Protokoll der Sitzung vom 20.03.2002

(Willi Müller (CSU): Das sollte sich auch einmal der Bund überlegen!)

Hier stimme ich mit dem Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Schoch überein, wenn er sagt – ich zitiere –:

... dass derjenige, der an einer wirksamen Struktursicherung für die kommunale Finanzautonomie wirklich interessiert ist, an der verfassungsrechtlichen Verankerung des strikten Konnexitätsprinzips nicht vorbeikommt.

Bei Ihnen sieht das dagegen so aus: Bei den Menüs, die Sie vor Ort bezahlen, verordnen Sie deren Zusammensetzung bis zum letzten Salaltblatt und bis zum letzten Gewürzkorn. Für Ihre landesweit geschmissenen Lokalrunden, angefangen bei der Mittagsbetreuung an Grundschulen bis hin zur Computerausstattung in jedem Klassenzimmer, präsentieren Sie dem örtlichen Wirt die Rechnung. Normalerweise nennt man so etwas Zechprellerei.

(Beifall bei der SPD)

Von diesem erwarten Sie Dankbarkeitsbekundungen für das magere Trinkgeld, das Sie ihm als großherzige Geste überlassen. Wenn dieser Wirt dann durch zusätzliche Einnahmen seine klamme Kasse aufbessern will, verwehren Sie ihm dies mit der heuchlerischen Begründung, dass die Belastung der Bürgerinnen und Bürger nicht ansteigen dürfe.

Warum geben Sie den Gemeinden nicht endlich größere Freiheit bei der Preis-Leistungs-Gestaltung, z. B. durch die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer? Wir wissen uns in dieser Forderung mit vielen Kolleginnen und Kollegen der CSU seit Jahren einig. Aber leider haben Sie nicht den Mumm, sich gegen die Regierung durchzusetzen.

(Beifall bei der SPD)

Sie verfahren vielmehr nach dem Motto von Karl Valentin: Mögen täten wir schon wollen, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, erwartungsgemäß – hier will ich einige konkrete Punkte ansprechen – konnten wir uns insbesondere zum kommunalen Finanzausgleich nicht einigen. Schon die Frage, welche Leistungen überhaupt dazuzählen, war strittig. Dennoch ist festzustellen – hier berufe ich mich auf die anerkannte Finanzwissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Färber –, dass Bayern mit 11,54% den niedrigsten Verbundsatz aller westlichen Flächenländer aufweist. Dies geht zulasten der Schlüsselzuweisungen und damit zulasten der Deckung von Ausgaben allgemeiner Art bei den Kommunen.

Festzustellen ist weiterhin, dass der Freistaat von 1991 bis 2000 Einnahmezuwächse in Höhe von 36,5% bzw. Steuerzuwächse sogar in Höhe von 39,7% verzeichnete. Die bayerischen Gemeinden dagegen konnten im gleichen Zeitraum nur ein Wachstum von 25 bzw. 27,5% realisieren. Was heißt das? Die Gemeinden partizipieren an den Einnahmezuwächsen des Freistaats unterdurchschnittlich.

Schließlich ist festzustellen, dass der Schuldenstand der Gemeinden – darauf hat Herr Kollege Heinz Mehrlich immer wieder hingewiesen – von 1991 bis 2000 um 40% angestiegen ist, während die Schulden des Freistaats Bayern nur um 15,9% wuchsen.

Diese Fakten lassen nur eine Schlussfolgerung zu: dass die schlechte Finanzsituation der bayerischen Kommunen die Folge der unzureichenden Ausstattung durch den Freistaat ist.

(Beifall bei der SPD)

Weil wir glauben, dass im Verhältnis zwischen dem Freistaat und seinen Kommunen zum partnerschaftlichen Umgang auch der Grundsatz der Verteilungssymmetrie gehört, ist uns die Verankerung eines verfassungsrechtlich einklagbaren Anspruchs auf kommunalen Finanzausgleich in der Bayerischen Verfassung wichtig. Leider konnten wir auch dies nicht durchsetzen.

Solange Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, Eigenverantwortung, Subsidiarität und Deregulierung nicht als ein grundsätzliches Prinzip anerkennen, das für alle Ebenen des Gemeinwesens gilt, als ein Prinzip, welches das Geben ebenso voraussetzt wie das Nehmen, so lange sind Sie kein wirklich glaubwürdiger und redlicher Anwalt föderaler Interessen.

(Beifall bei der SPD)

Globalität und Lokalität sind keine Gegensätze, sondern bedingen einander. Die im internationalen Wettbewerb erfolgreichsten global Player sind diejenigen, die alle Entscheidungen konsequent auf die Ebene herunterdelegieren, wo sie aus unmittelbarer Marktnähe am wirklichkeitsnächsten getroffen werden. All diese Unternehmen haben Profitcenter eingerichtet, deren Erfolg in der Summe dann dem ganzen Unternehmen zugute kommt.

Wir denken oder, besser ausgedrückt, Sie denken bei den staatlichen Strukturen insbesondere in Bayern noch immer viel zu sehr in Hierarchien nach dem Schafskopfmotto: Der Ober sticht den Unter. Doch unsere Kommunen sind keine Unter, die es im Zweifelsfall zu stechen gilt, sondern gleichberechtigte Partner, die an vorderster Stelle die Grundlage für das Vertrauen in unser demokratisches Gemeinwesen schaffen. Von ihrer Stärkung hängt entscheidend ab, in welchem Maße sich Bürgerinnen und Bürger auch angesichts immer mehr supranationaler Strukturen mit dieser Demokratie identifizieren.

