Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Herr Staatssekretär, wäre die Staatsregierung bereit, staatliche Bauprojekte im Bundesausschreibungsblatt zu veröffentlichen, auch wenn dazu keine Verpflichtung besteht?

Herr Staatssekretär.

Ich glaube, dass sich die bisherige Ausschreibungspraxis bewährt hat und eine Veränderung nicht notwendig ist.

Die Zeit ist abgelaufen. Die übrigen Fragesteller sind nicht mehr im Raum. Herr Staatssekretär, ich bedanke mich und schließe die Fragestunde.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 4 erledigt.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Kaul, Hofmann, Dinglreiter und anderer und Fraktion (CSU)

Fortführung der Erkundung des Endlagerstandortes Gorleben (Drucksache 14/6273)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Paulig, Dr. Runge und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Gefährdungsminimierung bei der Entsorgung atomarer Abfälle (Drucksache 14/6286)

Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? – Herr Kollege Hofmann. Bitte schön.

Ich kündige für die CSU-Fraktion an, dass wir für diesen Dringlichkeitsantrag namentliche Abstimmung beantragen werden, damit die interessierte Bevölkerung in Bayern – vor allen Dingen in der Oberpfalz, in Oberfranken und in Niederbayern – weiß, wie die Abgeordneten der jeweiligen Fraktionen zu diesem Thema abgestimmt haben.

Zur Sache: In diesen Tagen hat der Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag, von dem manche immer noch meinen, es sei Wehner, aber er heißt Struck, gemeint, die öffentliche Diskussion über ein neues Endlager-Konzept eröffnen zu müssen. Er hat in einer in Deutschland erscheinenden Zeitung darauf hingewiesen, dass für einen Endlagerstandort für abgebrannte Brennelemente Steinformationen in Bayern und BadenWürttemberg geeignet wären.

Die CSU-Fraktion hat dies – aber nicht nur dies –, sondern auch die Einrichtung des Arbeitskreises AkEnd – zum Anlass genommen, das Thema zu diskutieren. Wir haben deshalb den Dringlichkeitsantrag gestellt. Mit ihm wollen wir, dass die Fortführung der Erkundung des Endlagerstandorts Gorleben nicht unterbrochen, sondern fortgeführt wird. Dafür gibt es sehr viele Gründe.

Die CSU-Fraktion stellt diesen Antrag, weil sie auch heute in der Öffentlichkeit darstellen will, dass wir unsere Haltung zu wichtigen Fragen in der Energiepolitik nicht davon abhängig machen, wer in Berlin regiert, sondern von sachgerechten Überlegungen und überprüfbaren Entscheidungsgrundlagen. Deshalb entbehrt der Vorwurf des Kollegen Hoderlein, die bayerische CSU verfahre nach dem Sankt-Florians-Prinzips, jeder Grundlage. Wir treten zwar nach wie vor für die friedliche Nutzung der Kernenergie ein, sind aber nicht bereit, eine Ausdehnung der Erkundung von Endlagern auf Bayern hinzunehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dazu stelle ich fest: Bayern, die CSU und die Staatsregierung haben in den zurückliegenden 30 Jahren den Wunsch der damaligen Bundesregierungen der Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt und der damaligen sozialliberalen Koalition mitgetragen, für eine krisensichere Energieversorgung in der Bundesrepublik Deutschland die notwendigen Entscheidungskriterien zu schaffen. Aus diesem Grunde wurde in Bayern nach öffentlicher Diskussion ein Standortsicherungsplan festgelegt. Mit diesem wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass unter anderem Kraftwerke, auch Kernkraftwerke, errichtet werden konnten.

Die bayerische CSU und die Staatsregierung entsprachen auch dem Wunsch der damaligen Bundesregierung, unseren Entsorgungsbeitrag für abgebrannte Brennelemente zu leisten. Wir hatten damals zu dem Wunsch des Bundeskanzlers Helmut Schmidt ja gesagt, eine Wiederaufarbeitungsanlage in der Oberpfalz zu errichten. Wir waren auch bereit, an unseren Kernkraftwerken entsprechende Kompaktlager zur Verfügung zu

stellen. Dafür hat die Bundesregierung am 28. September 1979 einhelliges Lob gezeigt. Sie führte in einem Beschluss der Regierungschefs von Bund und Ländern zur Entsorgung der Kernkraftwerke aus:

die Regierungschefs –

nehmen mit Befriedigung zur Kenntnis, dass einige Länder auch durch Zulassung von Kompaktlagern einen Beitrag zur Entsorgungsvorsorge leisten.

Ich darf darauf hinweisen: In den kraftwerksinternen Kompaktlagern der in Bayern in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke können über 10000 abgebrannte Brennelemente untergebracht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, so viel auch zur Berechenbarkeit der Energiepolitik der CSU.

Für diejenigen, die sich nicht mehr gern an ihre eigene Politik und ihre eigene Verantwortung erinnern, möchte ich aus dem damaligen Beschluss der Regierungschefs und des Bundeskanzlers zitieren:

Die Regierungschefs stimmen darin überein, dass die Wiederaufarbeitung der abgebrannten Brennelemente mit Rückführung unverbrauchter Brennstoffe und Endlagerung der Wiederaufbereitungsabfälle nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik sicherheitstechnisch realisierbar ist und die notwendige Entsorgung der Kernkraftwerke unter dem Gesichtspunkt der Ökologie wie auch der Wirtschaftlichkeit gewährleistet. Deshalb werden die Arbeiten zur Verwirklichung des integrierten Entsorgungskonzept fortgesetzt.

