Protokoll der Sitzung vom 26.06.2002

(Abstimmungsliste siehe Anlage 1)

Jetzt rufe ich die Frage der Frau Kollegin Münzel auf. Bitte sehr, Frau Kollegin Münzel.

Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) : Herr Staatsminister! Sind die Präsidenten/Präsidentinnen, Rektoren/Rektorinnen, Vizepräsidenten/Vizepräsidentinnen, Prorektoren/Prorektorinnen, Kanzler/Kanzlerinnen der bayerischen Hochschulen von Fachleuten für Gender Mainstreaming gebrieft worden, wenn ja, an welchen Hochschulen, und ist die Staatsregierung der Ansicht, dass hier genügend getan wurde, um den Top-Down-Ansatz des Gender Mainstreaming an den bayerischen Hochschulen verwirklichen zu können?

Herr Minister!

(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum lachen Sie?)

Als Lateiner können Sie uns vielleicht den Begriff übersetzen, damit wir alle wissen, was mit der Frage gemeint ist.

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hohes Haus, ich sage nichts, aber was ich darüber denke, ist ungeheuerlich, Frau Kollegin.

(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh, oh!)

Ich meine jetzt die Formulierung.

(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist der Fachbegriff!)

Ich gebe jetzt die Antwort ganz korrekt. – Die Förderung der Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und die Hinwirkung auf die Beseitigung bestehender Nachteile ist gemäß Artikel 2 Absatz 1 Satz 6 Bayerisches Hochschulgesetz Aufgabe der Hochschulen. Im Interesse der Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen ist das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst bemüht, die Art und Weise der Erfüllung dieser Aufgabe so weit wie möglich den einzelnen Hochschulen zu überlassen und von unnötigen Formalisierungen abzusehen. Es gibt daher weder Vorgaben des Ministeriums für die Mitglieder der Leitungsgremien, an speziellen Unterweisungen für so

genannte Gender Mainstreaming teilzunehmen, noch verfügt das Ministerium ohne Durchführung einer gesonderten Umfrage über Informationen, ob an einzelnen Hochschulen entsprechende Briefingmaßnahmen stattgefunden haben.

Eine Zusatzfrage: Frau Kollegin Münzel.

Herr Staatsminister! Teilen Sie meine Auffassung, dass der Ansatz des Gender Mainstreamings, der letztlich auf eine Empfehlung der EU zurückzuführen ist, also keine grüne Erfindung ist, nur dann erfolgreich ist, wenn auch die jeweilige politische Spitze, das heißt Sie in Ihrer Person, sich diesen Ansatz zu eigen machen, und sind Sie bereit, diesen offensiv zu vertreten?

Herr Präsident! Frau Kollegin, bei den mir möglichen Anlässen bei Reden und Auftritten tue ich das in Ihrem Sinne beständig. Es ist lediglich die Frage, ob ich noch gezielt – Anweisungen kann ich nicht geben – darauf hinweise. Darüber kann man reden. Wenn Sie den Eindruck haben, dass auf diesem Feld zu wenig geschieht, kann ich aus gegebenem Anlass entsprechend tätig werden. Ich bitte aber auch zu sehen, dass dieses Hohe Haus auch im Hochschulgesetz gewollt hat, dass vieles auf die Hochschule übertragen wird. Das Ergebnis ist richtigerweise die Konsequenz daraus.

Zweite Zusatzfrage: Frau Prof. Männle.

Herr Minister, gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr Haus bereit ist, den Beschluss des Bayerischen Landtags, in dem es darum geht, den Gender-Mainstreaming-Ansatz in den Ministerien durchzusetzen und Angebote hinsichtlich Fort- und Weiterbildung zu machen und den etwas anderen Ansatz bewusst zu machen – es geht nicht nur um Gleichberechtigung, sondern um die Auswirkungen von Entscheidungen auf Männer und Frauen in verschiedenen Politikbereichen – entsprechend umzusetzen?

Selbstverständlich.

Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Münzel.

Angesichts der Tatsache, dass Sie sich trotz anfänglicher Skepsis doch erstaunlich offen zeigen, möchte ich Sie, Herr Staatsminister, gerne noch fragen, ob Sie sich auch vorstellen können, dass in Ihrem Haus an einem ganz konkreten Projekt der Ansatz des Gender Mainstreaming ausprobiert wird?

Herr Präsident, Hohes Haus! Frau Kollegin, nur die Verbalisierung dieses Anliegens hat zu dieser verzogenen Miene geführt, nicht der Inhalt. Selbstverständlich kann ich mir das vorstellen.

Herr Minister. Sie haben damit Ihr Pensum erledigt. Als Nächsten rufe ich den Minister der Justiz auf. Die Frage zu diesem Fachbereich stellt Herr Kollege König.

Wie haben sich der prozentuale Anteil der in bayerischen Gefängnissen einsitzenden Ausländer, die durchschnittliche Verweildauer dieser Personengruppe im Verhältnis zur Personengruppe der deutschen Gefangenen und die hiermit verbundenen Kosten im Durchschnitt der ausländischen Gefangenen im Verhältnis zur Personengruppe der deutschen Gefangenen in den letzten 20 Jahren entwickelt?

