Herr Präsident, meine Damen und Herren, es gibt im Beruf manchmal sehr schwierige Situationen. Eine der schwierigsten ist es, zum letzten Tagesordnungspunkt einer Plenarsitzungswoche zu sprechen, wenn alle bereits heim wollen. Mir bleibt nur noch der Appell an Sie, dass Sie sich vom Inhalt her für mein Thema Schutzwaldsanierung erwärmen, weil ich Ihr Interesse an diesem Thema nicht dadurch wecken möchte, dass ich von einer namentlichen Abstimmung rede, sondern ich möchte über den Inhalt reden. Der Inhalt sind zwei Anträge von SPD und CSU zum Thema Verstärkung der Schutzwaldsanierung. Diese Anträge sind aufgrund von zwei Besuchen der Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen und auch des Haushaltsausschusses an verschiedenen Orten in den Alpen, wo Schutzwaldsanierung durchgeführt wird, zustande gekommen. Wir sind dabei gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schutzwaldsanierung im Prinzip vernünftig gemacht wird. Sie ist notwendig, sie zahlt sich aus, und sie muss fortgesetzt werden. Wir sind sogar zu dem Ergebnis gekommen, dass sie verstärkt fortgesetzt werden muss.
Ich sage das auch deswegen hier im Plenum, weil bei der Umsetzung auch von einstimmigen Beschlüssen dieses Hauses oft eine Rolle spielt, wie es das Haus gemeint hat. Da der Haushaltsausschuss eine Formulierung, die wir gemeinsam im Umwelt- und im Landwirtschaftsausschuss gefunden haben, am Ende ablehnen wollte, meine ich, dass es notwendig ist, deutlich zu machen, dass das, was jetzt zur Beschlussfassung vorliegt, der Wille des Parlaments ist, nämlich dass die Schutzwaldsanierung fortgesetzt wird und dass die Möglichkeit besteht, die Schutzwaldsanierung zu verstärken.
Wir haben bei der wiederholten Beratung dieser Anträge schließlich das Wort „Verstärkung“ herausgenommen. Ich möchte aber für den späteren Vollzug auf Folgendes hinweisen: Das Wort „Verstärkung“ ist nicht herausgenommen worden, weil es einer Verstärkung der Schutzwaldsanierung möglicherweise nicht bedarf, sondern weil wir Rücksicht nehmen auf die Kompetenzen im Hause, wobei sich der Haushaltsausschuss vorbehält, wenn die Verstärkung ansteht, noch einmal bezüglich der Mittel gefragt zu werden, weil sie in den Haushalts eingestellt werden müssen. Dafür haben wir Verständnis, aber wir weisen darauf hin, dass eine Verstärkung wohl sein muss.
In diesem Zusammenhang möchte ich zitieren, was das Forstministerium dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses geschrieben hat. Ich zitiere nur zwei Sätze:
Im Zusammenhang mit der langfristigen Forstbetriebsplanung wurde im Jahr 2000 auch die Schutzwaldsanierungsplanung überarbeitet und fortgeschrieben. Die genauen Ergebnisse liegen noch nicht vor. Es ist aber jetzt absehbar, dass Sanierungsflächen und die Notwendigkeit von Verbauungen zunehmen werden.
Ich weise auf diese Position der Forstverwaltung und des Forstministeriums hin, die von uns mit diesem Antrag unterstützt wird. Ich weise in diesem Zusammenhang auch deshalb noch einmal darauf hin, weil ich den Eindruck habe, dass manche gegnerische Haltung hinsichtlich der Schutzwaldsanierung deswegen zustande kommt, weil mit einer vernünftigen Schutzwaldsanierung natürlich auch ein vernünftiges Jagdmanagement mit Ausnahme von Bejagungsbegrenzungen und verschiedenen Erhöhungen der Abschüsse verbunden ist, was Kritik bei Leuten hervorruft, die weniger den Wald im Auge haben und mehr die Jagd.
