Der zweite Tenor war der unerträgliche Wettbewerb, der mit der Frage eingeleitet wurde: Wer hat die größte Pleite? Als ob die Pleite in Bayern nicht groß genug wäre! Selten habe ich die CSU-Fraktion so im Rausch erlebt, hat die Staatsregierung so viel Beifall erhalten wie in einem Moment, in dem sie eine Pleite zu verantworten hat.
Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Beweis dafür, dass in Bayern die Pleiten noch toller sind als die Erfolge.
Die nächste Strategie war das Herausreden. Das erste war, Fehler zu leugnen. Da haben sogar die Banker – und diese sind dafür nicht berühmt – noch mehr Selbstkritik geübt. Die nächste Strategie war ein Herausreden mit Fehlern, und zwar mit Fehlern, die andere nicht gemacht haben. Herr Clement hätte den roten Teppich ausgerollt. Er hat ihn nicht ausgerollt; Sie haben den schwarzen Teppich ausgerollt. Die Entschuldigung lautet, er hätte den Fehler gemacht, darum dürfen Sie ihn machen.
Die nächste Strategie war ein Herausreden mit Fehlern, die andere auch gemacht haben. Clement war bei Murdoch; deswegen hat offensichtlich auch Herr Stoiber nach Los Angeles fliegen dürfen. Das Problem ist aber: Wir haben jetzt Murdoch. Das ist unser Problem.
Die nächste Strategie war: Der Ministerpräsident zählt in aller Ausführlichkeit auf, welche Fehler er nicht gemacht hat. Alles Mögliche hat er erzählt: Diesen Fehler hat er nicht gemacht, jenen Fehler hat er nicht gemacht. Das war eine ganze Bandbreite. Wir sind froh, dass er all diese Fehler nicht gemacht hat, aber er soll etwas zu jenem Fehler sagen, den er gemacht hat. Wenn wir die Verantwortung der Staatsregierung hervorheben, dann geht es nicht um eine Schuldzuweisung. Diese brauchen wir nicht zuzuweisen, weil die Mitschuld jedem klar ist. Sie steht sogar im „Münchner Merkur“; sogar der hat es kapiert.
Überall steht es: Stoibers Pleiten. Uns interessiert, dass man den Fehlern ins Auge sehen muss, wenn man sie künftig vermeiden will. Davon ist bis jetzt keine Spur vorhanden. Das ist das übliche Muster.
Es gibt eine ganz starke persönliche Verantwortung des Ministerpräsidenten. Das beginnt damit – das wurde schon angesprochen –, dass er die Medienpolitik zur Chefsache gemacht hat. Er hat am Beginn seiner jetzigen Regierung am 5. Oktober 1998 die Medienpolitik zentralisiert und hat gesagt: Die zentrale Zuständigkeit der Staatskanzlei werde ich insbesondere nutzen – nicht um Pleiten zu organisieren –, um die Spitzenstellung Bayerns im Bereich der audiovisuellen und der Printmedien zu erhalten und weiter auszubauen.
Es geht um die Verantwortung des Ministerpräsidenten für die KirchKrise. Der nächste Punkt ist: Stoiber hat einseitig auf den Monopolisten Kirch gesetzt, und er hat – das ist der entscheidende Punkt, der auch schon angesprochen wurde – die Expansion ermöglicht. Das war mit der Punkt. Heute wurde auch von Minister Faltlhauser beklagt, dass es zu einer raschen Expansion kam. Warum kam es dazu? – Weil die Mediengesetze geändert wurden. Die 30-%-Grenze, Kollege Glück, war damals keine Drohung, sondern eine Bestandsgarantie für das Duopol Kirch und Bertelsmann. Das heißt, dass sie alles, was sie vorher heimlich getan haben, jetzt offen machen durften. Das war die Voraussetzung für ihre Expansion.
Clement und Stoiber haben das zusammen ausgebrütet. Das schnelle Wachstum der letzten drei Jahre, das jetzt scheinheilig beklagt wird, wurde da organisiert.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, kann man im Hause nicht ein wenig leiser sein? Es ist doch so üblich, dass nur der Redner das Wort hat, nicht die anderen auch.
