Ich glaube schon, dass es Ihnen Leid tut, dass wir uns solche Wahlversprechen merken und sie immer wieder in Erinnerung bringen.
Wir haben Modelle vorgelegt, die neben einer Verbesserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt auch ein stärkeres Wirtschaftswachstum beinhalten. Das, was Herr Gerster vorlegt, ist das Mainzer Modell, von dem Bundesarbeitsminister Riester vor dem Hintergrund von 4,3 Millionen Arbeitslosen sagt, es brächte etwa 30000 zusätzliche Arbeitsplätze.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich genau zu überlegen, welche Wirkung dieses Gesetz angesichts von 4,3 Millionen Arbeitslosen und angesichts der sonstigen arbeitsmarktpolitischen Untätigkeit und Unfähigkeit der Bundesregierung entfaltet. Notwendig ist eine tiefgreifende Reform der Organisation der Bundesanstalt für Arbeit – darin sind wir uns einig –, aber auch eine Reform des Rechts der Arbeitsförderung.
Die Bundesregierung greift zu kurz, weil sie die Arbeitsmarktpolitik und die Reform der Arbeitsförderung nicht in Angriff nimmt. Ihr gelingt es ja nicht einmal, die Reform der Arbeitsverwaltung vernünftig durchzuführen. Das Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Arbeitsverwaltung ist verfassungsrechtlich höchst bedenklich. Die Sofortmaßnahme zur Reform der Bundesanstalt für Arbeit wird an einen inhaltlich völlig anderen Gesetzentwurf angehängt, welcher sich schon in der parlamentarischen Beratung befand. Das Durchpeitschen eines unausgereiften Gesetzes, welches, wie Sie selbst sagen, ein ungeheuer wichtiges Gesetz ist, mittels eines solchen Verfahrenstricks innerhalb von zwei Wochen durch Bundestag und Bundesrat ohne ausreichende Gelegenheit für eine Stellungnahme halte ich für ausgesprochen schwierig und letztendlich für sehr leichtsinnig. Diese Vorgehensweise ist mit Sicherheit auch ein Affront gegenüber den Ländern. Ohne angemessene Beteiligung der Länder soll eine grundlegende Neuordnung der Arbeitsvermittlung und Arbeitsförderung durchgesetzt werden. Es wäre doch sehr wichtig, dass man hier den kritischen und konstruktiven Sachverstand der Länder mit einbezieht und sie nicht auf diese Art und Weise bewusst ausgrenzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe eingangs schon gesagt, worin ich die Beweggründe der Bundesregierung sehe: Sie will ihre politische Verantwortung für
diesen Vermittlungsskandal und die Defizite dabei – im SGB III ist diese Verantwortung eigens erwähnt – verschleiern.
Ich möchte noch einmal kurz darstellen, was wir von dem, was in diesem Omnibus-Gesetz am Freitag vorgelegt werden soll, grundlegend kritisieren. Der erste Kritikpunkt ist die Ausweitung der Kompetenzen des Verwaltungsrates insbesondere im Hinblick auf Berufung und Abberufung des Vorstands. Wir halten es für ungeheuer wichtig, dass diese Kompetenzen ausgeweitet werden.
Für wichtig halte ich es auch, Herr Kollege Wahnschaffe, dass der Verwaltungsrat die Möglichkeit hat, eine Innenrevision einzuberufen. Das halte ich für unabdingbar, und das möchte ich Ihnen auch ganz klar sagen. Wir sollten die Verantwortung des Verwaltungsrates wirklich ernst nehmen und ihn nicht einfach ausbremsen.
Zweitens halten wir eine Ausweitung der Kontrollbefugnisse des Verwaltungsrates gegenüber dem Vorstand für unbedingt notwendig. Drittens halten wir eine stärkere Unabhängigkeit des Vorstandes gegenüber der Bundesregierung für wichtig. Die Bundesregierung kann den Vorstand schlicht und einfach absetzen, wenn er das Vertrauen der Bundesregierung verloren hat. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Vorstand und Bundesregierung stimmt in keiner Art und Weise.
Viertens fordern wir eine konsequente Einschaltung privater Vermittler. Wer einen privaten Vermittler vor Ablauf von drei Monaten Arbeitslosigkeit einschaltet, um möglichst schnell in Arbeit zu kommen, darf auf den Kosten nicht sitzen bleiben und für seine eigenen Bemühungen bestraft werden. Ich weiß schon, dass Sie damit Probleme haben. Letztendlich haben Siebei den privaten Vermittlern auch etwas nachgebessert. Wir haben aber auch eine Zulassung gefordert. Kollege Kobler hat diesen Vorschlag ja schon eingebracht. Wir wären der einzige Staat in der Europäischen Union, der keine Zulassung für private Arbeitsvermittler vorsieht. Sie wollen die privaten Arbeitsvermittler bei ihrer Tätigkeit ständig kontrollieren. Wir meinen, eine einmalige Zulassung nach anständigen Kriterien wäre unbürokratischer und wesentlich besser als eine ständige Kontrolle der Tätigkeit der privaten Arbeitsvermittler.
