Protokoll der Sitzung vom 20.03.2002

(Oh-Rufe von der SPD – Güller (SPD): Vom FOC zum Kormoran!)

Da gibt es das Bayerische Naturschutzgesetz, da gibt es Ramsar-Abkommen, da gibt es das Jagdgesetz, da gibt es das Bundesnaturschutzgesetz, das gibt es die FFHRichtlinie, die SPA-Regelungen. Über alles setzt sich die Bayerische Staatsregierung mit Kabinettsbeschluss hinweg.

(Kaul (CSU): Das ist Ihre Meinung!)

Da muss ich schon sagen, die Bayerische Staatsregierung wäre gut beraten, wenn sie die rechtlichen Grundlagen beachten und die Entscheidungen, die im Parlament getroffen werden müssen, respektieren würde.

Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Herrmann (CSU): Da müssen wir Sie enttäuschen!)

Nächste Wortmeldung, Herr Kollege Dr. Runge. – Hat sich erledigt. Dann spricht Herr Kollege Hofmann.

(Allgemeine Unruhe)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ganz kurz! Frau Kollegin Paulig hat sich darüber beschwert, dass wir Sachthemen diskutieren und nicht auf den Antrag eingegangen sind. Frau Kollegin Paulig, da muss man Ursache und Wirkung unterscheiden. Denn Herr Kollege Runge hat zum Inhalt des Antrags nahezu überhaupt nicht geredet, genauso wenig Herr Kollege Gartzke.

Wenn wir uns darauf verständigt hätten, nur darüber zu reden, ob das Verfahren, das jetzt durchgeführt wird, den rechtlichen Grundlagen entspricht, ob die Regierung von Oberbayern die Rechtsregeln missachtet hat oder nicht, dann wäre die Diskussion sehr schnell zu Ende gewesen, denn Sie hätten zugeben müssen, dass die Rechtsnormen in diesem Zusammenhang nicht bestritten werden und ihre Gültigkeit haben.

Jetzt muss ich aber doch noch zwei Sätze dazu sagen, Frau Kollegin Paulig. Sie haben gesagt, dass wir zu

ungunsten des Mittelstandes entscheiden. Die bayerische CSU braucht von Ihnen keine Belehrung.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch, doch! Manchmal schon!)

Es gibt kein Land in der Bundesrepublik Deutschland, wo der Mittelstand stärker ist, wo mittelständische Unternehmen mehr ausbilden, wo mittelständische Unternehmen mehr Arbeitsplätze zur Verfügung stellen wie im Freistaat Bayern. Tun Sie dort, wo Sie regieren – und das ist leider Gottes zurzeit auch noch in Berlin der Fall – mit der Steuergesetzgebung, mit dem 630-DM-Gesetz und vielem anderem das Ihre dazu, dass dem Mittelstand auch künftig die Möglichkeit bleibt, seine Aufgaben auch im ländlichen Raum zu erfüllen, und bekämpfen Sie ihn nicht mit den Drangsalien Ihrer Politik in Berlin.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Dringlichkeitsantrag nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Für die Stimmabgabe sind die entsprechend gekennzeichneten Urnen bereitgestellt: die Ja-Urne auf der Oppositionsseite, die Nein-Urne aufseiten der CSU-Fraktion, die Urne für die Stimmenthaltungen befindet sich auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann begonnen werden. Wir haben dafür wie immer fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 14.53 bis 14.58 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Das Abstimmungsergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Kobler, Obermeier, Unterländer und anderer und Fraktion (CSU)

Reform der Arbeitsverwaltung (Drucksache 14/8998)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung Herr Kollege Kobler, bitte schön.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es gibt in allen politischen Lagern einen breiten Konsens darüber, die Arbeitsverwaltung gründlich zu reformieren, die Bürokratie abzubauen, sich stärker auf die Vermittlung Arbeitsloser zu konzentrieren und die Arbeitsverwaltung von sachfremden Leistungen, wie Kindergeld usw., zu entbinden. Natürlich gibt es auch Vorstellungen, privatwirtschaftliche Berater stärker in die Vermittlungsarbeit einziehen zu lassen.

