Anders wie Sie gestern mit dem Bericht des Bayerischen Rechnungshofes geht Rot-Grün mit dem Bericht des Obersten Rechnungshofes offensiv um. Wir sind aktiv geworden und lassen den Diskussionen um die Statistik tatsächlich Konsequenzen folgen.
Für die Reform steht ein Zweistufenplan an. Die erste Stufe – Herr Kollege Wahnschaffe hat dies schon gesagt – muss ab 01.04. verwirklicht werden. Sie sieht in der Arbeitsverwaltung eine neue Führungsstruktur vor, die notwendig ist, um das, was ansteht, tatsächlich umsetzen zu können. Der neue Vorstand wird seine Arbeit aufnehmen, weshalb ich Verzögerungen, wie Sie sie mit Ihrem Antrag vorhaben, eigentlich nicht gutheißen kann. Denn was bezwecken Sie damit?
Ich weiß nicht, ob Sie Herrn Kollegen Wahnschaffe zugehört haben. Die Länderparlamente werden im Verwaltungsrat beteiligt. Wiederholen Sie keinen Unsinn, der sich längst erledigt hat.
Die Verzögerung, die Sie hier bringen, hilft uns nicht. Wir müssen schauen, dass bis zum 1. April im Vorstand und Verwaltungsrat Führungsstrukturen vorhanden sind, damit erste Schritte in die Wege geleitet werden können. Die Harz-Kommission arbeitet bereits. Mit ihr sollen sich der Vorstand und der Verwaltungsrat absprechen und das Ganze koordinieren. Ich würde diese Harz-Kommission erst einmal arbeiten lassen.
In dieser Kommission arbeiten Leute, die etwas von ihrem Geschäft verstehen, etwa Herr Norbert Benzel, Mitglied des Vorstands DaimlerChrysler Service AG, Hans Eberhard Schleyer, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Professor Günter Schmidt, Wissenschaftszentrum für Sozialforschung,
Wilhelm Schlicker, Präsident des Landesarbeitsamtes. Sehen Sie sich die Liste an, nehmen Sie, wenn es um Kompetenz- und Umverteilungen und um Neubeteiligungen geht, die Erkenntnisse dieser Kommission und stellen Sie dann Anträge. Ich weiß natürlich, wie bei Ihnen Kommissionsergebnisse behandelt werden. Dies haben wir bei der Zuwanderungskommission gesehen. Es war Schnee von gestern, als die Ergebnisse auf dem Tisch lagen. Vermutlich warten Sie das Kommissionsergebnis gar nicht ab, weil Sie schon jetzt wissen, dass die Ergebnisse der Kommission für Sie nicht relevant werden.
Fakt ist, dass auch wir vermutlich nicht alle Aussagen der Kommission übernehmen werden – Herr Kobler, insofern haben Sie vollkommen Recht –, weil es die Aufgabe der Politik ist zu entscheiden, ob das Ganze sozialverträglich ist, und wie man mit den Geschichten umgeht. Trotzdem möchte ich zunächst einmal hören, was die zehn Fachleute sagen werden. Insofern verstehe ich Sie nicht; denn das würde auch unsere Arbeit erleichtern.
Der Verwaltungsrat wird verkleinert und dadurch effektiver. Die Länder sind beteiligt. Daher kann ich Ihre Bedenken nicht nachvollziehen. Es ist sinnvoll, die Länder zu beteiligen, denn wir erwarten hier deren eigene Arbeitsmarktprogramme, von denen wir bislang noch nicht viel gehört haben. Es ging mehr um die Mittelstandsförderung, die wir das letzte Mal diskutiert haben. Es wird aber nicht ausreichen, dass die Länder in dem Verwaltungsrat wieder einmal nur mit dem Finger auf die Bundesebene zeigen, wie sie es gerne tun, sondern Sie werden Fakten auf den Tisch legen müssen. Dann schauen wir, was aus Bayern kommt.
Neben der Reform dieser Arbeitsstruktur ist es natürlich notwendig, in der Arbeitsvermittlung erste Schritte einzuleiten und zu sehen, ob die verstärkte Zulassung privater Arbeitsvermittler und -vermittlerinnen hilft. Es wurden zwar mit dem Job-Aktiv-Gesetz bei den Arbeitsämtern neue Stellen geschaffen. Aber ich befürchte, diese Stellen werden nicht ausreichen. Wir sind natürlich nicht so blind und blöd, dass wir nicht wüssten, dass mit dem Einsatz Privater auch Probleme verbunden sind. Deswegen bedarf es Überlegungen, die der Herr Kollege schon gebracht hat, aber auch, um zum Beispiel Mitnahmeeffekte anderer Art auszuschalten. Gegen Vermittlungsgutscheine sprechen Sie sich grundsätzlich nicht aus, sondern kritisieren, wann und wie hoch diese gegeben werden.
