auf den Weg geben, wie Sie das von Ministerpräsident Dr. Stoiber großspurig verkündete 300-Millionen-DM-Programm – denn es sind ja nur 300 Millionen DM pro Jahr und 600 Millionen DM in zwei Jahren – finanzieren können. Herr Staatsminister, Sie werden im Bericht des Obersten Rechnungshof leicht eine Umschichtungsmasse finden und müssen nicht Ihre Ministerkolleginnen und -kollegen so zur Ader lassen, dass manche kaum mehr schlafen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Das ist so, Herr Ach. Gerade Sie als Vorsitzender des Haushaltsausschusses müssten für Umschichtungen sein und nicht für den Einzug von Haushaltsmitteln nach dem Rasenmäher-Prinzip.

Herr Staatsminister Faltlhauser, Sie sollten Mut und Durchsetzungskraft zeigen und dort Einschnitte vornehmen, wo das Geld sozusagen zum Fenster hinausgeworfen wird und nicht dort, wo es ohnehin schon knapp ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich fordere Sie auf: Stoppen Sie den Missbrauch und den Schlendrian, anstatt bei Vereinen, Verbänden und Kommunen, die sich nichts zuschulden kommen ließen, zu kürzen, wie Sie das jetzt mit Ihrer zusätzlichen dreiprozentigen Haushaltssperre vorhaben.

Kolleginnen und Kollegen, neben Einzelfällen, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, wie beispielsweise der staatlich geförderte Briefmarkenhandel unter der Tarnadresse Deutsch Amerikanisches Institut

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

oder die überaus großzügige Förderung der Pferdesportvereine bis hin zum Military-Reiten.

(Welnhofer (CSU): Da könnten Sie mal mitmachen!)

Herr Welnhofer, nach Ihnen, kann ich da nur sagen.

(Beifall und Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Heiterkeit bei der SPD – Welnhofer (CSU): Ich bin schon einmal eine ganze Woche durch Ungarn geritten!)

Auf einem Pferd oder in der Kutsche hinten dran?

(Allgemeine Heiterkeit – Welnhofer (CSU): Auf zwei Pferden, weil eins nach drei Tagen schon k.o. war!)

Herr Welnhofer, das kann ich mir lebhaft vorstellen. Herr Herrmann, Sie müssen Ihr Lachen nicht hinter Papier verstecken. Sie dürfen das auch so.

Neben diesen Missbräuchen, die manchmal in der Tat fast eine kabarettistische Note haben, geht es um die Aufdeckung struktureller Mängel und deren Behebung. Denn dort ist oft eine große Menge Geld verborgen. Der Oberste Rechnungshof hat eine hartnäckige Dauerkundschaft: das Landwirtschafts-, das Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium. Man muss feststellen, dass diese drei Ministerien nicht mehr resozialisierbar sind.

(Beifall und Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe von Frau Kollegin Köhler gelernt: Wer nicht einsichtig ist, der ist nicht resozialisierbar. Das wird im Strafvollzug unter diesem Begriff verstanden.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Prof. Dr. Stockinger (CSU): Kann man von Frau Kollegin Köhler etwas lernen?)

Daher besteht auch keine Hoffnung auf Besserung. Diese drei Ministerien müssten deshalb dauerhaft unter die Beobachtung des Obersten Rechnungshofs gestellt werden. Sie müssten eigentlich dauerhaft in Sicherheitsverwahrung gegeben werden.

(Beifall und Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN – Heiterkeit bei der SPD – Hoderlein (SPD) Bewährungshelfer!)

Nun sind Sie dran, Herr Finanzminister. Leider ist es so, dass sich Ihr Ministerium in den letzten Jahren um Anschluss an diese zweifelhafte Spitzengruppe bemüht. Das macht mich in der Tat sehr besorgt, denn schließlich sollte gerade Ihr Ministerium ein Hort der Wirtschaftlichkeit und der Effizienz sein. Das würde ich jedenfalls von Ihnen, Herr Finanzminister, erwarten. Damit Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht glauben, ich übertreibe mit meiner Kritik, und weil ich auch gern möchte, dass sie in der Mittagszeit noch etwas zum Schmunzeln haben, schildere ich ein paar Einzelfälle, obwohl es eigentlich bedauerlich ist, wie viel Staatsgelder verschwendet werden.

