Protokoll der Sitzung vom 21.02.2002

Frau Ministerin.

Lieber Herr Abgeordneter Hufe, nach meiner Auffassung ist unsere Demokratie ihrem Wesen nach nur denkbar, wenn sich Bürgerinnen und Bürger aktiv in unsere Gesellschaft, in unser Gesellschaftsleben einbringen. Anders ausgedrückt: Die Demokratie lebt davon, dass sich Menschen ehrenamtlich für andere Menschen engagieren und sie unterstützen, sei es in der Selbsthilfe, in Vereinen oder auch in sozialen Diensten, um nur einige Beispiele zu nennen. Nicht nur im internationalen Jahr der Freiwilligen 2001, sondern auch in Zukunft geht es mir darum, diese Leistungen besonders anzuerkennen und zu würdigen.

Eine mit meinem Namen unterzeichnete Ehrenurkunde ist für mich ein Weg, die besondere Wertschätzung des Ehrenamtes auszudrücken, auch wenn solche Urkunden wie im vorliegenden Fall, was von Ihnen kritisiert wird, mit meinem Namen unterzeichnet worden sind. Diese Urkunden tragen aber keinerlei staatliche Symbole, wie zum Beispiel das Große Bayerische Staatswappen oder ein Dienstsiegel. Sie sind nur mit der Unterschrift der zuständigen Ministerin unterzeichnet, sodass die ehrenamtliche Tätigkeit dann auch durch meine Person die notwendige gesellschaftliche Anerkennung findet.

Eine unzulässige Verquickung von Staat und Partei kann ich im vorliegenden Fall nicht erkennen, auch nicht, wenn diese Ehrenurkunden im Rahmen einer von der CSU organisierten Feierstunde überreicht wurden. Eine solche wertende Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit, etwa in Vereinen der Senioren– oder Altenbetreuung, kann wohl nicht davon abhängig sein, wer die Feierstunde organisiert. Ich hoffe, dass wir hier einer Meinung sind. Ich füge hinzu: Im Interesse unserer vielen ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürger würde ich mich auch über entsprechende Aktivitäten der SPD freuen.

Zusatzfrage: Herr Kollege Hufe.

Frau Staatsministerin, wie oft wurden solche Urkunden ausgegeben? Werden solche Urkunden in der Regel von einem Mitglied der Staatsregierung ausgegeben? In meinem Stimmkreis hätten Sie zum

Beispiel Herrn Dr. Weiß darum bitten können. Ich kritisiere, dass ein CSU-Bundestagsabgeordneter – wie dies in der Presse zu lesen war – Urkunden der Staatsregierung bei einer Veranstaltung ausgegeben hat, zu der von der CSU eingeladen worden ist. Ich habe Ihnen die Artikel zugeschickt. Ich halte das nicht für in Ordnung. Deshalb meine Frage: Wie viele Urkunden dieser Art wurden bei CSU-Veranstaltungen schon vergeben?

Bitte, Frau Staatsministerin.

Herr Kollege Hufe, ein Bundestagsabgeordneter, unabhängig davon, ob er der CSU, den GRÜNEN oder der SPD angehört, ist ein gewählter Volksvertreter. Deshalb habe ich kein Problem damit, wenn ein Abgeordneter Ehrenurkunden verteilt. Ich werde den Sachverhalt eruieren und Ihnen eine schriftliche Antwort auf die Frage, wie oft solche Urkunden bei CSU-Veranstaltungen vergeben wurden, nachreichen.

Frau Staatsministerin, Sie haben die an Sie gerichteten Fragen beantwortet. Ich bitte nun den Staatsminister des Innern um die Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen. Die erste Frage stellt Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer.

Herr Staatsminister, ist es bezüglich des Projekts „Betreutes Wohnen“ der Gemeinde Putzbrunn richtig, dass die Bremer Landesbank bereits am 17. November 2000, also 20 Tage vor der Unterzeichnung des Darlehensvertrages am 6. Dezember 2000, eine Kreditrate von 5 Millionen DM an die „Betreutes Wohnen Putzbrunn GmbH“ überwiesen hat, und ist es richtig, dass die Genehmigung der Bürgschaft für das Darlehen durch das Landratsamt erst mit Schreiben vom 28. November 2000 erteilt wurde, und zwar aufgrund einer Weisung durch den Landrat entgegen der ausdrücklichen Stellungnahme der zuständigen Sachabteilung des Landratsamtes?

