Protokoll der Sitzung vom 25.09.2007

Frau Kollegin Stierstorfer, ich würde mich sehr dafür interessieren, wer Ihnen diesen Blödsinn ausgerechnet hat.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei Ab- geordneten der CSU)

Frau Kollegin Ackermann, man kann das auch ein bisschen vornehmer formulieren.

Im Moment nicht.

(Widerspruch von Abgeordneten der CSU)

Frau Kollegin Ackermann, ich glaube, auf diese Frage brauche ich keine Antwort zu geben.

(Beifall bei der CSU – Renate Ackermann (GRÜNE): Ich bin noch gar nicht fertig, Frau Stierstorfer!)

Frau Kollegin Ackermann, Sie dürfen gern mit Ihrer Zwischenbemerkung weitermachen.

Ja, gern. Frau Kollegin Stierstorfer, es war mir klar, dass Sie darauf keine Antwort haben. Ich habe aber die Frage trotzdem gestellt. Natürlich ist klar, dass sich eine Fördermaßnahme, die bei Kindergärten greift, auch auf Krippen und Horte auswirkt. Inwiefern Krippen und Horte dadurch in ihrer Existenz bedroht sind, bleibt vermutlich für immer Ihr Geheimnis.

Sie haben dem Wunsch Ausdruck verliehen, dass sich die Rahmenbedingungen ändern mögen. Da muss ich mich schon fragen, wer diese Rahmenbedingungen gesetzt hat und wie sich diese Rahmenbedingungen ändern sollen, wenn Sie sich bislang noch nicht bewegt haben und auch in Zukunft nicht bewegen werden. Ich habe trotzdem die Hoffnung, dass die Experten bei der Anhörung Ihnen so viel Kritik und Klarheit entgegenbringen werden, dass Sie nicht mehr anders können, als dieses Gesetz zu verändern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Stierstorfer, Sie wollen darauf nicht mehr antworten? – Ich bedaure das, denn wir haben die Zwischenbemerkung eingeführt, damit wir ein lebendigeres Parlament haben. Hier sollte man sich in der Wortwahl so zurückhalten, dass die Sachthemen im Vordergrund stehen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Dr. Simone Strohmayr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Frau Stewens, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, das wievielte Mal wir jetzt über dieses Gesetz reden. Mittlerweile ist es wirklich mühsam.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Goppel hat mir schriftlich zum Geburtstag gratuliert und dabei ausgeführt, dass ihn meine Wortmeldungen immer wieder zum Überdenken seiner eigenen Positionen veranlassten. Genau das würde ich mir wünschen, dass dies in diesem Parlament eintritt, dass unsere Wortmeldungen Sie zum Überdenken Ihrer Positionen veranlassen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Respekt! – Herbert Ettengruber (CSU): Das hat er uns auch schon geschrieben!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen noch ein paar Argumente an die Hand geben, damit es Ihnen leichter fällt, Ihre eigenen Positionen zu überdenken. Zunächst möchte ich den Ba

yerischen Gemeindetag anführen. Dieser hat unlängst eine repräsentative Umfrage bei seinen Kommunen gemacht. Eine Frage lautete: Hat sich das BayKiBiG bewährt? Als Schwäbin möchte ich Ihnen die schwäbischen Ergebnisse näher bringen. In Schwaben sagten 45 % der Befragten: Nein, dieses Gesetz hat sich nicht bewährt. Frau Staatsministerin Stewens, wenn Sie schon nicht unseren Argumenten folgen, so sollten Sie doch auf die Kommunen hören, mit denen Sie im Vorfeld dieses Gesetz abgestimmt haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich wiederhole: 45 % der schwäbischen Kommunen sind mit diesem Gesetz unzufrieden. Warum sind sie denn unzufrieden?

(Karin Radermacher (SPD): Weil Sie sie aufgeklärt haben!)

Nicht nur, weil ich sie aufgeklärt habe, sondern vor allem, weil es sich bei diesem Gesetz um ein bürokratisches Monster handelt, das einfach nicht umgesetzt werden kann.

Auch wir haben bei Erzieherinnen eine Umfrage gemacht. 80 % der befragten Erzieherinnen sagten, der Verwaltungsaufwand sei mit diesem BayKiBiG exorbitant angestiegen. Dieses Ergebnis deckt sich mit der Umfrage des Gemeindetages. Ich sage es einfacher: Dieses Gesetz ist nicht praktikabel und in sich nicht verständlich. Wir haben über 50 Newsletter gebraucht, die die Umsetzung nicht leichter machten. Träger, Kommunen und Erzieherinnen verwalten sich zu Tode. Die Zeit fehlt letztlich bei den Kindern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt, nämlich der Qualitätsverbesserung. Frau Stewens, ich muss Ihnen sagen: Mit diesem Gesetz haben wir das, was am wichtigsten gewesen wäre, nicht erreicht, nämlich Qualitätsverbesserungen im vorschulischen Bereich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das wurde ebenfalls durch die Umfrage des Bayerischen Gemeindetages bestätigt. 56 % der Kommunen in Bayern sagen: Mit diesem Gesetz wurde die pädagogische Qualität in den Kita-Einrichtungen nicht weiterentwickelt oder verbessert.