Herr Kollege Welnhofer, jetzt müssen Sie aufmerken, denn nun kommt Regensburg dran. Der Briefmarkenhandel bzw. das Deutsch Amerikanische Wirtschaftsinstitut ist das erste Beispiel. Der Freistaat Bayern hatte ein Drittel der jährlichen Gesamtausgaben gedeckt. Der Staat hat auch einen Verwaltungsrat benannt, dem es jedoch nicht auffiel, dass vom Mai 1994 bis zum Februar

1999, also über einen beträchtlichen Zeitraum hinweg, weder Vorstands- noch Verwaltungsratssitzungen abgehalten wurden. Der Vorstand wurde nicht entlastet, der Haushalt nicht rechtzeitig beschlossen. Der Geschäftsführer hat derweil seinen Briefmarkenhandel betrieben und dafür das Personal und die Sachmittel des Instituts eingesetzt.

(Welnhofer (CSU): Wer war 1994 Vorstandsvorsitzender?)

Ich weiß, wer es war, Herr Welnhofer.

(Welnhofer (CSU): Das war die SPD-Oberbürgermeisterin Christa Meier!)

Halt! Moment! Fragen Sie hinten, wer – –

(Welnhofer (CSU): Es war die Oberbürgermeisterin! – Unruhe bei der CSU)

Herr Welnhofer, das interessiert mich hier nicht.

(Dr. Bernhard (CSU): Wahre Auskunft!)

Das interessiert mich hier und jetzt nicht. Ich bin nicht im kommunalen Rechnungsprüfungsausschuss, sondern mich interessiert, wer der vom Freistaat Bayern benannte Verwaltungsrat war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Unruhe bei der CSU)

Jetzt gehen wir auf die Frage ein, wie der Verwendungsnachweis geführt wurde.

(Hofmann (CSU): Wer war das in Regensburg?)

Wichtig ist, wie geprüft wird. Dazu sage ich klar und deutlich: Die Ministerien können sich nicht unbesehen auf nachgeordnete Behörden, wie hier auf den kommunalen Rechnungsprüfungsausschuss, verlassen. Es sind zumindest Stichproben notwendig. Man hat sich aber immer darauf verlassen, was von unten eingereicht wurde. Es ist doch keine Prüfung, wenn man nur abheftet, was man erhält, und glaubt, dass damit alles seine Ordnung hat. Das Auswärtige Amt hat dann im Jahr 1998 den Hinweis auf eine Veruntreuung gegeben. Das Auswärtige Amt hat für 1999 die Zuschüsse dann auch gestoppt. Der Freistaat Bayern hat das erst ein Jahr später getan. Das alles hat mindestens 105000 DM gekostet.

Nun zum Finanzministerium, das neuerdings auch immer im Rechnungshofbericht vorkommt.

(Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministe- rium): Ich zittere schon!)

Ja, Herr Staatsminister, Sie müssen sich ranhalten, damit Sie dieses Jahr nicht wieder im Bericht des Obersten Rechnungshofs auftauchen. Es gab Arbeitsrückstände bei den Rechtsbehelfsverfahren, die dazu führten, dass zwei Milliarden DM an Steuern von der Vollziehung ausgesetzt waren. An dieser Stelle wird es gefähr

lich, Herr Staatsminister. Wir müssen feststellen, dass der Oberste Rechnungshof in der letzten Zeit Jahr für Jahr eine andere Abteilung Ihres Ministeriums kritisiert. Ich erinnere an die Rückstände, die bei der Erbschaftund Schenkungsteuer bestanden. Dabei handelte es sich um 500 bis 800 Millionen DM. Mittlerweile wurde das abgebaut. Jetzt haben wir aber das Loch an einer anderen Stelle. Deshalb taucht nicht nur bei mir der Verdacht auf, dass Sie das Personal in Ihrem Haus wie auf einem Karussell herumschieben. Das eine Loch stopfen Sie, indem Sie einen anderen Krater aufreißen.

Sie müssen sich deshalb überlegen, wie der Personaleinsatz zu gestalten ist. Es nützt nichts, immer nur zu jammern, dass man von der hohen Personalquote herunterkommen muss. Man muss genau überlegen, wo man Personal braucht, vielleicht sogar mehr Personal braucht, und wo Aufgaben entfallen sind. Dort können Sie Stellen einziehen. Wie der Gang der Dinge aber ist, zieht manchmal auch der Finanzminister den Kopf ein, wenn er sich nicht durchsetzen kann oder wenn er sich nicht traut. Wenn er keine Prioritäten setzt, zieht er das Geld mit der Rasenmäher-Methode ein, und das ist es, was dann dabei herauskommt.

