Protokoll der Sitzung vom 15.05.2002

Als Gutachter sollen nur Personen bzw. Institutionen ausgesucht werden, die in der Vergangenheit nicht für Atomkraftwerksbetreiber tätig waren und aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit Gewähr für eine unvoreingenomme Prüfung bieten.

Es folgen ein paar Spiegelstriche.

Ich kann nur feststellen, Frau Kollegin Paulig hat nicht zum Antrag gesprochen, sondern sie hat über die Firma Colenco geredet und sich darüber beklagt, dass der Minister angeblich oder tatsächlich Fragen des Bundesumweltministers nicht beantwortet hat. Wenn dies Ihr Anliegen ist, hätten Sie den Bayerischen Landtag heute zu folgendem Beschluss auffordern müssen: Der Landtag beschließt, Staatsminister Dr. Schnappauf soll die Fragen umgehend beantworten. Dem hätten wir zugestimmt, wenn Herr Schnappauf nicht hätte entkräften können, was ihm vorgeworfen wird.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Minister Dr. Schnappauf!)

Minister Dr. Schnappauf. Wir kennen uns so gut, dass das für ihn kein Problem ist.

Meine Damen und Herren, von der CSU und der Bayerischen Staatsregierung auf einem Gebiet, auf dem Sicherheitsaspekte einen derart hohen Stellenwert haben wie bei der Kernkrafttechnik, zu verlangen, Gutachter zur Überprüfung der sicherheitsrelevanten Einrichtungen eines Kernkraftwerks einzuschalten, die in der Vergangenheit mit Atomkraft nichts zu tun gehabt haben, also mit der Materie überhaupt nicht befaßt waren und keine berufliche Erfahrung haben, das ist kein Sicherheitsgewinn, sondern das verletzt das Sicherheitsbedürfnis der bayerischen Bevölkerung insgesamt.

(Beifall bei der CSU)

Wir machen es in Bayern nicht so wie Umweltminister Trittin in Berlin, der nicht etwa einen einschlägig bekannten Professor oder Wissenschaftler als Vorsitzenden der Reaktorsicherheitskommission einsetzt, sondern einen Landschaftsgärtner.

(Zuruf von der SPD)

Okay, das ist seine Sache.

Frau Kollegin Paulig, das, was Sie über Ihren Antrag hinaus gesagt haben, ist deshalb so unseriös und

bedauerlich, weil hier eine Besuchergruppe war, die in der Zwischenzeit gegangen ist und die den Eindruck mit nach Hause genommen hat, dass die Firma Colenco, die damals beauftragt worden ist, eine Firma ist, die in enger Kungelei mit Kraftwerksbetreibern unternehmensfreundliche Gutachtensergebnisse vorlegt. Kein Wort wurde darüber verloren, dass der Umweltminister nicht nur sehr überzeugend Rede und Antwort gestanden hat, sondern dass auf Bitten des bayerischen Umweltministeriums vor dem geplanten Auftrag an die Firma Colenco der Bundesumweltminister informiert worden ist, der mit Schreiben vom 23.10.2001 sein Einverständnis mit dem Auftrag erklärt hat. Ich halte es für unseriös und für eine Volksverdummung größten Ausmaßes, zu versuchen, den Eindruck zu erwecken, die Bayerische Staatsregierung hätte deshalb, weil sie für den bekannten Energiemix ist, einen Gutachter eingesetzt, der nur im Interesse der Betreiber begutachtet.

