Protokoll der Sitzung vom 15.05.2002

(Willi Müller (CSU): Wir haben eines in Coburg!)

Zusatzfrage? – Herr Kollege Hufe.

Herr Staatsminister Zehetmair, wie beurteilen Sie die Aussage Ihres Kollegen Dr. Beckstein, die Verwirklichung eines fränkischen Staatstheaters scheitere an der gewünschten Haushaltskonsolidierung des Bundesfinanzministers Eichel?

Herr Staatsminister.

Herr Präsident, Hohes Haus! Herr Kollege Hufe, die Aussage des Kollegen Beckstein ist wie immer richtig.

(Allgemeine Heiterkeit)

Sie kann dadurch ergänzt werden, dass dieselbe Konsolidierungsverpflichtung auch für den Freistaat Bayern besteht.

Nächste Zusatzfrage: Herr Kollege Hufe.

Herr Staatsminister, sollte der unwahrscheinliche Fall eines Regierungswechsels eintreten und die CSU an der Regierung beteiligt wäre, würde dann die Verwirklichung des Staatstheaters näher rücken?

Herr Staatsminister.

Statt des Irrealis der Gegenwart gebrauche ich den Realis Indikativ. Ich sehe die reale Chance des Regierungswechsels, aber auch dann wird das Theater nicht verstaatlicht, weil die Finanzsituation so ist wie sie ist.

Die nächsten Fragen beantwortet Herr Staatsminister Sinner vom Staatsmi

nisterium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz. Der erste Fragesteller ist Herr Kollege Beck.

Herr Staatsminister, nachdem besonders im Großraum Regensburg eine Gefahr von der Zeckenplage ausgeht – insbesondere durch Borreliose-Erreger, die dauerhafte Gesundheitsschäden schlimmster Art hervorrufen können und gegen die auch eine Impfung nicht hilft –, frage ich die Staatsregierung, was sie gegen die Zeckenplage unternimmt, insbesondere, ob sie einen Forschungsauftrag erteilt hat oder ob in Kürze ein Auftrag erteilt werden soll?

Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, Hohes Haus! Herr Kollege Beck, der Großraum Regensburg zählt zwar zu den FSME-Risikogebieten, von einer im Vergleich zu anderen Gebieten übermäßigen Zeckenplage ist allerdings nichts bekannt. Eine großräumige Zeckenbekämpfung mit Schädlingsbekämpfungsmitteln oder auch mit anderen Methoden scheidet nach den vorliegenden Erkenntnissen aus. Sie wäre technisch aufwendig, nicht erfolgversprechend sowie ökologisch unvertretbar.

Der einfachste und sicherste Schutz vor Infektionen mit Borreliose-Erregern ist schlicht und einfach die Vermeidung von Zeckenstichen. Das kann dadurch geschehen, dass man sich mit den gängigen Mückenabwehrmitteln einreibt. Wir informieren über entsprechende Verhaltensmaßregeln. Auch Organisationen wie das Deutsche Grüne Kreuz tun dies seit Jahren durch regelmäßige Pressemitteilungen. Jedermann kann kostenlos die Broschüre „Wie schütze ich mich vor Infektionsgefahren in freier Natur?“ erhalten. Wir informieren besondere Risikogruppen, zum Beispiel Beschäftigte der Forstwirtschaft, über Gefahren von Krankheiten, die durch Zecken übertragen werden. In diesem Bereich sind auch die Unfallversicherungsträger und der Berufsgenossenschaftliche Arbeitsmedizinische Dienst tätig.

Bezüglich der Forschungsvorhaben kann ich antworten, dass wir Forschungsvorhaben zur Durchseuchung von Zecken und über Infektionen des Menschen mit Borreliose-Erregern haben. Wir wollen die Diagnostik verbessern und den Entwicklungszyklus der Erreger besser erkennen. Diese Forschungsvorhaben werden unter Mitwirkung des nationalen Referenzzentrums für Borrelien beim Max-von-Pettenkofer-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität München durchgeführt.

Eine Zusatzfrage: der Fragesteller.

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass Personen, die von Zecken gestochen worden sind, oft über ein halbes Jahr der Arbeit fernbleiben müssen, zum Teil im Krankenhaus behandelt werden und damit rechnen müssen, dass die Hirnhaut geschädigt wird und weitere gesundheitliche Schäden auftreten können?

Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Das ist mir bekannt. Ich bin selbst in der Forstwirtschaft tätig gewesen und habe selbst eine Borreliose gehabt. Ich kann aus eigener Erfahrung empfehlen, sich unmittelbar zum Arzt zu begeben, wenn nach einem Zeckenstich ein roter Hof um den Stich auftritt. Dann kann durch eine gezielte Behandlung mit Antibiotika, die etwa eine Woche dauert, die von Ihnen richtig geschilderte dramatische Folge vermieden werden. Ein guter Freund von mir lag wegen eines solchen Zeckenstichs ein Jahr im Krankenhaus.

Sinnvoll ist es, die Menschen schon vorher darauf hinzuweisen, dass sie sich vor Zecken schützen können, indem sie Autan oder andere Mittel einsetzen, wenn sie sich in der freien Natur bewegen.

Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Hecht.

Herr Staatsminister, wie sieht es mit den aktuellen Erkenntnissen zur Epidemiologie der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit in Bayern aus?

Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Herr Präsident, Hohes Haus! Frau Kollegin Hecht, es gibt keine Fälle der neuen Variante der CreutzfeldtJakob-Krankheit in Deutschland oder Bayern.

Wir haben im Rahmen der Verbraucherinitiative eine „Risikoanalyse im Zusammenhang mit dem Auftreten von BSE einschließlich der Prävalenzstudie von CJK in Bayern“ an die Arbeitsgemeinschaft BSE/Creutzfeldt-Jakob-Krankheiten an der Ludwig-Maximilians-Universität München vergeben. Das Projekt wird zunächst als zweijährige Studie durchgeführt. Es enthält zur Abschätzung des Gefährdungspotentials für den Verbraucher ein Teilprojekt „Prognose von vCJK-Fällen“ unter Leitung von Prof. Dr. Kretschmar. Ein Zwischenbericht wird im Juli 2003 vorgelegt werden. Der Abschlussbericht soll Mitte Januar 2004 vorliegen. Ich werde den Landtag und die Öffentlichkeit über den Zwischenbericht und den Abschlussbericht informieren.

Ich kann ergänzend über den Artikel „Prionen und der „BSE-Wahnsinn“: Eine kritische Bestandsaufnahme“ der Autoren Sucharit Bhakdi und Jürgen Bohl berichten, der im „Deutschen Ärzteblatt“ vom 26. April 2002 veröffentlicht wurde. In diesem Artikel wird davon ausgegangen, dass mit maximal sechs Fällen der neuen Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit bis zum Jahr 2040 zu rechnen sei, wenn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen etwa 100 erkrankte Tiere in Deutschland zu Lebensmitteln verarbeitet wurden und in die Nahrungskette des Menschen gelangt sind. Das ist eine Prognose, die ich jetzt nicht hinterfragen kann. Etwas Besseres liegt im Augenblick jedoch nicht vor.

Wenn alle 1000 BSE-Rinder, die es im Moment in Europa mit Ausnahme von Großbritannien gibt, verzehrt worden wären, dann würden wir auf maximal 60 Fälle in Europa kommen. Dies ist die Einschätzung des Artikels im „Ärzteblatt“. Wir werden dagegen in der Zeit bis 2040 Tausende von spontanen Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen in Europa erleben.

Eine Zusatzfrage: die Fragestellerin.

Herr Staatsminister, in England sind an dieser Krankheit schon 100 Personen verstorben. BSE und die neue Form der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit kommen zeitverzögert nach Deutschland. Sind wir darauf vorbereitet? Könnten wir reagieren, wenn es bei uns zu dieser Erkrankung kommt? Der Bericht wird doch erst nächstes Jahr erstattet.

Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin, wir reagieren darauf, indem wir die Infektionskette unterbrechen. Wir sind im Begriff, durch Obduktionen Erkrankungsfälle besser erfassen zu können. Viele Fälle sind möglicherweise nicht erfasst, weil nicht obduziert wird.

Die Erkrankungen in England beruhen darauf, dass in England über 180000 erkannte BSE-Fälle aufgetreten sind. Es wird angenommen, dass es in England insgesamt etwa 1 Million BSE-Fälle gegeben hat. Somit sind nicht alle BSE-Fälle erkannt worden. Es ist davon auszugehen, dass dieses Potenzial über viele Jahre in die Nahrungskette des Menschen gelangt ist.

Die Engländer essen mit Vorliebe Pasteten. Die Erkrankungen sind bei den Personen verstärkt aufgetreten, deren Lieblingsspeisen Pasteten waren. Das bedeutet, dass in den Pasteten Risikomaterialien verwendet worden sind.

