Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Herr Präsident, Frau Kollegin Münzel! Es ist zwischen diätetischen Lebensmitteln für Säuglinge oder Kleinkinder und anderen Lebensmitteln zu unterscheiden. Soweit es sich um diätetische Lebensmittel für Säuglinge oder Kleinkinder handelt und ein Nitrofengehalt von mehr als 0,005 mg/kg nachgewiesen wird, verstößt das In-Verkehr-Bringen des Lebensmittels gegen § 14 Absatz 1 Nummer 1 der Diätverordnung in der Fassung der vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft erlassenen Eilverordnung vom 17.06.2002, Elfte Verordnung zur Änderung der Diätverordnung. Beträgt der in anderen Lebensmitteln nachgewiesene Nitrofengehalt mehr als 0,01 mg/kg, verstoßen die betroffenen Lebensmittel gegen § 14 Absatz 1 Nummer 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes i. V. m. § 1 Absatz 4 Nummer 1 der Rückstandshöchstmengen-Verordnung.
Wird ein Nitrofengehalt von mehr als 0,005 mg/kg nachgewiesen, der vorgenannte Höchstwert von 0.01 mg/kg aber nicht überschritten, ist das In-Verkehr-Bringen des Lebensmittels nach § 17 Absatz 1 Nummer 2 b LMBG zu beurteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Lebensmittel als ökologische oder konventionelle Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden.
§ 17 Absatz 1 Nummer 2 b setzt eine Abweichung der Beschaffenheit von der Verkehrsauffassung voraus. Nach unserem Dafürhalten geht die heutige Verkehrsauffassung davon aus, dass Lebensmittel kein Nitrofen enthalten, auch nicht unterhalb der nach der Rückstandshöchstmengen-Verordnung festgelegten Höchstmenge. Hierfür sind die folgenden Überlegungen maß
gebend: Bei der Rückstandshöchstmengen-Verordnung handelt es sich um eine Vorsorge-Verordnung aus dem Jahre 1992. Die damaligen Grenzwerte, die unabhängig von dem betreffenden Rückstand und weithin unabhängig von dem jeweiligen Lebensmittel festgelegt wurden, beruhten auf den analytischen Möglichkeiten, die seinerzeit, also 1992, einen belastbaren Nachweis niedrigerer Werte nicht zuließen.
Nitrofen ist ein Wirkstoff, der seit 1988 in zugelassenen Pflanzenschutzmitteln nicht mehr enthalten sein darf. Nicht zuletzt deswegen sind die gegenwärtigen Vorkommnisse um Nitrofen nach dem derzeitigen Kenntnisstand als Einzelfall anzusehen. Ein ubiquitärer Eintrag ist nicht zu besorgen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion stößt es in der Öffentlichkeit auf Unverständnis, wenn der Wirkstoff Nitrofen, dessen Anwendung seit über zehn Jahren verboten ist, wegen eines solchen einzelnen Störfalles in Lebensmitteln wieder hingenommen werden soll.
Die Verkehrsauffassung wird in rechtlich relevanter Weise durch die Tatsache mitbestimmt, dass die Bundesregierung mit der vorgenannten Eilverordnung den nach der Diätverordnung festgelegten Höchstwert von 0,01 mg/kg auf 0,005 mg/kg abgesenkt hat. Darüber hinaus hat sie öffentlich erklärt, auch allgemein die Höchstmenge nach der Rückstandshöchstmengen-Verordnung für Nitrofen auf 0,005 mg/kg absenken zu wollen. Hiermit muss die Verkehrsauffassung davon ausgehen, dass der in der Rückstandshöchstmengen-Verordnung niedergelegte Höchstwert für Nitrofen überholt ist.
Frau Staatssekretärin, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie eine Rechtsgrundlage für mit Nitrofen belastete Lebensmittel, aber nicht für andere Lebensmittel haben, die konventionell mit Pestizid-Rückständen versehen und in den Verkehr gelangt sind? Wie wollen Sie sämtliche mit Nitrofen belasteten Lebensmittel – sowohl die ökologischen als auch die konventionellen Lebensmittel – aus dem Verkehr ziehen und entsorgen?
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Erstens. Die Rechtsgrundlage liegt in der Rückstandshöchstmengen-Verordnung. Diese Rechtsgrundlage besteht nach wie vor. In Bezug auf Nitrofen hat das Bundesministerium die Höchstmenge geändert und auf 0,005 mg/kg festgelegt. Für Nitrofen ist also die Höchstmenge geändert, für die anderen Produkte nicht.
