Das Gesetz taugt nicht, um die Bevölkerung zu schützen. Es lenkt von Ihren gravierenden Versäumnissen beim Strafvollzug und der Forsenik ab.
Das Gesetz ist darüber hinaus verfassungsrechtlich höchst bedenklich – Stichwort: Rückwirkungsverbot, fehlende Gesetzgebungskompetenz eines Landes. Ich bin mir sicher, dass das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht landen wird.
Den Vorwurf, den ich in den Beratungen vonseiten der CSU und teilweise aus den Reihen der SPD gehört habe – wer dem Gesetz nicht zustimme, würde Täterschutz betreiben – weise ich auf das Schärfste zurück. Ich engagiere mich – und viele der Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion auch – seit vielen Jahren in Initiativen, die sich um die Opfer von Gewalt, insbesondere von sexueller Gewalt kümmern, wie Frauennotrufe, Wildwasser, Frauenhäuser.
Insbesondere von Ihnen, meine Damen und Herren von der CSU, die sich jahrelang beharrlich weigerten, die Gewalt an Frauen und Mädchen überhaupt als Problem zur Kenntnis zu nehmen, die verharmlost haben bis es nicht mehr ging, brauchen wir uns keinerlei Vorwürfe machen zu lassen.
Wir lehnen den Gesetzentwurf ab, weil er zu keinem verbesserten Schutz führt. Wir fordern Sie auf: Verbessern Sie das Gutachterwesen, schaffen Sie mehr Therapieplätze, qualifizieren Sie Richter, Richterinnen, Staatsanwälte, Justizvollzugsbeamte und stellen Sie mehr Fachpersonal zur Verfügung.
Bevor wir in der Aussprache fortfahren, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Mediengesetzes, Drucksache 14/7485, bekannt: Ja-Stimmen: 142, Nein-Stimmen: 13, Stimmenthaltungen: 1. Damit ist der Gesetzentwurf in der Fassung des federführenden Ausschusses für Hochschule, Forschung und Kultur angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Mediengesetzes“.
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir wissen, dass kaum ein Thema die öffentliche Meinung mehr bewegt als die Gefahren, die von hochgefährlichen und rückfallgefährdeten, besonders uneinsichtigen Straftätern in unserem Land ausge
hen. Insbesondere die Eltern kleiner Kinder haben Angst vor den Gefahren, die ihren Kindern tagtäglich durch bereits entlassene, aber weiterhin in höchstem Maße gefährliche Straftäter drohen.
Nach derzeitiger Rechtslage besteht eine Lücke bei dem Schutz der Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern, die zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurteilt sind, die formellen Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung erfüllen, sich im Vollzug der Freiheitsstrafe als besonders rückfallgefährdet erweisen und im Fall der Haftentlassung elementare Rechtsgüter anderer erheblich gefährden. Diese Lücke besteht deshalb, weil die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches nur im sogenannten Erkenntnisverfahren, das heißt zusammen mit der strafrichterlichen Verurteilung angeordnet werden kann, nicht aber mehr nach Erlass des Strafurteils. Auch das Bayerische Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung, das sogenannte Unterbringungsgesetz, hilft in solchen Fallkonstellationen leider nicht weiter. Es greift nämlich nur dann ein, wenn die Gefahr von einem psychisch kranken Rechtsbrecher ausgeht.
Bayern hat deshalb auf Bundesebene bereits mehrfach den Vorstoß unternommen, im Strafgesetzbuch die nachträgliche Sicherungsverwahrung zu verankern, zuletzt im Sommer dieses Jahres, ist dabei aber wiederum, wie bereits in den Jahren 1998 und 2000, am Widerstand der SPD-regierten Länder gescheitert. Offensichtlich besteht dort keine Einigkeit darüber, ob gefährliche Sexualstraftäter – ich zitiere eine Äußerung des Bundeskanzlers nach dem Fund der Leiche der kleinen Julia – „für immer wegzuschließen sind“, oder ob scheinbare verfassungs- und kompetenzrechtliche Probleme eine solche Lösung nicht zulassen.