Lassen wir also Subsidiarität und Föderalismus nicht vor den Toren unserer bayerischen Städte und Gemeinden enden!

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Gote.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Huber, ich bin froh, dass Sie jetzt wieder da sind. Ich

hatte schon befürchtet, Sie würden gehen, bevor die Debatte zu Ende ist.

Herr Minister Huber, ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um Ihnen zu danken – zu danken dafür, dass Sie mit Ihrem heutigen Auftritt ein sehr anschauliches Beispiel für die Verkörperung genau dieses Politikstils geliefert haben, der zum Niedergang des lebendigen Föderalismus und zu den Auswüchsen des Exekutivföderalismus, wie wir ihn täglich beklagen dürfen, geführt hat.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und bei Abgeordneten der SPD – Unruhe bei der CSU)

Sie stellen sich hierher und zeigen mit dem Finger auf alle anderen. Genau das ist es, was wir vorhin in einer sehr sachlichen, sehr tiefgehenden Debatte beklagt haben; dies haben übrigens Vertreter aller Fraktionen getan. Sie stellen sich hierher und geben Ihrer Überzeugung Ausdruck, dass bei allen anderen alles schlecht ist, nur bei der bayerischen Staatsregierung ist alles in Ordnung. Sie sind unfähig zur Selbstkritik und darüber hinaus unfähig, selbst die Kritik Ihrer eigenen Parteifreunde bzw. die Analysen der Experten zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und bei Abgeordneten der SPD)

Sie bieten damit den lebendigen Beweis dafür, dass die Analyse der Enquete-Kommission richtig ist, nur auf einem sehr viel niedrigeren Niveau.

(Beifall der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und des Abgeordneten Güller (SPD) – Zuruf des Abgeordneten Dr. Wilhelm (CSU))

Sie sind heute als personifizierte bayerische Politikblockade aufgetreten.

Noch eines zu meinem Beispiel Schulsozialarbeit. Auch hier das gleiche Schwarze-Peter-Spiel. Während die Schulsozialarbeit nach dem Verständnis aller, die sich bisher darum bemüht haben und lange darüber gestritten haben, in den Bereich der Schule und der Bildungspolitik gehört, also in die Zuständigkeit des Landes, haben Sie gestern kurzerhand auf das ganze Paket ein anderes Papperl draufgeklebt. Das Ganze heißt jetzt „Jugendsozialarbeit“ und gehört damit in die Kompetenz des Bundes. Genau das ist es, was uns bei der Lösung der anstehenden Probleme und Sachfragen nicht weiterbringt. Vielen Dank, Herr Huber!

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen und mit dem abschließenden Bericht auf Drucksache 14/8660 ist die Tätigkeit der Enquete-Kom

mission „Reform des Föderalismus – Stärkung der Landesparlamente“ beendet.

Das Hohe Haus nimmt hiervon zustimmend Kenntnis.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 8

Antrag der Abgeordneten Maget, Dr. Kaiser, Schultz und anderer und Fraktion (SPD)

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung staatlicher Vergünstigungen für den Deutschen Orden, Brüder vom Deutschen Haus Sankt Mariens in Jerusalem – Deutsche Provinz – durch Mitglieder der Staatsregierung, bayerische Behörden und/oder bayerische Amtsträger (Drucksache 14/8880)

und Festlegung der Mitgliederzahl, Besetzung und Vorsitz des Untersuchungsausschusses

Ich eröffne die Aussprache. Die Redezeit beträgt 15 Minuten pro Fraktion. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Kaiser.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung unzulässiger staatlicher Vergünstigungen für den Deutschen Orden.

Es hat sicher seit langem keinen Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag gegeben, vor dessen Beantragung die Antragsteller sich so lange, so ausdauernd und so intensiv um Aufklärung bemüht haben. Mit schriftlichen und mündlichen Anfragen, Berichtsanträgen, Ausschuss- und Plenardebatten haben die Fraktionen von SPD und GRÜNEN versucht, Licht in das Dunkel der Affäre eines „hochspannenden Wirtschaftskrimis“, wie der „Münchner Merkur“ feststellte, zu bringen.

Kollege Glück hat gemeint, bei dem von uns beantragten Untersuchungsausschuss handle es sich „um den überflüssigsten Ausschuss, den der Bayerische Landtag je gesehen hat“.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Klinger (CSU): Richtig! – Prof. Dr. Stockinger (CSU): Recht hat er!)

Ich empfehle dem Kollegen Glück und auch den CSUKolleginnen und -Kollegen, die jetzt Beifall geklatscht haben, doch einmal einen Blick in den „Pressespiegel“ des Bayerischen Landtags zu werfen. So schreibt am 26. Juli letzten Jahres die „Süddeutsche Zeitung“:

Bisher hat die Regierung in der Affäre um den Deutschen Orden gemauert, was das Zeug hielt. Vieles liegt bis heute im Nebel.

Am 23. Februar dieses Jahres schreibt der „Münchner Merkur“:

Dass die SPD im Landtag jetzt dazu einen Untersuchungsausschuss beantragt hat, darf niemanden verwundern. Auch wenn die CSU empört verkünden lässt, man habe im Landtag mehrfach umfassend und erschöpfend dargestellt, auf welcher Rechtsgrundlage und nach welchem Verfahren dem Orden etwa die unseligen Körperschaftsrechte zuerkannt wurden, sind seit einem Jahr wichtige Fragen unbeantwortet geblieben.

Und im „Main-Echo“ ist am gleichen Tag nachzulesen, ebenfalls im „Pressespiegel“ veröffentlicht: