Also bleiben wir dabei: Es ist unstrittig, dass wir vermehrt Kinderbetreuungseinrichtungen anbieten müssen. Wir wollen auch ganztägige schulische Angebote in Bayern. In Bayern sind bisher von 5384 Schulen insgesamt 29 Ganztagsschulen.
Das ist ein beschämendes Ergebnis, zumal 24 davon in privater Trägerschaft sind. Damit sind wir bundesweit nicht nur Schlusslicht, sondern das ist eine Schande für die bayerische Schule und für die bayerische Familienpolitik.
Weil Sie Ländervergleiche so lieben, nennen wir als Vergleichsbeispiel Rheinland-Pfalz: 4 Millionen Einwohner, also ein Drittel der bayerischen Bevölkerung, aber immerhin 122 Ganztagsschulen. Der Ausbau weiterer 400 in dieser Legislaturperiode ist beschlossene Sache.
Dann tun Sie das doch lieber selbst in Bayern, dann müssen Sie weniger in den Finanzausgleich zahlen!
Ja, ich weiß es schon. Das war eine nicht ernst zu nehmende Bemerkung. Aber die nächste ist ernst zu nehmen.
In Nordrhein-Westfalen, Herr Finanzminister, gehen trotz der dort schwächeren finanziellen Situation immerhin schon 283000 Schülerinnen und Schüler in Ganztagsschulen. Das sind 14% der dortigen Schülerschaft. Obwohl die Situation dort wesentlich besser ist als bei uns, legt dieses Bundesland noch einmal 2 Milliarden DM zur Verbesserung drauf.
Deswegen haben wir eine große Initiative vorgeschlagen, um die Ganztagsschule in Bayern zumindest als Wahlangebot für diejenigen, die es wollen und brauchen, flächendeckend einzuführen.
Das ist das Gebot der Stunde, und zwar in allen Schularten, in jedem Landkreis und selbstverständlich überwiegend in den großen Städten, wo die Nachfrage besonders groß ist. Wir haben Ausführungen dazu gemacht, wie das ausschauen soll. Wir haben betont, dass das keine Zwangsveranstaltung sein wird, sondern eine Wahlmöglichkeit. Wir haben betont, dass es uns nicht um mehr Stoff geht, sondern um mehr Zeit für den gleichen Stoff. Wir haben dargestellt, welche pädagogischen und welche sozialen Vorteile ganztägige schulische Angebote haben.
Es bleibt die Frage nach der Finanzierung dieses notwendigen Projektes. Dazu eine Vorbemerkung: Was notwendig, unabdingbar und unabweisbar ist, wird man finanzieren müssen. Das ist immer so gewesen, und das gilt auch für diesen Fall. Auch Nordhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz mussten ihre Ganztagsschulen finanzieren. Die Frage ist nicht, ob man es finanzieren kann, sondern ob man es finanzieren will, in der Vergangenheit wie heute.
Dann räume ich gern ein – wie der Herr Finanzminister vorgestern in einem Interview zur Frage der Steuerschätzungen geäußert hat –, dass auch wir die Steuermehreinnahmen für den Freistaat Bayern zu optimistisch eingeschätzt haben. Gerade deswegen kommt die Frage nach der Privatisierung von bayerischen Anteilen bei E.ON genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich habe im Übrigen im November letzten Jahres an dieser Stelle darauf hingewiesen und den Vorschlag unterbreitet, Anteile bei E.ON zu veräußern. Das sollte man jetzt tun. Über die Frage, wie groß der zu veräußernde Anteil sein soll, gilt es zu reden. Ich habe große Sympathie für den Vorschlag, zumindest einen Aufsichtsratssitz bei E.ON zu behalten und den Anteil dementsprechend nur zu
Ich halte vor allem viel davon, dass man mit der Verkaufsabsicht eine politische Initiative gegenüber E.ON bezüglich der Frage verbindet: Was erwarten wir künftig von diesem Konzern, damit uns nicht wieder so etwas passiert wie in den letzten Monaten, als der Konzern trotz eines Anteils des Freistaates Bayern von 5,4% gute und moderne konventionelle Kraftwerke in Bayern schlichtweg geschlossen hat und wir feststellen mussten, dass der Freistaat Bayern in den Vorstandsetagen von E.ON überhaupt nichts mehr mitzureden hat? Das heißt, wir sollten die Verkaufsgespräche nutzen, um beispielsweise Standortzusicherungen zu erreichen.
