Protokoll der Sitzung vom 24.10.2002

(Beifall bei der CSU – Starzmann (SPD): Die Zukunft der CSU hat gesprochen! – Heiterkeit)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Paulig.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Zukunft der CSU hat gesprochen. Diesen Zwischenruf kann ich hier nur wiederholen. Herr Haedke, das war schon wirklich ein bisschen peinlich. Ich habe immer auf eine Unterstützung Ihrer Fraktion gewartet, aber die war nicht wirklich spürbar.

Ich möchte eines Ihrer Argumente aufgreifen. Sie haben gesagt, Sie sprächen für die Menschen vor Ort. Die Menschen vor Ort haben die Petition eingereicht.

(Hofmann (CSU): Das ist ein guter Mann!)

Herr Hofmann, das ist Ihr Nachfolger.

(Große Heiterkeit – Zuruf des Abgeordneten Hof- mann (CSU))

Das wollen Sie auch nicht, oder? – Gerade die Menschen vor Ort haben die Petition eingereicht, und zwar die Gemeinden vor Ort. Ich kann Ihnen sagen, wer noch:

Christsoziale gemeinsam gegen den Südring, Öko-Autobahn utopisch. Für die CSU-Ortsverbände im Isartal und Würmtal ist die Diskussion über den Autobahn-Südring eine Phantomdiskussion. In der Ablehnung des Projekts sei man sich einig.

So war es in den Zeitungen zu lesen. Ich frage Sie: Für wen sprechen Sie eigentlich?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen vor Ort lehnen genau diese Autobahn ab. Ich kann sagen: 12 Städte und Gemeinden im Süden Münchens haben sich über die Landkreisgrenzen hinweg zusammengeschlossen und gemeinsam ein Teilraumgutachten erstellt. Sie lehnen den Autobahnringschluss ganz klar ab.

Sie sagen: Erstens. Der Verkehrsnutzen wird kaum messbar sein. Der verkehrspolitische Nutzen ist sehr zweifelhaft.

(Haedke (CSU): Genau das soll untersucht werden!)

Diese Gemeinden weisen darauf hin, dass der Verkehr, der den Norden oder den Osten Münchens belastet, hausgemacht ist. Wir haben dort die Neue Messe München in Riem, die Ausweisung von Wohn- und Gewerbegebieten, den Franz-Josef-Strauß-Flughafen, wie er in der Resolution der Gemeinden genannt wird.

Der Autobahnsüdring wird nicht die gewünschte Entlastung bringen. Die Kommunen haben dort oben im Nordosten Münchens diese Einrichtungen zugelassen. Das neue Fußballstadion kommt noch hinzu. Der Verkehr im Nordosten Münchens wird nicht verringert. Es gibt bereits Verkehrszählungen. Die Vertreter der Bürgerini

tiativen haben diese in Auftrag gegeben bzw. ausgewertet. Sie stellen fest, dass der Ziel- und Quellverkehr auf der A 99 circa die Hälfte des Verkehrs ausmacht.

(Dr. Bernhard (CSU): Warum wollen Sie das nicht versuchen?)

Die Verkehrsentlastung, die Sie ankündigen, wird es nicht geben. Es wird eine erhebliche Belastung für die Region München Süd geben.

Zweitens. Diese Region hat eine Erholungsfunktion für die Stadt München. Die geplante Autobahn geht durch Bannwälder, durch Grünzüge, durch Natur- und Landschaftsschutzgebiete. Ich nenne nur den Kreutzlinger Forst, Forstkasten, Forstenrieder Park, Grünwalder Forst, Perlacher Forst und den Deisenhofener Forst.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Mein Kollege Dr. Martin Runge hat das Würmtal, das Isartal und das Gleisental genannt.

Sie, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, stellen sich hin und sagen: Wir wollen die Öko-Autobahn. Genau da hindurch. Wollen Sie diese Täler auf 30 Kilometern untertunneln? Wie wollen Sie das technisch machen? Dieser Antrag ist ein reiner Schaufensterantrag, der genau das Gegenteil bewirkt hat. Der Widerstand hat sich in der Region zum Glück formiert. Die Bürgerinnen und Bürger werden diesen Antrag und ihren Beschluss vehement bekämpfen. Die Diskussion wird sich bei der Beratung der Petition fortsetzen.

Drittens. Der Antrag ist in sich lächerlich. Erst fordern Sie die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan; auf die Finanzierungsprobleme hat mein Kollege bereits hingewiesen. Dann fordern Sie eine Machbarkeitsstudie. Ich möchte heute wissen, wer wird die zahlen? Wird die der Freistaat Bayern bezahlen? In der Untersuchung sollen die Fragen der Finanzierbarkeit, der ökologischen Vertretbarkeit, des Umweltschutzes, des Lärmschutzes und des Naturschutzes beantwortet werden. Ich möchte heute hören, was diese Untersuchung kosten wird und ob die Staatsregierung diese in Auftrag geben wird. Sie wollen die verkehrswirtschaftliche Untersuchung. Das ist völlig richtig. Gehen Sie das an, aber finanzieren Sie dies auch selbst.