Zweitens. Die Entsorgung dieser Materialien obliegt zum einen dem Besitzer selbst. Der Besitzer muss dafür sorgen, dass die Produkte richtig beseitigt werden. Natürlich wird die Behörde darauf achten, dass dies bei sichergestellten Produkten entsprechend passiert.
Ich habe Sie also richtig verstanden, dass die konventionellen Lebensmittel, die mit Pestiziden belastet sind, aber die Höchstwertgrenze nicht überschreiten, weiterhin im Verkehr bleiben und dass für die Entsorgung von mit Nitrofen belasteten Lebensmitteln keine Handhabe besteht. Des Weiteren haben Sie die Frage noch nicht beantwortet, was mit der systematischen Belastung mit Pestiziden aufseiten der Verbraucher und Verbraucherinnen passiert.
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Ich habe die Frage dahin gehend beantwortet, dass natürlich Produkte, die über den Grenzwerten belastet sind, nicht in den Verkehr gelangen dürfen und zurückgenommen werden müssen. Dies ist sowieso klar.
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Über den Grenzwert belastete Lebensmittel haben im Verkauf nichts zu suchen. Es wird natürlich nachvollzogen, wie die beschlagnahmten oder gesperrten Produkte entsorgt werden. Bei anderen Produkten, die uns nicht zur Kenntnis kommen und die der In-Verkehr-Bringer aufgrund eigener Erkenntnisse selbst stoppt, liegt die Verantwortung beim Hersteller.
Frau Staatssekretärin, nach welchen Kriterien wurden in Bayern im Jahr 2001 Trinkwasserproben für die Analyse von Pflanzenbehandlungsrückständen ausgesucht, und in wie vielen Fällen mussten dabei Grenzwertüberschreitungen bei a) Einzelsubstanzen und/oder b) bei der Summe aller untersuchten Pestizide festgestellt werden?
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Herr Präsident! Herr Kollege Hartenstein, die Kriterien für die Probenahme zur Analyse von Pflanzenbehandlungsrückständen im Trinkwasser sind in den nach wie vor gültigen Vollzugsrichtlinien des seinerzeit zuständigen Staatsministeriums des Innern zur Trinkwasserverordnung vom 2. Oktober 1991 wie folgt festgelegt:
Untersuchungen auf Pflanzenschutzmittel (PSM) ordnet die Kreisverwaltungsbehörde auf Vorschlag des Gesundheitsamtes insbesondere an bei
Die Gesundheitsämter machen sich bei den Ämtern für Landwirtschaft über die im jeweiligen Wassereinzugsgebiet hauptsächlich verwendeten PSM kundig und unterrichten die Kreisverwaltungsbehörden über die Wirkstoffe, auf die im Einzelfall untersucht werden soll.
Von insgesamt 3796 Wasserversorgungsanlagen mit einer Entnahmemenge von jeweils über 1000 m3 pro Jahr wurden dem Gesundheitsministerium für das Jahr 2001 90 Anlagen mit PSM-Grenzwertüberschreitungen gemeldet. Das entspricht einem Anteil von 2,4 von Hundert der Gesamtzahl der Anlagen. Bei acht von insgesamt 29646 Anlagen mit Entnahmemengen unter 1000 m3 pro Jahr wurde eine Überschreitung des PSM-Grenzwertes berichtet. Das entspricht einem Anteil von 0,03 von Hundert der Gesamtzahl dieser Versorgungsanlagen. Eine Überschreitung des Summengrenzwertes ohne gleichzeitige Überschreitung von Einzelgrenzwerten kommt erfahrungsgemäß praktisch nicht vor. Gleichwohl läuft derzeit eine Erhebung zur Häufigkeit der Überschreitung des Summengrenzwerts von 0,5 µg/l, und die soll künftig regelmäßig miterfasst werden.
Frau Staatssekretärin, wie erklären Sie sich dann, dass im Jahr 2000 die Landesanstalt Südbayern zahlreiche Untersuchungen vorgenommen hat, während es meines Wissens in Nordbayern nur wenige Untersuchungen gab?
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Diejenigen, die diese Wasseranlagen betreiben, sind verpflichtet, Wasseruntersuchungen vornehmen zu lassen. Sie müssen für ihr Produkt garantieren. Diese Untersuchungen werden eingereicht und von uns bewertet. Eigentlich kann kein großer Unterschied bestehen. Natürlich kann es sein, dass es in Nordbayern weniger Anlagen gibt – das kann ich jetzt nicht beurteilen. Jeder, der Wasser in Verkehr bringt, muss nachweisen, dass sein Produkt in Ordnung ist, und Rückstandsmeldungen erstatten.
nicht in der Bundesrepublik Deutschland zugelassene Pestizide zu; wenn ja: um welche Pflanzenbehandlungsmittel handelte es sich dabei?