Stoiber hat die waghalsige Expansion Kirchs mitfinanzieren lassen. Das ist auch ganz klar; Premiere World und Formel 1 wurden schon angesprochen. Das geschah immer zu einem Zeitpunkt, zu dem der Konzern in großen Schwierigkeiten war. Jedes Mal wurde dies als standortpolitische Großtat gefeiert. Kollege Huber hat vom Erfolg der Medienpolitik gesprochen. Genau die Punkte, die die Pleite mit herbeigeführt haben, waren der Erfolg der Medienpolitik. Noch letzte Woche hat der Vorsitzende der CSU-Medienkommission, den ich nur zitiere, weil vorher kein CSUler etwas dazu gesagt hat, die Landesbankkredite als Förderung des Standortes Bayern gerechtfertigt. Das heißt, wie Finanzminister Faltlhauser und Medienminister Huber bestätigen, dass es medienpolitische Überlegungen gab. Sie haben den Ausschlag für die Kredite gegeben. Das sind die wesentlichen Gründe, dass Risiken verschärft und verschleppt wurden. Herr Hartmann von der Commerzbank hat dazu gesagt: Durch immer neue Engagements gelang es vorübergehend, diese strukturellen Probleme zu überdecken. Genau diese Engagements haben eine Prüfung der Bilanz dessen, was bereits geschehen war, praktisch überdeckt, und man hat statt dessen lieber weiter expandiert, und zwar ziemlich rücksichtslos.
Der nächste Punkt ist, dass die Staatsregierung auch noch eine Medienpolitik gegen die eigenen Kredite gemacht hat. Das ist ja das Allerschönste. Man gibt Kirch über die Landesbank Geld, damit er sein Pay-TV aufbauen kann. Herr Kollege Faltlhauser hat gesagt, dass man an das Pay-TV Hoffnungen geknüpft hat. Wie aber soll der Mann sein Pay-TV machen? Pay-TV setzt ein Monopol voraus. Man hat ihm aber beim Sport kein Monopol gegeben, und Erotik, Porno oder was weiß ich hat man ihm aus begreiflichen Gründen verboten. Womit soll er sein Geld machen? Dieses Pay-TV war von Anfang an auf Unsinn aufgebaut. Das kann bei uns nicht funktionieren, weil wir keine Verhältnisse wie in England haben.
Sie hätten ihm das Monopol geben müssen – das ist der Punkt –, dann hätte er sein Geld machen können, aber nur Geld zu geben, ist zu wenig.
Ebenfalls gescheitert ist die Interventionspolitik der Staatsregierung. Herr Ministerpräsident Stoiber hat persönlich interveniert. Vorher wurde gesagt, es hätte keinen Einfluss auf das Unternehmensschicksal gegeben. In der „Süddeutschen“ vom 28. Oktober 1999 steht, dass er persönlich bei Rupert Murdoch war, und die „Süddeut
sche“ titelt: Besuch beim Medienmagnaten Murdoch in Los Angeles. Stoiber will Kirch zu finanzstarkem Partner verhelfen. Das ist doch ein Eingriff, oder? „Der Ministerpräsident setzt nun auf Murdochs Einstieg bei Kirchs Premiere World. Für den Fall, dass Murdoch seine Aktivitäten in Deutschland ausbaut, hofft Stoiber, dass der angloamerikanische Medienunternehmer München als Hauptsitz wählt.“ Aus meiner Sicht sind das Eingriffe. Das ist eine Verantwortung, zu der man sich auch bekennen soll und weswegen man auch versuchen soll, die Fehler, die dort angerichtet wurden, in ihren Konsequenzen zu beschneiden. Bis jetzt vermisse ich ein Engagement.
Wir haben allerdings eine Äußerung des Ministerpräsidenten von gestern: „Die Politik soll sich in diese positive unternehmerische Perspektive nach Möglichkeit nicht störend einmischen. Deshalb hat sich die Politik da rauszuhalten. Das gilt auch für den Kanzler.“ Ich denke, dies gilt auch für den Kanzlerkandidaten. Wenn er das jetzt eingesehen hat, auch wenn es zu spät ist, ist das ein Fortschritt. Er dürfte das durchaus zugeben, dazu stehen und möglichst vermeiden, diese Fehler, die er jetzt gemacht hat, künftig noch einmal zu machen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Eine ganze Reihe von Fragen zum Problem des heutigen Tages wurden von den vier Rednern der Staatsregierung und der CSU bisher noch nicht einmal ansatzweise beantwortet:
Da Herr Huber sich noch einmal zu Wort gemeldet hat, will ich diese Gelegenheit nutzen, um ihm noch ein paar Fragen zu stellen. Vielleicht wird er uns diese Fragen beantworten. Zunächst möchte ich Ihnen meinen Eindruck von der heutigen Debatte widergeben. Dazu will ich einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ vom 18. April zitieren:
Noch immer glaubt die Bayerische Staatsregierung, der Skandal sei kein Skandal. Jahrelang hat Kanzlerkandidat Edmund Stoiber die Geschäfte des CSU-Freundes Kirch nach Kräften gefördert. Der windige Deal mit Murdoch war ihm alles andere als unbekannt, hat er doch selbst in Los Angeles den Türöffner gespielt. Zu befürchten ist, dass die politische Standorthilfe in Bayern noch viel weiter reicht als bisher bekannt ist, und dass die großzügigen zwei Milliarden der Spezln in der Bayerischen Landesbank noch nicht alles gewesen sind.
