Protokoll der Sitzung vom 11.07.2001

Wenn Sie darüber jammern, dass die alte Bundesregierung keine Steuerreform auf den Weg gebracht hat, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Sie im höchsten Maß Blockadepolitik betrieben und versucht haben, alles zu verhindern, was in Richtung einer Steuerreform ging.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu dem Thema kommen, zu dem ich mich gemeldet habe. Ich weiß selbstverständlich auch, dass es verschiedene Erscheinungsbilder der wirtschaftlichen Entwicklung in Bayern gibt, aber ich halte es für unerträglich und für blanken Unsinn, wenn man daraus schließt, dass die Bayerische Staatsregierung eine Politik zulasten Nordbayerns und vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt der Missachtung der peripheren Räume betreibt. Das ist falsch, und das ist Unsinn. Ich will das mit einigen Fakten beweisen.

Es ist heute bereits mehrfach angesprochen worden, dass wissenschaftliche Einrichtungen auch zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen führen. Ich frage Sie: Haben Sie vergessen, dass diese Staatsregierung in Bayreuth eine neue Fakultät für angewandte Naturwissenschaften geschaffen hat? Haben Sie vergessen, dass ein Kompetenzzentrum für neue Materialien in Bayreuth entstanden ist? Haben Sie vergessen, dass in Hof eine Fachhochschule und ein virtueller Campus geschaffen wurden?

Wenn es um neue Arbeitsplätze geht, frage ich Sie: Haben Sie vergessen, dass das Landesversorgungsamt

nach Bayreuth und Selb gekommen ist und das Geologische Landesamt nach Marktredwitz? Haben Sie vergessen, dass im Rahmen von Betriebsansiedlungen im Raum Arzberg nicht 200 – wie Herr Kollege Schläger gesagt hat –, sondern 400 Arbeitsplätze geschaffen worden sind und dass sich ein neuer Betrieb ansiedelt? Der Wirtschaftsminister hat mit Recht darauf hingewiesen, das wird nicht der letzte sein; es wird sich noch mehr tun.

Wenn es um die Infrastruktur geht, frage ich Sie: Haben Sie vergessen, dass die Staatsregierung die Entscheidung getroffen hat, 30 Millionen DM für den Ausbau des Flughafens Hof zur Verfügung zu stellen. Ich kann nur sagen: Wo bleiben hier die Mittel des Bundes und der Europäischen Union?

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie die Staatsregierung kritisieren, dann frage ich Sie: Warum setzen Sie sich angesichts der bevorstehenden Osterweiterung bei der Bundesregierung nicht für ein FitnessProgramm für die Grenzgebiete ein?

(Beifall bei der CSU – Hoderlein (SPD): Das ist längst passiert!)

Herr Kollege Hoderlein, bei der Süderweiterung hat die Europäische Union ein 4-Milliarden-Programm aufgelegt. Jetzt wird fast nichts getan. Lächerliche Beträge werden zur Verfügung gestellt. Ich teile die Meinung des Kollegen Dinglreiter, wenn wir in der Verkehrspolitik nicht ein Verkehrsprojekt „Europäische Osterweiterung“ schaffen, so wie die alte Bundesregierung ein Verkehrsprojekt „Deutsche Einheit“ geschaffen hat, werden wir nicht in der Lage sein, die riesigen Steigerungen des Verkehrs halbwegs in den Griff zu bekommen. Ich kann nur sagen: Fordern Sie die Bundesregierung auf, bei der Europäischen Union massiv dafür zu kämpfen, dass diese Programme aufgelegt werden. Schließlich wären das Programme, bei denen der Rückfluss nach Deutschland erheblich ist. 60% flössen nach Deutschland zurück; bei anderen Fördermitteln der Europäischen Union ist dies nicht der Fall.

Wenn Sie darüber klagen, dass die Förderung bei Betriebsansiedlungen oftmals nicht hoch genug sei, frage ich Sie: Warum kämpfen Sie nicht dagegen, dass die Bundesregierung die GA-Mittel permanent kürzt? Das ist doch ausschlaggebend dafür, dass wir die Höchstförderung, die die EU bei Betriebsansiedlungen zulässt, nicht erreichen können. Auch hier haben Sie die Aufgabe, sich bei Ihrer Bundesregierung einzusetzen.

Lassen Sie mich noch ein Letztes sagen, was heute bereits des Öfteren angesprochen wurde. Die Ökosteuer benachteiligt den ländlichen Raum und die peripheren Gebiete viel mehr als die zentralen Räume. Das wissen Sie auch. Deshalb kann ich nur sagen: Wenn Sie schon nicht in der Lage sind, die gesamte Steuer zurückzunehmen, sorgen Sie wenigstens dafür, dass die nächste Erhöhung unterbleibt. Sie ist unmöglich und eine zusätzliche Belastung für die Gebiete, die jetzt bereits schwer zu kämpfen haben.

Ich kann abschließend nur sagen: Ich habe das Gefühl, Sie halten große Reden in Sachen regionale Entwicklungspolitik, aber dort, wo Sie in der Verantwortung stehen, wie mit Herrn Verheugen in Brüssel und dem Bundeswirtschaftsminister in Berlin, tun Sie nichts. Dort lassen Sie die Dinge einfach laufen, und das halte ich für äußerst schlecht.

(Beifall bei der CSU)

Um das Wort hat Herr Kollege Dr. Runge gebeten.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Auf den Redebeitrag des Kollegen Kaiser habe ich entgegnet, dass ich manches differenzierter sehe. Gleiches gilt für den Redebeitrag des Kollegen Hoderlein. Auf einen groben Klotz gehört aber ein ebensolcher Keil. Kollege Müller – auch Kollege Pschierer hat vorhin schon die Geschichte bemüht – hat Ausflüge in die Geschichte gemacht, und zwar nicht in die wirtschaftspolitische Geschichte, sondern ist auf einmal auf die frühere DDR, die PDS und Altkommunisten zu sprechen gekommen. Da vergessen Sie einfach die Hälfte der Wahrheit. Schauen Sie sich doch einmal die Blockflöten an, die jetzt für die CDU im Bundestag sitzen. Rufen Sie sich in Erinnerung zurück, dass Ihr Ministerpräsident Strauß mit dem Geldkoffer nach drüben gegangen ist und dieses System künstlich am Leben gehalten hat, während man uns GRÜNE nicht hat einreisen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Pschierer, Ihre Worte waren zwar wohlklingend, aber die meisten gingen haarscharf an der Realität vorbei. Selbstverständlich ärgern Sie sich, wenn Herr Wiedeking Werbung für die Bundesregierung macht. Herr Wiedeking bezeichnet sein Unternehmen immer als mittelständisch; ich sehe das nicht so. Sie ärgern sich jedenfalls darüber, egal, von welcher Kategorie dieses Unternehmen ist. Dann haben Sie eine Reihe von Berufsgruppen bemüht – Sie haben sie Protagonisten genannt – und gemeint, die würden alle unter der Steuerreform leiden oder jedenfalls nicht davon profitieren. Herr Kollege Pschierer, schauen Sie sich einmal an, wer dadurch mehr Geld in der Tasche hat. Das ist beispielsweise die vierköpfige Familie mit einem Bruttoeinkommen von 60000 DM, die letztes Jahr 2000 DM mehr in der Tasche hatte als 1998.

(Zuruf des Abgeordneten Pschierer (CSU))

Die Tatsache, dass der Steuersatz in der letzten Stufe von 25,9% auf 17% gesenkt wird und der Grundfreibetrag von 12300 DM auf 14000 DM steigt, nützt vor allem den Berufsgruppen, die schlechter verdienen, und vor allem den mittelständischen Unternehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das verschweigen Sie immer; vielleicht verstehen Sie es einfach nicht.

(Zuruf des Abgeordneten Pschierer (CSU))

Ihren Einsatz für den Mittelstand konnten wir in diesem Hause in den letzten Wochen reichlich erleben. Als Stichwort nenne ich die Novellierung der Verpackungsverordnung, sprich Dosenpfand. Hier macht sich die Staatsregierung zum Erfüllungsgehilfen der Verpackungsindustrie, von west- und norddeutschen Großbrauereien und von Discountern und schadet massiv dem bayerischen Mittelstand.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Als nächstes Stichwort nenne ich die Absetzbewegung der Staatsregierung bei der restriktiven Handhabung von Factory Outlet Centres. Auch das ist überaus mittelstandsfeindlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun möchte ich noch einige wenige Sätze zu Ihrem mittelfränkischen Hoffnungsbrummer sagen; leider ist er jetzt nicht da. Zuhören und mitdenken sind nicht die Stärken von Herrn Söder. Ich habe gesagt, dass wir die Inflation, vor allem die Zahlen vom Mai, sehr, sehr ernst nehmen. Kurzfristige Konjunkturprogramme oder ein Vorziehen der Steuerreform sind doch keine Instrumente, um die Stabilität des Geldwertes zu sichern, ganz im Gegenteil. Wir haben auch gesagt, dass man über die wirtschaftliche Lage diskutieren muss. Wir halten allerdings die Rede von Minister Wiesheu in der x-ten Auflage für verzichtbar. Es kommt darauf an, wie diskutiert wird. Es hat wenig Sinn, dass alles in grobschlächtigem Getöse untergeht. Viele Ihrer Vorschläge sind diskutierbar, manche sogar sinnvoll, aber sie gehen unter.

Herr Dinglreiter, Sie fordern, zu privatisieren und zu deregulieren. Das sehen wir für manche Felder auch so. Warum aber geschieht das in Bayern am allerwenigsten? Was geschieht denn bei der Organisationsprivatisierung bei den Stadtwerken, Stichwort Vergaberecht? Hier passiert nichts, obwohl der Wirtschaftsminister dies längst angekündigt hat? Da lässt er sich vom Innenminister ausbremsen. Der Virtuelle Marktplatz Bayern ist Staatswirtschaft pur. Die kleinen Internetdienstleister werden an die Wand gedrückt werden. Man sollte also im eigenen Haus anfangen und nicht immer nur mit dem Finger auf die anderen zeigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich erteile das Wort Herrn Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie zu einer zusammenfassenden Stellungnahme.

Herr Präsident, Hohes Haus! Wenn Herr Dr. Kaiser schon zitiert, dann soll er das bitte ausreichend tun. Aus dem Artikel von Marc Beise „KonjunkturJo-jo“ hat er lediglich den Satz zitiert, dass trotz negativer Meldungen

die Entwicklung im Jahr 2002 durchaus noch besser werden könnte. Die Formulierung lautet weiter: „... wenn die Tarifpartner Maß halten und die Politik die Wirtschaft nicht weiter verunsichert, sondern sie im Gegenteil sogar durch gezielte Maßnahmen (wie etwa das Vorziehen der Steuerreform) rechtzeitig in Stimmung bringt.“ Das haben Sie leider ausgelassen.

(Beifall bei der CSU)

Diese Diskussion kann man nicht mit Zinkereien und Tricksereien bestreiten wollen; das ist zu schwach.

Herr Kollege Dr. Runge, die Bahnprivatisierung ist mit grundgesetzändernder Mehrheit im Bundestag beschlossen worden, sonst wäre sie nicht möglich gewesen. Deshalb finde ich es seltsam, dass einzelne Schuldzuweisungen gemacht werden.

(Dr. Runge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genau das habe ich gesagt!)

