Protokoll der Sitzung vom 12.12.2001

Mit der Annahme des Gesetzentwurfs in der Fassung des federführenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen hat der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Eykmann und Ach auf der Drucksache 14/8030 seine Erledigung gefunden. Das Hohe Haus nimmt davon zustimmend Kenntnis. Die Beratungen zum Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2002 sind damit abgeschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 10

Gesetzentwurf der Staatsregierung

Bayerisches Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern (BayStrUBG) (Drucksache 14/7642)

Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit beträgt 30 Minuten pro Fraktion. Das Wort hat Herr Kreuzer. Bitte, Herr Kollege Kreuzer.

Herr Präsident, Hohes Haus! Staatsregierung und CSU-Fraktion versuchen, mit diesem Gesetzentwurf eine bedenkliche Sicherheitslücke zu schließen, die zu einer Gefährdung unserer Bevölkerung führt. Mit anderen Worten: Wir versuchen, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, vor allem auch der Kinder, und in Ausnahmefällen das Leben der Menschen in unserem Freistaat zu schützen und Gefahren abzuwenden. Bisher besteht bei besonders gefährlichen Straftätern nur die Möglichkeit, dass das Gericht bereits in der Hauptverhandlung zusammen mit dem Strafmaß als Maßregel der Besserung und Sicherung die Sicherheitsverwahrung verhängt. Dies geschieht in vielen Fällen nicht, weil von vornherein oft nicht absehbar ist, ob nach der Haftverbüßung noch eine Gefährlichkeit vorliegt. Dies geschieht vor allem relativ selten bei Ersttätern.

Es gibt aber Fälle, bei denen sich in der Haft herausstellt, zum Beispiel durch Äußerungen der Häftlinge, dass auch nach der Haftverbüßung von der betreffenden Person eine hohe Gefährlichkeit, ein enormes Gefahrenpotenzial ausgeht. In solchen Fällen haben wir momentan keine vernünftigen Handlungsmöglichkeiten. Natürlich ist klar, dass ein solcher Täter nicht vorzeitig aus der Haft entlassen wird. Wenn aber seine Haftstrafe abgelaufen ist, also die volle Zeit verbüßt ist, muss er trotz Gefährlichkeit aus der Haft entlassen werden. Da hilft uns auch das Unterbringungsgesetz dann nicht weiter, wenn ein solcher Mensch nicht psychisch krank ist. Dies ist nach dem bayerischen Unterbringungsgesetz nämlich die Voraussetzung. Es gibt aber eben auch Fälle, in denen keine psychische Erkrankung vorliegt. Dies sind Einzelfälle, aber, meine Damen und Herren, sie kommen vor. Ich erinnere an einen Fall in Baden-Württemberg, wo ein Anstaltsleiter händeringend versucht hat, die Gefährlichkeit eines Täters zu dokumentieren, zum Justizministerium und wegen der Unterbringung zur Sicherheitsbehörde gegangen ist, wo aber nichts erreicht werden konnte, sondern der Täter entlassen werden musste. Nach wenigen Monaten in Freiheit hat er wieder ein Mädchen entführt, es tagelang in seiner Gewalt gehalten, sexuell missbraucht, körperlich schwer misshandelt; sie ist gerade noch mit dem Leben davongekommen. Meine Damen und Herren, dies ist ein Fall, bei dem die Gefährdung absehbar gewesen ist und die Leute, die sich mit diesem Fall befasst haben, davon ausgehen mussten, dass wieder etwas passieren wird.

Wir haben versucht, eine bundesgesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen, nämlich eine Änderung der bundesgesetzlichen Strafvorschriften, in Form einer Erweiterung der Maßregel der Besserung und Sicherung im Strafgesetzbuch durch die Einführung der nachträglichen Sicherheitsverwahrung. Wir haben dies im Bundesrat dreimal versucht, zuerst 1998 und zuletzt im Jahr 2001. Dies ist dreimal von den SPD-geführten Bundesländern abgelehnt worden, sodass die bundesrechtlichen Vorstöße ohne Erfolg geblieben sind. Meine Damen und Herren, dies zeigt wieder einmal, dass die Sicherheit unserer Menschen bei Rot und Grün nicht in guten Händen ist.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben nichts anderes als große Wort auf Lager. Der Bundeskanzler verkündet: Menschen, die Kinder missbrauchen, gehören eingesperrt und weggesperrt für immer. Wenn es aber darauf ankommt, meine Damen und Herren, dann handeln Sie nicht, sondern dann verweigern Sie sich.