Auch ich hätte mir gewünscht, dass Vermittlungsgutscheine viel schneller ausgegeben werden können. Ich kann aber die Argumente, etwa Mitnahmeeffekte, sehr wohl nachvollziehen.
Herr Kobler ich bin Ihnen nicht ins Wort gefallen. Akzeptieren Sie doch, dass ich jetzt rede. – Die Vermittlungsgutscheine sind jetzt erst ab dem dritten Monat sinnvoll. Wir müssen nun schauen, ob sie sich bewähren
oder nicht. Wenn man sieht, man soll es anders machen, kann man es ändern. Ich sehe hierin überhaupt kein Problem.
Natürlich müssen die privaten Arbeitsvermittler kontrolliert werden. Tatsächlich kann man ihnen die Ausübung ihrer Arbeitsvermittlungstätigkeit untersagen. Was wollen Sie also mehr? Allerdings wehren wir uns gegen eine überzogene Bürokratie. Gerade diese fordern Sie im Antrag mit der Einführung der Erlaubnispflicht. Ich will, dass sie schnell und effektiv arbeiten. Wenn sie nicht gut sind, haben sie diesen Job nicht zu machen. Die vorhandene Regelung reicht, dazu brauche ich keine Erlaubnispflicht.
Das sehe ich nicht so, weil die Kontrolle erfolgen muss. Ich bin verblüfft, dass ausgerechnet von Ihnen dieser Bürokratismus kommt. Dabei versuchen wir gerade, neue und richtige Wege zu beschreiten.
Auch die Staffelung gibt es schon. Vielleicht ist es im Detail nicht genau das, was Sie sich vorstellen. Man versucht, sich hier dem Schwierigkeitsgrad anzupassen.
Nein, dies ist kein Widerspruch. Darüber können wir gerne nochmals diskutieren. Sie versuchen, einen Widerspruch zu basteln, wo keiner ist. Insgesamt wollen wir eine verstärkte und verbesserte Kooperation mit Dritten.
Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Vermittlung. Das ist für Erwerbslose ein sehr wichtiger Punkt. Wir wollen auch, dass sich die Arbeitsvermittlung auf ihre Kernaufgabe, nämlich die Vermittlung, konzentriert. Das erfordert unter Umständen tatsächlich mehr Personal. Man muss sich überlegen, inwieweit man hier umschichten kann.
In diesem Zusammenhang gibt es die Diskussion um einzelne Aufgabenbereiche. Stichwort: Schwarzarbeit. Muss das Arbeitsamt kontrollieren? Persönlich muss ich Ihnen sagen, ich sehe momentan nicht, wer das sonst tun sollte. Ich sehe diese Aufgabe beim Arbeitsamt sehr gut aufgehoben, aber man darf sich ja wohl Gedanken machen. Es ist durchaus überlegenswert, die Gewerbeaufsicht einzuschalten, aber dann muss die Kommune die Kosten übernehmen. Es gibt sehr viel Für und Wider, und das möchte ich unaufgeregt in einem Fachgremium diskutiert haben und nicht hier angesichts von Schaufensteranträgen.
Außerdem wollen wir, dass die Arbeitsämter die Möglichkeit haben – im Moment funktioniert das wegen der hohen Arbeitsbelastung kaum –, vermehrt offene Stellen ausfindig zu machen.
All das ist notwendig, um auf die individuellen Bedürfnisse von Arbeitslosen einzugehen. Eine Alleinerzie
hende, die Arbeit sucht, sucht andere Arbeitsbedingungen als jemand, der älter ist und nach einem langen Erwerbsleben aus einer Firma ausgeschieden ist. Seine Situation ist wiederum eine andere als die Situation von Behinderten. Ich könnte hier eine lange Liste aufmachen. Die individuelle Betreuung ist es, die wir mit dem Job-Aqtiv-Gesetz zu verwirklichen versuchen. Das sind neue Wege, für die es kaum Vorbilder in anderen Ländern gibt. Hier muss man experimentieren. Ich halte das angesichts der schwierigen Situation durchaus für angebracht.
Die zweite Stufe der Reform wird spätestens ab 2004 in Kraft treten. Die Vorschläge zur Umstrukturierung der Bundesanstalt für Arbeit müssen noch abgewartet werden. Ich verstehe ebenso wenig wie Kollege Wahnschaffe, wieso Sie auf der einen Seite schnelles Handeln fordern und auf der anderen Seite – ich komme zum Kern Ihres Antrags – den Vermittlungsausschuss einschalten wollen. Sie verschweigen dabei, dass der Vermittlungsausschuss lediglich ein unechtes Vermittlungsverfahren durchführt. Das heißt, das Gesetz wird verschoben, in den Bundestag zurückverwiesen und verspätet und verzögert umgesetzt. Was haben Sie damit gewonnen? – Ich weiß nicht, was das soll. Ich hätte Verständnis, wenn Sie im Vermittlungsausschuss wirklich diskutieren, aber das ist bei dem Verfahren nicht der Fall.
