Protokoll der Sitzung vom 14.03.2001

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich habe Ihrem Mienenspiel angesehen, dass Sie sehr erstaunt waren, mich als Antwortgeber bei dieser Frage vorzufinden.

(Irlinger (SPD): Richtig!)

Wir haben uns vorher schon ausgetauscht. Dieses Projekt „Spielzeugfreier Kindergarten“ ist in der Tat ein Projekt der Gesundheitsförderung mit der Zielgruppe Kindergartenkinder, Erzieherinnen und Eltern.

In einer dreimonatigen Projektphase wird sämtliches Spielzeug aus den Gruppenräumen weggeräumt. Den Kindern wird damit ermöglicht, sich mit sich und den anderen zu beschäftigen und zunächst einmal für einen begrenzten Zeitraum auf vorgefertigte Spielsachen zu verzichten. Ziele, die damit erreicht werden sollen, sind Förderung der Selbstsicherheit, der Konfliktfähigkeit, der sozialen Kompetenz, der Konzentrationsfähigkeit und der Kompromissfähigkeit.

Die Erzieherinnen führen neben dieser Arbeit im Kindergarten mit den Kindern Eltern- und Großelternabende durch und erreichen damit, dass sich diese Aktion auch in den häuslichen Bereich ausdehnt.

Dieser spielzeugfreie Kindergarten ist sozusagen eine Innovation von unten. Er wurde vom Suchtarbeitskreis Weilheim/Schongau in Zusammenarbeit mit einem Kindergarten in Penzberg konzipiert. Verbreitung weit über die Grenzen Bayerns hinaus fand dieses innovative Präventionsprojekt durch die Aktion „Jugendschutz“.

Es fand auch eine Bewertung statt, und zwar sind hier zwei Literaturstellen anzugeben: Anna Wiener „Der spielzeugfreie Kindergarten“ – ich übergebe Ihnen das dann und lese das jetzt nicht vor – und „Spielzeugfreier Kindergarten – ein Konzept stellt sich vor“ von Ingeborg Becker-Textor. Das Vorhaben wurde vom Freistaat fünf Jahre lang, von 1996 bis 2000, als Modellprojekt gefördert. Die Förderung wurde im Rahmen der suchtpräventiven Arbeit der Aktion „Jugendschutz“ abgewickelt. Gefördert wurde die Erstellung von Begleitmaterialien, Videos für Elternabende, die Förderung der Fortbildung der Erzieherinnen und die Erstellung einer wissenschaftlichen Begleitstudie.

Zusatzfrage, Herr Kollege? – Bitte schön.

Herr Staatsminister, habe ich das richtig aufgenommen, dass dieses Projekt „Spielzeugfreier Kindergarten“ sehr positiv bewertet wird und daher aus dem Modellversuch heraus praktisch allen Kindertagesstätten empfohlen wird, ein solches Projekt zumindest einmal anzugehen und eventuell auch an Fortsetzungen zu denken?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Also, wir bewerten das Projekt positiv und würden es begrüßen, wenn es weitere Verbreitung fände. Das hängt natürlich von den Entscheidungen der Träger und von dem zuständigen Fachreferat des Sozialministeriums ab. Aber ich denke, dass von dort keine Probleme auftreten werden.

Eine Zusatzfrage: Herr Kollege Irlinger.

Ich gehe davon aus, dass Sie oder die Fachabteilungen auch wissen, dass dieses Projekt von einigen wenigen Menschen sehr kritisch begleitet wird, manchmal auch mit ein bisschen wissenschaftlichem Touch dabei. Dabei hat es unter anderem auch Unterstellungen gegeben wie die, durch den Entzug von Spielzeug würde so etwas wie „Kindesmissbrauch“ stattfinden. Wie bewertet die Staatsregierung eine solche Gegnerschaft?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Also, ich kenne den Artikel nicht, aber aufgrund meiner persönlichen Einstellung halte ich das für ziemlichen Unsinn. Das kann mit „Kindesmissbrauch“ nichts zu tun haben. Im Gegenteil, das ist eine Voraussetzung für die Entwicklung von Kreativität. Das kann ich aus meinem eigenen Erfahrungsbereich bestätigen, ohne bei jemandem rückgefragt zu haben.

Die nächste Frage stellt die Frau Kollegin Schieder.

Herr Staatsminister, was bedeutet die geplante Ansiedlung der Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater an den Landratsämtern für die Zukunft der Landwirtschaftsämter, wie viele Stellen werden pro Landkreis neu geschaffen und wie viele Stellen werden zu welchen Bedingungen pro Landkreis von den Landwirtschaftsämtern abgezogen und an die Landratsämter verlagert?