(Wahnschaffe (SPD): Dann können sie alles das machen, was sie wollen! – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie bei der Zulassung des Deutschen Ordens!)
Das Nächste ist eine Folge dessen, dass die Frist von drei Monaten Arbeitslosigkeit für den Anspruch auf Erteilung eines Vermittlungsgutscheins verkürzt werden muss. Die Staffelung der Höhe des ausgestellten Vermittlungsgutscheins darf nicht nach der Dauer der
Arbeitslosigkeit vorgenommen werden. Wenn Sie wirklich die Höhe des Vermittlungsgutscheins von der Dauer der Arbeitslosigkeit abhängig machen, müssen Sie sich schon überlegen, ob Sie damit nicht falsche Anreize schaffen. Das ist unsere Hauptkritik an diesem Vorgehen. Deswegen sollte der Schwierigkeitsgrad bei der Vermittlung für die Höhe des Vermittlungsgutscheins ausschlaggebend sein und nicht schlicht und ergreifend die Dauer der Arbeitslosigkeit.
Eine weitere Forderung ist die Einführung echter erfolgsorientierter Leistungsanreize für die Vermittlung bei den Arbeitsämtern. Eine letzte Forderung ist die Evaluation. Wenn Sie das, was wir beim Arbeitsmarktfonds in Bayern machen, für richtig und gut halten – ich denke hier zurück an die letzte Diskussion im Haushaltsausschuss –, dann können Sie doch nicht die Evaluation der Arbeitsvermittlung auf Bundesebene für schlecht halten. Deswegen sollten Sie Ihre Haltung hinsichtlich der Einschaltung qualitativ hochwertiger privater Arbeitsvermittler schon noch einmal überdenken. Aus diesem Grund wird Bayern am Freitag im Bundesrat für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses plädieren. Glauben Sie mir, es wäre wirklich wichtig, sich für ein solches Gesetz ausreichend Zeit für die Beratung zu nehmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Stewens, angesichts der Lage insbesondere in Bayern muss ich Ihnen schon sagen, dass das, was Sie heute zum Thema Arbeitslosigkeit gesagt haben, mehr als enttäuschend war.
Sie haben sich auf Statistiken bezogen und auf das Recht des Bundesarbeitsministeriums Statistiken einzufordern und sie zu kontrollieren. Darum geht es nicht. Es geht darum, wie wir Arbeitslose besser vermitteln können. Einerseits stellen wir bei den Firmen einen dringenden Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern fest, auf der anderen Seite ist es unmöglich, die arbeitssuchenden Menschen an die richtigen Jobs zu bringen. Darin besteht doch das Problem. Dazu haben Sie heute leider fast nichts gesagt.
Weiter haben Sie sich über das Job-Aqtiv-Gesetz ausgelassen. Ich weiß nicht, was man Ihnen aufgeschrieben hat. Ich habe jedoch keinen einzigen substanziellen Kritikpunkt zum Job-Aqtiv-Gesetz gehört.
Dieses Gesetz orientiert sich am dänischen Modell, welches sehr erfolgreich ist. Wir haben es uns angesehen, und hier sind im Übrigen die Reisen von Ausschüssen sehr hilfreich, Herr Präsident. Das dänische Modell setzt dann an, wenn jemand arbeitslos wird. Sofort wird ein individuelles Profil von dem Arbeitslosen entworfen, welches aufzeigt, wo seine Stärken liegen und wo Möglich
keiten bestehen, ihn wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Genau dieses Ziel wird auch mit dem JobAqtiv-Gesetz verfolgt. Es will arbeitslose Jugendliche, für welche wir schon ein Job-Programm haben, besser in den Ausbildungsmarkt integrieren. Mit dem Job-AqtivGesetz wollen wir Langzeitarbeitslose mit entsprechend konkreten Hilfen wieder in den Arbeitsmarkt integrieren. Wo setzt hier Ihre Kritik an, Frau Staatsministerin Stewens? Wollen Sie das alles nicht? Dann müssen wir Sie schon fragen, welche Meinung Sie in diesem Parlament eigentlich vertreten. Vertreten Sie den Standpunkt der Staatsregierung, der nur darauf ausgerichtet ist, ihre eigenen Rechte als Staatsregierung im Parlament und im Verfassungsgefüge zu wahren oder geht es Ihnen in erster Linie darum, Menschen, die arbeitslos sind, zu helfen?
Des Weiteren lassen Sie sich über einzelne Punkte aus, was bei mir nur Kopfschütteln hervorruft. Sie sagen, es sei wichtiger, die privaten Vermittler nur über eine Zulassung, welche Sie natürlich auf Länderebene regeln wollen, auf den Markt zu lassen. Das sei der sicherere Weg.