Frau Köhler, Sie haben uns vorgeworfen, wir würden das Gesetz unter populistischen Vorzeichen erlassen. Wenden Sie sich an den Bundeskanzler, und erinnern Sie ihn an seine Äußerung.
Wir wollen aber nicht nur wie der Bundeskanzler ein reines Lippenbekenntnis in diesem Fall abgeben – dafür ist die Sache zu ernst –, nämlich dass Sexualstraftäter auch nach verbüßter Gefängnisstrafe noch weggeschlossen werden, wenn sich während der Haft herausstellt, dass ein Straftäter weiter gefährlich bleibt, sondern wir wollen durch den vorliegenden Gesetzentwurf dafür sorgen, dass unsere Bevölkerung auch tatsächlich vor gefährlichen Wiederholungstätern bestmöglich geschützt wird.
Ihre Parteigenossin, die Bundesjustizministerin, hat uns im Übrigen ausdrücklich zu diesem Schritt ermuntert. Sie schreibt uns, dass eine landesrechtliche Regelung über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vorzugswürdig sei, weil dem Bundesgesetzgeber dazu die Kompetenz fehle. Frau Köhler, ich glaube nicht, dass uns die Bundesjustizministerin zu einem verfassungswidrigen Handeln auffordern will.
Im Gegensatz dazu können sich offenbar nicht alle in der bayerischen SPD der Meinung ihrer Justizministerin anschließen. Schlimmer noch, die SPD-Fraktion weiß offensichtlich selbst nicht genau, welche Ziele sie eigentlich verfolgen will. Während die Kollegen im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit sich unseren guten Argumenten, warum der vorliegende Gesetzentwurf unentbehrlich ist, angeschlossen haben, fehlt offensichtlich den im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen vertretenen Abgeordneten und besonders dessen Vorsitzenden, der sich immer wieder mit Zwischenrufen meldet, diese Einsicht.
Sie verstecken sich vielmehr hinter verfassungsrechtlichen Scheinargumenten und verweigern sich einem wirksamen Schutz der Bevölkerung vor diesen hochgefährlichen Straftätern. Warum sonst hätten Sie denn diesen Gesetzentwurf im Ausschuss abgelehnt?
Sie folgen leider irrigerweise weiterhin der Ansicht, das Gesetz umgehe das Strafrecht, für das die Regelungskompetenz selbstverständlich beim Bund liegt. Dies folge bereits aus den zahlreichen Anknüpfungen an die Regelung über die Sicherungsverwahrung des § 66 des Strafgesetzbuches.
Der Gesetzentwurf der Staatsregierung, der uns zur Abstimmung vorliegt, knüpft gerade deshalb immer wieder an die Regelungen dieses § 66 des Strafgesetzbuches an, weil durch die dort niedergelegten hohen Hürden für die Anordnung der Sicherungsverwahrung und die umfassende Sicherung der Rechte der betroffenen Straftäter sichergestellt werden soll, dass rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten werden, für deren Gewährleistung sich die Bayerische Staatsregierung immer eingesetzt hat. Auch aus diesem Grunde greifen wir auf ein bewährtes Instrumentarium zurück.
Auch Ihr Argument, dass die Möglichkeit der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung zu einer massiven Verschlechterung des Anstaltsklimas führt, trifft nicht zu.
Wir können in diesem Zusammenhang auf erste Erfahrungen aus Baden-Württemberg verweisen, wo das Straftäterunterbringungsgesetz zum 15. März in Kraft trat. Dort zeigt sich nämlich, dass der überaus positive Nebeneffekt eingetreten ist, dass sich die Disziplin in den Justizvollzugsanstalten enorm verbessert hat. Es gibt deutlich weniger Übergriffe gegenüber Beschäftigten und Mitgefangenen.