Wir wollen mit unserem Dringlichkeitsantrag keine falschen Hoffnungen nähren, mit einer Reform der Arbeitsverwaltung sei eine grundlegende Verbesserung der Beschäftigungssituation auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen. Das kann nur ein Mosaikstein sein, um mehr Klarheit, mehr Berechenbarkeit, mehr Transparenz und natürlich auch Impulse für den Arbeitsmarkt, für die Beschäftigungspolitik hineinzubringen.

Vorweg seien mir zu unserem Dringlichkeitsantrag noch einige allgemeine arbeitsmarktpolitische Anmerkungen erlaubt. Die CSU-Fraktion bedauert, dass einschließlich der stillen Reserve in Deutschland, in erster Linie durch Rot-Grün verursacht, rund sechs Millionen Menschen arbeitslos sind, obwohl für viele Arbeiten niemand zu bekommen ist, obwohl zudem hunderttausende von ausländischen Arbeitskräften ins Land geholt werden müssen und andererseits die Schwarzarbeit Zuwachsraten hat wie noch zu keiner Zeit.

Zurzeit ist viel von Skandalen die Rede, aber der eigentliche Skandal, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist das Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik. Der eigentliche Skandal ist aber auch darin zu sehen, dass der frühere Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Jagoda, als eine Art Bauernopfer gegangen wurde, um vom eigenen Versagen abzulenken, nämlich von den seit einigen Jahren gesetzten falschen Rahmenbedingungen.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wer war vorher verantwortlich?)

Verehrte Kollegin Werner-Muggendorfer, bei der Bundesanstalt gibt es große Unzulänglichkeiten.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Wir sind erst seit 1998 an der Regierung!)

Der Rechnungshofbericht über die Prüfungen bei der Bundesanstalt, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das wollen Sie natürlich nicht hören, und der dortigen Zählmethoden schlägt dem Fass den Boden aus. Hören Sie ruhig zu: Rund 70% der Vermittlungen wurden fehlerhaft verbucht. Die zustande gekommene Bilanz ist katastrophal, wobei sicher das eine oder andere auch auf verkrustete Zählstrukturen zurückzuführen ist. Die krasse Fehlentwicklung ist aber unter anderem

(Zuruf des Abg. Wörner (SPD))

Herr Kollege Wörner – auch auf den Runderlass vom 10. Dezember 1999 zurückzuführen. Sie müssen einmal nachlesen, wer auf Bundesebene bei der Arbeitsmarktpolitik das Sagen gehabt hat. Wer 1999 das Sagen hatte, wissen Sie.

(Wörner (SPD): Sie haben doch einen Riesenberg an Arbeitslosen hinterlassen; eine Million mehr als die SPD!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Aufsicht und die Selbstverwaltung unter Bundesarbeitsminister Riester können in keiner Weise von einer Mitschuld freigespro

chen werden. Jagoda allerdings zum alleinigen Sündenbock nach Riesters Strickmuster stempeln zu wollen, um die eigene Haut zu retten, ist wirklich ein dreistes, ein kühnes Stück. Dass nun Riester einerseits Präsident Jagoda aus dem Amt mobbte, andererseits Kanzler Schröder den Feuerwehrmann Gerster in das neue Amt hievte, ist eine doch sehr eigenartige, wenn nicht ein wenig niederträchtige Methode. Leider ist dieses Zählproblem bei der Bundesanstalt

(Wörner (SPD): Sauter!)

Herr Kollege Wörner, das wissen wir – mit dem SPDSpendenskandal garniert; heute wurden schon Wuppertal und Köln angesprochen. Das Problem ist, dass damit die Arbeitsmarktbilanzzahlen ein wenig kaschiert worden sind.

Wir fordern mit unserem Dringlichkeitsantrag die Staatsregierung auf, auf den Bund einzuwirken bzw. sich dort einzubringen, dass über den Vermittlungsausschuss der rot-grüne Gesetzentwurf einerseits für Sofortmaßnahmen zur Reform der Bundesanstalt und andererseits für die Arbeitsvermittlung entsprechend nachgebessert bzw. hinsichtlich der Strategie der Arbeitsvermittlung griffiger gestaltet wird. Ferner muss das Instrumentarium der Arbeitsförderung grundlegend reformiert werden. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung in Berlin hat durch das Anhängen der ersten Sofortmaßnahmen ihres 2-Stufen-Planes zur Reform der Bundesanstalt an den Gesetzentwurf verhindert, dass grundlegende Reformmaßnahmen bzw. Reformpunkte sowie die Instrumente der Arbeitsförderung mit der erforderlichen Gründlichkeit, aber auch mit der erforderlichen verfassungsgemäßen Beteiligung der Länder hätten beraten werden können. Das haben Sie verwehrt. Mit diesem überhasteten Vorgehen wurde nicht nur der kritische Sachverstand der Länder übergangen, sondern auch das Verfahren im Bundestag in höchst bedenklicher Weise verkürzt.

