Protokoll der Sitzung vom 20.03.2002

Bayern hat übrigens als erstes Land in Deutschland 1973 einen Rahmenplan für Bildung und Erziehung im Kindergartenbereich eingeführt. 1997 gab es dann eine Handreichung des bayerischen Sozialministeriums, die eine Empfehlung zur Umsetzung der Verordnung über die Rahmenpläne für anerkannt Kindergärten in der Praxis darstellt. Ebenfalls hat das Sozialministerium bereits 1997 mit dem sogenannten Dreistufenplan weitere Maßnahmen eingeleitet, um die Qualität der Kindertageeinrichtungen nachhaltig weiterzuentwickeln und ständig zu verbessern.

Hierzu zählen als Einzelmaßnahmen die Flexibilisierung der Öffnungszeiten sowie die Entwicklung und Erprobung eines neuen Finanzierungskonzepts unter Berücksichtigung der Geburtenentwicklung und Aufrechterhaltung der Qualitätsstandards.

Ergänzend soll nun ein Bildungs- und Erziehungsplan für Kindertageseinrichtungen mit der Fachpraxis und auf der Basis der Rahmenpläne der anerkannten Kindergärten erarbeitet werden. Ziel ist

einerseits eine Deregulierung im strukturellen Bereich zu erreichen, zum Beispiel bei den Vorschriften zur Ausstattung, Gruppenbildung und Einrichtungsgröße, um die Eigenverantwortung der Träger und Gemeinden zu stärken.

Andererseits wird ein präziser, rechtsverbindlicher Orientierungsrahmen für die Bildungs- und Erziehungsarbeit für erforderlich erachtet. Insbesondere sind die interkulturelle Arbeit und die Sprachförderung stärker zu gewichten. Gerade bei der Sprachkompetenz ist ein Auftrag an das Institut für Frühpädagogik, Prof. Zetenakis, ergangen, den Rahmenplan für Bildung und Erziehung für die Kindergärten zu überarbeiten. Zur Unterstützung und Förderung der natürlichen Kreativität und Lernfreude der Kinder sollen auf der Basis des Spiels die Vorgaben für ein anregungsreiches Umfeld präzisiert werden. Ich beabsichtige ferner, weil ich das für ganz wichtig halte, Schwerpunkte in der musikalischen Früherziehung und in der Bewegungsförderung zu setzen, also bei Musik und Bewegung. Es wird jedoch genügend Raum für jede Einrichtung bleiben, ein unverwechselbares, spezifisches Profil zu entwickeln. Dieser Rahmenplan für den Kindergarten soll, wenn er denn fortgeschrieben ist, verbindlich für den Kindergarten festgeschrieben werden. Wir wissen ja, wie es im Leben ist: In manchen Kindergärten läuft es hervorragend, in manchen anderen weniger gut. Deswegen ist es ganz wichtig, das wir diesen Rahmenplan verbindlich festsetzen.

Der Entwurf des Erziehungsplanes für den Vorschulbereich, also die Altersgruppe bis zum Schuleintritt einschließlich der Kleinkinder, wird bis Ende Herbst vorliegen. In einem weiteren Schritt wird die Altersgruppe bis 14 Jahre in den Bildungs- und Erziehungsplan einbezogen. Mit den Bildungsplänen der Schule erfolgt eine enge Abstimmung. Parallel zum Bildungs- und Erziehungsplan wird das zu erarbeitende Anforderungsprofil

für Erzieherinnen in den Lehrplan für die Erzieherausbildung Eingang finden.

Was wir auch noch machen wollen, sind gemeinsame Fortbildungsveranstaltung für die Lehrerinnen gerade im Grundschulbereich und dann für die Erzieherinnen, aber auch für die Erzieherinnen im Hortbereich und für die Lehrerinnen in Bezug auf die Kinder, die in den Hort gehen, so dass wir auch da – Stichwort: Betreuung von Hausaufgaben – eine engere Verzahnung bekommen und Berührungsängste abbauen.

Zusatzfrage: der Fragesteller.

Frau Staatsministerin, wenn ich Sie richtig verstehe, bringen diese Fortschreibungen der Erziehungs- und Bildungspläne zumindest in Teilbereichen lehrplanähnliche Entwicklungen für Kindergärten mit sich.

Frau Staatsministerin, bitte.

Nein! Das sage ich Ihnen ganz klar: Es gibt keine lehrplanähnlichen Entwicklungen für den Kindergarten; im Kindergarten muss sich etwas anderes abspielen als in der Schule. Auch das möchte ich ganz klar dazusagen.

