Protokoll der Sitzung vom 27.06.2001

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfragen? – Keine. Vielen Dank, Herr Staatssekretär.

Nunmehr bitte ich den Staatssekretär für Wirtschaft, Verkehr und Technologie. Nächster Fragesteller ist Herr Donhauser. Bitte.

Nachdem der deutschen Wirtschaft meines Erachtens aufgrund vieler Fehlentscheidungen der rot-grünen Regierung und der sich jetzt anbahnenden SPD-PDS-Regierungsbeteiligung in Berlin ein Stillstand droht, frage ich die Staatsregierung, ob sie die Klagen der Oberpfälzer Bauwirtschaft und deren Nebengewerbe teilt und was der Bund unternehmen müsste, um die anrollende Pleitewelle zu stoppen, sowie welche Möglichkeiten die Kommunen haben, der regionalen Bauwirtschaft über die Auftragsvergabe hinaus zu helfen?

Herr Kollege Donhauser, nochmals herzlichen Glückwunsch zu Ihrem gestern begangenen 50. Geburtstag.

Meine Damen und Herren, ich darf die Frage wie folgt beantworten: Die Bauwirtschaft, einer der gesamtwirtschaftlichen Eckpfeiler, steckt in der Tat in der schlimmsten Krise der Nachkriegszeit und verstärkt damit die beginnende Wachstumsschwäche der Wirtschaft insgesamt. Besonders negativ wirkt sich auf die Branche, wie wir sehen, der deutliche Rückgang im Wohnungsbau aus, der mit einem Anteil von über 57% traditionell die wichtigste Sparte der Bauwirtschaft und der Kernmarkt für das Bauhandwerk ist. Als Folge der Baukrise verzeichnet inzwischen auch das Ausbaugewerbe deutliche Auftragsrückgänge, insbesondere durch den 1999 einsetzenden Einbruch beim Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern. Auch Bayern blieb von dieser Rezession in der Bauwirtschaft – Sie haben zu Recht darauf hingewiesen – nicht verschont, wobei in der Oberpfalz durch die Randlage zu arbeitskostengünstigeren Regionen in Tschechien und vor allem in Ostdeutschland zusätzliche Probleme entstehen.

In Bayern konnte die Rezession in der Bauwirtschaft abgefedert werden durch eine im Vergleich zu den anderen Ländern nach wie vor hohe Investitionsquote und durch die Offensive Zukunft Bayern, bei der immerhin von der stolzen Summe von 8,3 Milliarden DM Privatisierungserlösen 4,3 Milliarden DM – ich wiederhole: 4,3 Milliarden DM – bauwirksam zusätzlich investiert wurden.

Dagegen hat es die Bundesregierung, meine ich, versäumt, dem Bau durch investive Maßnahmen neue Impulse zu geben.

Sie hat zudem auch die Rahmenbedingungen insbesondere für den die Branche tragenden Wohnungsbau drastisch verschlechtert, und zwar erstens durch die Beschränkung der Verlustberechnung im Mietwohnungsbau, zweitens durch die Verlängerung der Spekulationsfrist bei Immobilien auf zehn Jahre, drittens durch die Senkung der Einkommensgrenzen bei der Eigenheimzulage und viertens durch die investitionshemmende Mietrechtsreform.

Wie wir immer von der Bau- und auch von der Wohnungswirtschaft hören, hat sich besonders nachteilig für die Bauwirtschaft auch die gravierende Kürzung der Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau ausgewirkt. Die Bayerische Staatsregierung unternimmt dagegen trotz der angespannten Haushaltslage größte Anstrengungen, die Landesmittel für den sozialen Wohnungsbau auf einem hohen Stand zu halten.

Um die negative Entwicklung im Wohnungsbausektor umzukehren und Investoren für diesen volkswirtschaftlich wichtigen Bereich zurückzugewinnen, ist eine Verbesserung der Investitionsbedingungen bei Immobilien unerlässlich. Die Bayerische Staatsregierung wird dazu im Bundesrat eine Initiative für die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Wohnungen, die so genannte „Wohnungsbauoffensive“, einbringen.

