Protokoll der Sitzung vom 27.11.2007

Meine Damen und Herren Kollegen! Es ändert nichts an der Tatsache, dass hier mit Vermutungen gearbeitet wird.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das Katholische Büro sagt es doch!)

Frau Kollegin Stahl, wenn Sie das so energisch äußern, dann nennen Sie doch einmal Zahlen. Sie können keine Zahlen nennen, weil sich herausgestellt hat, dass es eben keinen echten Verlust in diesem Sinne in Nordrhein-Westfalen oder in anderen Ländern gegeben hat.

Ich will Ihnen eine Zahl nennen, damit Sie sehen, worüber wir diskutieren. Im Jahr 2004 wurden bundesweit 2,6 Milliarden Euro Privatspenden an gemeinnützige Organisationen gegeben, bei den landesweiten Haus- und Straßensammlungen in Bayern waren das etwa 26 Millionen Euro. Daraus resultierend gibt es, bisher jedenfalls, auch

in Nordrhein-Westfalen keine Feststellung, dass damit das Spendenaufkommen namhaft reduziert worden ist.

(Christine Stahl (GRÜNE): Wurde diese Zahl erhoben?)

Haben Sie sie denn, Frau Kollegin? Ich habe die Zahlen, die für Bayern gelten, und ich habe die Gesamtzahl. Also reden Sie nicht immer, sondern bringen Sie Fakten. Sie erklären uns immer: Es steht zu befürchten. Aber wie es dann wirklich aussieht, das können Sie auch nicht sagen.

(Christine Stahl (GRÜNE): Ich habe es Ihnen doch vorgelesen!)

Von uns wollen Sie Fakten, die Sie selber nicht haben. So kann man das Spiel von uns nicht erwarten.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf, Drucksache 15/8371, und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen, Drucksache 15/9272, zugrunde.

Der federführende und endberatende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt die unveränderte Annahme. Als Zeitpunkt des Inkrafttretens schlägt er vor, in § 2 den 1. Januar 2008 einzufügen.

Wer dem Gesetzentwurf mit dieser Änderung zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die CSU-Fraktion. Gegenstimmen? – Die beiden anderen Fraktionen. Enthaltungen? – Gibt es nicht. Dann ist so beschlossen.

Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, führen wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durch. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. – Es besteht kein Widerspruch. Wer dem Gesetzentwurf in der Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen seine Zustimmung geben will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist dasselbe Abstimmungsergebnis. Damit ist das Gesetz so angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Aufhebung des Bayerischen Sammlungsgesetzes“.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 9 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (ZwEWG) (Drs. 15/8369) – Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsantrag der Abg. Angelika Schorer (CSU) (Drs. 15/8890)

Änderungsantrag der Abg. Rainer Volkmann, Ludwig Wörner, Dr. Hildegard Kronawitter u. a. (SPD) (Drs. 15/9043)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Als Redezeit wurden zehn Minuten je Fraktion vereinbart. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Rotter.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Durch die Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Föderalismusreform zum 1. September 2006 ist die Gesetzgebung auch für den Bereich der Zweckentfremdung auf die Länder übergegangen. Von dieser Kompetenz wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf Gebrauch gemacht und dadurch das bisherige, stark auslegungsbedürftige Bundesgesetz abgelöst. Das Zweckentfremdungsrecht dient der Erhaltung des Gesamtwohnraumangebotes in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist und in denen dem Wohnraummangel mit anderen Mitteln nicht abgeholfen werden kann. Es soll vor allem die Umwandlung von Wohn- in Gewerberaum, dessen Abriss oder Leerstand in den Regionen verhindert werden, in denen Wohnraummangel herrscht.

Zur Gebietskulisse: Davon sind natürlich insbesondere die Landeshauptstadt München betroffen und ansonsten noch die kreisfreie Stadt Rosenheim sowie 28 kreisangehörige Gemeinden in Bayern, wovon 27 in Oberbayern liegen und die 28. die südlichste Gemeinde Deutschlands ist, der in meinem Stimmkreis liegende Markt Oberstdorf. Das sind die Gemeinden, in denen der Wohnraummangel diese Zweckentfremdungsregelung notwendig macht.

Der Gesetzentwurf ermöglicht es diesen Gemeinden, unter verbesserten rechtlichen Rahmenbedingungen durch den Erlass eigener Satzungen das Gesamtwohnraumangebot zu erhalten, soweit dem Wohnraummangel nicht mit anderen Mitteln abgeholfen werden kann. Dieses Gesetz ist auf fünf Jahre befristet. Wir schaffen mit diesem Gesetzentwurf ein modernes, handhabbares Regelwerk für die betroffenen Kommunen.

Die Kommunalen Spitzenverbände wurden angehört und haben keine Bedenken vorgebracht. Der Gesetzentwurf ist im Übrigen in enger Abstimmung mit der Verwaltung der Landeshauptstadt München gestaltet worden. Der Gemeindetag hat die Regelung ausdrücklich befürwortet.

Der Staat nimmt durch diesen Gesetzentwurf eine Deregulierung vor, und will seine Mitwirkung auf ein Mindestmaß beschränken.

