Protokoll der Sitzung vom 15.05.2002

Es ist wichtig, dass die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger dort ein Mitspracherecht bekommen, wo sie unmittelbar betroffen sind.

Wir haben in den Beratungen erlebt, wie sehr Sie sich dagegen sperren, liebe Kolleginnen und Kollegen von

der CSU. Deshalb lassen Sie mich Ihnen noch einmal einen Spiegel vorhalten.

Vielleicht hilft es bei dieser letzten und entscheidenden Lesung. Sie von der Regierungsfraktion sprechen doch immer wieder vom Erfahrungsschatz der alten Menschen und davon, dass man von diesem Erfahrungsschatz in der Politik profitieren kann. Sie postulieren immer den Anspruch auf ein sicheres und erfülltes Leben im Alter. Das geht aber dann am besten, wenn den alten Menschen selber ein Mitspracherecht gewährt wird, dieses Mitspracherecht in der Gemeindeordnung verankert wird und damit nicht mehr von der Meinung eines einzelnen Gemeinderats oder eines Bürgermeisters abhängig ist.

(Beifall bei der SPD)

Viele von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen der CSU, sind insgeheim in diesem Punkt mit uns schon lange einig. Dann aber kommen immer wieder die Bedenkenträger, die Sie von den schon längst verstandenen Positionen wieder abbringen. Kann es sein, dass es Ihnen vielleicht doch am liebsten wäre, wenn sich unsere Senioren mit dem zufrieden gäben, was man ihnen vorsetzt? Sollen sie sich mit Altenclubs, Ausflugsfahrten oder mit der Vorführung von Videofilmen zufrieden geben und nur Konsumenten sein? Wer so denkt, der verkennt, dass sich im Bewusstsein unserer älteren Kolleginnen und Kollegen eine ganze Menge geändert hat.

Vielleicht merkt es der eine oder andere von Ihnen an sich selber. Wir kommen doch alle einmal in das Alter, manche sind schon nahe daran oder gar mitten drin. Sie sollten den Gedanken aufgreifen, ehrlich zu sich selber sein und sich überlegen, den älteren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit diesem Gesetz ein Mitspracherecht dort zu geben, wo sie leben und wo sie sich wohlfühlen.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Heike das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Frau Kollegin Berg, Sie haben selbst gesagt: Alle Jahre wieder. Deshalb ist Ihr Hinweis auf die letzte Chance nicht ganz ernst gemeint. Ich verstehe, dass Sie nach einer Begründung suchen, warum Sie diesen Gesetzentwurf wieder einmal bringen.

Was Sie wollen, ist den Unterlagen deutlich zu entnehmen. Sie wollen die Seniorenbeiräte zwangsweise einführen, weil die Zahl der älteren Leute zunimmt. Die Seniorenbeiräte, so steht es in Ihrem Entwurf, hätten bisher keine genau definierte Kompetenz und keinen Anspruch auf finanzielle Mittel. Dadurch sei eine vorausschauende Planung der Aktivitäten nicht möglich. Das hatten wir alles schon einmal, und wir haben schon mehrfach darüber diskutiert. Deswegen ist es eigentlich gar nicht nötig, darauf noch einmal einzugehen.

Brauchen wir wirklich einen zwangsweise eingeführten Seniorenbeirat? – Sie, Frau Kollegin, sagten, die Alten

brauchten unbedingt einen Beirat, weil sie sich sonst nicht artikulieren könnten. Sie unterschätzen unsere Senioren gewaltig.

(Beifall bei der CSU)

Der Erfahrungsschatz der Senioren ist uns sehr wichtig. Bei uns wird der Erfahrungsschatz sehr ernst genommen, und wir hören uns gern an, was uns die Senioren zu sagen haben. Und, liebe Frau Kollegin, wir hören uns das nicht nur an, sondern in der Region, aus der ich stamme, arbeiten sehr viele ältere Menschen, die über 60 oder 65 Jahre alt sind, sehr aktiv in den Gemeindeund Stadträten mit.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die haben Sie sogar im Landtag!)