(Beifall bei der CSU)

Dies gilt auch für Bayern. Die GRÜNEN lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Sie halten es nicht für notwendig, dass ein Täter, dessen Gefährlichkeit klar ist, bei dem auf der Hand liegt, dass er wieder straffällig wird, nicht entlassen wird. Die bayerische SPD, meine Damen und Herren, hat mit diesem Thema große Schwierigkeiten. Sie haben in Ihrer Fraktion zwar eine Mehrheitsentscheidung herbeigeführt, ich weise aber darauf hin, dass alle SPD-Mitglieder des Rechtsausschusses im Rechtsausschuss diesen Gesetzentwurf abgelehnt haben. Mit anderen Worten, meine Damen und Herren: Wenn SPD und GRÜNE hier regieren würden, dann wären sie nicht in der Lage, aus eigener Kraft ein so wichtiges Gesetz durchzusetzen. Sie würden genauso wie auf Bundesebene versagen.

(Beifall bei der CSU)

Dieses Gesetz wird den rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht. Natürlich erfolgt eine solche Unterbringung nur nach richterlicher Anordnung auf Antrag der Justizvollzugsanstalt. Natürlich ist dies keine Sache für immer, sondern es wird regelmäßig überprüft, ob sich am Zustand etwas geändert hat, nämlich spätestens alle zwei Jahre. Natürlich hat jeder die Gelegenheit, sich zu bessern, zum Beispiel an Therapien teilzunehmen, die, wenn sie Erfolg haben, zu einer Aufhebung der Maßnahme führen können.

Hier geht es also nicht um ein Wegsperren für immer in einem einmaligen Akt. Die Gefährlichkeit muss vielmehr regelmäßig überprüft werden. Wir sind nicht glücklich darüber, dass es nicht gelungen ist, auf Bundesebene eine solche Regelung einzuführen. Ich weise darauf hin, wenn gefährliche Straftäter in anderen Bundesländern aus der Haft entlassen werden und ihren Wohnsitz dann in Bayern nehmen, können wir mit einem bayerischen Gesetz nichts ausrichten. Deshalb fordern wir nach wie vor eine bundeseinheitliche Regelung zum Schutz der Menschen.

Ich freue mich dennoch, dass die überwiegende Mehrheit der bayerischen SPD signalisiert hat, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Meine Damen und Herren von der SPD, ich fordere Sie auf, an einer noch besseren Lösung dieses Problems mitzuwirken, nämlich an einer entsprechenden Änderung des Strafgesetzbuchs. Damit könnte der Schutz der Bevölkerung besser als mit einem Landesgesetz sichergestellt werden. Für uns ist dieses Gesetz jedoch der einzige Weg, das Problem zu lösen. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Dr. Jung.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kreuzer, Sie haben das große Geheimnis bereits vorweggenommen: Die übergroße Mehrheit der SPD-Fraktion wird dem Gesetzentwurf zustimmen. Auch wir haben erkannt, dass hier eine Lücke besteht, die zwar nicht viele Fälle betrifft, aber durchaus Fälle, die sehr dramatisch sind. Ich bin davon überzeugt, dass es Fälle gibt, bei denen der Richter nicht von vornherein die Gefährlichkeit eines Täters richtig einschätzen kann, weil sich die Gefährlichkeit erst während der Haftzeit herausstellt. In solchen Fällen ist es vernünftig, dass der Staat noch einmal eingreifen kann, um die Bevölkerung vor solchen Straftätern wirksam und effektiv zu schützen.