Jetzt kommt Ihr Einwand, der durchaus ernst zu nehmen ist: Man kann nicht privatisieren und für den eingenommenen Betrag Lehrer einstellen. Das ist sicherlich richtig, aber Sie wissen ganz genau, dass dieser Einwand nur vorgeschoben ist, weil wir natürlich auch bei früheren Privatisierungstranchen immer wieder Dinge finanziert haben, die nicht grundstockskonform waren. Das waren zum Teil enorme Beträge, bei der Offensive Zukunft Bayern ausweislich des Haushaltsplans über 600 Millionen DM, die dann durch Umschichtungen finanziert wurden. Dieses Prinzip ist so einfach wie nachvollziehbar. Man kann selbstverständlich durch Privatisierungserlöse grundstockskonforme Investitionen tätigen und die dadurch frei werdenden Haushaltsmittel in die politischen Projekte stecken, in denen man sie haben will.
Was für eine Inszenierung wird uns geboten werden? – Der Bedarf an Ganztagsschulen ist unabweisbar. Die CSU weiß genau, dass sie bei diesem Thema angreifbar und verletzbar ist, weil die Mehrheit der Bevölkerung von ihr mehr ganztägige Angebote fordert und erwartet.
86% der Befragten haben bei einer Umfrage des „Zeitspiegels“ kürzlich gesagt: Wir wollen mehr ganztägige Schulangebote. Vielleicht war das übertrieben; dann lassen Sie es 60 oder 70% sein. Wir wollen dieses Angebot ja gar nicht für alle, sondern nur für die, die es wollen und brauchen.
Der Finanzminister wird sagen, dafür sei kein Geld da, und die Erwartungen dämpfen. Dann wird sich die Kultusministerin durchsetzen wollen, und man wird ein Miniprogramm an Ganztagsschulen auf den Weg bringen. Der Finanzminister wird sich öffentlich geschlagen geben müssen, wird sagen: Das kann ich gerade noch finanzieren und verantworten. Es wird ein Sieg von Frau Hohlmeier gefeiert werden, und in Wahrheit, bei nüchterner Betrachtung, wird ein Minimalprogramm vorgelegt werden, das den Eltern und Familien in keiner Weise helfen wird.
Wenn es nicht so eintritt, Herr Faltlhauser, bin ich bereit, Ihnen ein großzügiges Essen zu finanzieren.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Der geht am liebsten in die Schweiz! – Weitere Zurufe von der SPD)
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Ganztagsschulen und über Kinderbetreuung, und ich wundere mich ein bisschen, dass aus den zuständigen Ministerien niemand da ist.
Frau Hohlmeier zieht landauf, landab und sagt, wie wichtig Ganztagsschulen sind. Aber kämpfen fürs Geld sollen wir, oder wie?
Dass wir ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen und mehr Betreuungsmöglichkeiten brauchen, das werden Sie, Herr Herrmann, doch auch nicht bestreiten, oder? Wir brauchen das doch: Ganztagsschulen mit einem flächendeckenden Angebot und Kinderbetreuung. Mütter und Väter jedenfalls brauchen sie, und zwar heute. Wir wollen sie schon zu Schuljahresbeginn im Herbst, und deshalb wollen wir die Finanzierung nicht von eventuellen Verkäufen abhängig machen.
Privatisierungen können dauern; das müssten Sie eigentlich auch wissen, Herr Maget. Das kann geraume Zeit dauern. Wir aber wollen die Ganztagsschulen jetzt, weil die Eltern jetzt schon den Bedarf haben, die Probleme haben, und nicht erst am Sankt-Nimmerleins-Tag.
Noch nie war der Wunsch so groß, aber noch nie war es auch für bayerische Eltern so schwer, Vater oder Mutter und gleichzeitig berufstätig zu sein oder gar Karriere zu machen; denn für die innerfamiliäre Arbeitsteilung, von der Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, in Ihrer Familien- und Bildungspolitik bisher ausgegangen sind, können sich heute immer weniger Frauen und Männer begeistern. Das Modell, dass der eine Karriere macht, und der andere den Kindern den Hintern saubermacht, funktioniert nicht mehr.
Männer können und wollen Frauen heute nicht einfach die Sorge um die Kindererziehung allein überlassen.
Sie wollen und müssen auch aktive Väter sein. Franz Maget, du bist doch selbst Vater; du willst doch auch aktiver Vater sein. Oder habe ich das falsch verstanden?