Lassen Sie mich ein letztes Argument aus den Ausschussberatungen aufgreifen. Sie bemängeln, dass die Anzeigebereitschaft bei sexuellen Übergriffen im Familienkreis, die man mit allen möglichen vertrauensbilden
den Maßnahmen zu steigern versucht, zurückgehen wird, wenn das Opfer befürchten muss, dass der Familienangehörige als Täter ewig hinter Gittern bleiben wird. Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang die Frage: Soll solch ein Täter denn besser entlassen werden und weiter seine Töchter, Nichten oder sonst irgendjemanden belästigen und missbrauchen dürfen?
Erst am Donnerstag letzter Woche war in der „tz“ von einem Verein mit dem Namen „Krumme 13 – KINDERLIEBE – LIEBE KINDER“ zu lesen, indem sich bekennende Pädophile aus ganz Deutschland zusammengeschlossen haben, um eine Reform des Sexualstrafrechts zu fordern, die „die sexuelle Selbstbestimmung von Pädophilen bzw. Päderasten und Kindern sicherstellt.“ Auf der Homepage dieser Organisation fordern die pädophilen Vereinsmitglieder, von denen die meisten derzeit wegen Sexualdelikten im Gefängnis sitzen, die Straftatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern sowie des Besitzes und der Herstellung von Kinderpornographie abzuschaffen. Solche Vereine und Äußerungen zeigen noch einmal sehr deutlich, wie dringend notwendig es ist, solche Straftäter sicher zu verwahren, auch wenn sich erst während der Strafhaft zeigt, dass konkrete Anhaltspunkte wie eine Therapieverweigerung, aber auch entsprechende Äußerungen, für erneute Straftaten nach Verbüßung der Freiheitsstrafe vorliegen.
Solche Leute, meine Damen und Herren, wollen Teile der SPD und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN wieder unter die Bevölkerung lassen.
Das ist keine Frechheit, sondern die Beschreibung Ihres Abstimmungsverhaltens. Sie können anschließend durch Ihr Abstimmungsverhalten zeigen, dass Sie persönlich dieser Vorwurf nicht trifft.
Dennoch soll nicht der Eindruck entstehen, dass dieses Gesetz ausschließlich auf Sexualstraftäter anwendbar sei. Von ihm werden vielmehr alle Fälle erfasst, in denen von Straftätern mit schwerwiegenden Vorstrafen gegenwärtige erhebliche Gefahren für bedeutsame Rechtsgüter anderer ausgehen, weil anzunehmen ist, dass sie nach ihrer Entlassung erneut straffällig werden. Auch Rechtsextreme oder sonstige unbelehrbare und hochgefährliche Gesinnungstäter mit hohem Gefährdungspotential werden davon durchaus erfasst.
Insbesondere aber Fälle wie der, den das baden-württembergische Justizministerium im Rahmen der dortigen Beratungen zum Straftäterunterbringungsgesetz geschildert hat, zeigen sehr deutlich, worauf das Gesetz vor allem hinauslaufen wird. Der Leiter einer dortigen JVA hatte seinerzeit beim Justizministerium und den Sicherheitsbehörden händeringend versucht, die Entlassung eines Häftlings zu verhindern. Für ihn war nämlich vollkommen klar, dass dieser Täter wieder schwerste Straftaten begehen würde. Mangels eines Instrumentariums konnte er die Haftentlassung aber doch nicht verhindern. Dann kam, was leider unter den damaligen rechtlichen Voraussetzungen nicht verhindert werden konnte: Der Täter wurde entlassen und hat 14 Tage spä
ter erneut eine junge Frau in seine Gewalt gebracht, mehrfach vergewaltigt und auf brutalste Weise misshandelt. Ich denke, solche Fälle zeigen uns ganz eindringlich die Notwendigkeit dieses Straftäterunterbringungsgesetzes auf.