Viele beklagen das Fehlen einer bundeseinheitlichen Regelung. Ich bin demgegenüber froh, dass wir wieder einmal etwas auf Landesebene regeln können. Wir beklagen doch sonst immer den Bedeutungsverlust der Landesparlamente. In diesem Gesetzentwurf geht es um Vorbeugung und Prävention. Dies ist eindeutig Landessache. Deshalb ist es vernünftig, wenn diese Regelung vor Ort getroffen wird. Sie haben sich gefragt, was wohl passieren würde, wenn die SPD in Bayern regieren würde, weil wir bei diesem Gesetzentwurf einige Abweichler haben. Ich sage Ihnen: Das wäre kein Problem. Dann gäbe es eine Vertrauensfrage. Dann würden wir diesen Gesetzentwurf ebenso durchbringen, wie wir unsere Gesetzentwürfe in Berlin durchbringen. Diese Sorge kann ich Ihnen nehmen.

Ich kann Ihnen sagen, dass wir diesen Gesetzentwurf breitest mittragen werden. Ich möchte die inhaltlichen Ausführungen des Herrn Kollegen Kreuzer nicht wiederholen. Er hat alles korrekt vorgetragen.

Ich möchte aber einen weiteren Umstand nicht unerwähnt lassen, der mich sehr bewegt: Wir diskutieren hier um ein Sicherheitsgesetz. Von der Bayerischen Staatsregierung haben wir aber leider bis heute kein Wort dazu gehört, dass die Einführung des europäischen Haftbefehls kurz vor dem Scheitern stand. Am letzten Dienstag fand eine Kabinettssitzung zur Vorbereitung auf den EUGipfel von Laeken statt. Dabei wurde groß und breit verkündet, man brauche eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Mitgliedstaaten und ein Referendum über den künftigen europäischen Verfassungsvertrag. Staatsminister Bocklet verkündete die große Weisheit, man dürfe das Pferd nicht beim Schwanz aufzäumen. In dieser Erklärung stand jedoch mit keinem Wort, dass wir einen europäischen Haftbefehl brauchen.

Herr Kollege Dr. Jung, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Welnhofer?

Herr Kollege Dr. Jung, ich bin etwas irritiert. Sind Sie sicher, dass wir gerade in Zweiter Lesung über den gleichen Gesetzentwurf verhandeln, der kürzlich im Rechtsausschuss beraten wurde? Das Gesamtgepräge der Diskussion im Rechtsausschuss war insbesondere seitens der Opposition ein völlig anderes. Sind Sie sicher, dass wir über den gleichen Gesetzentwurf reden?

Selbstverständlich. Ich habe Verständnis dafür, dass es Sie stört, wenn wir im Zusammenhang mit Sicherheitsfragen auch über Versäumnisse der Staatsregierung sprechen. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen. Ich halte es für einen skandalösen Vorgang, dass ganz Europa diesen Haftbefehl will, das Land Italien sich jedoch bis heute verweigert und das bayerische Kabinett über diesen EU-Gipfel berät und dabei keine Silbe über den Stoiber-Duzfreund Berlusconi verloren wird.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bei diesem Haftbefehl ging es um weitaus gravierendere Probleme als in dem Gesetzentwurf, den wir heute beraten. Bei diesem Haftbefehl ging es um internationalen Terrorismus, Steuerhinterziehung, vorsätzliche Tötung, Entführung minderjähriger Kinder usw. All dies soll europaweit nicht verfolgt werden, nur weil Sie Herrn Berlusconi weiterhin zu Parteitagen einladen wollen. Dieses Thema muss in diesem Hause angesprochen werden. Schließlich geht es hier um eine wichtige sicherheitspolitische Frage.

(Beifall bei der SPD)

Sie dürfen sicher sein: Die Worte von Otto Schily, die er in Erlangen gesagt hat, dass nämlich Sicherheitspolitik und Innenpolitik ein sozialdemokratisches Gütezeichen seien, werden sich in der Bevölkerung mehr und mehr durchsetzen, solange Ihre Freunde EU-weite Haftbefehle nicht wollen.

