Protokoll der Sitzung vom 19.02.2008

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wenn er dann noch nachlegt und sagt, als Wirtschaftswissenschaftler bezweifl e er, dass ein Mindestlohn Arbeitsplätze koste, dann können wir das nur unterstreichen. Wir wissen das aus den einschlägigen Untersuchungen.

gerechte Arbeit“ einschlägig geäußert haben. Das war Papst Leo und das ist Papst Benedikt.

Sie – nicht wir – haben nach der Hessenwahl angekündigt, Sie wollten im Wahlkampf die soziale Karte spielen. Fangen Sie doch bitte mit dem Mindestlohn an. Dazu braucht es keinen Wahlkampf und auch keine Hessenwahl. Im Grunde genommen wissen Sie, dass Sie sich in Ihrer Ablehnung verrannt haben. Tun Sie etwas. Seien Sie endlich bereit, sich für einen gesetzlichen Mindestlohn einzusetzen, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt habe ich an die Herren aus dem Finanzministerium, an ihrer Spitze Finanzminister Huber, eine Bitte: Ich verstehe, dass in Ihrem Haus im Augenblick die Arbeit sehr schwierig ist und auch im Parlament stattfi nden muss. Es wäre aber doch sehr nett, wenn Sie sie auf dem Wandelgang erledigen würden.

Nächster Redner: Philipp Graf von und zu Lerchenfeld.

Herr Präsident, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben vorhin gefragt, ob ich weiß, was Lohn ist. Ich habe als Student genügend nebenher gearbeitet.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Das ist aber schon lange her!)

Das ist schon länger her, aber man erinnert sich gern an diese Zeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen fl ächendeckenden Mindestlohn für Deutschland zu fordern, ist ökonomischer Unsinn und politisch eine Dummheit. Mit großem Getöse hat man voriges Jahr bei der Post den Mindestlohn für Briefzusteller eingeführt. Wie ist das abgelaufen? Die Post hat gemerkt, dass das Monopol bei den Briefzustellungen ausläuft und dass sich neue Konkurrenten bereit machen, das Geschäft der Post teilweise zu übernehmen.

Dann hat sich Herr Zumwinkel zunächst hinter die Gewerkschaften und die SPD geklemmt und darauf hingewirkt, dass man einen Mindestlohn für die Briefzusteller bräuchte. Das einzige Ziel der Post war es dabei, sich vom lästigen Konkurrenzdruck zu befreien. Dieses Spiel von Herrn Zumwinkel ist aufgegangen, man hat sich von der privaten Konkurrenz tatsächlich ganz gut absetzen können. Herr Zumwinkel hat das auch noch dadurch entlarvt, dass er sich darüber beklagt hat, dass der vereinbarte Mindestlohn viel zu niedrig wäre, nämlich zwischen 8 Euro und 9,80 Euro.

Liebe Kollegen von der SPD, war es das wert, sich von Herrn Zumwinkel einwickeln zu lassen, um die unliebsame private Konkurrenz der Post auszuschalten, auf dem privaten Sektor Tausende von Arbeitsplätzen zu vernichten und geplante Arbeitsplätze in privaten Unternehmen zu

gehen, dann hat das mit der fi nanziellen Lage der Familien und auch, wenn auch nicht ausschließlich, mit den Armutslöhnen zu tun. Wenn die Kommunen, die kommunalen Spitzenverbände und vor allen Dingen auch die Oberbürgermeister aus Ihrer Ecke Alarm schlagen und mit ihnen die Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaften, dann tun sie das zu Recht, und sie haben uns von der SPD an ihrer Seite.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Die deutlichen Worte des Städtetages zum Mindestlohn und der für notwendig gehaltenen Einführung sollten Ihnen zu denken geben. Viele von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sind auch in kommunalen Parlamenten. Es kann Ihnen doch nicht gleichgültig sein, wie die soziale Situation der Menschen vor Ort ist, es kann Ihnen nicht egal sein, wie die Haushaltslage und die Ausgabenlage im sozialen Bereich auf der kommunalen Ebene ist, wo Sie tätig sind. Dank der Hartnäckigkeit der SPDBundestagsfraktion, des Bundesministers, der Gewerkschaften und auch mancher verantwortlich handelnder Unternehmer haben wir es Gott sei Dank geschafft, dass einige Branchen in das Entsendegesetz gekommen sind und dass jetzt ein anständiger Lohn für eine anständige Arbeit gezahlt wird. Aber es müssen mehr werden. Das Ziel ist der gesetzliche Mindestlohn. Wenn neuerdings zwei Zeitarbeitgeberverbände bei Bundesminister Olaf Scholz die Aufnahme in das Entsendegesetz beantragt haben, ist das ein weiterer Schritt zur Lohngerechtigkeit. Die wissen genau, warum: weil sie diesen Druck des Dumpings nicht aushalten und weil sie die Verantwortung tragen, ihren Arbeitnehmern einen ordentlichen Lohn zu zahlen.