Sehen Sie, Herr Dürr, wir haben diese Menschen im Landtag, und wir sind stolz auf sie. Vielleicht täten Ihnen mehr Ältere in den eigenen Reihen auch gut. Dann würden Sie einiges vielleicht mit mehr Gelassenheit behandeln.

Es ist richtig, dass die alten Menschen ein Mitspracherecht brauchen. Das haben Sie auch. Aber eines wollen wir mit Sicherheit nicht: Wir wollen keine Lobbypolitik entwickeln. Warum sollen wir eigentlich nur für die Senioren Beiräte schaffen? – Mit denselben Argumenten könnte ich Beiräte für Jugendliche, Kinder, Behinderte und andere maßgebliche Gruppen unserer Gesellschaft schaffen. Was soll denn das? – Wir haben doch keine Lobbydemokratie, sondern eine Demokratie, die für alle Menschen gleichermaßen da ist, egal wie alt oder jung sie sind. Alle können in der Demokratie mitarbeiten. Sie wollen, so steht es in Ihrem Antrag, dass die Interessen gerade dieser Gruppe behandelt werden. Was ist das für eine einseitige Sichtweise und für eine Politik? – Die führt uns sicher nicht zu mehr Gemeinsamkeit in der Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, es sei erlaubt, darauf hinzuweisen, welche Erfahrungen wir mit solchen Beiräten gemacht haben. Gehen Sie doch einmal in die Städte und Gemeinden, in denen es schon einmal ein Jugendparlament gegeben hat. Denken Sie an die Ausländerbeiräte. Alle diese Gremien sind kurzfristig aufgeblüht, dann aber schnell wieder verschwunden, weil sie nichts gebracht haben und nur dazu benutzt wurden, Eitelkeiten zu pflegen. Dafür ist uns die Politik in unserer Demokratie zu schade.

Deshalb kann ich nur feststellen, dass wir in allen Parlamenten – ich bin Herrn Kollegen Dr. Dürr für seinen Hinweis dankbar – über Mitarbeiter und Berater verfügen, die allen Altersgruppen angehören. Darum brauchen wir so etwas Einseitiges wie die Seniorenbeiräte nicht. Die Probleme von einzelnen Gruppen müssen hier im Gesamtzusammenhang behandelt und dürfen nicht isoliert betrachtet werden. Wir wollen keine Gruppeninteressen verfechten, sondern für alle Altersgruppen arbeiten. Dazu zählt für uns der Schutz des Gemeinde- und Stadtrats. Dieser soll weiterhin verantwortlich sein. Das gehört zum Selbstverwaltungsrecht, welches wir sehr hoch schätzen. Ich meine, dass dieses bisher auch in

Ihrer Fraktion sehr hochgehalten worden ist. Freiwillige und beratende Tätigkeit durch engagierte Senioren ist für uns selbstverständlich. Diese Arbeit würde durch die Erzeugung von einengenden Sichtweisen eher behindert.

Ich kann zusammenfassend für uns feststellen, dass wir die Gemeinde- und Stadträte, die wir bisher haben, nicht nur als ausreichend, sondern als sehr gut bezüglich der Repräsentation betrachten. Dort entscheiden alle Wähler, und wir beteiligen unsere Senioren genauso wie unsere jungen Menschen. Aus diesem Grunde sehen wir keine Veranlassung, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Frau Kollegin Schopper.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Heike hat sich widersprüchlich geäußert. Auf der einen Seite sagte er, dass es keiner Lobbyarbeit für die Alten bedürfe, auf der anderen Seite sprach er davon, dass die Seniorenbeiräte nicht funktionieren würden, weil die Senioren nach kurzer Zeit ihr Interesse daran verlieren würden, so wie es auch bei anderen Beiräten der Fall war. Mich wundert, dass sich die CSU auf einmal die Einschätzung der kommunalen Gebietskörperschaften zu Eigen macht und die Meinung des Städte- und Gemeindetages teilt, der sich bisher nicht gerade euphorisch zu den Seniorenbeiräten geäußert hat. Ich würde mir wünschen, dass die CSU die Position des Städte- und Gemeindetags auch einmal in Fällen würdigt, in denen diese der Haltung der CSU widerspricht. Die CSU pflichtet dem Gemeinde- und Städtetag nur dann bei, wenn es in ihr politisches Konzept passt.