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): In den meisten Fällen ist die PSM-Belastung auf das seit über zehn Jahren verbotene Atrazin und seine Abbauprodukte zurückzuführen. In einigen wenigen Fällen werden im Wasser auch andere Wirkstoffe wie Bentazon und Dioron nachgewiesen.
Frau Staatssekretärin, welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus der Tatsache, dass Trinkwasser immer noch mit Pestizidrückständen belastet ist?
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Es gibt dafür Vorgaben. In Bayern gab es im Jahr 2001 69 Wasserversorgungsanlagen, die eine Ausnahmegenehmigung hatten, und 29 Anlagen, die eine Ausnahmegenehmigung beantragt haben. Dort müssen Sanierungsmaßnahmen dieser Brunnen laufen. Sie müssen nachgewiesen werden. Wenn sie nachgewiesen werden, kann es für einen Überbrückungszeitraum eine Ausnahmegenehmigung geben.
Frau Staatssekretärin, zahlreichen Pressemeldungen ist zu entnehmen, dass hyperaktiven Kindern und Jugendlichen von Ärzten häufig das Mittel Ritalin verschrieben wird. Ich frage deshalb die Staatsregierung, welche Erkenntnisse sie über die Verwendung dieser Arznei hat, um die genannten Kinder und Jugendlichen ruhig zu stellen, und wie verhindert werden kann, dass dieses Mittel von Ärzten leichtfertig Kindern und Jugendlichen verschrieben wird?
Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Herr Präsident! Lieber Kollege Dr. Vocke, die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung – ich nenne sie im Folgenden ADHS – ist nach solider wissenschaftlicher Mehrheitsmeinung keine Modekrankheit, sondern tritt bei ca. 2 bis 6% der Kinder und Jugendlichen auf. Es handelt sich um ein komplexes Krankheitsbild, für dessen Entstehung ein Zusammenspiel psychosozialer und biologischer Faktoren vermutet wird. Demnach führen Störungen im Dopaminstoffwechsel zu einer Dysfunktion bei der Informationsverarbeitung im Gehirn. Methylphenidat, der Wirkstoff der Arzneimittel Ritalin
und Medikinet, ist nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft das Mittel der Wahl bei der medikamentösen Behandlung der ADHS. Bei dieser Behandlung hat es in den letzten Jahren spürbare Erfolge gegeben. Methylphenidat wirkt amphetaminartig und führt zu einer Erhöhung der Dopaminkonzentration im Gehirn. Es unterfällt daher dem deutschen Betäubungsmittelgesetz.
Die Diagnose der ADHS erfordert besondere Sorgfalt und spezifische Fachkenntnisse, um andere Ursachen wie organische Schäden, Störungen im Sozialverhalten oder Entwicklungsstörungen, Intelligenzminderung oder aktuelle Lebensbelastungen auszuschließen.
Der in den letzten Jahren stark angestiegene Verbrauch von Methylphenidat deutet auf ein insgesamt zu unkritisches Verschreibungsverhalten der Ärzte hin. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz hat sich deshalb bereits im Jahre 2001 bei den zuständigen Stellen des Bundes dafür eingesetzt, dass das Verordnungsverhalten der Ärzte gezielt untersucht wird, und hat angeregt zu prüfen, ob die Berechtigung zur Verschreibung von Methylphenidat auf Ärzte bestimmter Fachrichtungen, zum Beispiel der Kinderheilkunde und Psychiatrie/Neurologie einzuschränken ist. Außerdem wurde der Bund aufgefordert, bei Grenzkontrollen verstärkt auf illegal eingeführte Arzneimittel zu achten, da gefälschte Produkte oder unkontrollierte Anwendungen zu gesundheitlichen Schäden führen können. Ferner hat die 75. Gesundheitsministerkonferenz am 20./21. Juni 2002 einstimmig eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich intensiv mit der Problematik ADHS beschäftigen und der nächsten Gesundheitsministerkonferenz über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen berichten wird.
Jetzt kommen wir zu den Fragen an den Herrn Finanzminister. Die erste Fragestellerin ist Frau Kollegin Schmitt-Bussinger.
Herr Staatsminister Dr. Faltlhauser, ich frage die Staatsregierung, ob es zutrifft, dass der Bayerische Ministerpräsident 1150 e, der stellvertretende Ministerpräsident 900 e, jeder Minister 650 e und die Staatssekretäre 400 e Kleidergeld erhalten, und ob Sie sich vorstellen könnten, dem Beispiel Berlins folgend darauf künftig zu verzichten.