Der Skandal bei dieser ganzen Geschichte ist, dass es christliche Gewerkschaften gibt, die mit anderen Arbeitgeberverbänden aus der Zeitarbeitsbranche Tarifverträge abschließen und abgeschlossen haben, die auf allerunterster Lohnebene sind. Das ist ein Skandal, und das können wir nicht mitmachen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wenn der Herr Finanzminister und Chef der CSU sagt: „Die Expansion des Niedriglohnsektors ist zwingend notwendig“ und fortfährt, „dass Mindestlöhne eine schwere Sünde gegen die Marktwirtschaft sind“, dann ist das auch skandalös. Ich sage Ihnen: Dumpinglöhne sind eine schwere Sünde gegen die Menschen und den Sozialstaat. Wir werden nicht nachlassen, für gerechte Löhne zu kämpfen, wir werden nicht nachlassen, für Mindestlöhne zu werben, und wir werden nicht nachlassen, uns dafür einzusetzen, dass wir zu einem gesetzlichen Mindestlohn kommen.

Hören Sie bitte auf Ihre erfahrenen Kommunalpolitiker, sprechen Sie mit ihnen, und wenn Sie nicht auf Ihre Kommunalpolitiker hören, dann hören Sie wenigstens auf die Päpste, die sich zum Thema „gerechter Lohn für eine

tenzsicherung nicht ausreichen. Dann ist es sicherlich die Aufgabe des Staates, hier auszugleichen. Ich zitiere wieder aus dem Gutachten des Sachverständigenrates: „Es ist Aufgabe des Staates und nicht Aufgabe der Unternehmen, für existenzsichernde Einkommen zu sorgen.“ Zu hohe Mindestlöhne sind Gift für die Beschäftigung, zu niedrige Mindestlöhne bringen überhaupt nichts. Werden die Mindestlöhne zu niedrig angesetzt, verfehlen sie ihre Wirkung. Ein Mindestlohn von 4 Euro pro Stunde – ich erinnere daran, dass das der beschäftigungsneutrale Mindestlohn ist – würde bei einer 38-Stunden-Woche ein Einkommen von 608 Euro im Monat bedeuten, bei einer 42-Stunden-Woche 672 Euro im Monat. Im Gutachten führen die fünf Weisen aus:

Selbst gegen einen solchen beschäftigungsneutralen Mindestlohn sprechen gewichtige Gründe. Würde die Regierung zum Beispiel die Einführung eines Mindestlohns in dieser Größenordnung vorschlagen, wäre sie aller Voraussicht nach dem Vorwurf ausgesetzt, Hungerlöhne zu fordern. Der mediale Druck der Öffentlichkeit würde die Regierung dann sehr wahrscheinlich zu einer Anhebung des Mindestlohnniveaus veranlassen, und zwar so weit, dass dann doch negative Beschäftigungswirkungen aufträten.

Soweit der Sachverständigenrat.

Es ist nachgewiesen, dass die Einführung des Mindestlohns in Frankreich zu einem deutlichen Abbau von Arbeitsplätzen geführt hat. Die Erhöhung des Mindestlohns in Frankreich 2004 und 2005 hat zu einer deutlichen Erhöhung der Jugendarbeitslosigkeit geführt. Schauen Sie sich doch bitte die Situation in den Banlieues an. Schauen Sie sich die Situation in den Vorstädten von Paris an!