Die kommunale Selbstverwaltung wird durch den Gesetzentwurf gestärkt. Ebenso wird auch die Eigenverantwort

lichkeit der betroffenen Kommunen gestärkt. Der Regionalbezug und der wohnungspolitische Gestaltungsspielraum sind gewährleistet. Die Kommunen vor Ort wissen selbst am besten, was bei ihnen nötig ist. Das können sie dann mit ihren eigenen Satzungen regeln. Die Geltungsdauer dieser Satzungen ist auch auf jeweils fünf Jahre begrenzt.

Die CSU-Fraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht, der eine rein redaktionelle Änderung vorsah. Die SPD-Fraktion hat im Verlauf der Beratungen durch die mitberatenden Ausschüsse einen schriftlichen Änderungsantrag eingebracht, der mehrere Punkte enthalten hat, der aber abgelehnt worden ist. Zum einen sollte die dauerhafte Fremdbeherbergung als Unterfall der Zweckentfremdung in das Gesetz aufgenommen werden. Zum anderen sollte ein Betretungsrecht für Behördenangehörige bei Verdacht auf Zweckentfremdung auch gegen den Willen der Wohnungseigentümer bzw. der Wohnungsbesitzer durchgesetzt werden. Schließlich sollte nach dem Wunsch der SPD die Befristung des Gesetzes auf fünf Jahre wegfallen.

Ganz kurz zu diesen Änderungswünschen. Eine Regelung über die Fremdbeherbergung ist im Gesetzentwurf nicht enthalten. Durch das Zweckentfremdungsverbot könnte ein Zusammenpferchen von Fremdarbeitern in einem Wohnraum ohnehin nicht verhindert werden. Der Sinn des Zweckentfremdungsverbotes besteht darin, zu verhindern, dass nicht mehr als die Hälfte eines verfügbaren Wohnraumes nicht mehr für Wohnzwecke zur Verfügung steht. Das Betretungsrecht ist nach unserer Überzeugung nicht mehr in dem Sinne nötig wie bisher, sodass rein theoretisch die Polizei auch zur Nachzeit ein Betretungsrecht hätte, um herauszufinden, ob der Wohnraum zweckentfremdet wird. Die Regelung in Artikel 4 des Gesetzentwurfs über das Recht aus Auskunft und Betretung stellt sicher, dass ein Beschäftigter der Kommune eingelassen werden muss und dass die Gemeinde per Verwaltungsakt die Duldung des Betretens verfügen kann. Insbesondere kann sie das Betretungsrecht auch im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Das reicht völlig aus.

Zur Befristung – darüber wurde bereits während der Beratungen von der Presse berichtet – möchte ich darauf hinweisen, dass es allgemeines Ziel der Staatsregierung und des Hohen Hauses ist, gesetzliche Bestimmungen nach einer bestimmten Zeit zu evaluieren. Die Außerkrafttretensregelung übt einen gewissen Zwang zum Evaluieren aus. Das bedeutet eine Wiedervorlage nach Ablauf der Zeit, für die das Gesetz gilt, also nach fünf Jahren. Dann kann das Gesetz entweder in der ursprünglichen Form oder in einer geänderten Form verlängert werden, oder es kann auch auslaufen, wenn man es nicht mehr brauchen sollte. Ich selber bin nicht der Überzeugung, dass man das Gesetz in fünf Jahren nicht mehr brauchen wird. Deshalb werden wir wohl eine Verlängerung beschließen müssen. Dennoch ist es gut und richtig, dass man aufgrund dieser Befristungsregelung gezwungen wird, sich in spätestens fünf Jahren erneut mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Ich bitte, in dieser Befristung wirklich keine Geheimnisse zu sehen. Es ist weiß Gott nicht gedacht, diese Regelung

in fünf Jahren abzuschaffen. Es wurde vermutet, dass man im Wahljahr 2008 an der Zweckentfremdungsregelung nichts verändern möchte. In fünf Jahren wäre es nicht anders, denn dann hätten wir wieder ein Wahljahr. Das ist aber nicht entscheidend. Ich fürchte, dass wir in der Landeshauptstadt München auch in fünf Jahren noch Wohnraummangel haben werden.

Ich fasse zusammen: Die beratenden Ausschüsse haben den Gesetzentwurf in der Fassung des Änderungsantrags der CSU-Fraktion befürwortet und den Änderungsantrag der SPD-Fraktion abgelehnt. Ich bitte das Hohe Haus um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf in der Fassung, die der endberatende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen beschlossen hat.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Volkmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich meinen ausdrücklichen Respekt vor den heute um diese Zeit noch anwesenden Kolleginnen und Kollegen äußern. Ich finde es sehr erfreulich, dass sie noch vergleichsweise zahlreich hier sind.

(Herbert Ettengruber (CSU): Nur wegen Ihnen!)

Das dachte ich schon, Herr Kollege. Diese Materie ist doch sehr trocken und betrifft den überwiegenden Teil des Freistaates Bayern gar nicht. Das ist gar keine Frage. Herr Kollege Rotter hat es bereits zutreffend gesagt. Die Regelung betrifft insgesamt 30 Kommunen mit etwa 20 % der Bevölkerung.