Aus diesem Grunde weise ich darauf hin, dass das Hohe Haus am 15. Februar dieses Jahres beschlossen hat: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, bei der Planung von Schutzwaldsanierungen durch Pflanzaktionen gleichzeitig dafür zu sorgen, dass ein vernünftiges Konzept mit den Beteiligten, insbesondere der Jägerschaft, erarbeitet wird, um den Verbiss der Pflanzungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.“
Wenn dies und der heutige Beschluss umgesetzt werden und wenn der Haushaltsausschuss einer Verstärkung der Maßnahmen zustimmt, wenn es notwendig wird, wie wir das hier wollen, dann glaube ich, dass wir einen guten Schritt und eine gute Tat für die Natur und für den Wald im Gebirge tun.
(Zuruf von der CSU: Aber erst ein bisschen zum Fußball! – Zuruf von der CSU: Aber dann auf Latei- nisch, bitte!)
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Angst, es wird heute wieder deutsch gesprochen; vor weiteren lateinischen Ergüssen sind Sie vorläufig sicher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben mehr oder weniger gleichzeitig mit der SPD-Fraktion einen fast wortgleichen Antrag eingebracht und uns im Landwirtschaftsausschuss darauf geeinigt, dass wir die Anträge gemeinsam einbringen. Es geht also im Moment weniger um eine Auseinandersetzung zwischen CSU- und SPD-Fraktion, sondern mehr um eine Auseinandersetzung Umweltausschuss zusammen mit dem Landwirtschaftsausschuss und dem Haushaltsausschuss.
Wir wollen fraktionsübergreifend wirklich ein Signal setzen, damit die Bemühungen um die Schutzwaldsanierung nicht nachlassen. Meine Damen und Herren, das Wort „Sanierung“ beinhaltet, dass zuvor etwas passiert ist, was über einen kleinen Fehler oder etwas Ähnliches hinausgeht, dass hier entweder eine Katastrophe passiert ist oder menschliches Unvermögen auftrat, jedenfalls, was größere Anstrengungen nötig macht, um die Sache wieder in den Griff zu bekommen.
Gestatten Sie mir deswegen einen kleinen Rückblick. Das dauert nicht sehr lange; Sie brauchen keine Angst zu haben. Es geht hier auch nicht um Schuldzuweisungen, meine Damen und Herren, sondern es geht nur darum, dass solche Fehler möglichst nicht wieder gemacht werden.
Der bayerische Alpenraum hat über Jahrhunderte denen, die gern auf die Jagd gegangen sind, dazu gedient, ihrer Passion nachzugehen, und der Alpenraum ist ja auch wunderschön, und in den Alpen ist es noch viel schöner, auf Jagd zu gehen als irgendwo im Flachland. Die Folge war die, dass der natürliche Bergmischwald, der eigentlich unsere Alpen geziert hat, mehr oder weniger verloren gegangen und durch Fichten-Monokultur ersetzt worden ist. Der Bergmischwald besteht nur zum geringsten Teil aus Fichte und zu großen Teilen aus
Tanne, Buche, Bergahorn, Bergulme und anderen Baumarten, die eben über Jahrzehnte oder über Jahrhunderte einem überhöhten Schalenwildbestand zum Opfer gefallen sind. Hinzu kam, dass es über Jahrhunderte auch die Bergweide in Bayern gab. Es war ein Irrsinn, dass Rindvieh im Sommer in die Alpen gefahren worden ist, das da geweidet hat, in die Wälder vorgedrungen ist und natürlich die gemischten Verjüngungen kaputt gemacht hat. Wir können froh sein, meine Damen und Herren, dass der bayerische Alpenraum einen relativ kleinen Teil von ganz Bayern einnimmt, denn wenn wir so viel Gebirge hätten wie zum Beispiel die Österreicher, wäre der Sanierungsbedarf ungleich höher, als er jetzt ist.
Tatsache ist, dass auch im Flachland – Flachland im Vergleich zum Gebirge – bzw. in den Mittelgebirgen Schäden aufgetreten sind, die aber eine ungleich geringere Auswirkung als die im Hochgebirge haben, wo der Schutzwald nicht ohne Grund den Namen „Schutz“ beinhaltet, weil er eben die darunter liegenden Täler und Häuser schützen soll.
Schade, jetzt ist er nicht mehr da, mein Kollege Vocke. Ihm wollte ich nämlich ausdrücklich einmal danken. Es ist vielleicht bekannt, dass ich in jagdlichen Fragen nicht immer einer Ansicht bin mit ihm.