Ich komme zum Schluss. Da rund 70% aller öffentlichen Aufträge von den Kommunen erteilt werden, haben die kommunalen Auftraggeber natürlich eine große Bedeutung für die Bauwirtschaft. Darüber hinaus ist die mittelbare Wirtschaftsförderung eine wichtige kommunale Aufgabe, die zu vermehrter Investitionstätigkeit führt. Hierzu gibt es eine breite Palette von Möglichkeiten. Die Kommunen, insbesondere Gemeinden, können günstige Ansiedlungsbedingungen schaffen oder die bestehenden verbessern, indem sie etwa vorausschauende Bodenbevorratung betreiben und rechtzeitig auch Flächen erschließen. Das ist ein Thema, über das zu Recht in vielen Kommunen geklagt wird. Die Gemeinden können auch Gewerbe- und Technologieparks schaffen sowie Alt- und Brachflächen einer neuen Verwertung zuführen. Dazu kämen wirtschaftsfreundliche Hebesätze vor allem der Gewerbesteuer, Standortmarketing, eine zügig entscheidende Kommunalverwaltung sowie die Beteiligung am virtuellen Marktplatz Bayern. Die Investitionen der bayerischen Kommunen sind im Jahr 2000 nach jahrelange Absinken erfreulicherweise im letzten Jahr wieder leicht gestiegen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Sind Sie fertig? – Ja. Dann Herr Donhauser, bitte.

Nachdem in den letzten Tagen die Prognosen immer weiter nach unten korrigiert wurden, hat das Ifo-Institut gestern 1,2% Wirtschaftswachstum vorausgesagt. Wie hoch müsste das Wirtschaftswachstum in etwa sein, damit die Wirtschaft zumindest gleichbleibend funktioniert?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.

Herr Abgeordneter, ich glaube, alle Sachverständigen in der Bundesrepublik Deutschland sind sich einig – egal ob Praxis, Theorie, Wirtschaft oder Politik –, dass ein Wirtschaftswachstum von mindestens 3% insgesamt vorhanden sein müsste, um das Abrutschen in eine Rezession zu verhindern. Speziell beim Bau haben wir aber schon seit zwei oder drei Jahren einen sehr starken Einbruch. Hier hilft auch eine hohe Wachstumsrate nicht

mehr, sondern es bedarf gezielter Maßnahmen seitens der Bundesregierung insbesondere im steuerlichen Bereich.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Zusatzfrage: Herr Nentwig, bitte.

Herr Staatssekretär, wenn die heimische mittelständische Bauindustrie der CSU wirklich so am Herzen liegt, warum haben es dann das Ministerium und auch die CSU im Wirtschaftsausschuss unterlassen, beim Gesetzentwurf über die öffentlichen Auftragsvergaben im Freistaat Bayern für die Baubranche unsere Forderung zu unterstützen, in dieses Gesetzeswerk einzubauen, dass bei den Auftragsvergaben der Kommunen und öffentlichen Hand möglichst kleine Lose gemacht werden, um den heimischen Mittelstand und die kleinen Bauunternehmen in die Aufträge mit einzubinden, damit es nicht zu Millionenvergaben kommt, bei denen der Mittelstand nicht mithalten kann und die dann nur für auswärtige und ausländische Firmen interessant sind.

Und zum Zweiten. Warum hat man auch unsere weitere Forderung abgelehnt, dass Firmen, die Aufträge von Kommunen und der öffentlichen Hand bekommen wollen, tarifgerecht entlohnen müssen, und zwar nicht nur auf der Baustelle, sondern generell? Damit würde man alle Dumpingfirmen ausschließen und unsere ehrlichen Firmen belohnen, die heimische Arbeitskräfte beschäftigen, tarifgerecht bezahlen und damit tariftreu sind.