Die Bundesregierung fährt fort:

dass eine Wiederaufarbeitungsanlage so zügig errichtet werden kann, wie dies unter Beachtung aller in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist.

Dass dies aus verschiedenen Gründen der Vergangenheit angehört, wissen wir.

Zum Themenkomplex Endlager, der heute eine Rolle spielt, stellt die Bundesregierung fest:

dass auf der Grundlage der bereits erzielten Forschungs- und Entwicklungsergebnisse durch Untersuchungen, Gutachten von Sachverständigen sowie Forschungs- und Entwicklungsarbeiten unter der Berücksichtigung der Ergebnisse des GorlebenSymposiums unter Federführung des Bundes die Eignung des dortigen Salzstocks gegeben ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich füge das deshalb hinzu, weil in dem vorhin zitierten Arbeitskreis die Feststellung getroffen wurde, bei der Festlegung auf einen Endlagerstandort in der Bundesrepublik Deutschland habe man zu wenig transparent gearbeitet und weil man angeblich zu wenig transparent gearbeitet habe,

habe man in der Bevölkerung die notwendige Akzeptanz nicht erreichen können.

Dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist festzustellen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. In den Siebzigerjahren wurden von den durch die Bundesregierung eingesetzten Kommissionen die verschiedenen Standorte untersucht. Gorleben ist ausgewählt worden, weil man nachgewiesen hat, dass der dortige Salzstock mit Mächtigkeiten von über 1000 Metern stabile Formationen über mehrere Millionen von Jahren gewährleistet.

Die Öffentlichkeitsbeteiligung wurde auch in dem von mir bereits erwähnten Gorleben-Symposium, das über sechs Tage stattgefunden hat, dargestellt. Die öffentliche Diskussion fand in den Landtagen und im Bundestag statt. Darüber wurde auch in den höchsten deutschen Gerichten verhandelt. Alles geschah also vor den Augen der Öffentlichkeit.

Was die Akzeptanz betrifft, so ist es nun einmal Tatsache: Der Abgeordnete des betroffenen Stimmkreises und Landkreises Lüchow-Dannenberg, Kollege Grill, wurde als Stimmkreisabgeordneter gewählt, obwohl die Leute wussten, dass er für Gorleben als Endlagerstandort eintritt. Der Abgeordnete Fuhrmann hat 10 oder 12% weniger Stimmen gehabt.

(Zuruf von der SPD: So etwas kommt vor!)

Ja, selbstverständlich. Aber das ist die Entscheidung der Bevölkerung, die getroffen wurde, obwohl ihr etwas nicht passte.

Als Beispiel können wir auch Gorleben nehmen. In Gorleben hat die CDU bei der Wahl 53% der Stimmen erhalten, während die SPD bei 30% landete. Ich führe das deshalb an, weil man jetzt offensichtlich nicht mehr in der Lage ist, die Geister, die man damals rief, nachdem man aus der Bundesregierung ausgeschieden war, nicht mehr in der Lage ist zu bändigen.

Ich verstehe manche Zwischenrufe akustisch nicht. Aber ich verstehe auch Ihre Aufregung nicht. Ich meine die Aufregung mancher Kolleginnen und Kollegen der SPD.

(Zuruf von der SPD: Reden Sie zum Thema! – Wei- tere Zurufe von der SPD)

Der Herr Kollege Schläger ist darüber jetzt amüsiert. Ich möchte einmal seine Gesichtsfalten sehen, wenn die Kriterien des Arbeitskreises AkEnd zum Ergebnis hätten, dass in Wunsiedel im Fichtelgebirge endlagerfähiges Granitgestein vorhanden ist.

Genau darauf läuft es hinaus.

(Schläger (SPD): Nein, falsch!)

Nur ein Ignorant wie Sie, Herr Kollege Schläger, kann so etwas bestreiten. Ich beweise Ihnen das auch.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Frau Kollegin Biedefeld, ich weiß nicht, ob Sie davon überhaupt etwas verstehen. Ich unterstelle es einmal.

(Gartzke (SPD): Da liegen Sie nicht falsch!)

Das heißt, ich liege da richtig; aber ich liege in diesem Punkt nicht nur richtig mit der Generalsekretärin der SPD, sondern auch mit der Meinung des Vorsitzenden der SPD sowie des Landesvorsitzenden der SPD, des Herrn Hoderlein. Herr Hoderlein hat ausweislich entsprechender Presseveröffentlichungen erklärt, bei der Entsorgung des Atommülls komme es nicht darauf an, jetzt ein Endlager in Bayern anzustreben; zunächst müsse geklärt werden, ob Gorleben geeignet sei. Dem wäre im Grunde nichts hinzuzufügen, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssten wir nicht die Widersprüchlichkeit und die teilweise Heuchelei der SPD in diesem Zusammenhang leider Gottes auch zur Kenntnis nehmen.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie merken, wie schwer es mir fällt, das so zu formulieren.

(Heiterkeit bei der SPD)