Frau Paulig, es tut mir Leid, dass ich auch auf das Folgende noch eingehen muss, obwohl es nichts mit dem Antrag zu tun hat. Ihr Antrag ist ja sowieso abzulehnen, denn er ist nicht einmal das Papier wert, auf dem er geschrieben worden ist. Sie erwecken hier auch noch den Eindruck, dass im Rahmen der Untersuchung von Colenco große Zweifel an der Qualität der Arbeit des TÜV angemeldet worden sind. Natürlich hat die Firma Colenco darauf hingewiesen, dass die Organisation in Teilbereichen überdacht und verändert werden kann. Es wurde auch gesagt, das ist kein Problem. Der für das Sicherheitsbedürfnis der bayerischen Bevölkerung wesentliche Satz aber lautet: Die Untersuchung hat ergeben, dass von den Vorwürfen, die im Zusammenhang mit den E-Mails zum Ausdruck gebracht worden sind, nichts übrig geblieben ist. Das gilt auch für Schweißnähte und vieles andere mehr. Ich kann das jetzt nicht alles ausführen, sonst werde ich von der Fraktionsführung gerügt, weil ich zuviel Redezeit in Anspruch nehme. Alle sicherheitsrelevanten Einrichtungen des Kraftwerks sind überprüft worden, wobei festgestellt wurde, dass der TÜV sauber, ordentlich und unabhängig gearbeitet hat.

Sie sind in der Begründung des Antrags überhaupt nicht auf das Wesentliche des Antrags eingegangen, was ich verstehe, weil Sie ausgelacht werden, wenn Sie draußen im Lande erklären, Sie wollen in Zukunft Gutachter haben, die mit der Materie nicht vertraut sind, weil sie dann nicht auf gleicher Höhe mit den Kraftwerksbetreibern arbeiten können. Weil das unserem Prinzip der Gründlichkeit der Arbeit, der Nachhaltigkeit und der Sicherheit der Einrichtungen widerspricht, lehnen wir den vorliegenden Antrag ab.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Schnappauf.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Obwohl wir uns in den Ausführungen nicht aufeinander abgestimmt haben, kann ich nahtlos an dem anknüpfen, was Kollege Hof

mann hier vorgetragen hat. Auch ich möchte nur zu dem Stellung nehmen, was Gegenstand des Dringlichkeitsantrags ist. Geredet haben Herr Kollege Wörner und Frau Kollegin Paulig, vor allem Frau Kollegin Paulig, zu ganz anderen Themen. Ich habe sogar Wetten darauf angenommen und meinen Terminkalender darauf abgestellt, dass Sie, Frau Paulig, das Thema: „Bundesminister erteilt Weisung an bayerische Atomaufsicht“ zum Gegenstand einer Dringlichkeitsbefassung im Bayerischen Landtag machen. Das ist ein Geschenk, das Sie immer gerne aufgreifen. So schlecht, so schlampig, wie Ihr Antrag dieses Mal aufbereitet ist bzw. wie man Ihnen hier zugearbeitet hat, so schlecht und so schlampig habe ich von Ihnen schon lange nichts mehr vorgetragen bekommen.

(Hofmann (CSU): Weil Sie nicht viel Zeit gehabt haben!)

Es wäre aber schon interessant, und das möchte ich Sie auch fragen, woher Sie eigentlich die Schreiben der Bayerischen Atomaufsichtsbehörde haben, die Sie vorhin mit Inhalt und Datum genannt haben.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Die Schreiben der bayerischen Aufsichtsbehörde an die Bundesaufsicht sind nicht auf dem öffentlichen Markt zugänglich.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Sie sollten dem Hohen Haus schon sagen, woher Sie Ihre Informationen beziehen.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die sind aus dem Internet! Das haben Sie doch gerade gehört!)

Das können wir gerne anhand des Protokolls nachvollziehen. Liebe Kollegin, Sie sollten denen, die es angeht, sagen, dass sie Sie präziser vorbereiten sollten, denn die Fragen, die Sie hier mündlich vorgetragen haben, würden das Hohe Haus möglicherweise tatsächlich interessieren. Dazu würde ich generell gesehen gerne Stellung nehmen. Ihr Antrag aber spricht eine ganz andere Sprache, wie Kollege Hofmann das bereits zum Ausdruck gebracht hat.