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Auch ich war dort, liebe Kollegin. Machen Sie die Augen auf, schließen Sie sie nicht vor der Wirklichkeit! Die Arbeitslosigkeit steigt durch den Mindestlohn, und das ist die Folge des Mindestlohns. Sie führen immer England und die USA an. Wunderbar, fabelhaft, dort gibt es Mindestlöhne. Aber dann möchte ich bitte für den deutschen Arbeitsmarkt ähnliche Verhältnisse haben. Dann entriegeln wir doch den Arbeitsmarkt in Deutschland genauso.

(Zuruf von der SPD)

Dann machen wir doch einfach ein Ende mit unserem Kündigungsschutz. Dann machen wir ein Ende mit unserem Mutterschutz. Das wollt ihr anscheinend, wenn ihr die Einführung des Mindestlohns fordert. So geht es aber nicht.

Es ist viel wichtiger, die Abgabenlast für die Arbeitnehmer zu senken, als einen Bruttomindestlohn zu fordern.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

verhindern? Der einfache Arbeitnehmer profi tiert sicherlich nicht davon. Aber manche Manager werden durch hohe Gewinne für ihren Erfolg entsprechende Tantiemen bekommen. Letztlich ist das Briefmonopol, das entfallen soll, durch die Hintertüre wieder eingeführt worden. Ich zitiere:

Wettbewerber der Deutschen Post AG werden massiv bedrängt und verdrängt und neue Konkurrenten abgewehrt. Die Arbeitsplätze bei der Deutschen Post AG werden geschützt, die bei ihren Konkurrenten gefährdet, und das Entstehen neuer Arbeitsplätze wird gefährdet.

Soweit das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom November 2007. Die Herren werden auch die „fünf Weisen“ genannt.

Vorhin wurde in der Debatte der Städtetag angeführt. Auch das ist ein ähnlich durchsichtiges Manöver wie das von Herrn Zumwinkel. Wenn wir Mindestlöhne einführen, werden sicherlich zunächst die Städte entlastet. Aber wer soll dann die Zeche zahlen, wenn Arbeitsplätze wegfallen und wieder mehr Arbeitslose vorhanden sind? Die fünf Weisen haben in ihrem Gutachten den Mindestlohn einen „Irrweg“ genannt. Warum? Natürlich muss gute Arbeit auch gut bezahlt werden. Es wird immer von gerechter Bezahlung gesprochen. Ist es denn gerecht, einen zu hohen Mindestlohn, aber dafür keinen Arbeitsplatz zu haben? Nein, das ist nicht gerecht, das ist höchst ungerecht.

Die fünf Weisen gehen davon aus, dass ein Mindestlohn nur dann auf die Beschäftigung in Deutschland ohne Auswirkung ist, wenn er deutlich unter dem heute diskutierten Niveau von 7 bis 9 Euro liegt: Ich erinnere daran, der Postmindestlohn liegt bei 9,80 Euro. Die fünf Weisen stellen fest, dass ein beschäftigungsneutraler Mindestlohn nur bei 4 Euro liegen dürfte. Wird der Mindestlohn aber zu hoch angesetzt, werden dadurch bei uns in Deutschland Arbeitsplätze gefährdet. Die Unternehmen können es sich nicht leisten, Mitarbeiter zu beschäftigen, die mehr als das, was sie erwirtschaften, bezahlt bekommen. Die Grenzkosten der Arbeit werden von der Produktivität bestimmt und nicht von der gesetzlichen Festlegung eines Mindestlohns. Wird die Arbeit zu teuer, werden Arbeitsplätze eben abgebaut.

Warum gibt es denn so viele Arbeitslose, die schlecht ausgebildet sind oder überhaupt keine Ausbildung haben? Schauen Sie sich doch einmal an, wie sich die Arbeitslosigkeit entwickelt. Je geringer die Ausbildung ist, desto höher ist die Arbeitslosenquote. Bei denen, die keine Ausbildung haben, liegt sie bei 20 Prozent. Bei anderen, die eine höhere Ausbildung haben, liegt die Arbeitslosigkeit nur bei 5 Prozent, 3 Prozent oder sogar darunter.

