Protokoll der Sitzung vom 20.03.2002

(Kaul (CSU): Da haben Sie nicht zugehört, was Herr Hofmann gesagt hat! – Weitere Zurufe von der CSU)

Das sind doch die Fakten! Ich kann doch nicht sagen, der Beschluss der Staatsregierung hat schon sozusagen eine vorauseilende Rechtskraft.

(Kaul (CSU): Er hat bindende Wirkung!)

Das ist doch nicht richtig. Was nützen denn unsere Beratungen hier, wenn das FOC in Ingolstadt schon Fakt ist, wenn wir dann, weil es Fakt ist, uns höchstens im Rahmen von Regressforderungen darüber unterhalten müssen, wenn man das rückgängig macht.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Factory Outlet Center sind noch etwas anderes als die Großprojekte des Einzelhandels. Die Factory Outlet Center zeichnen sich ja dadurch aus, dass erstens mehrere Marken angeboten werden und der Käufer sie zweitens

deutlich billiger bekommt; die Quote liegt bei etwa 30%. Das ist auch der Grund, weshalb die Käufer 200 bis 300 Kilometer fahren, um in ein Factory Outlet Center – mit dem ganzen Brimborium, das noch daran hängt – zu gelangen.

Jetzt sagt man, es gebe schon Factory Outlet Center, von Boss oder von Adidas usw. Das ist ja okay. Dahin fahre ich dann gezielt oder nehme es auf der Urlaubsfahrt mit oder, oder, oder. Aber Factory Outlet Center sind dann noch eine ganz andere Geschichte, unter anderem deswegen, weil die 30% nur angeboten werden können, weil es keinen Fachverkauf gibt; das, was ich in den Innenstädten mit geschulten Verkäuferinnen und Verkäufern anbiete, kann ich bei so einem Factory Outlet Center nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie sind es – die Dinglreiter und Wiesheu –, die sich immer aufspielen als die Gralshüter des Mittelstands.

(Kaul (CSU): Sind Sie auch!)

Und das sind sie nicht. In diesem Fall sind sie es nicht. Sie haben jahrelang gepredigt und sind jetzt die Umfaller vom Dienst.

(Beifall bei der SPD – Kaul (CSU): Das zu beweisen fällt Ihnen schwer!)

Das bestätigt uns der LEP, das bestätigen uns insbesondere die Fachgeschäfte in den Innenstädten, um die es ja bei diesen Factory Outlet Center im Wesentlichen geht. Sie tun dem Einzelhandel hier einen ganz schweren Schaden an. Das wollen Sie nicht wahrhaben. Da können Sie nicht auf Rheinland-Pfalz oder andere Länder verweisen, das ist etwas, was Sie hier zu verantworten haben, hier in Bayern.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, hier wird im Vorweg eine Entscheidung getroffen, die zu großen Folgerungen und Weiterungen führt, weil diese Anbieter von Factory Outlet Centern, die nur Investoren sind und es dann weitergeben, noch nicht aufhören, auch wenn die Frau Professorin gesagt hat: So viele kommen da auch nicht. Die hören nicht auf. In den Weiterungen wird das den Niedergang der Innenstädte bedeuten. Da macht Herr Beckstein Mordskongresse zu den Innenstädten.

(Abg. Kaul (CSU): Also sind Sie doch grundsätzlich dagegen!)

Auf den Kongressen wird festgestellt, dass das schädlich ist. Aber jetzt trifft man solche Entscheidungen. Sie machen sich mit Ihrer Argumentation die Sache zu leicht. Ich meine, das Mindeste, was man tun kann, ist, zu warten, bis das Parlament entschieden hat.

Deswegen ist dieser Antrag richtig und gut und zu diesem Zeitpunkt notwendig. Sie täten gut daran, diesem Antrag im Interesse der bayerischen Mittelständler und anderer zuzustimmen, damit kein Fall geschaffen wird,

bei dem man die Dinge nicht mehr zurückholen kann. So geht es nicht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Paulig.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Was wir hier von Seiten der CSU erlebt haben – von Herrn Hofmann und dem Vertreter der Staatsregierung, Herrn Schnappauf –, war wirklich ein Schaumschlägergefecht. Das war Werfen mit Nebelkerzen, wie es besser nicht geht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte gerne ein paar Argumente, die hier wortreich angeführt wurden, aufgreifen. Es geht überhaupt nicht darum, Herr Schnappauf, hier eine neue Vertriebsform zu begrüßen oder zu verurteilen. Ich meine die FOC. Dazu steht im Antrag überhaupt nichts. Wenn Sie das Protokoll der Anhörung gelesen hätten, hätten Sie gesehen, dass die Verbände durchgängig gesagt haben: Man muss die FOC und die Einzelhandelsgroßprojekte bei der Genehmigung gleich behandeln. Da sind wir doch d’accord. Bei den Vertriebsformen müssen wir nicht unterscheiden. Darum geht es also nicht, ob wir FOC begrüßen oder nicht.