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, nach den uns vom Landratsamt München übermittelten Informationen trifft es zu, dass die Bremer Landesbank am 17. November 2000 eine Summe von 5 Millionen DM an die BWP GmbH überwies. Dies geschah jedoch nach Abschluss der Kreditverhandlungen am 17. November 2000 zwischen der Gemeinde Putzbrunn, der BWP GmbH und verschiedenen Banken. Als Ergebnis der Verhandlungen stellte sich das Angebot der Bremer Landesbank als das günstigste heraus. Dies ist inzwischen auch durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer bestätigt worden.

Mit der Mitteilung vom 17. November 2000 an die Bremer Landesbank, dass die Gemeinde Putzbrunn eine Ausfallbürgschaft für den Kredit übernimmt, wurde die Bank zugleich darauf hingewiesen, dass die Bürgschaft noch der Genehmigung durch das Landratsamt bedarf.

Die Zahlung von 5 Millionen DM erfolgte also auf eigenes Risiko und in Kenntnis der Tatsache, dass die Bürgschaft der Gemeinde Putzbrunn vom Landratsamt noch nicht genehmigt war.

Der Entscheidung über die Bürgschaftsgenehmigung vom 28. November 2000 ging nach Mitteilung des Landratsamtes eine intensive Prüfung der Genehmigungsfähigkeit voraus, bei der die Gründe für und gegen eine Genehmigung im Einzelnen innerhalb der zuständigen Sachabteilung und mit dem Landrat erörtert wurden. In die Entscheidung des Landrates vom 28. November 2000 war die Sachabteilung des Landratsamtes demnach eingebunden. Der interne Entscheidungsfindungsprozess führte zu dem Ergebnis, dass die Ablehnung der Genehmigung rechtswidrig gewesen wäre.

Zusatzfrage: Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer.

Herr Staatsminister, wie konnten die Gemeinde und der Bürgermeister das Angebot der Kreissparkasse München-Starnberg prüfen und vergleichen, wenn dieses Angebot erst am 17. November 2000 eingegangen ist, also an dem Tag, an dem die Kreditrate von 5 Millionen DM überwiesen wurde?

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, ich kann Ihnen nicht sagen, wie diese Überprüfung erfolgt ist. Ich kann nur sagen: Das Wirtschaftsprüfungsgutachten hat ergeben, dass das Angebot der Kreissparkasse München um einen sechsstelligen Betrag ungünstiger gewesen ist.

Zusatzfrage: Herr Prof. Dr. Gantzer.

Herr Staatsminister, der Bürgermeister selbst hat erklärt, er habe die Bürgschaftserklärung am 17. November nach Bremen gefaxt. Sie haben dies anders dargestellt. Deshalb frage ich Sie: Was hat der Bürgermeister nach Bremen gefaxt?

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, Sie werden verstehen, dass ich die rein technischen Vorgänge nicht auf dem Tisch habe. Ich lese sie nur vor. Inzwischen hat die Gemeinde Putzbrunn durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer ermitteln lassen, dass das Angebot der Bremer Landesbank um 305583,57 DM günstiger als das Angebot der Kreissparkasse München-Starnberg sei. Deshalb habe ich keinen Grund, die Erklärung des Landratsamtes zu beanstanden oder zu vermuten, die Ablehnung wäre rechtswidrig gewesen.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer.

Herr Staatsminister, nachdem ich selbst nachgerechnet habe, ist für mich klar, dass es sich hier um ein Gefälligkeitsgutachten handelt. Die Zahlen stimmen so nicht. Das werde ich Ihnen nachweisen. Ich frage Sie, was Sie aufgrund Ihrer großen Erfahrung als Kommunalminister von dieser Darlehensgewährung und der Bürgschaftserteilung halten.

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, nach den mir vorliegenden Unterlagen erscheint mir dieser Vorgang korrekt. Ich bin aber gerne bereit, Hinweisen, wonach die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft etwas Unrichtiges testiert habe, nachzugehen. Ich bitte Sie, mir diese Hinweise schriftlich zu übermitteln, damit sie entsprechend überprüft werden können.

Frau Kollegin Köhler und Frau Kollegin Stahl haben auf ihre Fragen verzichtet. Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Tausendfreund.

Herr Staatsminister, treffen Presseberichte zu, dass ein Mitarbeiter des Bayerischen Verfassungsschutzes oder des Innenministeriums im Juni 2000 versucht hat, einen bayerischen NPD-Funktionär als Informanten zu werben, handelt es sich dabei um Axel Michaelis und wie wird sichergestellt, dass V-Leute immer entsprechend der Vorschriften angeworben und geführt werden?

Bitte, Herr Staatsminister.