Meine Damen und Herren, es ist eigentlich nicht zu beanstanden, dass der Freistaat Bayern dieses Gesetz erlässt. Auch der Inhalt ist bis auf einen Punkt, der für uns allerdings wesentlich ist, zu begrüßen. Ich darf darauf hinweisen, dass es das Zweckentfremdungsrecht seit 35 Jahren gibt. Es ist zum 1. Januar 1972 in Form einer Bundesregelung in Kraft getreten. Ich darf auch daran erinnern, dass dieses Gesetz damals gegen den erbitterten Widerstand der konservativen Mehrheit im Bundesrat durchgesetzt werden musste. Dieses Gesetz hat sich ausgesprochen behauptet und bewährt. Gleichwohl muss ich sagen, dass der jetzt vorliegende Entwurf in die richtige Richtung geht.

Wir haben aber, wie Kollege Rotter bereits dargestellt hat, einen Änderungsantrag mit vier Punkten eingebracht, von denen man über drei Punkte, die Kollege Rotter auch genannt hat, durchaus reden kann. Wir haben diesen Änderungsantrag deshalb gestellt, weil wir damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dieses Gesetz zu vollziehen haben, eindeutig stärken würden. Es ist keine Frage, dass es leichter gewesen wäre, das Gesetz zu vollziehen. Wenn Sie unseren Wünschen nicht Rechnung tragen, wird es aber auch kein Beinbruch sein. Ich bin zuversichtlich, dass das Gesetz gleichwohl sachgerecht

angewandt werden kann. Unsere Vorschläge hätten die Anwendung aber erleichtert.

Der Grund dafür, dass wir diesen Gesetzentwurf ablehnen, ist schlicht und einfach ein Satz, der lautet: „Dieses Gesetz tritt am 30. Juni 2013 außer Kraft.“

(Thomas Kreuzer (CSU): Wenn Sie es jetzt ablehnen, tritt es überhaupt nicht in Kraft!)

Das ist ein sehr guter Einwand, Herr Kreuzer. Wenn wir das Gesetz ablehnen, bleibt es bei der bisherigen Regelung. Die bisherige Regelung halten wir für zumindest um einige Nuancen besser, weil dieses Gesetz durch die Rechtsprechung ausgeprägt ist. Zweitens wäre das Gesetz dann auch nicht befristet. Das ist der Hintergrund unseres Antrags. Darüber haben wir schon nachgedacht, Herr Kreuzer. Da können Sie schon beruhigt sein.

Herr Rotter, Sie sagen, wir würden Gesetze allgemein befristen. Ich habe es mir einmal angeschaut. Im Jahr 2007 sind bis September im Gesetz- und Verordnungsblatt 23 Gesetze verkündet worden. Von diesen 23 Gesetzen sind 22 nicht befristet. Eines ist befristet, es ist das Gesetz zur Erprobung von Handlungsspielräumen der Kommunen vom 10. April. Dieses Gesetz war natürlich zu befristen; denn Sie wollten damit Handlungsspielräume erproben. Deshalb war die Befristung hilfreich und auch richtig. Es ist aber das einzige Gesetz, das befristet worden ist. Daher ist diese Aussage mehr als bedenklich.

Ich habe noch ein zweites Argument. Am 18. Juli dieses Jahres – also vor vier Monaten – haben wir ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze und des Aufnahmegesetzes beraten. Dieses Gesetz ist am 10. September im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet worden. Es ist übrigens Mitte Juni fast zum gleichen Zeitpunkt im Landtag eingereicht worden wie das Gesetz, das wir jetzt beraten. Bei diesem zuvor genannten Gesetz geht es um das Bleiberecht. Diese Regelung wurde getroffen aufgrund eines Bundesgesetzes, nämlich aufgrund des § 104 a des Aufenthaltsgesetzes. Dieses Bundesgesetz wiederum ist zeitlich befristet bis zum 31. Dezember 2009 mit einer Verlängerungsmöglichkeit, die allerdings bei dem, worüber wir zu entscheiden hatten, keine Rolle mehr spielte.

Meine Damen und Herren, wenn Sie das Argument der Befristung wirklich ernst genommen hätten, hätten Sie in dem Fall, in dem ein Bundesgesetz befristet worden ist, auch das dazugehörende Landesgesetz befristen müssen. Das haben Sie nicht getan. Herr Kollege Rotter, deshalb gestatten Sie mir schon, dass wir ausgesprochen misstrauisch sind, wenn Sie ein Gesetz befristen, dessen Vorgänger sich über 35 Jahre bestens bewährt hat.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen einmal vor Augen führen, dass dieses Gesetz in den letzten 35 Jahren – ganz grob geschätzt – in München alleine 30 000 bis 40 000 Wohnungen vor der Umwandlung in Gewerberaum bewahrt hat.

Das ist gar keine Frage. Selbst wenn es nur 20 000 Wohnungen weniger sind, die heute in München zur Verfügung stehen, kann sich jeder vorstellen, wie heute die Situation auf dem Mietwohnungsmarkt wäre.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rotter?