Protokoll der Sitzung vom 10.07.2001

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Seit 1994 steht das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz. Im Jahre 1998 wurde es in die Bayerische Verfassung aufgenommen. Diesen schönen Worten müssen nun Taten folgen. Ich kann die diesbezüglichen Bedenken des Herrn Kollegen Unterländer nicht verstehen. Angesichts dieser Zeitspanne kann nun wirklich nicht von einem Schnellschuss gesprochen werden. Ich würde die CSU in diesem Zusammenhang eher als Spätzünder bezeichnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Unter der Federführung der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Frau Stein, fand im Sozialministerium eine Tagung unter dem Thema „Braucht Bayern ein Gleichstellungsgesetz?“ statt. Bis auf die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU,

Frau Dr. Fickler, waren sich alle Beteiligten darin einig, dass es eines solchen Gleichstellungsgesetzes bedürfe. Aus dem Sozialministerium kamen sogar zarte Andeutungen, dass man eigentlich gar nichts gegen ein solches Gesetz hätte. Die LAGH hat dankenswerterweise viele Diskussionsgrundlagen erarbeitet. Die SPD hat zu diesem Thema einen Gesetzentwurf vorgelegt. Meine Fraktion hat ein Eckpunktepapier erarbeitet und diskutiert darüber mit den Behindertenverbänden.

Die GRÜNEN sind zu der Auffassung gelangt, dass wir in Bayern ein Gleichstellungsgesetz und gesetzliche Maßnahmen gegen die Diskriminierung von Behinderten brauchen. Wir brauchen eine verbindliche Festlegung und einen Paradigmenwechsel in der Behindertenpolitik. Wir müssen von der wohlfahrtsstaatlichen Hilfe zu einer selbstbestimmten Inanspruchnahme von Rechten durch Menschen mit Behinderung und chronischen Krankheiten kommen.

In vielen Punkten sind wir uns dabei mit der SPD einig. Wir brauchen eine Beweislastumkehr, die Förderung der Selbsthilfe, das Verbandsklagerecht, die Wahlfreiheit bei der Inanspruchnahme von Hilfen und die Barriere- und Kommunikationsfreiheit. Wir haben bereits integrative Kindergärten. Wenn es jedoch um die Integration behinderter Kinder in die Regelschule geht, muss nach wie vor ein harter Kampf geführt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind uns sicherlich einig, dass Menschen mit Behinderung keine Bürger zweiter Klasse sind. Es gibt nicht nur geistige Behinderungen von Geburt an, sondern Behinderung kann jedem widerfahren. Die Politik muss deshalb die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass alle Menschen geachtet und gleichbehandelt werden. Die schönen Worte in der Verfassung müssen in Taten umgesetzt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Sender „Phoenix“ zeigt während der Tagesschau einen Gebärdendolmetscher. Bei den anderen Sendungen tun sich Gehörlose jedoch schwer, am Fernsehleben teilzunehmen und sich Informationen zu beschaffen. Wir brauchen akustische Anzeigen im Nahverkehr oder bei der Bahn für blinde Menschen. Rollstuhlfahrer haben oftmals große Schwierigkeiten, einen Randstein hinaufoder hinunterzukommen, gar nicht zu reden vom dort abgestellten Auto, das ihnen den Weg versperrt. Hier gibt es noch einiges zu tun.

Vor allem brauchen wir die Barrierefreiheit. Da möchte ich Kollegin Steiger zustimmen. Vor allen Dingen brauchen wir Barrierefreiheit in den Köpfen. Nur wenn dieser Paradigmenwechsel auch sichtbar wird mit einem solchen Gesetz, wenn wir die Gleichstellung und das Diskriminierungsverbot so festschreiben, dann hat das auch eine Zukunft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Um das Wort hat Frau Staatsministerin Stewens gebeten.