(Regensburger (CSU): Zur Sache! Das ist ein reines Ablenkungsmanöver!)

Solange Sie solche Freunde haben, wird sich die Sozialdemokratie in Bayern langfristig durchsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Köhler.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kreuzer, Sie können sich Ihre Krokodilstränen sparen; denn Sie haben 16 Jahre Zeit gehabt, dieses Gesetz auf Bundesebene durchzusetzen. Sie haben es aber nicht getan.

Meine Damen und Herren, unstrittig ist, dass die Bevölkerung vor Verbrechen geschützt werden muss. Deshalb gab es 1997 aufgrund von scheußlichen Sexualverbrechen eine intensive öffentliche Diskussion über die Bekämpfung dieser Verbrechen. Der Deutsche Bundestag hat am 26. Januar 1998 das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten verabschiedet. Meine Damen und Herren, schon damals wurde über die nachträgliche Sicherungsverwahrung diskutiert. Obwohl damals andere Mehrheitsverhältnisse im Bundestag herrschten, wurde dieses Instrument bewusst nicht in § 66 Strafgesetzbuch aufgenommen.

Diese Worte, „bewusst nicht aufgenommen“, stehen im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. Meine Damen und Herren, diese Entscheidung muss gewichtige Gründe gehabt haben.

Schließlich wurde die damalige Debatte unter dem Eindruck von schrecklichen Verbrechen geführt. Ich erinnere mich noch genau, dass die Diskussion über diesen Punkt in den Parlamenten unter größter öffentlicher Aufmerksamkeit geführt wurde. Anstatt aber die damals ergriffenen Maßnahmen nach deren Wirksamkeit zu untersuchen und zu durchleuchten, ob sie denn wirklich einen verbesserten Schutz gebracht haben, werden jetzt unter populistischen Vorzeichen neue Gesetze produziert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie selbst haben eingeräumt, dass nur ein sehr kleiner Teil der Fälle von diesem Gesetz erfasst wird. Bundesweit fällt Ihnen gerade ein einziger Fall ein.

(Kreuzer (CSU): Ein Beispiel!)

Die Anwendbarkeit dieses Gesetzes ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Hürden sehr fraglich. Ein Gesetz, das nicht angewendet werden kann, taugt nicht zum Schutz der Bevölkerung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Kreuzer (CSU): Jeder Fall ist einer zuviel!)

Der Bayerische Landtag hat sich in diesem Herbst in zwei Sitzungen mit dem schwierigen Thema „Forensik und Sexualstraftäter“ beschäftigt. Die Aussage von Prof. Nedopil, einem anerkannten Wissenschaftler, mit dem auch die Bayerische Staatsregierung zusammenarbeitet bei dem Landtagshearing hat mich sehr stutzig gemacht. Er sagte nämlich sinngemäß: All die Gesetzesverschärfungen, die wir in den vergangenen Jahren hatten, kosteten sehr viel Geld, hätten aber seiner Einschätzung nach zu keiner wirklichen Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung beigetragen. Das sagt jemand, der es wissen muss. Er hat in seinem Referat auch die nachträgliche Sicherungsverwahrung angesprochen und ausgeführt, dass er von diesem Instrument schlichtweg nichts halte.

Ich befürchte, dass wegen dieses Gesetz bei der Beurteilung im Strafverfahren, ob jemand gefährlich ist, nicht mehr genau hingesehen wird, weil man im Strafvollzug quasi nachträglich feststellen lassen kann, ob von dem Straftäter eine weitere Gefährdung ausgeht. Ich halte dies für eine fatale Entwicklung. Bei der Reformdebatte 1997/1998 mussten wir feststellen, dass das Gutachterwesen ohnehin sehr sehr im Argen liegt. Damals ergab eine Untersuchung, dass 50% der Gutachten fehlerhaft sind. Ich sage Ihnen: Ein fehlerhaftes Gutachten kann fatale Folgen haben.

