Protokoll der Sitzung vom 18.10.2007

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN und der SPD)

Herr Unterländer, es nützt Ihnen auch nichts, wenn Sie sagen, Sie hätten die Zahl der Kinderkrippen verdoppelt.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr (SPD))

Wenn sich in einem Ort eine Kinderkrippe befindet und dann noch eine gebaut wird, hat sich die Zahl auch ver

doppelt. Das besagt also gar nichts. Sie haben den Anteil von 4 auf 8 % erhöht. Das ist kein Ruhmesblatt.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeord- neten Joachim Wahnschaffe (SPD))

Natürlich sind in diese 8 % die altersgeöffneten Gruppen und die Tagesmütter eingerechnet. Es handelt sich also nicht nur um Krippen, sondern um eine Betreuung für Kinder unter drei Jahren. Das muss man auseinanderhalten. Insgesamt überkugelt man sich in Deutschland nicht gerade bei der finanziellen Unterstützung für die Kinderbetreuung. In der neuesten Zeitschrift des Instituts der Deutschen Wirtschaft kann man lesen:

Die öffentliche Hand in Deutschland gibt sich dagegen in Sachen Kindergartenfinanzierung knausrig, obwohl der gesellschaftliche Nutzen dieser Bildungsinvestition besonders groß wäre, denn die Versäumnisse im Kindesalter lassen sich nur unter Mühe nachholen.

Hört, hört, unsere Rede seit Langem!

In Schweden finanziert ausschließlich Vater Staat die Kindergärten. In Belgien, den Niederlanden und in Frankreich liegt der private Finanzierungsanteil unter 5 %. Bei uns liegt er bei 28 %. Auch da gibt es also noch sehr viel zu tun, wenn man den Wert von frühkindlicher Bildung dort ansiedeln will, wo er hingehört, nämlich an oberster Stelle.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Unseren langjährigen Forderungen nach Ausbau der frühkindlichen Bildung ist zumindest die Bundesfamilienministerin jetzt schon einmal gefolgt. Sie gesteht einen Kinderkrippenausbau im Bund zu, damit 35 % aller Kinder unter drei Jahren einen Krippenplatz haben. Sie hält das für so wichtig, dass sie 340 Millionen dafür an Bayern gibt, damit auch Bayern endlich in die Gänge kommt. Somit ist Bayern in der Pflicht, eine genauso große Anstrengung zu unternehmen wie der Bund, um die Kinderkrippen auch in Bayern voranzubringen. Allerdings halten im Moment Staatsregierung und CSU immer noch an ihrer ideologischen Verblendung, nämlich an der Ablehnung der Kinderkrippen, fest. Es ist nicht so, wie Kollegin Strohmayr gesagt hat, dass der Freistaat Bayern geschlafen hat. Nein, er hat nicht geschlafen, er wollte keine Kinderkrippen, und deswegen wurden sie nicht ausgebaut.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt, da Sie sich dem Thema kaum noch entziehen können, versuchen Sie, sich mit Ablenkungstricks wie der Herdprämie wieder aus der Affäre zu ziehen. Dabei sind sich alle Fachleute darin einig, dass die Herdprämie absolut kontraproduktiv für frühkindliche Bildung ist.

(Joachim Unterländer (CSU): Das ist eine Diskriminierung von Müttern, die zu Hause bleiben wollen!)

Im Gegensatz zu dem von Ihnen, Herr Unterländer, ständig beschworenen heiligen Familienbild geht es nicht darum, eine intakte Familie zu fördern, sondern darum, dass sozial schwache Familien und Migrantenfamilien durch ein Betreuungsgeld eher dazu verleitet werden, Kinder nicht in Betreuungseinrichtungen zu schicken, sondern sie zu Hause zu behalten und einfach das Geld zu nehmen. Das kann nicht im Interesse frühkindlicher Bildung sein. Sie verkennen das, weil Sie eine ideologische Brille aufhaben. Ich empfehle Ihnen, diese endlich abzunehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Eltern, die ihre Kinder in Krippen schicken, haben nach derzeitigem Stand mit drei Nachteilen zu kämpfen. Erstens. Es gibt zu wenige Krippen. Deshalb sind die Wartezeiten für Krippenplätze extrem lang. Zweitens. Sollten sie einen Platz ergattert haben, sind diese Kinderkrippen extrem teuer. Drittens. Gäbe es Betreuungsgeld, bekämen Eltern Geld, die ihre Kinder nicht in die Krippen schicken, während jene Eltern, welche die Krippen befürworten und nutzen, noch massiv Geld bezahlen müssen. Was ist denn das für eine Auffassung von Gleichbehandlung in diesem Land?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Würden Sie wirklich die Kinder in den Mittelpunkt stellen, könnten Sie einen Gedanken wie die Herdprämie gar nicht erst fassen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Genau!)