Wesentliches Ziel unsererseits und aus der Sicht der Länder muss deshalb die Schaffung problemnaher Entscheidungs- und Kontrollebenen mit einer Stärkung der politischen Verantwortlichkeit der Länder für die Arbeitsmarktpolitik sein. Ich meine, auch in unserem Hause müsste es einen breiten Konsens darüber geben, dass man effizienter werden kann, wenn die Dinge aus näherer Perspektive beurteilt werden. Dazu bedarf es starker, selbstbewusster und effizient arbeitender Landesarbeitsämter als gleichwertige Partner der jeweiligen Landesregierung. Ich werde den Eindruck nicht los, dass man aus Bundessicht auf der unteren Ebene bis hin zur Landesebene die Arbeitsverwaltung leider stärker aushöhlen will. Klammheimlich will man die Dinge stärker an die bundespolitische rot-grüne Leine legen.

Es darf nicht sein, dass die nötige Umstrukturierung im Schnellgang zur Zerschlagung der Landesarbeitsämter missbraucht wird. So etwas werden wir nicht akzeptieren. Wir können und wollen unsere in der Verfassung niedergelegte Rolle der Länder im Rahmen einer föderativen Umsetzung nicht beschneiden. Die Devise muss deshalb lauten: Erhaltung und Stärkung der Landesarbeitsämter und keine weitere Zentralisierung der Arbeits

verwaltung. Die Arbeitsverwaltung muss stärker regionalisiert und in die Hände der Bundesländer gelegt werden. Die Bundesanstalt in Nürnberg soll sich künftig darauf konzentrieren, dass das geltende Recht eine bundeseinheitliche Anwendung findet. Die Landesarbeitsämter müssten in ihrer Bedeutung für die Arbeitsmarktpolitik der Länder aufgewertet und mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet werden.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Wörner?

Herr Kollege, ich habe eine Frage an Sie: Können Sie mir sagen, wie viele Arbeitsplätze durch diesen Antrag geschaffen werden; denn ohne Arbeitsplätze kann meiner Meinung nach nicht vermittelt werden.

Wenn Sie diesen Antrag lesen, sehen Sie, dass die Arbeitsverwaltung wesentlich schärfere Instrumente in die Hand bekommt und aus dem Pool der Arbeitslosen zusätzlich Leute in den Arbeitsmarkt bringen kann.

(Zuruf des Abg. Wörner (SPD))

Herr Kollege Wörner, Sie haben anschließend in der Aussprache genügend Zeit. Ich lasse mir jetzt die Zeit nicht stehlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer eine schlagkräftige Organisation der Arbeitsverwaltung im Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit in Deutschland will, wer eine wirksame und intensive Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung und den Landesregierungen will, muss die Landesarbeitsämter erhalten und stärken und darf sie nicht als Spielball oder als eine Art Manövriermasse für weitere Zentralisierungen benutzen.

Wir fordern deshalb die Staatsregierung mit diesem Antrag auf, sich in diesem Sinne mit aller Entschiedenheit für die genannten Ziele einzusetzen. Insgesamt müssen Entscheidungskompetenzen und Aufgaben von oben nach unten delegiert werden; sie sind bei den Arbeitsämtern vor Ort stärker zu konzentrieren. Dort muss auch weitgehend die Finanz- und Personalverantwortung liegen. Dort ist nämlich eine treffsichere und optimale Arbeit gegeben. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, damit diesem Anliegen auch entsprochen werden kann, bedarf es einerseits einer stärkeren Rechtsstellung der Mitglieder der neu zu schaffenden Führungsgremien der Bundesanstalt gegenüber der Bundesregierung, und zwar im Vorstand und im Verwaltungsrat, und andererseits einer Stärkung der Befugnisse des Verwaltungsrates gegenüber dem Vorstand, der möglicherweise als Dreier-Gremium eingerichtet werden soll.