Auch ein Innenminister oder vielleicht sogar der Ministerpräsident kann eine rechtmäßige Entscheidung vor Ort nicht korrigieren bzw. in sie eingreifen. Das wäre gesetzeswidrig.
Unser Staatsaufbau ist föderal. So ist es auch folgerichtig, dass die Behörden vor Ort in angewandter Subsidiarität nach Recht und Ordnung entscheiden. Nun die Parteispitze anzuprangern und im Voraus das Handeln von Dr. Edmund Stoiber zu verlangen, ist reines Wahlkampfgetöse, ganz gleich, ob von Dachau her oder von Ihrer Seite, Herr Maget.
Staatssekretär Regensburger (Innenministerium) : Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ich war bisher der Meinung, dass die Abgeordneten dieses Hauses, die doch die Gesetze beschließen, sämtlich die Ersten sind, die peinlich darauf achten, dass diese auch eingehalten werden.
Dies ist offensichtlich bei den Damen und Herren der Opposition nicht der Fall, wenn es darum geht, aus diesem Vorgang ein parteipolitisches Süppchen zu kochen. Sie sind immer die ersten, die dem Ministerpräsidenten und der Staatsregierung vorwerfen, sie mischten sich unzulässig ein. Aber wenn es in den Kram passt, wird von diesen auch genau das Gegenteil gefordert, wie man soeben wieder gehört hat.
(Beifall bei der CSU – Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Es ist der Parteivorsitzende, der hier gefragt ist! – Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Herr Kollege Professor Dr. Gantzer, das, was Sie zum Besten gegeben haben, kann ich nur als Versuch werten, die depressive Stimmung der Opposition wieder etwas aufzulockern.
Das war weit unter Ihrem Niveau, vor allem der Vergleich in Sachen OK und Pate. Dies im Zusammenhang mit Ministerpräsident und Innenminister anzuführen, ist unverschämt.
Langsam müssen wir uns überlegen, ob wir Ihnen nicht wegen groben Undanks den Titel des Ehrenkommissars wieder aberkennen müssen.
(Lachen bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD) – Maget (SPD): Den vergeben Sie doch nicht!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt zu den Anträgen der Opposition. Der Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN fordert in seiner Ziffer 1 die Unterstützung seitens der Staatsregierung für die Rechtsauffassung der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden, nicht nur die Stadtrats- und Kreistagswahlen in der Stadt Dachau für ungültig zu erklären und zu wiederholen, sondern auch die Oberbürgermeisterwahlen.
Das Landratsamt Dachau ist zuständige Rechtsaufsichtsbehörde für die Stadtratswahl. Sie beabsichtigt, wie Sie wissen, die Stadtratswahl in der nächsten Woche für ungültig zu erklären. Die Regierung von Oberbayern als zuständige Rechtsaufsichtsbehörde für die Kreistagswahl plant, zum gleichen Zeitpunkt auch die Kreistagswahl für ungültig zu erklären und eine Nachwahl – natürlich beschränkt auf Dachau – anzuordnen. – Der verspätete Eingang der Wahlanfechtung bei der Regierung von Oberbayern wird dabei keine Rolle spielen; aber die Anfechter müssten natürlich ihre Wahlanfechtung grundsätzlich bei der zuständigen Stelle, nämlich bei der Regierung von Oberbayern, einbringen. – Die Gewählten und die Listennachfolger wurden über diese Absicht bereits unterrichtet, so wie es vorgeschrieben ist, und haben bis morgen Gelegenheit zur Äußerung. Es entspricht zwingenden rechtsstaatlichen Prinzipien, eine solche Anhörung durchzuführen und das Ergebnis dieser Anhörung abzuwarten.
Das Vorgehen der Rechtsaufsichtsbehörden war bisher von dem Bemühen getragen, eine möglichst rasche, aber auch eine möglichst über jeden Zweifel erhabene Entscheidung zu treffen. Der bloße Verdacht, ja sogar die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Wahlrechtsverstößen gekommen sein könnte, kann in keinem Fall eine Ungültigkeitserklärung rechtfertigen. Die Verstöße müssen erwiesen sein. Das sagt ausdrücklich auch die Recht
sprechung. So ist also die Rechtslage, und das sollten auch alle Juristen, die von Seiten der Opposition gesprochen haben, zur Kenntnis nehmen.
Tragender Grund für die beabsichtigten Ungültigkeitserklärungen werden Manipulationen bei der Kennzeichnung von Stimmzetteln sein. Die Rechtsaufsichtsbehörden verlassen sich dabei nicht alleine auf eigene Feststellungen. Sie berücksichtigen darüber hinaus die graphologischen Gutachten und die staatsanwaltlichen Ermittlungen.
Das ist auch gut so, meine ich, weil die Staatsanwaltschaft ganz andere Möglichkeiten der Aufklärung hat als die Wahlprüfungsbehörde.