Prof. Vockes Verdienst ist es, dass innerhalb des Jagdschutzverbandes ein Umdenken eingesetzt hat, dass man bereit war anzuerkennen, dass hier eben die Jagdpassion zurückstehen und der Schutzwaldsanierung der Vorrang gegeben werden muss. Wenn auch der Jagdschutzverband vielleicht noch nicht ganz da ist, wo wir ihn haben wollen, wurde doch ein Umdenkprozess von Prof. Vocke eingeleitet, und ich hoffe sehr, dass er sich weiterhin in seinem Verband durchsetzen kann, denn – wir wollen uns nichts vormachen – da gibt es natürlich auch Bremser und Betonköpfe, die eher rückwärts gerichtet arbeiten.
Dr. Vocke hat im Ausschuss zu Recht darauf hingewiesen, dass über 70% der bayerischen Gebirgswälder in Staatshand sind und somit die Staatsforstverwaltung auch die Möglichkeit hat, die Abschusshöhe zu bestimmen. Das war nicht immer so; es hat auch Zeiten gegeben, in denen der Jagdschutzverband massiven Druck auf das Ministerium ausgeübt hat, diese Gebirgswälder zu verpachten. Sie konnten nur mit Mühe aus der Pacht wieder zurückgenommen werden und sind letztlich in der Regie entsprechend bejagt worden.
Sinn meiner Ausführungen ist der, dass wir uns einfach bemühen wollen, den Bergmischwald wieder dahin zu bringen, wo er einmal war. Geben Sie sich, bitte, keinen Illusionen hin, lieber Herr Ausschussvorsitzender: Das ist leider nicht in zwei oder drei Jahren hinzubekommen; dauert es doch im Flachland schon relativ lange, bis aus einer Verjüngung ein Wald wird, um wie viel länger dauert das im Gebirge. Ich denke, dass wir hier wahrschein
lich noch viele Jahrzehnte brauchen, bis wir auf großer Fläche den Bergmischwald wieder vorfinden können.
Sie wissen alle, es ist sehr viel leichter und selbstverständlich auch billiger, den Karren in den Dreck zu fahren, als ihn anschließend wieder herauszuziehen. Der Aufgabe des Wieder-Herausziehen unterziehen wir uns derzeit. Ich meine, das ist des Schweißes der Edelsten wert, und deshalb bitte ich, dass der Appell des Kollegen Starzmann, dem ich mich anschließe, Früchte trägt und wir in den nächsten Jahren nicht nachlassen, aus unserem Alpenraum wieder das zu machen, was wir ihm schuldig sind, sodass unsere Nachkommen vielleicht eines Tages auf dem Gebiet wirklich stolz auf uns sein können.
Jetzt trifft den Kollegen Sprinkart in der Tat das Schicksal, der letzte Redner zu sein. Sie haben gleichwohl das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Der Vorteil eines solchen Vorredners ist es, dass ich das Pult nicht höher zu stellen brauche.
Die hier vorliegende Beschlussempfehlung, die aus diesen zwei Anträgen der CSU- und der SPD-Fraktion resultiert und welche die Fortführung und – wie Kollege Starzmann gesagt hat – Intensivierung der Schutzwaldsanierung zum Ziel hat, auch die Bereitstellung der Haushaltsmittel zu diesem Zweck, findet grundsätzlich unsere Zustimmung. Da gibt es gar keinen Zweifel.
Die Begründung dieser Anträge können wir im Prinzip schon im letzten Waldzustandsbericht finden, in dem ausgeführt wird, dass rund 12800 Hektar und damit 9% unserer Schutzwälder ihre Schutzaufgabe nur mehr bedingt erfüllen und 4800 Hektar des Bergwaldes in ihrer Schutzfunktion sogar erheblich beeinträchtigt sind. Die Bedeutung des Schutzwaldes für den Alpenraum und für die dort lebenden Menschen, auch für den Tourismus, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Insofern ist die Fortführung und Intensivierung der Schutzwaldsanierung, wie sie im Antrag gefordert wird, sicher unbestritten.