Dieser Bericht stammt von Hans-Jürgen Jakobs. Was wir heute gehört haben, könnte man unter dem Motto zusammenfassen: Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Sie haben ständig über den einen oder ande
ren Baum in diesem Wald gesprochen und haben sich um ihn herumgeschlängelt. Über den Wald, um den es eigentlich geht, haben Sie jedoch nicht gesprochen. Sie wussten auch warum: Der Wald ist zu finster, als dass Sie über ihn reden sollten.
Was haben wir erfahren? – Herr Prof. Dr. Faltlhauser hat in weiten Teilen seines Vortrages eine Erstsemestervorlesung für Betriebswirte gehalten.
Herr Prof. Dr. Faltlhauser hat lediglich eine wissenswerte Petitesse geäußert: „Die Landesbank hat die gleichen Sicherheiten wie andere Banken.“ An einer anderen Stelle hat er von „zweitrangigen Verpfändungen“ im Zusammenhang mit EM.TV gesprochen. Ein Fragenkomplex wurde jedoch von keinem der Herren angesprochen, obwohl er uns sehr interessiert. Dieser Fragenkomplex wird insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Zukunft des Pay-TV-Senders Premiere interessant. Die Frage lautet: Warum hat sich das Finanzierungsverhalten gegenüber Kirch oder das Kreditgewährungsverhalten seitens der Bankenlandschaft im Laufe der Existenz Kirchs so nachhaltig verändert?
Ein Blick zurück zeigt, dass am Beginn eine bunte Bankenlandschaft vorhanden war, innerhalb derer die öffentlich-rechtlichen Banken, sprich die Bayerische Landesbank, nie an vorderster Stelle standen. Wenn die Landesbank jedoch an vorderster Stelle stand, hatte sie stets vorzügliche Absicherungen für ihre Kredite bekommen. Im Laufe der Jahre wurde diese Politik mehr und mehr aufgegeben. Dann kam das Pay-TV. Herr Kollege Huber, ab diesem Moment haben Sie es selbst mit Ihren glänzenden Versuchen nicht geschafft, die Hypo-Vereinsbank dazu zu bewegen, eine Mark frisches Geld für Kirch zur Verfügung zu stellen, obwohl diese Bank dem Freistaat bis zu einem gewissen Grade verpflichtet ist, da er etwa 8% der Anteile dieser Bank hält. Am Ende gab es für die kritischsten Engagements nur noch einen Finanzier, nämlich die Bayerische Landesbank. Meine Damen und Herren, Sie sind die Antwort schuldig geblieben, warum das so ist. Erklären Sie uns bitte die seltsame Veränderung des Verhaltens der Banken in der Frage der Kreditgewährung an den Konzern im allgemeinen und bei der Frage der Pay-TV-Finanzierung im besonderen. Diese Frage ist offen geblieben.
Herr Kollege Glück, zu meinem Interview möchte ich folgendes sagen: Wir beide sind nicht naiv genug zu glauben, dass mir bestimmte hochrangige Personen gesagt hätten, Herr Stoiber oder die CSU hätten Druck ausgeübt. Dies ist auch ein Stück des bayerischen Systems. Versuchen wir es doch einmal anders herum: Herr Kollege Huber, erklären Sie uns bitte, warum beim Pay-TV und bei der Formel 1 keine Geschäftsbank in Kenntnis der genauen Geschäftslage Kirchs bereit war, auch nur eine DM zusätzlich für ein neues Geschäft zur Verfügung zu stellen und warum keine Bank bereit war, für laufende Kredite für Geschäfte, in denen Kirch bereits tätig ist, Geld nachzuschießen. Warum hat heute niemand
gesagt, dass sich dieses komische Verhalten der Geschäftsbanken eingestellt hat und die Landesbank einen immer höheren Anteil des Gesamtvolumens tragen und für Neugeschäfte das komplette Risiko übernehmen musste.