Herr Präsident, liebe Frau Kollegin Tausendfreund, die Anwerbung und das Führen von V-Leuten stellen operativeMaßnahmen einer Verfassungsschutzbehörde dar, die regelmäßig nicht in öffentlicher Diskussion erläutert werden können. Die Einhaltung der V-Mann-Führungsregeln ist eine der wichtigsten Aufgaben der Dienstaufsicht der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes und der Rechtsaufsicht des Innenministeriums.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Tausendfreund.

Hier handelt es sich um einen Vorgang, der in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Welche Recherchen haben Sie angestellt, um herauszufinden, ob dieser Vorgang den Tatsachen entspricht? Welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen? Gibt es in Bayern Fälle, in denen versucht wurde, NPD-Funktionäre zu werben und hatten diese Anwerbeversuche Erfolg?

Bitte, Herr Staatsminister.

Frau Kollegin Tausendfreund, Sie haben Recht. In der

„Woche“ wurde „Herr Michaelis“ – dies ist der korrekte, kein veränderter Name – erwähnt. Er war damals allerdings noch nicht in seinem jetzigen Amt als stellvertretender Landesvorsitzender tätig. Unzutreffend ist auch, dass irgendwelche unkorrekten Zusagen gemacht worden seien. In der „Woche“ wurde der Eindruck erweckt, man hätte Herrn Michaelis Einfluss in der NPD angeboten. Dies ist falsch und ergibt sich im Übrigen auch aus der Gesprächsniederschrift, die im Wortlaut abgedruckt wurde.

Nach meiner Einschätzung wurde diese Aufzeichnung durch strafbare Handlungen erreicht; denn das geheime Aufnehmen eines vertraulich gesprochenen Wortes ist nicht zulässig. Herrn Michaelis wurde jedenfalls nicht zugesagt oder in Aussicht gestellt, Einfluss in der NPD zu bekommen. Vielmehr wurde ihm angeboten, er könne auf die von ihm für falsch gehaltene Darstellung der NPD in den Verfassungsschutzberichten durch eine entsprechende Berichterstattung erwidern. Meine Überprüfung hat ergeben, dass die V-Mann-Regeln eingehalten worden sind.

Nächste Zusatzfrage: Frau Kollegin Köhler.

Herr Minister, haben Sie überprüft, ob das von Ihnen angesprochene Redeprotokoll tatsächlich authentisch und richtig ist, und handelt es sich um einen Mitarbeiter des Innenministeriums oder des Verfassungsschutzes?

Herr Minister.

Von der „Woche“ ist ein Teil, nicht das vollständige Tonbandprotokoll zitiert worden. Der zuständige Mitarbeiter gehört einer nachgeordneten Behörde an. Sie können sich vorstellen, welche das ist. Das Innenministerium hat detailliert überprüft. Es hat mit dem V-Mann-Führer gesprochen und den Vorgang als unter Einhaltung der V-Mann-Führungsregelungen korrekt angesehen.

Letzte Zusatzfrage: Herr Professor Dr. Gantzer.

Herr Minister, sind Sie bereit, über den gesamten Vorgang in einer nichtöffentlichen Sitzung des Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit zu berichten?

Herr Staatsminister.

Herr Kollege Gantzer, wenn die Einzelheiten detailliert und präzise dargestellt werden sollen, ist der richtige Ort das Parlamentarische Kontrollgremium. Sie wissen, dass die V-Mann-Führung einer der sensibelsten Bereiche ist. Selbst im Innenausschuss des Deutschen Bundestages haben Bundesinnenminister Schily und der Abgeordnete

Cem Özdemir die Opposition eindringlich darauf hingewiesen, dass die öffentliche Diskussion über die V-Mann-Führung und die V-Leute den Sicherheitsbehörden massiv schaden würde.

Ich rege an, dass im Parlamentarischen Kontrollgremium detailliert zu allen Fragen informiert wird, sowie über die weiteren Bereiche, die öffentlich diskutiert werden.

Da die beiden weiteren mündlichen Anfragen zu den V-Leuten ausgefallen sind, lasse ich ausnahmsweise eine vierte Zusatzfrage zu. Frau Kollegin Tausendfreund.

Herr Staatsminister, sind Sie bereit, uns die Dienstanweisungen zur Verfügung zu stellen, und wie wird sichergestellt, dass V-Leute, die bei der NPD eingesetzt sind, dies nicht ausnutzen – vom Staat bezahlt und geführt –, ihren Einfluss bei der NPD auf- und auszubauen, um sozusagen Doppelagenten zu werden?

Herr Minister.