(Beifall bei der SPD)

Ein wesentliches Ziel, die Qualitätsverbesserung im vorschulischen Bereich, wurde mit diesem Gesetz nicht erreicht. Was nützt uns ein Bildungs- und Erziehungsplan, wenn er in vielen Einrichtungen nicht umgesetzt werden kann, weil dafür die Voraussetzungen fehlen? Sie haben vorhin auf ein neues Konzept zur Sprachförderung hingewiesen. Dabei sollen Sprachtrainer eingesetzt werden. Auch das zeigt, dass das BayKiBiG letztlich nicht ausreichend war.

Sie versuchen jetzt auf Verwaltungsebene, an diesem Gesetz herumzudoktern, anstatt Qualitätsmerkmale ins Gesetz hineinzuschreiben, zum Beispiel die Gruppengröße und den Personalschlüssel – 1 : 7 wäre im Kindergarten sicher sinnvoll –, und anstatt die Finanzierung zu sichern. Ich sage Ihnen: Wir brauchen in diesem Bereich vor allem mehr Geld. Es ist doch klar, dass das gleiche Geld für mehr Kinder einfach nicht ausreichen kann.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen Qualifi zierungsmaßnahmen des Personals festschreiben. Wir müssen Verfügungszeiten und Vorbereitungszeiten im Gesetz festschreiben. Das alles sind erforderliche Maßnahmen. Sie müssen den Mut aufbringen, die erforderlichen Änderungen endlich einzuleiten.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte zum Schluss – ich bin schon am Limit meiner Redezeit angekommen – noch feststellen: Dieses Gesetz ist nicht zukunftsfähig. Die auf Bundesebene beschlossenen Dinge, zum Beispiel der Rechtsanspruch, den wir auch für Kinder unter drei Jahren für dringend erforderlich halten, können mit diesem Gesetz nicht umgesetzt werden. Wir ärgern uns in Bayern immer noch mit einer Bedarfsplanung und mit einer Gastkinderregelung herum, die nicht mit den jetzt auf Bundesebene getroffenen Regelungen konform sind. Ich kann Sie nur dazu auffordern: Erkennen Sie endlich die Zeichen der Zeit, haben Sie den Mut, ein modernes Gesetz auf den Weg zu bringen! Wir wollen nicht noch mehr Zeit verlieren. Drei Jahre der Kritik sind genug. Wir werden am Donnerstag all diese Argumente noch einmal hören. Ich kann Sie nur dazu auffordern, dann auch den Mut aufzubringen, hier Änderungen einzuleiten.

Abschließend möchte ich noch sagen: Wir werden diesem Antrag nicht zustimmen, auch wenn wir in der Zielsetzung weitgehend übereinstimmen. Wir stimmen nicht zu, weil wir ein anderes Finanzierungskonzept vorschlagen. Mit dem Inhalt sind wir aber weitgehend d’accord.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Ministerin Stewens.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Dringlichkeitsantrag des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN enthält zum Anstellungsschlüssel Zahlen, die Wunschträumen entspringen, zum Teil reine Fata Morgana sind. Man müsste dann auch aufzeigen, wer das alles fi nanzieren wird. Frau Kollegin Ackermann, dazu sagen Sie aber kein Wort; ich kann mir schon vorstellen, warum.

(Zuruf der Abgeordneten Renate Ackermann (GRÜNE))

Ich halte es für völlig falsch, dass Sie den Gewichtungsfaktor generell abschaffen wollen

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

und dass Sie sagen, dass behinderte Kinder, die einer verstärkten Integration bedürfen, stigmatisiert werden. Sie widersprechen sich übrigens im gleichen Atemzug, indem Sie sagen, Frau Kollegin Ackermann, dass eine Frühförderung natürlich ungeheuer wichtig ist. Eine Frühförderung setzt aber eine entsprechende Diagnose voraus. Erst wenn ich eine entsprechende Diagnose von der Fachstelle für Frühförderung habe, kann ich diese Kinder mit dem höheren Gewichtungsfaktor berücksichtigen. Im Übrigen sind jetzt die Rahmenleistungsvereinbarungen mit den Kostenträgern abgeschlossen worden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Nach drei Jahren schon, immerhin!)

4,5 plus x wurde defi niert, sodass damit Sicherheit für das neue Kinderbetreuungsjahr geschaffen wurde. Die Unsicherheiten sind damit beseitigt worden.

Noch einmal: Ich brauche die Diagnose, und keine Diagnose ist in irgendeiner Form stigmatisierend. Ich kann mit der Frühförderung nur dann helfen, wenn ich tatsächlich eine Diagnose habe und sagen kann: Das ist ein Kind mit einem spezifi schen Integrationsbedarf. Sie sollten das deswegen nicht als Stigmatisierung bezeichnen; das halte ich – ich sage das ganz offen – für grundverkehrt. Da haben Sie nicht den richtigen Zugang zur Frühförderung und zu Kindern, die behindert sind; das möchte ich ganz klar sagen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Die Eltern empfi nden das so!)

Sie möchten weiter eine Öffnung für alle ADHS-Kinder und ADS-Kinder. Das ist durchaus ein gesellschaftliches Problem, überhaupt keine Frage.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Strohmayr?