Bei Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung besteht die Gefahr, dass man sich bei der Begutachtung im Erstverfahren mit dem Verweis auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung nicht mehr sehr bemüht. Ob aber unter den Bedingungen der Haft und der drohenden nachträglichen Sicherungsverwahrung tatsächlich herausgefunden werden kann, ob von jemandem eine Gefährdung ausgeht, ist sehr sehr fraglich.

Die Situation im Strafvollzug zeigt, dass das dortige Personal, insbesondere die Psychiater und Psychologen heillos überlastet sind, es wochen- und monatelange Wartezeiten auf einen Termin gibt und wenig Therapieplätze vorhanden sind. Deshalb habe ich massive Zweifel, ob unter diesen schlechten Bedingungen eine qualifizierte Prognose hinsichtlich der Gefährlichkeit erstellt werden kann als dies jetzt bei der Begutachtung im Strafverfahren ist. Auch wenn ein Gutachter von außen hinzugezogen wird, so werden doch die Erkenntnisse der Anstaltspsychologen eine massive Rolle spielen. Im Strafvollzug – das wissen wir alle – ist derjenige gut dran, der sich an die Vorschriften hält, nicht auffällt und sich ruhig verhält. Aber gerade unter den gefährlichen Sexualstraftätern gibt es einen sehr sehr hohen Anteil – ich habe von 50% gelesen –, der sich im Vollzug völlig angepasst verhält, nicht auffällt aber trotzdem sehr gefährlich ist. Der Mörder von Nathalie zum Beispiel war ein solcher. Sie werden sich bestimmt erinnern.

Außerdem gibt es verschiedene Therapieformen. Es bedeutet einiges an Aufwand um herauszufinden, welche die richtige ist. Eine falsche Therapie anzuwenden ist mindestens genauso risikoreich wie die Verweigerung einer Therapie. Ich will Ihnen von einem Fall in Kaisheim erzählen: Im Urteil steht die Empfehlung, dass der Täter eine spezielle Therapie machen solle. Um herauszufinden, ob der Gefangene für diese Therapie geeignet ist, bedarf es der Vorführung bei einem bestimmten Spezialisten. Um dort einen Termin zu bekommen, muss man ein halbes Jahr vorher anfragen. Der Gefangene bemühte sich schon mehrmals um einen Termin und hat die Zusage des Professors erhalten. Was macht die Anstaltsleitung? – Sie lehnt die Ausführung regelmäßig mit der Begründung ab, es sei zuviel Aufwand, er habe sowieso noch einige Zeit abzusitzen und sie werde sich erst im Stadium der möglichen Entlassung um diese Geschichte kümmern. Der Gefangene, der sich meiner Ansicht nach um die richtige Therapie gekümmert hat, wird also hängen gelassen. Er erhält zwar von einem externen Psychologen einige Stunden. Die Frage, die ihn zurecht umtreibt ist, ob die jetzige Therapie tatsächlich die richtige ist oder ob es die wäre, die ihm vom Gutachter im Urteil empfohlen wird. Sie sehen, dass der Themenkomplex kompliziert ist und differenziert gesehen werden muss.

Zur Vorschrift im Gesetz, die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei denjenigen anzuordnen, die eine Therapie verweigern, kann ich aus der Praxis sagen, dass ich mehr Fälle kenne, die eine Therapie haben wollen aber keine bekommen, weil keine Plätze vorhanden sind, als umgekehrt.

Die Vermittlung in eine Therapie stellt einen großen Aufwand dar. Außerdem gibt es viel zu wenige Plätze. Die Anstaltsleitung unterstellt dem Gefangenen sehr oft, er wolle nur deshalb eine Therapie machen, weil er sich Vollzugslockerungen davon verspreche. Ich sagen Ihnen klipp und klar: Ich habe den Eindruck, dass eine viel größere Gefahr von denjenigen ausgeht, die derzeit in unseren Strafanstalten sitzen und nicht behandelt werden, weil das entsprechende Personal und die Therapieplätze nicht zur Verfügung stehen, als von denjenigen, die sie mit Ihrem Gesetz wegsperren wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)