Herr Minister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin Schieder, aus den 47 Ämtern für Landwirtschaft und Ernährung in Bayern wird aus der

Abteilung 3 „Ernährung und Hauswirtschaft“ das Sachgebiet Ernährung herausgelöst und den 71 Landratsämtern zugeordnet. Es handelt sich dabei um insgesamt 131 Stellen des höheren, gehobenen und mittleren Dienstes, die bislang in der Ernährungsberatung, Landwirtschaftsschule Abteilung Hauswirtschaft und in der Berufsausbildung tätig waren. Zusätzlich sollen nach dem Entwurf der Staatsregierung zehn neue Stellen für die Arbeit an den Regierungen und im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit geschaffen werden. Wenn der Bayerische Landtag zustimmt, stehen dann insgesamt 141 Stellen für die Ernährungsberatung zur Verfügung.

Diese Ernährungsberaterinnen, die dann bei den Landratsämtern angesiedelt werden, werden auch den Unterricht im bäuerlichen Bereich wahrnehmen. Sie sind dann eingegliedert. Wenn man das durch 70 teilt – 71 Landratsämter haben wir –, sind das pro Landratsamt zwei Ernährungsberaterinnen, die Mitarbeiter eines Kompetenz- oder Expertenzentrums „Ernährung und Verbraucherschutz“ sein sollen, das an jedem Landratsamt entsteht. Ein Beispiel können Sie im Landratsamt Passau schon betrachten, allerdings noch ohne Ernährungsberaterinnen. Dort arbeiten die Veterinäre, die Gesundheitsämter und die zugeordneten Mitarbeiter zusammen. Das bedeutet also, dass die Ernährungsberaterinnen in einen neuen Kontext eingeordnet sind, dass wir auch sehr schnelle Wege der Information haben, wenn es bei Kontrollen oder bei sonstigen Arbeiten der Gesundheitsämter oder der Veterinärämter neue Erkenntnisse gibt.

Zur inneren Struktur der Landwirtschaftsämter kann ich jetzt natürlich weniger sagen. Die Hauswirtschaft bleibt dort. Wie das dort organisatorisch abgewickelt wird, das ist Sache des Landwirtschaftsministers. Die Einzelheiten stehen noch nicht fest, weil das praktisch erst gestern im Ministerrat endgültig so entschieden wurde und nunmehr dem Bayerischen Landtag zur Beratung vorgelegt wird.

Keine Zusatzfrage? Oder doch?

Aber es ist doch so, Herr Minister, dass die Ernährungsberaterinnen, die heute an den Landwirtschaftsämtern tätig sind, zum Beispiel auch Unterricht in den Landwirtschaftsschulen geben. Wie soll das dann funktionieren? Werden die dann vom Landratsamt ausgeliehen oder wie stellt man sich das vor?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Sie werden diesen Unterricht wahrnehmen, möglicherweise sogar als Dienstaufgabe. Sie sind ja in jedem Landkreis. Insofern gibt es da kein großes Problem. Es wird auch so sein, dass hier kein Bruch auftritt. Das heißt also, die Ernährungsberaterinnen werden zunächst dort bleiben, wo sie jetzt sind. Nicht der Stuhl, auf dem sie sitzen, ist das Entscheidende, sondern die Einbindung in dieses Expertenzentrum, das am Landratsamt entsteht. Nach Gesprächen mit dem Bauernverband und mit den Beraterinnen selbst bin ich der Meinung, dass überhaupt

kein Problem besteht, diese Ernährungsberaterinnen im Schulunterricht einzusetzen.

Es wäre im Gegenteil aus der Sicht aller Beteiligten wesentlich problematischer gewesen, einen kleinen Teil dieser Beraterinnen zurückzulassen, denen dann der Anschluss an das ganze Informationssystem bei diesem Komplex Gesundheitsverwaltung/Veterinärverwaltung fehlt. Das heißt also, wir werden sicher auch in den Unterricht neue Akzente einbringen können, die bisher in dieser Form nicht möglich waren.

Sie wollen noch eine Zusatzfrage stellen?

(Frau Marianne Schieder (SPD): Ja!)

Bitte sehr.

Das heißt zu deutsch: Diese Ernährungsberaterinnen, die heute an den Landwirtschaftsämtern sind, bleiben auch dort, werden aber rein strukturell oder wie auch immer den Landratsämtern zugeordnet. Wie soll das konkret funktionieren, und warum lässt man sie nicht dort, wo sie sind, nämlich an den Landwirtschaftsämtern?

Herr Minister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich habe schon angedeutet, dass es kurzfristig nicht möglich ist, diese Kräfte in jedem Landratsamt in entsprechenden Räumen unterzubringen. Das heißt also, es wird eine Übergangszeit geben, in der sie dort bleiben, wo sie bisher waren, und dann an die Landratsämter kommen. Aber das ist Sache der Landräte, mit denen wir im Gespräch sind, und der Landkreisverband hat diese Lösung begrüßt.