Sie werfen mir vor, ich bringe meine Argumente zum wiederholten Mal. Ich werde sie noch sehr oft bringen, so lange, bis sie auch Ihnen einleuchten.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Schläger, nun zur Strukturreform in Oberfranken. Ich habe das Gutachten der GFK nicht zurückgehalten, sondern wir haben dort eine Konferenz mit einer Reihe von Vertretern aus der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Kommunalpolitik abgehalten, denen das Gutachten rechtzeitig zur Verfügung gestellt wurde, damit sie es gründlich lesen und wir darüber reden können. Das würde ich Ihnen auch empfehlen, weil Sie dann feststellen würden, dass einiges für Oberfranken spezifisch gilt und anderes für Oberfranken genauso wie für andere Regionen in Bayern. Für Oberfranken ist spezifisch – ich weiß nicht, warum man das nicht erwähnen soll –, dass es dort logischerweise eine hohe Zahl von Einpendlern gibt. Es wird sie auch weiterhin geben. Das gehört zum Thema Grenzgebiet. Die Probleme auf der sächsischen Seite kann man aber auf der bayerischen Seite nicht lösen, sondern nur auf der sächsischen.

Das spezifische Problem auf der bayerischen Seite besteht darin, dass in Nordostoberfranken Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe abgebaut worden sind und nicht angemessen durch Dienstleistungsarbeitsplätze kompensiert werden konnten. Der Zuwachs bei Dienstleistungsarbeitsplätzen beträgt landesweit 10 bis 12%, dort bisher nur 2%. Wir bemühen uns darum, mehr Arbeitsplätze dazuzugewinnen, aber dieser Prozess ist zäh. In der Porzellanindustrie haben nämlich sehr viele angelernte Kräfte gearbeitet, die nicht ohne weiteres woanders hinversetzt werden können. Deshalb brauchen wir dort verstärkt Arbeitsplätze im produzierenden Bereich. Das war auch der Hintergrund für die Überlegung, dass BMW dorthin kommt. Die Aussage, da sehe man wieder einmal, was das Wort des Ministerpräsidenten zählt, ist nicht nur polemisch, sondern auch falsch. Das ist völlig abseitig. BMW entscheidet eigenständig. Dann ziehen Sie den Vergleich zur Bahn, erklären, dass dort auch der Vorstand entscheidet, der merkwürdiger

weise die Ausbesserungswerke in Bayern und in Sachsen stilllegt. Beide Unternehmer haben aber einen Eigentümer, und das ist, anders als bei BMW, bei der Bahn der Bund, der durch die Bundesregierung vertreten wird.

(Beifall bei der CSU)

Herr Hoderlein, Sie haben ausschließlich im Falle des Bahnausbesserungswerks in Nürnberg an die Gemeinsamkeit appelliert. Dieser tränenreiche Appell liegt etwas daneben, weil sich tatsächlich der Bundestagsabgeordnete in Nürnberg – fragen Sie nach – deshalb schriftlich an den Bundesverkehrsminister und an den Bundeskanzler gewandt hat. Er schreibt, dass die Bundesregierung hier höchstselbst in der Verantwortung steht. Da kann ich ihm nur Recht geben. Ich bringe Ihnen den Brief morgen mit. Das ist nun einmal so. Das kann man nicht einfach durch einen Vergleich mit BMW neutralisieren.

Sie haben den Flop des Interregio 25 erwähnt. Wo bleiben denn da die SPD und die GRÜNEN? Da fahren Bundestagsabgeordnete von der Oberpfalz nach Berlin. Herr Stiegler erzählt davon, welch großen Krach er gemacht hat. Was hat das denn genützt? Was ist bisher herausgekommen, und was kommt im nächsten Jahr raus? Die Bundesbahn will sämtliche Interregios einstellen, die Bundesregierung stellt sich taub, und die bayerische SPD stellt sich stumm und blind.

(Zuruf des Abgeordneten Schläger (SPD))

Der Bundesfinanzminister kündigt an, er möchte das im Rahmen der Finanzrevision den Ländern aufs Auge drücken. Was geschieht denn von eurer Seite, verdammt noch mal?

Wer rührt sich denn? Keiner! Man will das Problem über die Bundestagswahl hinwegschleppen und dann so tun, als habe man mit dem Thema nichts zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Es ist generell mein Eindruck, dass SPD und GRÜNE, solange sie in der Opposition waren, immer nur Bahn und Bahn und Bahn gerufen haben, davon aber, seitdem sie in der Regierung sind, nichts mehr sehen, hören oder sagen. Das ist vorbei.