Protokoll der Sitzung vom 05.04.2001

Ich kann Ihnen die Zahlen genau vorlegen, Herr Kollege Wahnschaffe.

(Weitere Zurufe von der SPD)

Nun, dann ist es gut. Wir haben übrigens im Oktober vergangenen Jahres unseren Pakt für die jungen Menschen, die Arbeit suchen und Arbeit brauchen, wieder verlängert. Da waren auch die Gewerkschaften mit am Tisch, und es wird auch einheitlich von allen mitgetragen. Durch die Akquisiteure, die wir in die Unternehmen hinausgeschickt haben, konnten wir Großartiges erreichen.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Kommen Sie doch endlich zum Thema!)

Ich war im Herbst des vergangenen Jahres wieder unterwegs.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Zum Thema!)

Frau Kollegin, ich komme schon noch auf das Thema zurück. Es geht um den Vorwurf, dass Oberfranken ausblutet. Das ist ein ausgemachter Schmarrn, wenn ich das auf gut Schwäbisch einmal so sagen darf.

(Frau Dr. Baumann (SPD): Wir reden über Gesetzesvorlagen!)

Nein, wir reden jetzt darüber, Frau Kollegin Dr. Baumann, dass der Kollege Wahnschaffe gesagt hat, Oberfranken blute aus und die Bayerische Staatsregierung sei dafür verantwortlich. Das ist blanker Unsinn. Das sage ich noch einmal: Blanker Unsinn!

(Frau Biedefeld (SPD): Ich nehme das gern überall nach Oberfranken mit hin!)

Deswegen hat die Bayerische Staatsregierung sehr viel dafür getan, lieber Kollege Wahnschaffe, dass es in diesem Jahr nur noch zwei Arbeitsamtsbezirke waren, in denen wir keine ausgeglichene Lehrstellenbilanz ausweisen konnten. Ich bin ganz sicher, dass wir in diesem Jahr eine noch bessere Situation vorweisen können. Deshalb seien Sie mit solchen Argumenten bitte vorsichtig. Es geht nicht an, hier pauschale Vorwürfe auf den Tisch zu legen, die so nicht gerechtfertigt sind.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Kobler.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Wahnschaffe, ich möchte gleich zu Ihren Ausführungen kommen und einen Takt zu der von Ihnen angesprochenen Pflege anbringen. Ich meine schon, dass es seriös wäre, hier darzustellen, wo eigentlich die Ursache liegt, dass es an der weiteren Qualifizierung und am weiteren Ausbau der Altenpflege hapert. Es hapert an der Totalblockade in

Berlin auf Bundesebene. Bayern hat vor rund einem Jahr drei Gesetzesvorschläge eingebracht. Wenn diese Entwürfe umgesetzt werden könnten, wären diese Probleme weitestgehend beseitigt. Spielen Sie diese Bälle nicht anderen zu. Ich muss offen sagen, wenn dieser Zustand der Totalopposition in diesem Bereich anhält, dann fahren Sie die Pflegeversicherung an die Wand. Wir erleben dann den totalen Crash, weil die Pflege dann einfach nicht mehr gewährleistet ist.

Ich bin dankbar, dass Sie auch den Sozialbericht angesprochen haben. Es ist natürlich heute nicht die Situation, ihn sehr ausführlich zu besprechen. Aber der Sozialbericht – das war das dankbare Ergebnis – hat widergespiegelt, in wie vielen Bereichen wir uns in Bayern von den anderen Bundesländern positiv abheben, egal ob das die Familienförderung ist, in der es das Landeserziehungsgeld gibt, oder ob es die hervorragende Deckungsquote im Kindergartenbereich ist, oder aber ob es im Sozialhilfebereich die unterste Quote an Sozialhilfeempfängern ist.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Da wird der Erfolg nicht daran gemessen, wie hoch die Ausgaben sind. Ich meine sogar, eine niedrige Quote ist ein Zeichen dafür, dass anderweitig für die Leute gesorgt wird. Bei der Krankenhausförderung – das habe ich noch in sehr guter Erinnerung – kommen wir auf über 100 DM pro Einwohner, während die anderen Länder im Durchschnitt nur auf 50 bis 55 DM kommen. Das könnte man beliebig fortsetzen, aber ich belasse es dabei.