Ich will mich jetzt mit Ihrem Antrag befassen, Frau Paulig. Sie schreiben darin, die Staatsregierung wird aufgefordert, „die Sicherheitsdefizite“ und „die Qualitätsmängel“ usw. erneut überprüfen zu lassen. Damit befleißigen Sie sich einer Sprache, die unterstellt, dass es beim Kernkraftwerk Isar I Sicherheitsmängel und Qualitätsmängel gibt.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die gibt es doch!)

Sie fordern eine Überprüfung, nehmen das Ergebnis aber bereits vorweg und unterstellen damit etwas, was nur Sie behaupten, und dies in öffentlicher Sitzung,

darauf hat Kollege Hofmann bereits hingewiesen. Ich füge hinzu, Frau Paulig: Sie tun dies wider besseren Wissens. Ich möchte den Vorgang deshalb noch einmal in Erinnerung rufen, der das Hohe Haus schon mehrfach beschäftigt hat. Ausgelöst wurde das Ganze durch einen anonymen Brief vom 8. Oktober 2001. Diesen Brief hat im Übrigen nicht die Bayerische Atomaufsichtsbehörde direkt erhalten, sondern es erhielt ihn die Bundesaufsichtsbehörde. Diese hat den Brief zwar entgegengenommen, vorerst aber nichts veranlasst. Auch das will ich noch einmal sagen. Vielleicht können Sie diese Tatsache einmal an die Kolleginnen und Kollegen Ihrer grünen Fraktion weiterleiten. Die Bayerische Atomaufsichtsbehörde hat diesen Brief am 8. Oktober 2001 vom TÜV Süddeutschland weitergeleitet bekommen. Wir haben noch am gleichen Tag die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und eine Prüfung durch die Aufsichtsbehörde eingeleitet. Im Rahmen dieser Überprüfung haben wir externe Gutachter eingeschaltet, die bis dahin mit dem Vorgang nicht befasst waren. Wir haben die externen Gutachter erst eingeschaltet – hierauf hat Kollege Hofmann völlig zu Recht hingewiesen –, als das Bundesumweltministerium dem ausdrücklich zugestimmt hatte. Das Bundesumweltministerium hat dem ausdrücklich zugestimmt, sowohl was den Inhalt als auch was die ausgewählte Gutachterorganisation angeht. Insofern ist das, was Sie sagten, Frau Paulig – Entschuldigung, wenn ich es so platt ausdrücke –, ein absoluter Schmarrn.

(Hofmann (CSU): Ja!)

Wir haben mit der Bundesaufsichtsbehörde offen und konstruktiv zusammengearbeitet. Wir haben den Auftrag erst erteilt, nachdem das Bundesumweltministerium dem ausdrücklich zugestimmt hat.

Nächster Schritt: Wir haben eine Vielzahl öffentlicher Berichte abgegeben. Wir haben zweimal im Bayerischen Landtag darüber berichtet, einmal im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages. Dabei hat die Ihrer grünen Fraktion angehörende Staatssekretärin ausdrücklich gewürdigt, dass wir so konstruktiv und offen mit der Bundesaufsichtsbehörde zusammengearbeitet haben.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Paulig?

Eigentlich nicht, Herr Präsident, nachdem Frau Paulig vorhin auf meine Frage nur einen Zwischenruf gemacht und nicht geantwortet hat.

Frau Paulig, ich möchte Ihnen die Sache lieber noch einmal im Kontext in Erinnerung rufen. Wir haben gegenüber dem Bundesumweltministerium, der Atomaufsichtsbehörde des Bundes, nach Abschluss der Prüfung unsere Absicht kundgetan, dass wir meinen, die Anlage kann jetzt wieder angefahren werden. Wir haben das mit der Bundesaufsichtsbehörde dann mündlich erörtert und erst danach grünes Licht für das Wiederanfahren von Isar I gegeben. Dazu gibt es auch eine Pressemitteilung und ein Schreiben des Bundesumweltministeriums. Das

Schreiben können Sie mit Ihren Unterlagen vergleichen und mitlesen, ich will es auszugsweise vortragen:

Bei unserem bundesaufsichtlichen Gespräch am 17.11.2001 ergaben sich keine Hinweise dafür, dass in der Anlage Isar I konkret zu benennende sicherheitstechnische Defizite vorliegen.