Trotzdem zwei kritische Anmerkungen zu der Beschlussempfehlung. Erstens. Es ist unserer Meinung nach ein Widerspruch, wenn wir auf der einen Seite eine kontinuierliche Weiterführung der Schutzwaldsanierung fordern und damit auch den Einsatz von Steuergeldern in diesem Bereich – noch einmal: zu Recht, wie ich betone – und auf der anderen Seite einen Teil der Beseitigung dieses Problems, nämlich die Reduzierung der regional zu hohen Wildbestände, der Freiwilligkeit anheim stellen, wobei es sich hier um gar kein so regionales Problem handelt, wie das letzte Vegationsgutachten zeigt. Danach liegt der Verbiss – mit Ausnahme des Nationalparks in Berchtesgaden – im gesamtbayerischen Alpenraum bei Laubholzarten zwischen 11 und 39% und wird von den Forstämtern als zu hoch eingestuft. Bei der Tanne werden in einzelnen Forstämtern sogar Verbiss
Wir sind uns sicher darin einig, dass eine Reduzierung der Wildbestände auf freiwilliger Basis die beste Möglichkeit ist. Wir haben aber bereits in der Vergangenheit gesehen – und ich fürchte, das wird in der Zukunft in manchen Bereichen nicht anders sein –, dass die Reduzierung auf freiwilliger Basis nicht funktioniert. Dort, wo aber die Reduzierung freiwillig nicht funktionieren wird, werden sich die Verantwortlichen überlegen müssen, wie sie damit umgehen, wie sie die Reduzierung durchsetzen, ob zum Beispiel der Einsatz weiterer Fördermittel für die Schutzwaldsanierung an solche Maßnahmen gekoppelt wird. Ansonsten droht die Schutzwaldsanierung zur Beliebigkeit, ja zu einem Spielball der jagdlichen Interessen zu werden.
Zweitens. Diese Beschlussempfehlung lässt eine wesentliche Ursache für die Schutzwaldsanierung vollkommen außer Acht, nämlich die durch Schadstoffe bedingten Waldschäden. In den letzten 15 Jahren ist es uns nicht gelungen, dies in den Griff zu bekommen, im Gegenteil, die Situation hat sich sogar deutlich verschlechtert. Laut Waldzustandsbericht kommt die Dauerbeobachtung bei Bergmischwaldflächen zu dem Ergebnis, dass die Nadel- und Blattverluste zum Teil deutlich angestiegen sind. Hauptverursacher dieses Schadstoffeintrags ist – auch wenn wir es nicht gern hören – der Individualverkehr.
Hier gilt das Gleiche wie bei den zu hohen Wildbeständen. Wir handeln gegenüber dem Steuerzahler nicht verantwortungsvoll, wenn wir ein hohes Maß an Steuermitteln zur Behebung der Schäden im Schutzwald einsetzen, aber nicht konsequent daran gehen, die Ursachen zu beseitigen.
Unter Einbeziehung dieser beiden Aspekte wäre Ihr Antrag zum Thema „Schutzwaldsanierung“ seiner ganzen Bedeutung gerecht geworden. Aber so behandelt er das überaus wichtige Thema nur aus einem ganz bestimmten Blickwinkel und nicht aus der Gesamtsicht; dies ist schade.
Für Personen, die des Allgäuerischen nicht so mächtig sind, wird es im Protokoll Hochdeutsch stehen. Ich habe keine weitere Wortmeldung mehr. Wir kommen nun zur Abstimmung.
Der federführende Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat bei seiner Erstberatung eine gemeinsame Neufassung für die beiden Anträge beschlossen. Dieser Neufassung hat der mitberatende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen mit der Maßgabe zugestimmt, dass der erste und letzte Absatz gestrichen werden. Daraufhin hat der federführende Ausschuss eine Zweitberatung durchgeführt und die in der Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/6492 enthaltene Neufassung vorgeschlagen.
Die CSU-Fraktion hat beantragt, das Votum des federführenden Ausschusses bei der Zweitberatung der Abstimmung zugrunde zu legen. Ich sehe, damit besteht Einverständnis. Dann lasse ich abstimmen. Wer der Beschlussempfehlung bei der Zweitberichterstattung zum Antrag auf Drucksache 14/6492 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Dies sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie Herr Kollege Hartenstein. Diese seltene Einmütigkeit ist ein schöner Anlass, um das Plenum abzuschließen. Ich wünschen Ihnen einen angenehmen Abend.