Erstens. Zur Entwicklung des Anteils von Ausländern in den bayerischen Justizvollzugsanstalten in den letzten 20 Jahren kann ich folgende Angaben machen:

Bis 1990 wurden jeweils getrennt berechnet der Anteil der ausländischen Strafgegangenen an den Strafgefangenen insgesamt sowie der Anteil der ausländischen Untersuchungsgefangenen an den Untersuchungsgefangenen insgesamt. Ersterer ist von 1983 bis 1990 von 10,47% auf 15,53% gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil der ausländischen Untersuchungsgefangenen an den Untersuchungsgefangenen insgesamt von 24,38% auf 39,97% gestiegen.

Seit dem Jahr 1991 wird der Anteil der Gefangenen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, an allen zum 31. März eines Jahres untergebrachten Gefangenen, ohne die vorübergehend Abwesenden berechnet. Diese Quote ist von 1991 bis 2002 von 26,33% auf 34,81% gestiegen. In konkreten Zahlen bedeutet dies: Am 31. März 2002 waren in den bayerischen Justizvollzugsanstalten 3904 Angehörige von 108 fremden souveränen Staaten und 49 Staatenlose, insgesamt somit 3953 Gefangene, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, untergebracht.

Zweitens, zur Verweildauer: In der Strafvollzugsstatistik werden Strafgefangene oder Sicherungsverwahrte nach Alter sowie nach Dauer und Art des Vollzugs erfasst. Die Daten werden aber nicht getrennt nach ausländischen und nach deutschen Gefangenen erhoben, so dass zur durchschnittlichen Verweildauer der ausländischen Gefangenen im Verhältnis zur durchschnittlichen Verweildauer der deutschen Gefangenen keine Angaben gemacht werden können.

Drittens, zu den Kosten: Bei der Berechnung der durchschnittlichen Kosten kann nicht zwischen den Kosten, die für ausländische Gefangene anfallen, und Kosten, die für deutsche Gefangene anfallen, unterschieden werden. Die durchschnittlichen Kosten des Haftvollzugs für einen Gefangenen betrugen in Bayern im Jahr 2001

insgesamt 134,84 DM oder 68,94 e Dieser Betrag setzt sich aus den Tages-Haftkosten in Höhe von 119,49 DM bzw. 61,09 e und dem Baukostenansatz in Höhe von 15,35 DM bzw. 7,85 e zusammen.

Ausgehend von den durchschnittlichen Kosten des Haftvollzugs für einen Gefangenen im Jahr 2001 und der Zahl der am 31. März 2001 – Stichtag – in den bayerischen Justizvollzugsanstalten untergebrachten Gefangenen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, lassen sich die Kosten, die pro Jahr für die Unterbringung ausländischer und staatenloser Gefangener anfallen, grob auf 200 Millionen DM schätzen.

Zusatzfrage: Herr Kollege König.

Herr Staatsminister, Ihre Antwort auf den ersten Teil der Frage macht deutlich, in welche Richtung die Entwicklung geht. Unsere Gesellschaft wird insgesamt zunehmend belastet. Daher meine Zusatzfrage: Welche Möglichkeiten sehen Sie für Maßnahmen, um diese Entwicklung zu stoppen oder sogar zurückzuführen?

Herr Justizminister, bitte.

Herr Kollege König, ich glaube, wir sind uns darin einig, dass wir die Kosten für die Unterbringung ausländischer Straftäter im Verhältnis zu den Unterbringungskosten deutscher Straftäter nicht senken können. Davon abgesehen, dass wir zum Beispiel wegen Sprachschwierigkeiten Dolmetscher benötigen, sind sie auch gleich. Eine Möglichkeit wäre die Verbüßung der Strafen im Heimatland. In diesem Zusammenhang gibt es ein internationales Überstellungsabkommen aus dem Jahre 1983, wonach Straftäter ihre Strafe in ihrem Heimatland verbüßen können. Das wäre auch gut für die Resozialisierung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass beispielsweise bei einem rumänischen Straftäter, der in Deutschland in Haft sitzt und die deutsche Sprache nicht beherrscht, große Erfolge in der Resozialisierung zu erzielen sind.

Dieses Überstellungsabkommen hat allerdings einen Geburtsfehler, weil die Überstellung von der Zustimmung des Gefangenen abhängig ist. Nur in Ausnahmefällen ist bisher eine solche Zustimmung erteilt worden. Ich vermute, dass wahrscheinlich die Haftbedingungen in deutschen bzw. in bayerischen Haftanstalten um einiges günstiger sind als in den Heimatländern. Es gibt hierzu ein Zusatzprotokoll von 1997, wonach ausländische Straftäter ohne ihre Zustimmung in ihr Heimatland zur Verbüßung der Strafen geschickt werden können. Das Protokoll ist damals unterzeichnet worden, allerdings hat es die Bundesregierung bis jetzt noch nicht fertig gebracht, das Abkommen im Bundestag zur ratifizieren. Die Bundesministerin hat zwar jetzt einen Entwurf vorgelegt, der aber so unannehmbar war, weil er so viele Klauseln beinhaltete, dass er absolut wirkungslos gewesen wäre. Es gibt eine nachhaltige Forderung aller Länderjustizminister, einen sachgerechten Vorschlag zu machen, um dieses Protokoll zu ratifizieren. Allerdings

ist einer solchen bislang leider nicht entsprochen worden.