Interessant ist – und das kommt im Bericht des Obersten Rechnungshofs auch immer wieder zum Ausdruck –, dass der High-Tech-Staat Bayern gerade mit der Informations- und Kommunikationstechnologie Schwierigkeiten hat. Auch hier ist das Finanzministerium dabei. Es gibt enorme Verzögerungen, die zu beträchtlichen Ausgaben bei der Entwicklung von EDV-Systemen für den Fiskus führen. Folgender Fall hat ebenfalls eine fast kabarettistische Note: Im Klinikum rechts der Isar sollte ein SAP-Verfahren zur Verarbeitung von Patientendaten eingeführt werden. Das gelang aber nicht. Am Schluss wurde das System an die Kantine verkauft. Der Kantinenwirt hat es dann genutzt, wozu weiß ich zwar nicht, aber irgend etwas wird es schon gewesen sein. Am Ende stand ein Verlust von einigen 100000 DM für die öffentlichen Kassen.

Nun vom Finanzministerium zum Wirtschaftsministerium. Wie schon gesagt, das Wirtschaftsministerium ist beim Bericht des Obersten Rechnungshofs immer dabei. Meist geht es um Wirtschaftsförderung, die zu Unrecht ausgezahlt wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei Eilvorlagen im Haushaltsausschuss muss man immer sehr vorsichtig sein. Das gilt insbesondere dann, wenn sich, wie in diesem Fall, der Innenminister für Wirtschaftsförderung einsetzt. In diesem Fall war es so, weil er dort wohnte, wo eine Firma Grundstücksbedarf angemeldet hatte. Diese Firma hat damit gedroht, in die neuen Bundesländer abzusiedeln, wie das eben so üblich ist – ich war selbst lange Zeit in einem Stadtrat tätig. Sie drohte also, es gingen Arbeitsplätze verloren, wenn man ihr nicht sofort das Grundstück nebenan für eine Erweiterung zur Verfügung stelle.

Das Pech war, dass sich auf dem Grundstück nebenan eine staatliche Behörde – eine Flussmeisterei – befand. Bei diesem geballten Einsatz von Mitgliedern der Staatsregierung – der Wirtschaftsminister Arm in Arm mit dem

Innenminister; der Finanzminister wurde auch noch dazugeholt – war das alles kein Problem. Die Flussmeisterei wurde sehr schnell auf ein anderes staatliches Grundstück umgesiedelt, das man selbstverständlich sonst hätte anderweitig nutzen können. Dieses Grundstück wurde vom Rechnungshof mit 3 Millionen angesetzt. Die Stadt Nürnberg hat auch noch kräftig investiert und fast 6 Millionen für den Grundstücksankauf ausgegeben. Der Firma war aber dann das Grundstück zu teuer. Daraufhin hat die Stadt Nürnberg das Grundstück gekauft und über einen Erbpachtvertrag weitergegeben.

Dieser Vorgang ist ganz besonders ärgerlich, zum einen deshalb, weil das Unternehmen bis heute nicht erweitert hat, und zum anderen deswegen, weil in der Vorlage an den Haushaltsausschuss Kostenneutralität behauptet wurde, weil man die Kosten des Grundstücks nicht eingerechnet hat, das für die Flussmeisterei verwendet wurde. Der Verlust für den Staat beträgt 3 Millionen. Nicht schlecht! Herr Finanzminister, halten Sie sich mal ran.

Herr Staatsminister Wiesheu, es ist immer wieder interessant zu sehen, was man alles aus dem Titel „Regionale Wirtschaftsförderung“ fördern kann. Da steht ein Schlossflügel in Oberfranken leer, der saniert werden muss. Der Schlossbesitzer war fantasievoll und hat gesehen, dass neben seinem Schloss ein Wildpark liegt. Er hat sich wohl gedacht: Da richten wir ein Museum im Schlossflügel ein, da soll der Staat für die Sanierung kräftig zuzahlen, und dann werden wir schon weitersehen. Das Museum braucht aber niemand.

Das Wirtschaftsministerium hat in der Erstvorlage sogar von einer Überversorgung Oberfrankens mit Fremdenverkehrsmuseen gesprochen. Die Besucher des Wildparks müssen gleich den Eintritt für das Museum mitbezahlen, und dennoch wird das Museum nur von einem Drittel der Besucher angenommen.