Herr Präsident, meine Kollegen und Kolleginnen! In einer Beurteilung, Frau Steiger, gebe ich Ihnen natürlich Recht: Es müssen nicht nur die Barrieren in unseren Köpfen abgebaut werden; die Barrieren müssen auch in vielen Bereichen unserer Gesellschaft abgebaut werden. Frau Kollegin Schopper, das ist gar keine Frage.

Lassen Sie mich etwas Grundsätzliches dazu sagen: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Bayerische Verfassung, insbesondere Artikel 118 a, das Benachteiligungsverbot, umzusetzen ist. Sie fordern das in Artikel 1 Absatz 2 Ihres Gesetzentwurfes. In einem Gesetz zu fordern, dass nach der Verfassung gehandelt wird, ist überflüssig. Das sind Selbstverständlichkeiten.

Für die Bayerische Staatsregierung war dies Verpflichtung. Wir haben unverzüglich nach In-Kraft-Treten des Artikels 118 a der Bayerischen Verfassung die Initiative ergriffen. Es sind alle Ressorts beauftragt worden, in ihrem jeweiligen Geschäftsbereich zu prüfen, welche Initiativen, welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden sollen, um gleichwertige Lebensbedingungen für die Menschen mit und ohne Behinderungen zu schaffen und sicherzustellen. Kollege Unterländer hat die damals eingesetzte innerministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Sozialministeriums angesprochen. Die Aufgabe dieser Arbeitsgruppe war es, einen einheitlichen Prüfungsmaßstab und gemeinsame Bewertungskriterien zur Auslegung des Artikels 118 a der Bayerischen Verfassung zu erarbeiten, eine Abstimmung zwischen den Ressorts über die erforderlichen Änderungen und Verbesserungen herbeizuführen und dann auch die finanziellen Konsequenzen aufzuzeigen. Diese Arbeit wird die Handlungsfähigkeiten in den verschiedensten Lebensbereichen aufzeigen.

Nun zum Kernproblem: Die Bundesregierung hat – Sie bestätigen das auch – für Mitte dieses Jahres einen Entwurf für ein Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsgesetzes angekündigt. Das Sozialrecht, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist in erster Linie Bundesrecht. Daher ist es sinnvoll, erst einmal abzuwarten, was der Bund tatsächlich vorlegt.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das ist Föderalismus!)

Es ist nämlich noch völlig offen, welche Antidiskriminierungsbestimmungen der in Vorbereitung befindliche Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin haben wird.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Steiger (SPD))

Offen ist auch, welche Regelungen der Bundesarbeitsminister für den Bereich des öffentlichen Rechts über das Sozialgesetzbuch IX hinaus treffen wird.

Erst einmal ist der Bund in der Verantwortung. Wir sollten erst dann unsere Erkenntnisse und Absichten in das Bundesgesetzgebungsverfahren einbringen. Wir müs

sen abwarten, wo noch landesrechtlicher Regelungsbedarf besteht.

(Dr. Hahnzog (SPD): Das ist aber schwach!)

Vor diesem Hintergrund ist es gar keine Frage, dass wir abwarten müssen. Das ist nicht schwach, Herr Kollege Dr. Hahnzog.

(Dr. Hahnzog (SPD): Doch, sehr schwach!)

Nein, es ist nicht schwach, das ist letztendlich nur praxisnah.

(Widerspruch bei der SPD)

Wir wollen gemeinsam mit Ihnen die bayerische Behindertenpolitik weiterentwickeln. Der vorliegende Entschließungsantrag der CSU-Fraktion unterstützt dies auch eindrucksvoll. Deswegen möchte ich zum Schluss feststellen, dass wir den Entwurf der SPD-Fraktion nicht unterstützen können.

(Frau Steiger (SPD): Das überrascht mich sehr! – Beifall bei der CSU)

Die Aussprache ist geschlossen. Der Gesetzentwurf soll zusammen mit den Dringlichkeitsanträgen dem Ausschuss für Sozial-, Gesundheits- und Familienpolitik als federführendem Ausschuss überwiesen werden. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall und damit so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2

Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück und Fraktion (CSU), Maget und Fraktion (SPD), Dr. Dürr und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zur Änderung des Bayerischen Fraktionsgesetzes (Drucksache 14/6935)

Zweite Lesung –

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Bernhard.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier über einen interfraktionellen Gesetzentwurf zur Änderung des Fraktionsgesetzes zu entscheiden. Es geht um die darin enthaltene Rücklagenregelung.