Es geht in der Tat ganz klar um das Vorgehen in diesem Fall. Da kann ich mich meinen Vorrednern von SPD und GRÜNEN nur anschließen.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hofmann?

Der kommt gleich noch. Herr Hofmann, Sie haben viel geredet, aber nichts gesagt. Auf Ihre Argumente gehe ich gleich noch ein.

Herr Schnappauf, das Kabinett handelt tatsächlich so, als befände es sich in einem rechtsfreien Raum. Es geht um dieses Vorgehen. Hier haben wir den Entwurf für eine Teilfortschreibung. Wir führen dazu eine Anhörung durch. Bei der Anhörung werden die Inhalte dieser Teilfortschreibung unisono verurteilt. Die Verbände sagen, so könne man das nicht machen. Das ist das inhaltliche Vorgehen. Die Folge wäre, dass wir uns im Landtag inhaltlich mit dieser Teilfortschreibung beschäftigen und möglicherweise zu besseren Lösungen kommen.

Aber was machen Sie? Sie nehmen hier eine Zielfestlegung in einem völlig vagen Raum vor und sagen: Das ist die Rechtsgrundlage für Kabinettsentscheidungen sowie für Entscheidungen des Bezirks und des Stadtrats. So geht es nicht. Das ist in der Tat die Missachtung der rechtlichen Grundlagen, und das ist in der Tat die Missachtung des Parlaments.

Genau darum geht es in unserem Antrag: dies zu rügen, damit es zurückgenommen wird. Um nichts anderes geht es.

Herr Hofmann, Sie haben noch viel kühnere Argumente in die Debatte gebracht. Sie sagten, hier gelte es, die Entscheidungsfreiheit der Käufer und Käuferinnen zu sichern. Ja, natürlich, jeder geht dahin, wo er einkaufen will. Aber dazu steht nichts in unserem Antrag. Es geht nämlich um das Vorgehen der Staatsregierung. Und bei Ihrer Argumentation, Herr Hofmann, geht es um die Frage: Können denn mobil eingeschränkte Personen in den Städten dann noch dort einkaufen, wenn es diese Geschäfte gar nicht mehr gibt, wenn sie also mit dem Auto auf die grüne Wiese fahren müssten, aber gar kein Auto haben, also nicht so beweglich sind? Bleibt denn das Innenstadtangebot zu vernünftigen Preisen, so wie wir es haben wollen, in lebendigen Städten erhalten? Diese Frage haben wir inhaltlich bei der Teilfortschreibung zu diskutieren. Da hat sie ihren Platz, aber nicht heute bei unserem Dringlichkeitsantrag, wenn es um Kabinettsentscheidungen und landesplanerische Beurteilung der Regierung von Oberbayern geht.

Frau Kollegin, deutet Herr Kollege Hofmann es richtig, dass Sie jetzt eine Zwischenfrage zulassen?

Nein.

Also immer noch nicht.

Ich möchte mich noch mit ein paar Argumenten des Herrn Hofmann auseinandersetzen. Er hat wirklich lange gesprochen. Herr Hofmann, ich komme zu einem zweiten Argument, das Sie hier als Nebelkerze in den Raum geworfen haben: wir dürften nicht die Konkurrenz ausschalten oder den Wettbewerb behindern. Auch darum geht es nicht. Aber die Politik hat die Aufgabe, faire Wettbewerbsbedingungen zu erhalten, z. B. bezüglich der Einführung des Dosenpfandes, von der sie hier mehrheitlich nichts wissen wollen.

(Widerspruch des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Ich meine jetzt nicht Sie persönlich. Ich habe gesagt: mehrheitlich. Das müssten Sie wissen, wenn Sie genau zugehört haben. Ihre Position kenne ich aus den Debatten im Umweltausschuss.

Es geht nicht darum, Konkurrenz oder Wettbewerb auszuschalten. Es geht vielmehr darum, faire Rahmenbedingungen durch die Politik zu schaffen. Außerdem bezieht sich unser Antrag wiederum auf das Vorgehen bei der Beurteilung und der Genehmigung des Ingolstädter Planungsvorhabens.