Aber was ich schon möchte, ist die Weiterentwicklung bei der Sprachkompetenz. Das soll, bitte, nicht nur für die ausländischen Kinder gelten, sondern auch – das hat die Pisa-Studie sehr deutlich ergeben – für unsere eigenen Kinder, die in der Sprache ebenfalls sehr oft Schwierigkeiten haben, aber auch für die musische Erziehung, für Musik und Bewegung. Es soll aber keine Lehrpläne an Kindergärten, keine Verschulung des Kindergartenbereichs geben.

Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Schopper.

Frau Ministerin, eine Frage. Sie hatten ausgeführt, dass eine verbindliche Festsetzung und Umsetzung der Rahmenrichtlinien erfolgen soll. Ich frage: Wie soll das dann konkret in den einzelnen Einrichtungen aussehen? Einerseits geht es um die Erzieherinnenausbildung, andererseits um die Fortbildung. Wie wird dann für die Kontrolle gesorgt sein, weil es einen Schulrat für die Kindergärten nicht gibt?

Frau Staatsministerin, bitte.

Frau Kollegin Schopper, wir haben ja dieses Jahr schon das neue Förderungsmodell in der Erprobung. Die Kindergärten müssen es dann machen. Es machen ja jetzt

auch schon viele Kindergärten. Sie müssen ihren Bildungsplan veröffentlichen.

Es soll jährlich eine Umfrage unter den Eltern stattfinden, und zwar nicht erst am Ende eines Kindergartenjahres, weil da die Kinder zum Teil den Kindergarten verlassen und in die Schule kommen; dann ist es oft zu spät. Deswegen habe ich gesagt, bitte schön, machen wir die Umfrage in der Mitte des Kindergartenjahres, so dass sich dann tatsächlich eine echte Evaluation des Bildungsplans auch durch die Eltern ergibt. Und wie gesagt, die Bildungspläne müssen veröffentlicht werden.

Ich weiß, dass viele Kindergärten da bislang hervorragende Arbeit leisten, aber das Leben ist bunt, es gibt manche Kindergärten, die auf diesem Gebiet relativ wenig tun. Deswegen Fortschreibung und Verbindlicherklärung.

Vielen Dank, Frau Staatsministerin.

Damit ist die Fragestunde beendet.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, gebe ich noch das Ergebnis der gestern durchgeführten namentlichen Abstimmung zur Eingabe betreffend Änderung des Landesentwicklungsprogramms und Herausnahme der Trasse der A 94 im Isental bekannt. Mit Ja haben gestimmt 73 Kolleginnen und Kollegen, mit Nein 50 bei einer Stimmenthaltung. Damit ist das Votum des Ausschusses für Landesentwicklung und Umweltfragen vom Plenum übernommen worden.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich darf jetzt das Präsidium Herrn Präsidenten Böhm übergeben.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe jetzt auf:

Tagesordnungspunkt 7

Schlussbericht der Enquete-Kommission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“ (Drucksache 14/8660)

Dazu begrüße ich sehr herzlich in der Diplomatenloge die sachverständigen nichtparlamentarischen Mitglieder der Enquete-Kommission, als da sind Herr Prof. Dr. Arndt, Herr Prof. Dr. Badura, Frau Prof. Dr. Münch, Herrn Prof. Dr. Oberreuter und Herr Prof. Dr. Rainer-Olaf Schultze. Herr Prof. Dr. Schneider und Frau Prof. Dr. Färber können leider nicht anwesend sein. Herzlich willkommen, meine Damen und Herren, und vielen Dank für die Mitarbeit.

Ich eröffne zu diesem Thema die Aussprache. Der Ältestenrat hat eine Redezeit von 45 Minuten pro Fraktion vereinbart. Als erstem Redner erteile ich dem Vorsitzen

den der Enquete-Kommission, Herrn Kollegen Welnhofer, das Wort.

Herr Präsident, Hohes Haus! – Vom Herrn Kollegen Leeb höre ich die Worte „leeres Haus“. Aber diese Worte darf ich nicht aufgreifen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einem Blick in die Bayerische Verfassung beginnen. Artikel 25 a Satz 1, erst 1998 eingefügt, lautet:

Zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Freistaates Bayern fallen, kann der Landtag eine Enquete-Kommission einsetzen.

Am 26. November 1998 machte der Landtag von diesem neuen Instrument erstmals Gebrauch. Er setzte die Enquete-Kommission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“ ein. Aber erst mit Beschluss vom 8. Juli 1999 verabschiedete der Landtag einen umfangreichen Fragenkatalog zu den vier Themenkomplexen „Föderalismus und supranationale Politik“, „Föderalismus und nationale Politik“, „Föderalismus und Staatsfinanzen“ sowie „Föderalismus und kommunale Selbstverwaltung“.