Bereits im April wurde immer wieder gefordert, die Kommunalwahl in Dachau für ungültig zu erklären. Damals lagen aber noch keine fundierten Zeugenaussagen, Festnahmen von Verdächtigen oder die Aussage eines Beschuldigten wie des ehemaligen Stadtratmitglieds Wolfgang Aechtner vor. Erst jetzt sind die Rechtsaufsichtsbehörden in der Zusammenschau ihrer eigenen Feststellungen und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen überzeugt, dass Wahlrechtsverstöße erwiesen sind – ich betone: erwiesen sind; das ist die rechtliche Voraussetzung – und Auswirkungen auf das Wahlergebnis bei der Stadtrats- und Kreistagswahl in der Stadt Dachau haben. Also ist auch jetzt erst der richtige Zeitpunkt, die beiden Wahlen für ungültig zu erklären.
Bei der Frage nach einer Wiederholung der Wahlen genügt ein Blick in das Wahlgesetz. Die Nachwahl setzt die Bestandskraft der Ungültigerklärung, also den Ablauf der Klagefrist gegen die Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörden voraus. Durch eine gerichtliche Anfechtung könnte eine Nachwahl durchaus verzögert werden – ein Grund mehr, eine über jeden Zweifel erhabene Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörden über die Ungültigerklärung herbeizuführen.
Die eigentliche Forderung des Antrages lautet, die Stichwahl für die Wahl des Oberbürgermeisters vom 17. März 2002 für ungültig zu erklären und zu wiederholen. Der Antrag suggeriert dabei, dass das Landratsamt gerne wollte, aber von der Staatsregierung behindert oder zumindest nicht unterstützt würde. Das ist falsch. Ich weiß nicht, woher Sie die Erkenntnis haben, dass die Rechtsaufsichtsbehörde Landratsamt Dachau die Stichwahl für ungültig erklären will. Ich habe mich erkundigt; von dort gibt es keinerlei Aussage. Gegen die Unterstellung mangelnder Unterstützung muss ich mich deshalb für das Innenministerium und auch für den Innenminister entschieden verwahren. Die Rechtsaufsichtsbehörden haben jede Unterstützung der Staatsregierung. Nach den gesetzlichen Vorgaben sind sie aber zunächst selbst die zuständigen und verantwortlichen Behörden für die Wahlprüfung und entscheiden deshalb auch selbst ohne jede Behinderung.
Nach derzeitigem Erkenntnisstand des Landratsamts Dachau steht nicht fest, dass bei der Stichwahl Wahlvorschriften in einem Umfang verletzt wurden, dass diese Verstöße Auswirkungen auf das Wahlergebnis hätten – beide Voraussetzungen müssen erfüllt sein – und die
Wahl deshalb für ungültig erklärt werden muss. Anders als bei der Stadtrats- und Kreistagswahl konnten bei der Durchsicht von Stimmzetteln der Oberbürgermeisterstichwahl bei den Briefwahlvorständen keine erkennbaren Übereinstimmungen bei den Kreuzen, die den Schluss der Wahlmanipulation nahe legen, festgestellt werden. Eine solche Übereinstimmung – wie Sie wissen, wird bei der Oberbürgermeisterwahl lediglich ein Kreuz gemacht – wäre selbst durch ein graphologisches Gutachten des Landeskriminalamts kaum nachweisbar. Eine komplette Durchsicht der vollständig vorhandenen Wahlscheine aus der Stichwahl hat keine Auffälligkeiten bei den Versicherungen an Eides Statt erkennen lassen. Dies sind die Feststellungen der Rechtsaufsichtsbehörde, des Landratsamtes.
Allerdings laufen diesbezüglich noch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen; auch zur Stunde werden weitere Ermittlungen durchgeführt. Wenn sich hieraus zusätzliche Erkenntnisse ergeben sollten, nach denen Wahlrechtsverstöße, die Auswirkungen auf das Stichwahlergebnis haben, feststehen – ich betone den Ausdruck feststehen –, wird das Landratsamt selbstverständlich auch die Stichwahl unverzüglich für ungültig erklären. Der Verdacht oder die Vermutung reicht nach dem Gesetz nicht aus. Ich bitte, dies wirklich einmal zur Kenntnis zu nehmen. Ich habe eben gehört, dass die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen heute möglicherweise abgeschlossen werden können und morgen eine Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft stattfinden wird, aber ich weiß das nicht hundertprozentig.