Die Fraktionen erstellen zwar jedes Jahr einen Haushaltsvoranschlag, aber die Zuschussregelung, die gesetzlich festgelegt ist, wird nicht jedes Jahr geändert. Im Fraktionsgesetz ist deshalb vorgesehen, dass die Fraktionen im Gegensatz zu Behörden Rücklagen bilden können. Diese Regelung, die speziell im Bayerischen Fraktionsgesetz enthalten ist, ist nicht sehr zweckmäßig. Das haben wir im Laufe der Jahre festgestellt. Sie sieht nämlich vor, dass für einzelne Rücklagen Höhe und Zweckbestimmung festgelegt werden müssen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Verwendungszwecke auf

tauchen, für die keine Rücklage vorgesehen ist. Für diese Zwecke kann das Geld zwar verwendet werden, aber dafür ist keine Rücklage vorgesehen. Umgekehrt werden für bestimmte Zwecke Rücklagen vorgesehen, die dann nicht gebraucht werden.

Die Rücklagenregelung ist auch deshalb unzweckmäßig, weil man immer darüber diskutieren kann, in welcher Höhe die Fraktionen Rücklagen bilden dürfen. Die bayerische Regelung ist ein Unikum. In allen anderen Ländern und auch beim Bund ist das anders geregelt. Dem wollen wir unsere Regelung im Fraktionsgesetz anpassen.

Die Fraktionen sollen künftig die Möglichkeit haben, eine Rücklage in Höhe von 60% des jährlichen Zuschusses zu bilden. Das heißt nicht, wie es teilweise in der Zeitung stand, dass für jedes Jahr 60% unserer Zuschüsse einer Rücklage zugeführt werden. Das ist völlig unmöglich, weil wir gar nicht so viel Geld haben. Insgesamt kann eine Rücklage in Höhe von 60% gebildet werden. Damit wird Flexibilität erreicht bei der Verwendung der Rücklage. Es ist auch klar, in welcher Höhe eine Rücklage gebildet werden darf. Ich bitte das Hohe Haus, dieser Änderung, die von allen drei Fraktionen angestrebt wird, zuzustimmen.

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Initiativgesetzentwurf auf der Drucksache 14/6935 und die Beschlussempfehlung mit dem Bericht des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf der Drucksache 14/7127 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechtsund Parlamentsfragen empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ein Antrag auf Dritte Lesung ist nicht gestellt worden. Deshalb treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Es erhebt sich kein Widerspruch. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind wiederum die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich auf die gleiche Weise anzuzeigen. – Keine Gegenstimmen. Gibt es Stimmenthaltungen? – Auch nicht. Das Gesetz ist damit so angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Fraktionsgesetzes.“

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 3

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes (Drucksache 14/5498)

Zweite Lesung –

Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann gleich zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf der Drucksache 14/5498 und die Beschlussempfehlung mit dem Bericht des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen auf der Drucksache 14/7044 zugrunde.

Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechtsund Parlamentsfragen empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass in § 4 Absatz 1 als Datum des Inkrafttretens der 1. September 2001 eingefügt wird. Wer dem Gesetzentwurf mit dem vom federführenden Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen vorgeschlagenen Zeitpunkt des Inkrafttretens zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit so beschlossen.

Da kein Antrag auf Dritte Lesung gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Ich schlage vor, sie wiederum in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf mit dem vom federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen vorgeschlagenen Zeitpunkt des Inkrafttretens seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Gegenstimmen bitte ich, auf dieselbe Weise anzuzeigen. – Ich sehe keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Das Gesetz ist damit angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Stiftungsgesetzes.“