Ihnen geht es aber um etwas ganz anderes, nämlich um eine konservative Werthaltung. Sie können nicht eingestehen, dass sich unsere Gesellschaft verändert hat und Kinderkrippen längst ein anerkannter Bestandteil frühkindlicher Erziehung sind. Sie wollen immer noch: Mutter daheim, Kind bei der Mutter. Das führt uns überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Erschwerend kommt hinzu, dass das Geld, das Sie für das sogenannte Betreuungsgeld zur Verfügung stellen, selbstverständlich beim Ausbau der Kinderkrippen fehlt. Der Ausbau wird also noch langsamer vorankommen als bisher. Bis jetzt ging der Ausbau im Schneckentempo voran. Für eine Beschreibung, wie der Ausbau im Falle eines Betreuungsgelds vorangehen würde, fehlen mir die Worte. Dabei wissen Sie, dass jeder Euro, der in Bildung investiert wird, vielfach zurückkommt. Kein einziger Euro aber, der in Betreuungsgeld investiert wird, kommt zurück. Das ist keine Investition, sondern eine bloße Ausgabe, die sich bestimmt nie rechnen wird. Deshalb fordere ich Sie auf: Stellen Sie endlich die Weichen für Bildung, investieren Sie dadurch in die Zukunft Bayerns, und beenden Sie Ihre ideologische Verhinderungstaktik! Bleiben Sie nicht hinter der Bundesfamilienministerin zurück, sondern stellen Sie ausreichend Mittel zur Verfügung, damit

die Kinderkrippen in Bayern flächendeckend ausgebaut werden können!

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Ministerin Stewens.

Frau Kollegin Ackermann hat hier ihre Brille vergessen.

(Staatsministerin Christa Stewens hält die Brille hoch)

Sie wäre notwendig, um hin und wieder Durchblick zu haben.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Nein, ich glaube nicht, sie hat nämlich ihre Brille abgelegt.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Scherze müssen schon hin und wieder erlaubt sein. – Ich fange beim Begriff der „Herdprämie“ an. Frau Kollegin Ackermann, wir handeln nicht in ideologischer Verblendung, sondern wir wollen wirklich, dass sich unsere jungen Eltern, egal, ob Vater oder Mutter, frei entscheiden können.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Keiner von uns verlangt, dass die Mütter zu Hause bleiben, und keiner von uns will sie an den Herd fesseln.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Deshalb weise ich hier in aller Schärfe die Bezeichnung „Herdprämie“ für das Betreuungsgeld zurück.

(Beifall bei der CSU)

Dahinter steckt wirklich eine ideologische Verblendung. Sie müssen doch endlich einmal zur Kenntnis nehmen, dass 65 % unserer jungen Mütter bzw. Väter in den ersten drei Jahren lieber zu Hause bleiben wollen.

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein.

Ein Krippenplatz kostet in etwa 10 000 Euro. Wenn wir dann sagen, als finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung der Erziehungsleistung, die innerhalb der Familien erbracht wird, wollen wir ein Betreuungsgeld,

dann verwirklichen wir damit die Wahlfreiheit. Eine sozialistische Stadtdirektorin in Helsinki hat mir gesagt, die Finnen hätten staatlicherseits ein Betreuungsgeld im Umfang von 294 Euro und seitens der Stadt Helsinki von 200 Euro festgelegt, das bis zum Ende des dritten Lebensjahres eines Kindes gezahlt wird, und sie schaue fassungslos auf die Diskussion in Deutschland. Wollen Sie mir im Ernst sagen, dass die Kinder, die in den ersten drei Lebensjahren zu Hause sind, was einen Anteil von 65 % ausmacht, schlechter gebildet sind und schlechter betreut werden als die Kinder in unseren Kinderbetreuungszentren?

Wenn Sie es sich genau überlegen, dann steckt dahinter die Wahlfreiheit, die wir von der Bayerischen Staatsregierung und von der Christlich Sozialen Union wollen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Was kann man denn wählen?)

Ich komme auch zu dem zweiten Bereich, Frau Kollegin Strohmayr: Ich stehe ohne Wenn und Aber hinter dem Ausbau der Kinderbetreuung für die Kinder unter drei Jahren, denn auch das gehört zur Wahlfreiheit. Das ist überhaupt keine Frage. In Zukunft darf es nicht mehr möglich sein, in Deutschland jungen Eltern die Entscheidung abzuverlangen: entweder Erwerbstätigkeit oder Kinder. In diesem Punkt haben Sie mich voll auf Ihrer Seite. Das müssen wir leisten.

Sie verweisen immer auf Bayern und erklären, der Bund habe angeblich für Bayern vier Milliarden in die Hand genommen. Nein, so ist das keineswegs. Wer ist denn Schlusslicht bei der Betreuung der Kinder unter drei Jahren? – Das ist NRW. Das sind die Folgen der Regierung der SPD. Das möchte ich dazu ganz klar sagen. Schauen Sie sich doch einmal an, wo Rheinland-Pfalz steht. Die alten Länder stehen also in einer ganz anderen Position als Bayern. Wir sind übrigens auch nicht bei acht Prozent. Ich weiß, dass Sie immer gerne die Zahlen nach unten korrigieren wollen. Wir sind seit 01.01.2007 bei 10,14 % hinsichtlich des Ausbaus der Kinderbetreuung für die Kinder unter drei Jahren. Die frühere Familienministerin Renate Schmidt – diese gehört, so glaube ich, nicht der CSU an – hat bezüglich des Ausbaus der Kinderbetreuung für die Kinder unter drei Jahren einen Anteil von 30 % an Tagesmüttern vorgesehen, das heißt, 30 % der Plätze sollten durch Tagesmütter zur Verfügung gestellt werden – TAG: Tagesausbaubetreuungsgesetz. In diesem Gesetz ist das enthalten.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist nichts Schlechtes!)

Danke schön. Das ist auch nichts Schlechtes. Aber weil es uns vorhin gerade vorgeworfen worden ist, möchte ich dazu sagen, dass wir dahinter stehen. Ich halte es für vernünftig und bin froh, dass es auch von Ihnen anerkannt wird.

Lassen Sie mich direkt zu Ihrem Dringlichkeitsantrag etwas sagen: Wir fördern schon seit 2002 in einer Förder