Nach Ziffer 2 des Dringlichkeitsantrags soll im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit berichtet werden, in welchen Kommunen die Wahlen vom 3. und 17. März berichtigt oder für ungültig erklärt wurden und aus welchen Gründen dies jeweils erfolgte. Außerdem soll berichtet werden, welche Verbesserungsmöglichkeiten des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes die Staatsregierung sieht, um schneller auf Verstöße gegen Wahlrechtsgrundsätze reagieren zu können. Ich habe Ihnen diese Überprüfung bereits anlässlich einer der letzten mündlichen Fragestunden zugesagt. Wir haben bereits von uns aus, wie das nach jeder Wahl geschieht, bei den Regierungen Erfahrungsberichte zu den Kommunalwahlen im März angefordert, die einen Überblick über die Erfahrungen der Regierungen, der Landratsämter und der Gemeinden geben werden. Um eine vernünftige Nachschau und Nachbearbeitung der Kommunalwahlen zu ermöglichen, sind uns die Erfahrungsberichte bis zum 1. August dieses Jahres vorzulegen. Dieses Verfahren entspricht, wie gesagt, den Gepflogenheiten der bisherigen Kommunalwahlen und hat sich bewährt. Ergeben sich dann aus diesen Erfahrungsberichten und dem ständigen Austausch mit den Wahlexperten vor Ort Notwendigkeiten zu Gesetzesänderungen, werden diese auch vorgenommen. Auch dies war bisher gute Praxis. Das Kommunalwahlrecht ist durchaus auch aus dieser und an dieser Praxis gewachsen.
Auf dieser Grundlage sind wir selbstverständlich gern bereit, nach Auswertung der Erfahrungsberichte im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit einen Bericht über die Ungültigerklärungen und Berichti
gungen sowie über etwaige Verbesserungsmöglichkeiten zu geben. Ich möchte dazu heute im Detail noch nichts sagen, weil wir zunächst eine sorgfältige Auswertung vornehmen wollen.
Lassen Sie mich abschließend feststellen, meine Damen und Herren Kollegen: Die Staatsregierung verschleppt in diesem Zusammenhang nichts. Die Staatsregierung verschleiert nichts. Die Staatsregierung beschönigt auch nichts, sondern klärt im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auf und zieht daraus die rechtlich möglichen Konsequenzen.
Herr Präsident, Hohes Haus! Angesichts der Vorwürfe, die vorhin von Herrn Kollegen Gantzer, von Herrn Maget und von anderen in Zwischenrufen gemacht worden sind, will ich für die CSU an dieser Stelle ausdrücklich erklären – da ich in Kombination meiner Ämter anwesend bin, kann ich das tun; sonst würden die Vorwürfe, wie so häufig, an jemanden gerichtet, der nicht diesem Hohen Hause angehört und sich nicht verteidigen kann; ich kann dies hier sowohl für den Vorsitzenden als auch für die Landesleitung der CSU tun –: Wir sind hinsichtlich des Themas Dachauer Wahlmanipulationen vom ersten Tag an mit unseren Untergliederungen in der CSU in Dachau in Kontakt. Wir haben jeweils festgestellt, dass rechtsstaatliche Überprüfungen der einzelnen Vorgänge, die öffentlich diskutiert worden sind – andere kenne ich nicht –, eingeleitet worden sind und dass, solange diese rechtsstaatlichen Überprüfungen laufen, jede Urteilsnahme und jede Vorverurteilung von Verdächtigen zu unterbleiben haben. Diese Überprüfungen sind nicht zu Ende. Solange sie nicht zu Ende sind, sind Schlussfolgerungen voreilige Schlüsse.
Die gemeinsame Ausgangsposition ist, dass der Vorsitzende und wir in der Landesleitung längst sehr genau Schlussfolgerungen aus den zu erwartenden Ergebnissen gezogen haben. Diese Schlussfolgerungen sind klar und deutlich; Kollege Thätter hat sie vorhin für den eigenen Bereich ausdrücklich mitgeteilt: Mitglieder, bei denen erwiesen ist, dass sie sich an einer solchen Aktion beteiligt haben, dass sie sie organisiert oder vorbereitet haben, haben in der CSU nichts verloren. Wir haben da nichts zu verbergen. Wir schließen aber niemand aus, solange die Schuld nicht feststeht.
Wir haben diesen Anspruch. Hier gilt genau das gleiche, Frau Biedefeld. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. Ich trenne mich von einem anderen Menschen, wenn sie es denn tun – –
Ich habe das genau verstanden, lassen Sie mich doch ausreden. Das Brüllen bringt keine Ergebnisse. Für
Schreiber gilt genau das gleiche. Karlheinz Schreiber hat im Jahr 2000 Vorwürfe gegenüber Dritten erhoben, die nichts mit der CSU zu tun haben. Es wäre Unfug, ihn deshalb auszuschließen, ohne ihm nach unserem Rechtssystem den Anspruch zu eröffnen, wegen Nichtschädigung der Partei wieder aufgenommen zu werden. Sie möchten gerne, dass wir menschliche Fehler, die noch nicht überprüft sind, die noch nicht überschaubar sind, zum Maßstab für Verurteilungen im Rechtsstaat machen. Wenn Sie dies so handhaben würden, müssten Sie Herrn Müntefering aus der SPD in Nordrhein-Westfalen ausschließen;
denn dann müsste er als Pate organisierter Kriminalität, Herr Kollege Gantzer – dort wurden von ihren Mandatsträgern organisierter Betrug und Strafrechtsbrüche begangen –, zurücktreten und austreten; Sie müssten ihn ausschließen, und dann auch den Vorsitzenden. So geht es nicht.