Die rechtsstaatlichen Sicherungen, die wir in den Gesetzentwurf eingebaut haben, um die Rechte des Betroffenen zu sichern – ich nenne die Schlagworte Begutachtung durch zwei unabhängige Gutacher, die Zuständigkeit einer mit drei Richtern besetzten Strafvollstreckungskammer, anwaltlicher Beistand, regelmäßige Überprüfung der Entscheidung sowie Rechtsmittel dagegen – sichern nach unserer Überzeugung die Verfassungskonformität des Gesetzentwurfs.
Dennoch muss ausdrücklich hervorgehoben werden, dass für die Bayerische Staatsregierung gilt: Opferschutz geht vor Täterschutz.
Lassen Sie mich Ihnen am Ende versichern, dass uns – ich wiederhole es – ein bundeseinheitliches Vorgehen erheblich lieber wäre, aber wir auf Landesebene alles tun müssen, damit Vorfälle wie die genannten zumindest in Bayern nicht mehr vorkommen, solange der Bund weiterhin die Augen vor diesem Problem verschließt. Ich weiß, dass der Gesetzentwurf keinen Schutz vor Straftätern bietet, die nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafe in anderen Ländern nach Bayern umziehen. Herr Kollege Dr. Jung, Sie haben das Problem offensichtlich nicht erkannt, jedenfalls haben Sie nicht dazu Stellung genommen. Die Frage liegt jedoch – das ist in den Ausführungen des Herrn Kollegen Kreuzer deutlich geworden – verfassungsrechtlich nicht in der Kompetenz des bayerischen Gesetzgebers.
Auch aus diesem Grunde haben wir unseren Gesetzentwurf bewusst sehr eng an das baden-württembergische Straftäterunterbringungsgesetz angelehnt, um zumindest im Süden der Republik hochgefährlichen Straftätern keine Gelegenheit mehr zu bieten, erneut derart abscheuliche Straftaten zu begehen. Zusätzlich wird Bayern weiterhin nichts unversucht lassen, um den Bund endlich zu einem Tätigwerden zu bewegen, damit dieser Schutz für die ganze Bundesrepublik gewährleistet ist.
Zum Schluss meiner Ausführungen darf ich klarstellen, dass diejenigen, die dem vorliegenden Regierungsentwurf nicht zustimmen, sich der Verantwortung bewusst sein müssen, die sie auf sich laden, wenn sich künftig ein derartiger Fall ereignet. Ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, möchte dieses Risiko nicht eingehen und bitte Sie deshalb herzlich – ich appelliere dabei ausdrücklich auch an die Einsichtigen in der SPD –, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Wenn es auch nur wenige Straftaten sein sollten, wenn es auch nur eine einzige Straftat ist, die durch dieses Gesetz verhindert werden kann, dann hat es sich gelohnt, dieses Gesetz zu entwerfen und in Kraft zu setzen.
Gesetzentwurf auf Drucksache 14/7642 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit auf Drucksache 14/8236 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt die unveränderte Annahme. Der Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen stimmt bei seiner Endberatung ebenfalls zu. Als Datum des In-Kraft-Tretens schlägt er vor, in Artikel 9 den „1. Januar 2002“ einzufügen.
Wer dem Gesetzentwurf mit dem vom federführenden Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen vorgeschlagenen Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der CSU, Teile der Fraktion der SPD und Herr Kollege Hartenstein. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind einige Kollegen von der SPD-Fraktion und das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung bei der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Dann ist so beschlossen.
Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, treten wir gemäß § 60 der Geschäftsordnung unmittelbar in die Schlussabstimmung ein. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf mit dem vom federführenden Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen vorgeschlagenen Zeitpunkt des In-KraftTretens seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Die Fraktion der CSU, große Teile der SPD und Kollege Hartenstein stimmen zu. Gegenstimmen? – Das sind einige Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Eine Stimmenthaltung bei der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Das Gesetz ist damit angenommen. Es hat den Titel: „Bayerisches Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern“.