Wir haben in den Beratungen im Sozialausschuss immer wieder gehört, oftmals seien auch die Bürgermeister dagegen. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich glaube, dass ein wirkliches politisches Engagement vieler alter, aktiver Menschen gar nicht so sehr gewünscht wird. Die Bürgermeister lassen sich gerne mit der Seniorentanzgruppe ablichten. Das gibt ein schönes Bild in der Zeitung. Aber wenn unbequeme Wahrheiten zutage kommen, ist ihnen das, glaube ich, nicht mehr so Recht.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Was den Gesetzentwurf angeht, den die SPD-Fraktion eingebracht hat und dem wir auch zustimmen werden, so hätten wir gerne die Kompetenzen der Seniorenbeiräte sowie ihre Möglichkeiten und Mitwirkungsrechte etwas näher definiert gehabt. Aber wenn schon dieser kleine Schritt, in Gemeinden über 5000 Einwohner die Bildung von Seniorenbeiräten als verbindlich anzusehen, abgelehnt wird, brauchen wir über die Kompetenzen gar nicht erst zu streiten.

Wir glauben, dass wir aufgrund der demografischen Entwicklung und aufgrund der Skandale im Pflegebereich und in der stationären Altenversorgung auch eine Lobby

für alte Menschen und Diskussionsbeiträge brauchen, die uns sagen, wie es weitergehen soll. Natürlich müssen wir die alten Menschen mit auf den Weg nehmen. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir sicherstellen können, dass wir dort Diskussionspartner haben, wo die Interessen von Jungen und Alten miteinander kollidieren, wie zum Beispiel in der Pflegeversicherung, in der Krankenversicherung, in der Rentenversicherung. Beispielsweise bei der Landesseniorenvertretung wird das sehr kontrovers, konstruktiv, aber auch engagiert diskutiert. Ich finde, man muss es auch unterstützen, dass Leute, die sich ehrenamtlich engagieren, die sich einbringen und die Arbeit nicht nur als eine Lobbyarbeit für sich im Persönlichen sehen, sondern die wirklich versuchen, dort ein Diskussionsforum zu schaffen, unterstützt werden. Daher hätten wir gern diesen Gesetzentwurf hier mit einer Mehrheit gesehen. So können wir ihn nur von unserer Seite unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Schopper. Das Wort hat Herr Staatssekretär Regensburger.

Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur einige wenige Anmerkungen, damit auch klar ist, welche Position die Staatsregierung einnimmt. Die Staatsregierung teilt natürlich das Ergebnis der Beschlussfassung in den Ausschüssen, wonach eine zwangsweise Einführung von Seniorenbeiräten abgelehnt wird. Sie begrüßt es aber ausdrücklich, wenn vor Ort im Rahmen der Entscheidung der kommunalen Selbstverwaltung Seniorenbeiräte eingerichtet werden. Dies ist aufgrund eines Beschlusses als Ergebnis eines Antrags der CSU-Landtagsfraktion bereits im Jahre 1996 in einem Rundschreiben deutlich gemacht worden, wobei auf den Wert solcher Seniorenbeiräte hingewiesen wurde.