Ich darf zu Ihrem Koreferat Folgendes antworten. Zunächst zu Ihrer zweiten Frage. Bayern war das einzige und erste Land,

(Nentwig (SPD): Oh, oh!)

das die Tarifgebundenheit bei öffentlichen Vergaben eingeführt hat. Tatsache ist aber – da haben wir keinen Zugriff –, dass dies hier natürlich eine unterschiedliche Haltung gibt und dass dies insbesondere bei den größeren Kommunen keine besondere Begeisterung ausgelöst hat. Der Freistaat Bayern hat sich daran gehalten, andere Länder nicht und der Bund auch nicht.

Zum ersten Teil dessen, was Sie gesagt haben: Ich glaube, dass sich gerade die Bayerische Staatsregierung wie keine andere Regierung – das kann man nachweisen – immer für eine mittelstandsfreundliche Vergabe bei den Baulosen eingesetzt hat. Natürlich gibt es Bauprojekte, die gewisse Größenordnungen voraussetzen, und ich kann aus Erfahrung sagen, dass oft geklagt wird, dass die Lose zu klein seien. Es gilt – insbesondere auch im Bereich der Kommunen – bei den Auftragsvergaben dahin zu wirken, dass diese Baulose in kleinen Tranchen vergeben werden. Der Freistaat Bayern befolgt diese Vorschrift bereits.

(Zuruf von der SPD)

Nein, wir sind in der Regel keine Anhänger so genannter Generalunternehmen. Ich sage das klar und deutlich.

(Zuruf von der SPD)

Bei der Wirtschaft. Es gibt Ausnahmen. Die Generalunternehmer werden natürlich zunehmend von den Kommunen bevorzugt, weil man den Bau zügig in einer Hand durchführen lassen will. Dies ist nicht in unserem Interesse. Das sage ich klar und deutlich.

(Zuruf von der SPD)

Richtig. Einverstanden. Genau deshalb sind wir bei diesem Thema so reserviert.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Zusatzfrage: Herr Abgeordneter Schieder.

Vor dem Hintergrund, dass für die Bauwirtschaft die öffentlichen Aufträge eine enorme Bedeutung haben und dass zwei Drittel dieser öffentlichen Aufträge von den Kommunen kommen, frage ich Sie, ob Sie mit mir übereinstimmen, dass die kommunale Finanzkraft ein ganz ausschlaggebender Faktor dafür ist, dass die Bauwirtschaft gerade in den strukturschwachen Regionen gut floriert.

In diesem Zusammenhang frage ich Sie, ob nicht der unterfinanzierte kommunale Finanzausgleich in Bayern und der Umstand, dass der Freistaat Bayern seinen Haushalt ganz wesentlich auf Kosten der Kommunen schönt und die Kommunen damit in die Verschuldung getrieben hat, ein wesentlicher Grund für die Krise der Bauwirtschaft in Bayern sind.

Da möchte ich entschieden widersprechen, Herr Kollege. Zu mir kommen laufend Delegationen aus anderen Länderparlamenten ins Ministerium. Ich nenne nur RheinlandPfalz oder Niedersachsen und vor kurzem das Saarland. Wenn ich denen die Zahlen vorlege, die in Bayern für die Wirtschaftsförderung gelten und über das, was in Bayern für den Bau ausgegeben wird – ich habe gesagt, allein durch die Privatisierungsinitiative sind es 4,3 Milliarden zusätzlich –, und wenn ich ihnen darstelle, wie bei uns die Finanzkraft der Kommunen ist und darstelle, dass Bayern das einzige Land ist, das noch Zuschüsse für Abwasserbereiche gibt, dann bekommen die staunende Augen. Alle anderen Länder – egal ob Rheinland-Pfalz oder Niedersachsen oder andere – sagen, sie würden Weihnachten mitten unterm Jahr feiern, wenn die Finanzlage der Kommunen bei ihnen so gut sein würde wie in Bayern. Das möchte ich klar und deutlich sagen.