Zweite Zusatzfrage: Frau Kollegin Stahl.

Herr Staatsminister, wie erklären Sie sich den Umstand, dass es ohne Probleme möglich ist, auf bis zu 20 Jahre alte Daten zurückzugreifen, während unser Anliegen, als wir statistische Daten zu nur 15 Jahren zurückliegenden Hubschrauberflügen haben wollten, als unzumutbare Recherche zurückgewiesen wurde und wir deshalb klagen mussten?

Frau Kollegin, ich kann Ihnen als Justizminister all die Fragen beantworten, zu denen ich Unterlagen habe. Der Justizminister hat keine Veranlassung, irgendwelche Zahlen zurückzuhalten. Zwischen der Überlegung, wann welche Daten, wie lange und aus welchen Gründen und ob sie personenbezogen gespeichert werden, ist sicher ein wesentlicher Unterschied. Wenn festgehalten wird, wie hoch der prozentuale Anteil an Ausländern ist, sind keine persönlichen Rechte betroffen.

Etwas anderes ist es, wenn Sie gezielt nach Namen fragen.

Letzte Zusatzfrage: Herr Kollege Dr. Hahnzog.

Herr Staatsminister, sind Sie mit mir der Auffassung, dass „die Ausländer“ so pauschal, wie Kollege König dies in der Frage formuliert hat, gerade im Strafvollzug keine homogene Gruppe sind, und dass es deshalb – wenn man in diesem sensiblen Bereich Zahlen nennt – erforderlich ist, zwischen den hier dauerhaft lebenden Ausländern – und jeweils ihren sozialen Schichten – und den sonstigen Ausländern, etwa reisenden Tätern, zu unterscheiden?

Herr Minister!

Herr Kollege Hahnzog, es fällt mir nicht schwer, Ihnen hier Recht zu geben. Man muss deutlich sagen, dass der ausländische Mitbürger, der hier möglicherweise schon seit Generationen wohnt, nicht krimineller als der deutsche Bürger ist. Die Probleme entstehen natürlich durch Zuwanderer, die möglicherweise nur kurze Zeit da sind oder auch nur hierher kommen, um Straftaten zu begehen. Nicht ohne Grund habe ich beispielsweise den Rumänen erwähnt, der hierher kommt, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Er ist sicher nicht gekommen, um sich hier zu integrieren, sondern um Straftaten zu begehen. Dies kann man auf jeden Fall feststellen.

(Zuruf von der SPD)

Herr Kollege Dr. Hahnzog, wir können natürlich anhand unserer Statistik nur unterscheiden, welche Staatsangehörigkeit jemand hat oder nicht. Aber wir haben keine Statistik darüber und können daher nicht feststellen, wo jemand seinen gegenwärtigen Wohnsitz hat.

Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz. Diese Fragen beantwortet Frau Staatssekretärin Görlitz. Die erste Frage zu diesem Bereich stellt für den Herrn Kollegen Dr. Dürr Frau Kollegin Münzel.

Frau Staatssekretärin! Angesichts der Ankündigung von Staatsminister Sinner, Lebensmittel, bei denen eine Nitrofenbelastung über der Nachweisgrenze von 0,005 mg pro Kilogramm nachgewiesen wird, aus dem Verkehr zu nehmen, frage ich die Staatsregierung: Auf welcher Rechtsgrundlage soll dies geschehen? Warum dürfen konventionelle Lebensmittel, die mit Rückständen sonstiger Pestizide unterhalb der Höchstwerte belastet sind, weiter in Verkehr gebracht werden, und wie möchten Sie künftig die Verbraucherinnen und Verbraucher vor der systematischen Belastung mit Pestizidrückständen schützen?

Frau Staatssekretärin.

Frau Staatssekretärin Görlitz (Verbraucherschutzmi- nisterium): Herr Präsident, Frau Kollegin Münzel! Es ist zwischen diätetischen Lebensmitteln für Säuglinge oder Kleinkinder und anderen Lebensmitteln zu unterscheiden. Soweit es sich um diätetische Lebensmittel für Säuglinge oder Kleinkinder handelt und ein Nitrofengehalt von mehr als 0,005 mg/kg nachgewiesen wird, verstößt das In-Verkehr-Bringen des Lebensmittels gegen § 14 Absatz 1 Nummer 1 der Diätverordnung in der Fassung der vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft erlassenen Eilverordnung vom 17.06.2002, Elfte Verordnung zur Änderung der Diätverordnung. Beträgt der in anderen Lebensmitteln nachgewiesene Nitrofengehalt mehr als 0,01 mg/kg, verstoßen die betroffenen Lebensmittel gegen § 14 Absatz 1 Nummer 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes i. V. m. § 1 Absatz 4 Nummer 1 der Rückstandshöchstmengen-Verordnung.