Wir teilen die Auffassung der Mehrheitsfraktion, dass es auch mit unserem Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung nicht vereinbar ist, wenn wir den Kommunen die Pflicht auferlegen, solche Seniorenbeiräte zu richten. Ich als praktizierender Kommunalpolitiker kann mir auch nicht vorstellen, dass sich dann, wenn vor Ort der Wunsch nach Seniorenbeiräten da ist, die Mehrheit eines kommunalen Entscheidungsgremiums diesem Wunsch verschließen würde. Ich spreche aus eigener Erfahrung. Bei mir in Ingolstadt gibt es seit Jahrzehnten einen Seniorenbeirat. Er ist völlig unbestritten, arbeitet gut, funktioniert gut. Ein entsprechender Wunsch ist damals an uns herangetragen worden. Ich weiß nicht mehr, von wem, ob von außen oder von einer Fraktion aus dem Stadtrat. Es war eine Selbstverständlichkeit, dass sich dafür eine große Mehrheit ergeben hat. Deshalb kann ich an diejenigen, die vor Ort solche Seniorenbeiräte haben wollen, nur appellieren, dass sie sich an die Fraktionen, an die Gemeinderäte, an die Stadt- und Kreisräte wenden. Ich bin mir sicher, dass solche Wünsche in keinem Falle abgelehnt werden.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Aussprache ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf auf der Drucksache 14/7712 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit empfiehlt auf Drucksache 14/9421 die Ablehnung des Gesetzentwurfs.

Wer entgegen der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind die Fraktion der CSU und Frau Abgeordnete Grabmair. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 5

Gesetzentwurf der Staatsregierung

über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (Aufnahmegesetz – AufnG) (Drucksa- che 14/8632)

Zweite Lesung –

Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Hahnzog, Schindler, Hirschmann und anderer (SPD) (Drucksa- che 14/8905)

Änderungsantrag der Abgeordneten Welnhofer, Dr. Merkl, Obermeier (CSU) (Drucksache 14/9161)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit beträgt wiederum 30 Minuten pro Fraktion. Das Wort hat die Frau Kollegin Hirschmann.

Herr Präsident, Kollegen und Kolleginnen! Durch dieses Gesetz wird die Zuständigkeit für die Unterbringung und die soziale Versorgung der Asylbewerber und Asylbewerberinnen an den Freistaat Bayern als alleinige Instanz übergeben. Zum Zweck einer einheitlichen Anwendung des Asylbewerberleistungsgesetzes sei dieser Schritt überfällig gewesen, argumentiert die Staatsregierung. Auch die kommunalen Spitzenverbände unterstützen in ihrer Mehrheit die Übertragung der Zuständigkeit auf das Land – und dies, Kollegen und Kolleginnen, vor allem deshalb, weil damit eine finanzielle Erstattung der Leistungen durch die Beauftragenden verbunden ist, was aufgrund der anerkannt angespannten finanziellen Situation der Kommunen verständlich ist.

Anders sieht es aber aus, Kollegen und Kolleginnen, wenn man die zu erwartenden Folgen für die von diesem Gesetz betroffenen Menschen betrachtet. Die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände hat darauf hingewiesen, dass aufgrund des weitgehenden Verbots des Bezugs einer Privatwohnung die psychischen und gesundheitlichen Folgen nicht zu verantworten sind. Die

Folgen der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften werden für die Familienmitglieder schwerwiegend sein. Dieser aufgrund des Gesetzes zu erwartende Sachverhalt dürfte unter Umständen auch zu einer schwierigeren Situation bei der Übernahme eines Arbeitsplatzes gerade in ländlich strukturierten Gegenden führen.

Auf einen weiteren Punkt möchten wir aufmerksam machen. Dieser Punkt ist seitens des Sozialreferats der Landeshauptstadt München besonders herausgearbeitet worden. Eine einheitliche Versorgung wird die Standards bei der Unterbringung selbstverständlich nach unten nivellieren. Das ist ein ernst zu nehmendes Problem. Die nachgewiesenermaßen höheren qualitativen wie auch quantitativen Standards insbesondere der Landeshauptstadt München würden dabei verloren gehen.

Der Vorschlag Münchens lautet, die bisher geleistete Arbeit, die gerade bei der sozialen Betreuung durch die Landeshauptstadt München und die damit verbundenen sozialen Dienste weit über dem bayernweiten Standard liegt, weiterzuführen und die dadurch entstehenden Kosten der zuständigen Stelle in Rechnung zu stellen. Der Änderungsantrag der SPD-Landtagsfraktion, der diese wesentlichen Kritikpunkte aufgenommen hat, wurde von der Mehrheit im Bayerischen Landtag bedauerlicherweise – das sage ich ganz eindringlich – abgelehnt.