Bei der Ausbildungsplatzsituation ist zu beachten, dass es gelegentlich auch einen Bewerberwechsel über die Regierungsbezirksgrenzen hinweg gibt, weil in Wohnortnähe möglicherweise der gewünschte Ausbildungsplatz nicht zur Verfügung steht. Trotzdem liegt Bayern bei der Ausbildungssituation bundesweit an der Spitze. Im ostbayerischen Raum, in Niederbayern und der Oberpfalz, kann derzeit – das sind die Zahlen vom Januar und Februar – ein Ausbildungsbewerber, der bisher nicht untergebracht werden konnte, zwischen acht bis zwölf freien Ausbildungsplätzen wählen. Ich meine, das ist eine tolle Bilanz.

Herr Kollege Werner, Sie haben es als großen Erfolg angesprochen, dass die Rentenversicherungsbeiträge gesenkt werden konnten, auf recht dubiose Weise, wie ich meine, indem man eine Ökosteuer eingeführt hat und eine Umverteilung von einer Tasche in die andere praktiziert. Dabei wird wieder die ältere Generation belastet, die das in keiner Weise ausgleichen kann. Da kann ich nur sagen, auch das ist ein unseriöses Spiel.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Verehrte Kolleginnen, verehrte Kollegen, „Politik für den Verbraucher“ heißt die Thematik. Wenn die Kollegin Biedefeld anfangs davon sprach, dass 600 Millionen DM „Reparaturkosten“ aufgewendet würden, entgegne ich: Das ist eine hochverzinsliche Zukunftsinvestition, mit der wir auf Bundesebene eine Spitzenstellung einnehmen.

(Frau Biedefeld (SPD): 245 Millionen Reparaturkosten, habe ich gesagt! Sie müssen zuhören!)

Sie haben uns keine Alternative dazu anzubieten. Sie haben zwar viel geredet, aber nichts zu der ganzen Sache gesagt. Sie haben keine einzige Alternative aufgezeigt.

(Frau Biedefeld (SPD): Natürlich!)

Zur Umsetzung der Thematik, mehr für den Verbraucherschutz zu tun, war das reine Fehlanzeige, ich habe genau hingehört.

(Frau Biedefeld (SPD): Lesen Sie es im Protokoll nach!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Verbraucherschutz bedarf neuer Handlungsstrategien. Die Verantwortung muss neu gebündelt werden. Verbraucherschutz ist eben eine Querschnittsaufgabe, und dies wird durch den Zuschnitt des neuen Ministeriums in optimaler Weise getroffen.

Man muss immer vorsichtig sein, wenn man von anderer Seite gelobt wird. Aber die bayerische Konzeption wird auch von Berlin und von Brüssel gelobt. So schlecht kann sie also nicht sein. Wir in Bayern befinden uns in einer Aufbruchsituation für mehr Verbraucherschutz. Die CSU und die Bayerische Staatsregierung zeigen mit ihrer Konzeption, dass sie handlungsfähig sind und Krisen, wie es sie mit der BSE-Problematik gegeben hat, die aber nicht bayerisch und auch nicht bundesdeutsch war, sondern europäisch, zügig begegnen können.

Merken Sie sich: Verbraucherschutz gibt es nicht zum Nulltarif, das ist nicht möglich. Wir müssen versuchen, umzustrukturieren und mehr zu investieren.

Die Kollegin Kellner hat die Katze aus dem Sack gelassen – dafür sind wir ihr besonders dankbar –, indem sie dargestellt hat, wie sie die Maßnahmen finanzieren will: natürlich mit Umschichtung und der Kürzung der Straßenbaumittel. Das ist die Hauptparole und bei den GRÜNEN auch nichts Neues.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Turbulenzen im Fleischbereich haben in den Monaten Dezember, Januar und Februar sehr große Dimensionen angenommen, damit sage ich nichts Neues. Aber das ist – das darf ich noch einmal betonen – kein bayerisches und kein deutsches Problem, sondern teilweise ein weltweites Problem. Vertrauen in die Qualität der Nahrungsmittel muss zurückgewonnen werden. Das Vertrauen ist erheblich angeschlagen, auch das ist keine bayerische Erscheinung, sondern es ist bundesweit so. Die Schaffung bzw. die Wiedergewinnung von Vertrauen beim Verbraucher muss für uns höchste Priorität haben.

Nichts tun, wie Sie es auf Länderebene teilweise tun wollen, oder das Verkehrte tun, das hätte eine fatale Wirkung. Wir brauchen mehr: Wir brauchen neue Kontrollmechanismen, die bereits am Anfang der Produktionskette zu stehen haben. Wir brauchen Berater und Begleiter zur Unterstützung und Förderung des Managements

und Qualitätssicherung auf breiter Ebene. Wir brauchen mehr Power bei der Verbraucher- und Ernährungsberatung, um die Menschen vor falscher Ernährung zu schützen und für gesunde Ernährung zu sensibilisieren.