Sie verzögern wichtige Entwicklungen in einem lebendigen Prozess. Wir wissen, dass vieles noch überprüft werden muss. Statt gemeinsam etwas auf den Weg zu bringen, verfallen Sie in alte Grabenkämpfe. Wir haben wenig Verständnis für dieses Vorgehen und Ihren Antrag, weil er die Arbeitslosen und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Arbeitsämtern im Ungewissen lässt. Das muss man auch einmal sagen. Diese Leute sind verunsichert. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Herr Präsident, sehr geehrter Herr Kollege Wahnschaffe, sehr geehrte Frau Kollegin Stahl! Für mich ist verblüffend, wie Rot-Grün zurzeit in der Arbeitsmarktpolitik und bei der Reform der Bundesanstalt für Arbeit alle Positionen in der Bundesrepublik abdeckt: Florian Gerster macht ganz schnell ein paar Vorschläge zur Bundesanstalt. Er sagt, wir brauchen Reformen im Arbeitsrecht, wir müssen die Bezugsdauer für die Arbeitslosenhilfe kürzen usw. Arbeitsminister Riester sagt: Halt, halt, das kann nicht sein. Schröder sagt genauso wie Sie, Frau Kollegin Stahl, man darf doch wohl einmal vordenken oder querdenken. Kein Mensch weiß, woran man sich halten soll.
Hören Sie nur zu. Das ist ein ausgesprochen schwieriges Gesetz. Deshalb frage ich mich, warum hat man solange geschlampt und warum hudelt man jetzt derart bei der Schaffung eines Reformgesetzes?
Zur Verantwortlichkeit hat der Bundestagsabgeordnete und DGB-Vorsitzende in Bayern, Herr Schösser, darum gebeten, einmal § 283 Absatz 2 SGB III nachzulesen. Bei der letzten Verwaltungsratssitzung ist gefragt worden, was dort steht. Tatsächlich ist dort zu lesen, das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung kann Art, Umfang sowie Tatbestände und Merkmale der Statistiken und der Arbeitsmarktberichterstattung näher bestimmen und der Bundesanstalt entsprechende fachliche Weisungen erteilen.
Es wurde nachgefragt, ob das Bundesarbeitsministerium dieses getan hat. Gerade Sie sprechen immer so erschreckt die Statistiken an. Folgende Stellungnahme wurde abgegeben:
Damit das BMA immer aktuell informiert ist und sein fachliches Weisungsrecht ausüben kann, wurden für Mitarbeiter des BMA Zugriffsrechte für die statistische Datenbank der BA – Stada – und die monatlichen Daten zur Führungsinformation der BA eingerichtet. Das BMA hat damit einen schnellen und umfassenden Zugriff auf die Statistiken der BA. In der Vergangenheit hat das BMA von den ihm gegebenen Möglichkeiten regen Gebrauch gemacht und Einfluss auf die Ausgestaltung der Statistiken der Bundesanstalt genommen. Eine Abstimmung der Statistiken der Bundesanstalt mit dem BMA ist regelmäßig überwiegend fernmündlich erfolgt. Vorschläge und Änderungswünsche des BMA wurden bei der Erstellung der Statistiken berücksichtigt. Teilweise waren die Angaben des BMA dabei so detailliert, dass sie sich auf die für die Statistik heranzuziehende Datenbasis und die Zuordnung von Sachverhalten zu bestimmten Fallgruppen bezogen.
Ich frage mich, wie Sie da von der Fälschung der Statistiken reden können. Der Skandal wird exakt dann vom Bundesrechnungshof, den Sie so ernst nehmen, entdeckt, als die Zahl von 4,3 Millionen Arbeitslosen im Februar veröffentlicht wird. Oh Wunder, kann ich da nur sagen. Das war ein hervorragendes Ablenkungsmanöver und sonst nichts.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten sich das einmal zu Gemüte führen. Das Job-Aqtiv-Gesetz ist im letzten Jahr verabschiedet worden. Wir haben damals schon darauf hingewiesen, dass man so nicht vorgehen kann.
Nein, das Gesetz ist nicht hervorragend. Gefördert werden Maßnahmen für den zweiten Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosen hätten aber mehr davon, wenn sie für den ersten Arbeitsmarkt qualifiziert würden. Man hat die Zustände in der Bundesanstalt für Arbeit im letzten Jahr
Zur Arbeitslosigkeit möchte ich sagen, man sollte den Bundeskanzler an den Versprechen messen, die er im Bundestagswahlkampf vor dreieinhalb Jahren gemacht hat und mit denen er den Wahlkampf gewonnen hat.
Er hat gesagt, wenn die Zahl der Arbeitslosen 2002 nicht unter 3,5 Millionen liegt, verdient er es nicht, wieder gewählt zu werden.