Im Vergleich dazu gibt es mit Ausnahme des Vereinigten Königsreichs in ganz Europa 1000 BSE-Fälle. Daran kann man abschätzen, dass die im „Ärzteblatt“ zitierte Größenordnung relativ wahrscheinlich ist. In der Schweiz gab es unter 1,5 Millionen Rindern nur 400 BSE-Fälle, jedoch keinen einzigen Fall einer Erkrankung an der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen.

Das heißt, das kann man jetzt abschätzen. Deshalb wollen wir eine fundierte Risikoanalyse speziell für Bayern haben. Im Augenblick gehen wir so vor, dass wir das Risikomaterial entnehmen, die Infektionskette unterbrechen und beobachten, ob diese Krankheit auftritt. Diesbezüglich sind erhebliche Forschungsaktivitäten im Gange und nur aufgrund dieser Forschungsaktivitäten können wir das abschätzen. Aber die Größenordnungen, um die es sich drehen kann, habe ich Ihnen, glaube ich, jetzt angeben können.

Die nächste Zusatzfrage: Kollege Kobler.

Herr Staatsminister, ist bei diesem Forschungsbericht, den die Staatsregierung beim MaxPlanck-Institut in Auftrag gegeben hat, auch zur Auflage gemacht, eventuell Überlegungen anzustellen, Strategien zu entwickeln, wie Menschen, die an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit erkrankt sind, krankenhausmäßig und pflegerisch behandelt werden sollten? Ich habe den Eindruck, dass man hier in den bekannten Fällen ziemlich allein gelassen wird.

Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Nur zur Klarstellung: Der Auftrag ist nicht an das Max-Planck-Institut gegangen, sondern an die LudwigMaximilians-Universität München. Ich sage das, damit das nicht falsch im Protokoll steht.

Wir haben natürlich, allerdings nicht im Rahmen der Risikoanalyse, Fragen zu dieser Erkrankung gestellt. Wir wissen aber, dass es spontane Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen gibt, die bei älteren Personen auftreten. Da weiß man, was man mit diesen Personen macht. Die neue Variante tritt bei jungen Menschen auf. Wir würden dabei natürlich auch auf die englischen Erfahrungen zurückgreifen können. Dort hat man wesentlich mehr Erfahrungen in der Behandlung solcher Krankheiten als wir. Aber in der Risikoanalyse ist das nicht enthalten. Dort geht es schlicht und einfach darum, abzuschätzen, wie sich BSE in Bayern entwickeln wird, wo rückblickend die Risikofaktoren sind und wo es noch zusätzliche Risiken für die Menschen und für die Tiere gibt, die wir möglicherweise bis jetzt noch nicht beachtet haben.

Weitere Zusatzfrage: Frau Kollegin Hecht.

Noch eine Frage, Herr Staatsminister. Man hat mir mitgeteilt, dass man sich in Großbritannien mit vielen Beruhigungsmitteln usw. eingedeckt hat. Ich frage: Soll das bei uns auch angedacht werden? Wie mein Kollege gesagt hat, ist es günstiger, wenn man sich darauf vorbereitet, wie man diese Leute pflegen kann, wie man in der Hospiz mit ihnen arbeiten muss. Aber die Anwendung von Beruhigungsmitteln, wie das in Großbritannien geschieht, ist, glaube ich, nicht der richtige Weg.

Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich teile Ihre Auffassung. Es gibt natürlich intensive Forschungen dazu, wie man diese Krankheit heilen kann, wie man sie behandeln kann. Aber die Frage bezieht sich auf die Risikoanalyse. Dort ist das nicht enthalten. Alle Prionenerkrankungen und somit auch diese Krankheit sind natürlich ein Thema in der gesamten medizinischen Forschung. Dabei geht das in Richtung

Behandlung und nicht in Richtung Beruhigung. Da gebe ich Ihnen völlig Recht. Wenn Sie das interessiert, kann ich gern einmal abfragen und im Ausschuss berichten, wie die Forschungen in diesem Bereich sind. Das kann ich jetzt aus dem Stegreif sicherlich nur unvollkommen tun. Aber ich bin gern bereit, das schriftlich oder mündlich im Ausschuss zu tun.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Köhler. Bitte schön.

Herr Staatsminister, weshalb erhalten in Bayern Landwirte von Amts wegen Kostenerstattung für die gesetzlich vorgeschriebenen BSE-Tests in Höhe von 25 Euro pro Tier, obwohl die Kosten von den Metzgereien, Schlachthöfen und Laboren getragen werden, und wer erhält darüber hinaus in Bayern in welcher Höhe Beihilfen zu den BSE-Tests?

Herr Staatsminister.