Es ist doch ganz klar, dass es sich hier um eine politische Entscheidung handelt, die man auf Biegen oder Brechen durchsetzen will. Dazu wird der Landtag missbraucht, und dazu lässt sich auch eine Regierung von Oberbayern missbrauchen.

Das Vorgehen ist das, was wir hier heute rügen. Über die Inhalte der Teilfortschreibung haben wir in den Ausschüssen und hier im Plenum zu diskutieren. Dennoch sollten wir einen kurzen Blick auf die Anhörung werfen. Da waren sich die Verbände, beispielsweise alle kommunalen Spitzenverbände, der Städtetag, der Gemeindetag und selbst der Landkreistag einig. Sie kamen mit erheblichen Einwänden. Ich nenne auch den Bayerischen Industrie- und Handelskammertag, die Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Handwerkskammern, den Landesverband des Bayerischen Einzelhandels, den Landesverband der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels. Sie waren sich einig, dass die Inhalte der Teilfortschreibung so nicht umgesetzt werden können und dürfen.

Es gab in der Debatte – hier greife ich gern in die inhaltliche Debatte ein; auch Sie haben es gemacht – einen wesentlichen Kritikpunkt: dass diese Teilfortschreibung von völlig undefinierten Rechtsbegriffen nur so strotze. Der Präzedenzfall ist Ingolstadt. Es werden aber viele weitere Fälle folgen. In jedem einzelnen Fall werden wir uns vor den Verwaltungsgerichten treffen. Wir haben jedenfalls eine vage Rechtslage.

Da gibt es z. B. den Begriff der städtebaulichen Integration. Die fehlende Möglichkeit einer städtebaulichen Integration kann ich mit einer überdimensionalen Planung immer beweisen. Dann gibt es den unbestimmten Rechtsbegriff der städtebaulichen Randlage. Weiter gibt es den zweifelhaften Vorgang der Kaufkraftabschöpfung; hier kann es dazu führen, dass Kaufkraft mehrfach angerechnet wird. Ferner gibt es die wirklich zweifelhafte Kontrolle der Regelung mit den Randsortimenten.

Es wimmelt also nur so von schwierigen Begriffen, die rechtlich nicht genau definiert sind und dazu führen, dass wir eine Kette von Verwaltungsverfahren vor den Gerichten haben werden, wenn Kommunen Genehmigungen durchdrücken wollen.

Unisono wurde gesagt, dass die derzeit festgelegten Ausnahmetatbestände zur Regel werden und der Ansiedlung von Einzelhandelsgroßprojekten auf der grünen Wiese Tür und Tor öffnen. Das ist der Punkt, an dem wir uns gern auch in die inhaltliche Debatte einbringen.

Wir stellen fest, dass das Vorgehen, wie es hier politisch gewollt ist, und wie es der bayerische Einzelhandel sehr klar angesprochen hat, zugunsten von großen Konzernen, in diesem Fall der Firma Bavaria Development GmbH & Co. Properties KG erfolgte. Diese Firma ist eine Tochtergesellschaft der englisch-amerikanischen Firma Value Retail PLC. Dieser Firma wird der bayerische Grund und Boden angeboten, und zwar auf Kosten des bayerischen Mittelstandes und des Umweltschutzes in Bayern. Da verstehe ich nun wirklich nicht, wie Sie sich hier hinstellen und so tun, als wäre das alles in Ordnung. Dieses Vorgehen kann man doch nicht akzeptieren. Sie arbeiten und entscheiden zum Schaden des Mittelstands und der Umwelt in Bayern.

Ich bitte Sie herzlich, sich in der namentlichen Abstimmung dieses Vorgehen, das hier exerziert wurde, noch einmal zu Herzen zu nehmen. Wir stellen inzwischen

zunehmend fest, dass sich das bayerische Kabinett um die geltende Rechtslage einen Dreck schert.

Ich erinnere nur – – Das ist das eine Beispiel. Ich nehme gern ein zweites Beispiel.

(Kaul (CSU): Zunehmend!)

Sie wollen ein weiteres Beispiel. Wir diskutieren sicher morgen im Umweltausschuss noch einmal darüber, Herr Kaul. Ich kann es gerne auf Ihren Wunsch hin ansprechen.

Der Kormoranabschuss beispielsweise:

(Oh-Rufe von der SPD – Güller (SPD): Vom FOC zum Kormoran!)