Da muss ich Sie fragen: Welches Verständnis von Praktikabilität haben Sie eigentlich? Eine Person, der die Ausübung eines Gewerbes gestattet ist, steht permanent unter dem Druck, dass ihr die Ausübung des Gewerbes bei Missbrauch verboten wird. Eine wirksamere Regelung gibt es auch bei anderen Gewerbezweigen nicht. Deswegen verstehe ich nicht, warum Sie eine Zulassung wollen. Sie wollen die Deregulierung, die einen großen Teil des Gesetzes ausmacht, wieder rückgängig machen.
Sie sagen, man solle die Vermittlungsgebühr an der Schwierigkeit der Vermittlung festmachen. Erklären Sie mir doch einmal an einem konkreten Fall, wie Sie die Schwierigkeit bemessen wollen. Bemisst sich die Schwierigkeit, eine Arbeit zu finden, daran, ob jemand über 50 Jahre alt ist, oder daran, dass jemand ein Handicap hat? Liegt etwa eine besondere Schwierigkeit vor, wenn eine weibliche Arbeitsuchende beispielsweise in der glücklichen Lage sein könnte, noch Kinder zu bekommen? Sind das die Kriterien, und wer legt diese Kriterien fest? Werden Sie auch darüber Richtlinien und Verordnungen erlassen? Wie soll das in der Praxis aussehen? Auf alle diese Fragen haben Sie keine Antwort. Sie sagen, dass Sie dieses oder jenes wollen, erklären aber nicht, wie Sie Menschen wieder stärker an den Arbeitsmarkt heranführen wollen. Das ist das Entscheidende. Ob das ein Privater oder die staatliche Arbeitsvermittlung macht, ist vom Ergebnis abhängig.
Sie müssen sich entscheiden. Wollen Sie nur private Arbeitsvermittlung? Wir wollen das nicht. Oder wollen Sie das Nebeneinander von privater und öffentlicher Arbeitsvermittlung im Wettbewerb? Wenn Sie von Anfang an eine Vermittlung durch Private wollen, dann belasten Sie finanziell die Arbeitsverwaltung und höhlen andererseits die Kernaufgabe der Arbeitsämter aus. Sie tragen dazu bei – Frau Kollegin Stahl hat es bereits gesagt –, die Verunsicherung bei den Beschäftigten, die
hochmotiviert ihre Aufgaben wahrnehmen, zu erhöhen. Deswegen muss am Freitag Schluss sein, und es müssen klare Verhältnisse geschaffen werden.
Wenn heute jemand auf dem Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln ist und sich dies von Anfang an abzeichnet, dann hat die Arbeitsverwaltung nach dem Job-Aqtiv-Gesetz schon jetzt die Möglichkeit, zusätzliche Hilfen einzubauen, Dritte in Anspruch zu nehmen, zu fördern, zu helfen und zu beraten. Das ist alles möglich. Wir werden aber nicht zulassen, dass es zu einer Rosinenpickerei kommt, die letztendlich nur darauf ausgerichtet ist, abzusahnen, aber nicht den Arbeitslosen zu helfen. Wir können nur an Sie appellieren: Stimmen Sie am Freitag zu, und geben Sie Ihre Blockadehaltung auf.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 14/8998 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Enthaltungen? – Keine. Der Antrag ist damit angenommen.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Münzel, Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Präsident, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Tiere dürfen nicht länger wie eine Ware behandelt werden. Quälerische Tiertransporte über Hunderte von Kilometern, Käfighaltung und grausame Schlachtmethoden müssen verboten werden. Ich glaube, wir sind uns einig, dass das Tierschutzgesetz nicht ausreicht, um tatsächlich die Qual der Tiere zu verhindern. Deshalb muss der Tierschutz im Grundgesetz verankert werden, und zwar jetzt.
Das Debakel des Jahres 2000, nämlich dass die Verankerung des Tierschutzes im Grundgesetz gerade an feh
lenden CSU-Stimmen im Bundestag scheitert, obwohl sich der Landtag und die Staatsregierung vehement hinter dieses Anliegen gestellt haben, darf sich schlichtweg nicht wiederholen. Wenn nur die Hälfte der 47 CSU-Abgeordneten damals zugestimmt hätte, wäre die Änderung des Grundgesetzes bereits im Jahr 2000 gelungen.
Bayern kommt eine besondere Verantwortung zu. Die Menschen in Bayern haben am 8. Februar 1998 den Tierschutz in der bayerischen Verfassung verankert. Das ist ein klarer Auftrag an uns. Der Weg für die Verankerung des Tierschutzes als Staatsziel scheint frei zu sein. Wir begrüßen die Haltung der Union. Wir begrüßen speziell die Haltung der CSU.