Mit meiner Antwort wollte ich deutlich machen, dass wir nicht einen Perfektionismus haben wollen, der das ab einem bestimmten Stichtag sicherstellt, sondern dass wir einen Übergang haben und den Landräten auch einen Gestaltungsspielraum geben, wie sie dieses Expertenzentrum aufbauen. Es gibt Landräte, die damit schon sehr weit sind, andere sind weniger weit. Wir werden das in einem Gespräch mit dem Landkreisverband demnächst klären.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Eine Zusatzfrage noch!)

Das ist die letzte.

Wer ist dann konkret der Chef: der Landrat?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Der Landrat.

Das ist dann der Chef von diesen zwei Frauen, die er am Landwirtschaftsamt sitzen hat? Also konkret: Der Landrat des Landkreises Schwandorf ist der Chef von zwei Frauen, die aber am Landwirtschaftsamt Nabburg tätig sind. Wer bezahlt dem Landkreis Schwandorf die Büros usw., die er braucht, um sie ans Landratsamt zu holen?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Das ist eine Frage, die über den Finanzausgleich geregelt wird. Auch das ist Gegenstand dieser Gespräche.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Das kennen wir schon!)

Aber Sie greifen jetzt die Ernährungsberaterinnen isoliert heraus. Die Ernährungsberaterinnen sind genauso im Landratsamt wie die Veterinärverwaltung oder auch die Gesundheitsverwaltung, wobei diese oft auch nicht im gleichen Haus sitzen. Das heißt, es gibt alle möglichen Spielarten. Es wäre nicht sinnvoll, zu einem bestimmten Stichtag, ohne dass die organisatorischen und räumlichen Voraussetzungen gegeben sind, in jedem Einzelfall zu sagen: Die müssen ab sofort da drüben sitzen. Meine Aussage ist also so zu verstehen, dass das in einer Übergangszeit geschehen kann. Ich glaube, ein reibungsloser Übergang ist besser dadurch sichergestellt, dass wir nicht einen Stichtag fordern, sondern das in Gesprächen mit dem Landkreisverband klären. Diese Lösung hat der Landkreisverband ausgesprochen begrüßt.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Ja, das glaube ich schon, wenn es bezahlt wird!)

Die drei Zusatzfragen sind ausgeschöpft. Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Peters.

Herr Staatsminister, ich frage Sie: Welcher Anteil der 600 Millionen DM, die für die Unterstützung der von der BSE-Krise Betroffenen vorgesehen sind, ist als Hilfe für die mittelständische Fleischindustrie eingeplant, und können davon Zuschüsse von 2 Millionen DM für eine Maßnahme am Schlachthof Pfarrkirchen bezahlt werden?

Herr Minister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin Peters, Ihre Frage ist etwas kryptisch, aber durch Nachforschungen sind wir auf den Kern Ihrer Frage gekommen.

Aber lassen Sie mich zunächst darstellen, was mit dem 600-Millionen-Landesprogramm „Verbraucherinitiative Bayern“ gemeint ist. Eine Säule dieses Programms sind Leistungen in Höhe von 245 Millionen DM für besonders betroffene Branchen und Arbeitsplätze. Dazu kommen beispielsweise Leistungen in Höhe von 7 Millionen DM für die Entschädigung bei positiven BSE-Befunden. Dabei versuchen wir, diese Leistungen dadurch zu ver

meiden, dass wir die kranken Tiere erkennen, bevor sie in den Schlachthof kommen.

Für das Programm „sichere Lebensmittel“ stehen insgesamt 145 Millionen DM zur Verfügung, davon 10 Millionen DM für die Verbesserung der Schlachttechnik. Das heißt, wir wollen Risikomaterial so entnehmen, dass das Risiko für die Lebensmittelsicherheit stark vermindert wird.

Darüber hinaus haben wir ein 70-Millionen-Darlehensprogramm für Metzger und die Fleischwirtschaft. Was davon dem einzelnen Betrieb zugute kommt, das ist natürlich schwierig zu sagen. Das muss vom einzelnen Betrieb beantragt werden. Ich habe inzwischen durch Gespräche mit Ihnen herausgefunden, dass es Ihnen um den Personalabbau bei der Südfleisch in Pfarrkirchen geht, um die Gründung einer Qualifizierungsgesellschaft. Sie haben ein Schreiben des Landesbezirksvorsitzenden Hans Hartl an den Ministerpräsidenten vom 9. März vorgelegt. Das muss im Einzelnen geprüft werden, und zwar in der Zuständigkeit des Arbeitsministeriums der Frau Kollegin Stewens. Ich denke, dass Sie dazu in Kürze erschöpfend Auskunft bekommen. Aber das ist außerhalb unseres Geschäftsbereiches und hat, soweit ich beim ersten Durchlesen festgestellt habe, auch mit dem 600-Millionen-Programm, soweit es in anderen Ressorts abgewickelt wird, nichts zu tun.