Der Sachverständigenrat hat zur Lösung ein vernünftiges Kombilohnmodell vorgestellt, das den Arbeitslosen eine realistische Chance gibt, wieder in das Arbeitsleben einzusteigen. Das kann dazu führen, dass im Niedriglohnbereich Arbeitsentgelte gezahlt werden, die für eine Exis

Voraussetzungen zu, wie sie in Frankreich in manchen Bereichen gegeben waren. Im Großen und Ganzen kosten sie in der Regel keine Arbeitsplätze.

Sie wissen auch, dass es unredlich ist, Herr Kollege – vielleicht sind Sie lernfähig und hören zwischendurch einmal zu –, sich auf die Behauptung zurückzuziehen, wir hätten im Gegensatz zu den Ländern in der EU, in denen es Mindestlöhne gibt, eine funktionierende Tarifautonomie. Sie ist falsch, jedenfalls auf den Berufsfeldern, in denen wir die Mindestlöhne dringend brauchen und für die wir die Mindestlöhne fordern, - entweder, weil die Schutzwirkung der Tarifabschlüsse versagt oder weil für die Betroffenen gar keine Tarifbindung existiert. Sie müssen das zur Kenntnis nehmen.

Sie wissen auch, dass Sie falsch liegen, wenn von Ihrer Seite darauf verwiesen wird, wir hätten in Deutschland einen Schutz vor sittenwidrigen Löhnen. Denn die Berufung auf die Sittenwidrigkeit verhindert nur solche Löhne, die deutlich unter dem Normalmaß der Branchenentgelte liegen. Es verhindert aber nicht, dass das Normalmaß langsam nach unten abdriftet.

Sie wissen auch, dass die Behauptung, wir hätten durch ALG II bereits eine Art gesetzlichen Mindestlohn, ein ausgewiesener Schmarrn ist. Tatsache ist, dass der Empfang von ALG II eine Bedürftigkeitsprüfung voraussetzt und deshalb weder bei eigenem Vermögen noch bei Doppelverdienern vor Lohndumping schützt. Tatsache ist auch, dass es sich bei ALG II um einen Sozialtransfer und um kein Entgelt für geleistete Arbeit handelt. Die Menschen, die sich abrackern, wollen am Ende des Tages aber einen gerechten Lohn in der Lohntüte und keine Almosen vom Staat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wissen, dass es ein verheerendes Signal ist – das müsste auch Ihnen als großen Apologeten der Marktwirtschaft klar sein –, wenn Sie nichts gegen solche Unternehmen tun, die sich alleine dadurch einen Vorteil gegenüber ihren Konkurrenten verschaffen, dass sie ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern schlechtere Arbeitsbedingungen bieten und geringere Löhne zahlen.

In diesem Zusammenhang können Sie auch im eigenen Bereich etwas tun, Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Es handelt sich nämlich nicht nur um ein bundespolitisches Thema. Sie können beispielsweise bei Ausschreibungen auf einer Tariftreueerklärung bestehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch nicht einmal dazu sind Sie bereit, wie die von BeNEX gewonnene Ausschreibung des Regionalverkehrs um Regensburg zeigt. Dabei hat die Staatsregierung einmal mehr bewiesen, dass sie völlig unfähig ist, die Problematik der Hungerlöhne wirklich zu begreifen.

Unsere soziale Demokratie ist am Ende, wenn es immer mehr Unternehmer gibt, die sich durch Armutslöhne

Damit hätten die Arbeitnehmer ein auskömmliches Nettoeinkommen. Deshalb müssen wir alles dafür tun, dass Sozialabgaben und Lohnsteuer gesenkt werden. Wer dann noch kein ausreichendes Einkommen erwirtschaften kann, muss staatliche Unterstützung erhalten.

Durch gesetzliche Mindestlöhne greifen Sie außerdem massiv in die Tariffreiheit der Tarifparteien ein.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Ich frage mich, ob unsere Gewerkschaften inzwischen so schwach geworden sind, dass sie selber nicht mehr in der Lage sind, vernünftige Tarifverträge abzuschließen. Ich halte es politisch für sehr dumm zu versuchen, Forderungen zu erheben, die gegen ökonomische Wahrheiten verstoßen und dann zu Arbeitsplatzverlusten in Deutschland führen werden. Das führt zu weiterer Armut. Das führt zu stärkerer Belastung der Kommunen und der öffentlichen Haushalte. Das macht Bayern ungerechter; denn gerecht ist nur, was Arbeit schafft.