Abschließend sei gesagt: Nicht umsonst hat die Bayerische Staatsregierung bei ihrer Anmeldung von 360 Fernstraßenprojekten für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans diesen Südring nicht aufgenommen. Für diesen Streckenabschnitt wurde 1973 ein Raumordnungsverfahren durchgeführt, das 1980 ohne landesplanerische Beurteilung eingestellt worden ist. Man hat gesehen, dass dieses Phantomprojekt nicht finanzierbar und nicht gewünscht ist. Es wird Umwelt und Bewohnerinnen im Großraum München außerordentlich belasten.

(Haedke (CSU): Das war vor 25 Jahren!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dinglreiter?

Ja, wenn ich noch die Zeit habe, bitte schön.

Frau Kollegin Paulig, haben Sie nach dieser langen Diskussion immer noch nicht begriffen, dass wir deswegen das Projekt zum Bundesverkehrswegeplan anmelden, damit der Bund diese Studie bezahlt?

Aha, schön, dass Sie das sagen, Herr Dinglreiter.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Haedke (CSU): Das habe ich in meiner Rede mehrfach gesagt!)

Die Debatte im Umweltausschuss war leider ganz anders, da haben Sie gesagt, die Bewertung macht die Bayerische Staatsregierung.

(Haedke (CSU): Nein, das habe ich nicht gesagt, schauen Sie das Protokoll an! – Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das macht Ihre Rede nicht besser!)

In der Beantwortung der schriftlichen Anfrage meines Kollegen auf der Drucksache 14/10102 heißt es:

All diese Fragen bedürfen intensiver Untersuchungen. Aus diesem Grund und um zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen zu können, halte ich die Vergabe einer umfassenden Machbarkeitsstudie für den Ringschluss der A 99 für sinnvoll.

Bitte schön, wer soll die vergeben? Die Bayerische Staatsregierung hält das für sinnvoll. Dann hätten Sie das auch in die Beantwortung reinschreiben sollen. Werden Sie sich endlich darüber klar, was Sie wollen. Wollen Sie wirklich mit bayerischen Steuermitteln diese Studie vergeben und dann dieses unsinnige Projekt beerdigen? Das wäre Verschwendung von Steuergeldern pur.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße den Antrag, obwohl mir selbstverständlich klar ist, dass diese Ergänzung des Südrings außerordentlich problematisch ist. Das war der Hintergrund, warum das Innenministerium und die Oberste Baubehörde eine offene Trasse zu Beginn der 80er-Jahre aus der Planung herausgenommen haben.

Auf der anderen Seite weiß jeder von Ihnen, dass dieser Ausbau in den nächsten zehn Jahren nicht kommen wird. Wir reden jetzt über Fragen, die das Jahr 2020 oder

2025 betreffen. Wir reden über eine Zeit, zu der möglicherweise Rumänien und Bulgarien Mitglieder der Europäischen Union sind und hoffentlich auch das frühere Jugoslawien ein blühender Markt ist. Lastverkehr aus diesen Ländern wird in großem Umfang in die Europäische Union fahren.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ein Tunnelausbau!)

Entweder fahren diese Lastkraftwagen über den Ostring – der ist häufig überlastet – oder durch die Stadt München – das ist sowieso der deutlich kürzere Weg.

(Starzmann (SPD): Oder auf der Eisenbahn!)

Ich meine, es ist sinnvoll, dass man sich überlegt, ob das überhaupt möglich ist und hier eine Trassenführung infrage kommt. Ich bin mir selbstverständlich darüber klar, dass die Trasse weitgehend nur im Tunnel geführt werden kann. Wegen der Topografie ist das schwierig zu lösen. Dort ist zum Teil Landschaftsschutzgebiet.

Ich habe meinen Lebensmittelpunkt nicht in Südbayern; ich glaube, das Isartal ist zu unterqueren. Wie das zu verwirklichen wäre, darüber gibt es unterschiedliche Gedankenmodelle. Ob man das untertunneln kann, das sind Fragen, die Ingenieure beantworten müssen. Über die Jahre habe ich viel Erfahrung mit technisch kreativen Lösungen gesammelt. Ich trau mir nicht zu, zu sagen, wie das realisiert werden könnte. Meine Fachleute in der Oberste Baubehörde sagen auch, das sind typische Fragen, die Ingenieure überprüfen müssten.

Bei einer Großstadt wie München ist es alles andere als vernünftig, dass ein großer Teil des Verkehrs – ich füge hinzu: insbesondere auch ein großer Teil des Lastverkehrs – lieber den kürzeren Weg durch die Stadt nimmt. Das wird sich noch verstärken, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn die Maut für Lastkraftwagen kommt.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wörner?

Herr Staatsminister, wie erklären Sie sich, dass Ihr Haus auf meine schriftliche Anfrage mitgeteilt hat, dass nach den vorliegenden Zahlen eine Belastung durch den Teilschluss des Autobahnrings, der am Ammersee gebaut wird, ausgeschlossen wird? Das heißt, dass die Verkehrszahlen – so steht es in Ihrem Schreiben an mich – nicht so zunehmen, dass weitere Baumaßnahmen oder Lärmschutzmaßnahmen in diesem Abschnitt erforderlich wären.

Herr Kollege, ich befürchte, dass ich das sogar selbst unterschrieben habe. Ich weiß es, ehrlich gesagt, nicht.

Ich sage Ihnen aber in aller Offenheit: Ich habe in einer langen Besprechung in meinem Ministerium mit den Fachleuten darüber diskutiert, ob das Projekt für eine Langfristplanung bis 2020 und die Jahre danach eine