Zugleich wurden die Mitglieder der Kommission bestellt. Neben acht Abgeordneten gehören diesem Gremium gleichberechtigt, also mit vollem Stimmrecht, auch sieben Wissenschaftler an. Das war neu. Gemischte Kommissionen des Bayerischen Landtags hat es vorher nicht gegeben. Die Neuerung hat sich bewährt.

Bereits an dieser Stelle möchte ich den Damen und Herren Professoren für ihre mit großer Sachkunde geleistete, stets engagierte Mitarbeit ganz herzlich danken, die sie der Kommission in den vergangenen zweieinhalb Jahren gewidmet haben.

Die vorliegenden Reformvorschläge sind maßgeblich von den externen Sachverständigen geprägt worden. Die meisten Damen und Herren Experten sind heute hier anwesend und vom Herrn Präsidenten bereits namentlich begrüßt worden. Ich danke Ihnen auch von hier aus noch einmal ganz herzlich. Ebenso danke ich den Mitarbeitern des Landtagsamts und der Fraktionen, die uns bei der Arbeit in der Kommission sehr unterstützt haben und auf deren Hilfe wir nicht hätten verzichten können.

(Allgemeiner Beifall)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vorweg sage ich etwas zu Zielen, Sinn und Zweck des Föderalismus. Man hat noch immer Überzeugungsbedarf; noch ist Föderalismus als Wert an sich nicht allgemein anerkannt.

Föderalismus als Wettbewerb der Ideen ist das Prinzip. Die Leistungsfähigkeit von Organisationsstrukturen können wir gerade dort erkennen, wo sich Wettbewerb durchgesetzt hat, nämlich in der Wirtschaft. Seit Jahren

beobachten wir dort eine tief greifende Veränderung: weg von zentralistischen Führungsstrukturen, hin zu Dezentralisierung bei gleichzeitigem Verbund.

Früher meinte man häufig, nur in der Zentrale habe man alle wichtigen Daten und Instrumente zur Verfügung, um effizient und erfolgreich führen zu können. Allerdings wurde schon bald erkannt, dass dies zu demotivierten Mitarbeitern, zu kaum durchschaubaren Strukturen, zu Kundenferne sowie zu weiteren Fehlentwicklungen führt.

Hierauf trat ein, was typisch ist für Situationen, in denen Wettbewerb herrscht. Einzelne suchten und fanden bessere Strukturen; die anderen wurden durch die positiven Beispiele zur eigenen Veränderung angeregt oder auch gezwungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, das Zeitalter der Zentralisten ist vorbei, sollte zumindest vorbei sein. Je komplexer die Welt und ihre Probleme werden, umso weniger kann eine Zentrale das alles überblicken und mit Erfolg führen. Auch in der Staatsorganisation brauchen wir neue Formen der Zusammenarbeit und Strukturen, die ein Höchstmaß an schöpferischer Leistungsfähigkeit fördern.

Wir brauchen den föderativen Wettbewerb der Ideen und Initiativen. Dazu gehört insbesondere die Übereinstimmung von Zuständigkeit, Verantwortung und Handlungsmöglichkeit. Wichtig sind überschaubare, flexible und anpassungsfähige Einheiten.

Politik ist als Wettbewerbsprozess zu verstehen. Die Vorzüge des demokratischen Systems können umso stärker zur Geltung kommen, je mehr sich die Politik in einem Wettbewerbsprozess vollziehen kann, der über den Wettbewerb der politischen Parteien weit hinausgeht. Das gewährleistet in der Bundesrepublik Deutschland vor allem deren föderale Struktur. Sie setzt Wettbewerb in Gang, schafft Raum für Einfallsreichtum, ist innovativ und effektiv. Unter dem Wettbewerbsdruck der Wähler schafft sie Leistungsanreize für bestmögliche Problemlösungen. Die Lebensbedingungen der Bürger werden zwar nicht überall in gleicher Weise, aber insgesamt für alle verbessert.

Dieser fruchtbare Wettbewerb ist auf Dauer aber nur dann möglich, wenn es dafür einerseits die notwendigen Freiräume und andererseits auch den Erfolg eigener Anstrengungen gibt.

Die Politik darf nicht durch überzogene Ausgleichsmechanismen aus dem Wettbewerbsdruck entlassen werden. In Schlagworten ausgedrückt bedeutet richtig verstandener Föderalismus heute vor allem:

Wettbewerb sämtlicher Hoheitsträger: Bund, Länder und Kommunen sind – zumindest auch – konkurrierende Dienstleistungsunternehmen für die Bürgerinnen und Bürger;