Ein weiteres Thema ist der Finanzausgleich. Da, mein lieber Herr Schieder, haben wir ein Thema, über das wir uns natürlich sehr wohl unterhalten können. Ich darf nur daran erinnern, dass ein früheres Mitglied dieses Hohen Hauses, der frühere Oberbürgermeister von München, eine Klage beim Verwaltungsgerichtshof in Bayern eingereicht hat, weil er der Meinung ist, es sei ein Skandal, dass die großen Städte und die Ballungszentren viel zu wenig Geld und die dünn besiedelten Gebiete viel zu viel Geld bekommen würden.

Ich möchte daher darauf hinweisen, dass dieses Thema auch bei Ihnen je nach der Philosophie des Stuhls sehr differenziert betrachtet wird.

(Zuruf von der SPD: Das ist auch differenziert!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Fragestellerin ist Frau Naaß. Bitte.

Herr Staatssekretär, nachdem meine Schriftliche Anfrage vom 22. Januar 2001, die ich zusammen mit meinen Kollegen Helga Schmitt und Peter Hufe gestellt hatte bezüglich der Zunahme der Schwarzarbeit in Bayern, die entsprechend der Geschäftsordnung des Bayerischen Landtages eigentlich innerhalb von vier Wochen hätte beantwortet werden müssen, bis gestern noch nicht beantwortet worden war, stelle ich diese Schriftliche Anfrage heute mündlich.

In einer Untersuchung zur Schattenwirtschaft in Westeueropa stellte das Münchner ifo-Institut fest, dass die Schwarzarbeit in Deutschland über einen Zeitraum von 25 Jahren stark gewachsen ist und im laufenden Jahr einen Höchststand erreichen wird. Der Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt dürfte von 15,6 auf 16% steigen. Dies entspricht einem Volumen von mehr als 640 Milliarden DM. Nordrhein-Westfalen hat als bevölkerungsstärkstes Bundesland vom Volumen her die größte Schattenwirtschaft, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg.

Wir bitten die Staatsregierung bezüglich der Situation in Bayern um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Wie hoch ist der Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt in Bayern, aufgeteilt auf die Regierungsbezirke, und welchem Volumen in DM entspricht dies?

2. Wie hat sich der Anteil und das Volumen in den letzten fünf Jahren entwickelt?

3. Wie viele Personen bei welchen Ämtern sind in Bayern für die Kontrolle abgestellt, wie viele davon am Wochenende, nachdem der Großteil der Schwarzarbeit am Wochenende stattfindet?

4. Was gedenkt die Bayerische Staatsregierung zu tun, damit Bayern nicht weiterhin einen Spitzenplatz in Bezug auf Schwarzarbeit in Deutschland einnimmt?

Die letzte Teilfrage passt auch gut zu der vorherigen Frage.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatssekretär.

Frau Kollegin Naaß, zunächst einmal möchte ich mich dafür entschuldigen – ich sage das klar und deutlich –, dass diese Schriftliche Anfrage von meinem Haus so spät beantwortet worden ist. Es hat bei uns interne Schwierigkeiten gegeben, wohl auch mit der Besetzung dieser

Stelle. Ich gelobe Besserung; es wird bei uns nicht mehr vorkommen. Ich selbst habe das in früheren Jahren auch hier im Parlament heftigst angemahnt. Es ist etwas, was nicht zu entschuldigen ist.

(Frau Naaß (SPD): Es sind mittlerweile sechs Monate vergangen!)

Das ist ein Ding der Unmöglichkeit, eine Behandlung des Parlaments, die unmöglich ist. Das sage ich klar und deutlich.

Nun haben Sie eine sehr detaillierte Anfrage gestellt. Ich könnte jetzt ein langes Referat halten. Daher frage ich: Sind Sie damit einverstanden, dass ich diese ausführliche Antwort – mit Tabellen – wir sind es Ihnen schuldig, auf diese Fragen eine sehr detaillierte Antwort zu geben –, offiziell zu Protokoll gebe,