Wir müssen auch Überlegungen anstellen, wie man Ernährungs- und Verbraucherpolitik stärker zur Bildungsfrage machen kann.

(Frau Biedefeld (SPD): Auch das habe ich gesagt, Herr Kollege Kobler!)

Wir müssen versuchen, diese Themen in das Bildungssystem einzubringen. Auch hierzu brauchen wir die Unterstützung der Medien auf breiter Ebene. Aufklärung und Prävention müssen offensiver angegangen werden und die Menschen müssen aus ihrem teilweise leider lethargischen Verhalten herausgeholt werden.

Wir brauchen also ein konzertiertes Vorgehen und ich meine, die Krise bietet dafür sogar eine große Chance. Sicherheit und Qualität müssen zu den wichtigsten Zutaten unserer Nahrungsmittelkette werden. Wir müssen auch den Mut haben zu sagen, dass 12% des Einkommens für hochqualifizierte Grundnahrungsmittel nicht der richtige Weg sein können, sondern dass es heißt, mehr zu investieren.

Die Aufgabe der Politik und der Verbände muss es auch sein, den Menschen klarzumachen, dass gesunde Ernährung zugleich eine hervorragende Prävention für Gesundheit darstellt. Hier zählt der über zweitausendjährige Grundsatz des Griechen Hippokrates, der damals schon testierte: „Eure Nahrungsmittel sollen eure Heilmittel sein.“ Ich meine, darin steckt eine Portion Wahrheit, über die man heute noch nachdenken sollte.

Künftig geht es in Bayern darum, den Verbraucherschutz zu forcieren. Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz darf nicht irgendein Anhängsel der Agrarpolitik sein. Wir müssen den Menschen bewusst machen, was „Lebensmittel“ heißt, nämlich „Mittel zum Leben“.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Dr. Baumann (SPD))

Man sollte sich vergegenwärtigen, dass hierzu mehr erforderlich ist. Wir können Agrar- und Verbraucherpolitik nicht in einen Topf werfen – ein Gedanke, dem die Opposition frönt.

Verbraucherschutz wird in der bayerischen Politik zu einem wichtigen Eckstein mit einem eigenen Ministerium und der nötigen Verwaltungsstruktur, der Zuordnung von Fachstellen, Landesanstalten, dem Tiergesundheitsdienst, den einzelnen Abteilungen und Ressorts. Die Umressortierung ist im Laufen, ich brauche die Verteilung der 600 Millionen DM in den nächsten beiden Jahren für sichere Lebensmittel, Umstrukturierung, gesunde Landwirtschaft, BSE-Hilfen usw. nicht noch einmal detailliert wiederkauen. Es ist ein guter Wurf und ein Meilenstein in der Fortentwicklung der Verbraucherpolitik auf deutschem Boden.

Meine Damen und Herren, für sichere Lebensmittel und gesunde Landwirtschaft werden deutliche Signale auf

dem Weg nach vorne gesetzt, dies alles unter dem Dach Verbraucherschutz, Umstrukturierung und nicht so, wie Sie es in Berlin geplant hatten: die einen die Auflösung des Landwirtschaftsministeriums und die anderen, die GRÜNEN, gleich einen Einheitsbrei aus Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Umwelt, der dann in keiner Weise mehr definierbar gewesen wäre. Darunter würden der Verbraucherschutz und die Lebensmittelsicherheit erneut leiden.

Schauen Sie über den großen Teich hinüber in die USA. Dort gibt es seit über 80 Jahren ein Verbraucherschutzund Ernährungsschutzgesetz, das sich weitestgehend bewährt hat und eine Konzeption darstellt, mit der Nahrungsmittelsicherheit und Verbraucherschutz einen hohen Stellenwert erhalten.

(Werner (SPD): Die Amerikaner ernähren sich gesund? Die essen doch alles!)

Kollege Werner, Sie sollten manchmal auch ein bisschen über den Tellerrand hinausblicken und sehen, was andere machen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): „Tellerrand“ ist gut!)

Sie sollten nicht immer wieder von neuem versuchen, das Rad zu erfinden.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich weiß überhaupt nicht, warum es da so laut wird. Der Bund hat eigentlich keine so rühmliche Bilanz vorzuweisen.