Das ist das Schreiben der Bundesaufsicht vom 28. November 2001. Dazu gibt es eine gleichlautende Presseerklärung, die einige Tage zuvor herausgegeben wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich im Nachhinein den Ablauf dieses Vorgangs noch einmal in Erinnerung ruft, dann stellt man fest: Ein anonymes Schreiben führt zu einer scharfen Reaktion der Bayerischen Atomaufsicht bis hin zur Einschaltung der Staatsanwaltschaft. Obwohl das Schreiben anonym ist, obwohl sich derjenige, der diese Vorwürfe gemacht hat, sich nicht traut, sich dazu zu bekennen, erfolgt eine scharfe Reaktion. Es folgt eine offene Kommunikation mit dem Bund. Die Anlage durfte so lange nicht wieder anfahren, bis alle Vorwürfe ausgeräumt waren. Der Bund schreibt uns – ich lese das noch einmal vor, Frau Paulig – dass sich keine Hinweise dafür ergeben haben, dass in der Anlage Isar I konkret zu benennende sicherheitstechnische Defizite vorliegen. Daraufhin hat die bayerische Atomaufsicht grünes Licht gegeben, dass der Reaktor wieder in Betrieb genommen werden kann. Das ist er seither ohne Störungen, also seit Ende des vergangenen Jahres.

Der Bundesumweltminister hat in diesem Brief vom 28.11.2001 geschrieben: „Eine Reihe von Fragen sind jedoch offen geblieben. Dies betrifft insbesondere den Komplex Basissicherheit bzw. Bruchausschluss.“ Später hat der Minister hierzu einen Fragenkatalog übermittelt. Das ist doch ein ganz anderer Vorgang als der, den Sie zum Gegenstand Ihres Antrags machen. Sie fordern aufgrund von Ihnen behaupteter Sicherheits- und Qualitätsmängel eine erneute Überprüfung. Das will aber noch nicht einmal Ihr grüner Bündnisgenosse in Berlin. Insofern haben wir hier eine schlechte Abstimmung in der grünen Fraktion zwischen München und Berlin. Ich möchte deshalb dem beipflichten, was Kollege Hofmann gesagt hat: Dieser Antrag ist abzulehnen.

Was die Beantwortung der übrigen Fragen angeht, so bin ich gern bereit, zu gegebener Zeit im Einzelnen dazu Stellung zu nehmen, wenn diese Fragen Gegenstand der Debatte sind. Wir haben nichts, wirklich überhaupt nichts zu verbergen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Wenn sich der Bund die Mühe machen würde, die Unterlagen, die er schon hat, auch durchzulesen, dann wären alle Fragen weitestgehend beantwortet. Das ist aber ein eigener Komplex, und ich versage mir nur deshalb, darauf einzugehen, weil der Dringlichkeitsantrag dies nicht zum Gegenstand hat.

(Beifall bei der CSU)

Um das Wort hat noch einmal Frau Kollegin Paulig gebeten.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Umweltminister, Sie haben aus der Pressemitteilung des Bundes vom 18. November 2001 zitiert. Es ist in der Tat richtig, wie Sie zitiert haben, dass derzeit keine konkreten Zweifel vorliegen. Ich zitiere aber weiter:

Im Verlauf der Prüfungen zum AKW Isar I durch die Bundesaufsicht sind Schwächen der bayerischen Überwachungspraxis deutlich geworden, die Anlass für weitere bundesaufsichtliche Prüfungen und Maßnahmen sein werden.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat er aber nicht vorgelesen!)

Dies wurde der bayerischen Atomaufsicht im Rahmen eines bundesaufsichtlichen Gesprächs am Samstag

das war der 17. November –