Ich frage mich, ob unsere Gewerkschaften inzwischen so schwach geworden sind, dass sie selber nicht mehr in der Lage sind, vernünftige Tarifverträge abzuschließen. Ich halte es politisch für sehr dumm zu versuchen, Forderungen zu erheben, die gegen ökonomische Wahrheiten verstoßen und dann zu Arbeitsplatzverlusten in Deutschland führen werden. Das führt zu weiterer Armut. Das führt zu stärkerer Belastung der Kommunen und der öffentlichen Haushalte. Das macht Bayern ungerechter; denn gerecht ist nur, was Arbeit schafft.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Beste, fand ich, war das Vorletzte: Da hat der Kollege von und zu Lerchenfeld gesagt, wir müssten die Abgabenlast und die Steuern senken, dann gäbe es nicht mehr soviel Armut. Meines Wissens zahlen jene, die im Aufstockerbereich liegen, längst keine Steuern und Sozialabgaben mehr. Das heißt, mir ist bei allem, was Sie an Unsinn gesagt haben, ein bisschen der Faden verloren gegangen. Sozial ist nicht, was Arbeit schafft – sozial ist, was Arbeit schafft, die zum Leben reicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, warum tun Sie sich das eigentlich an, was Guido Bohsem in der „SZ“ mit Recht die „chinesische Tropfenfolter“ nennt? Warum sträuben Sie sich weiter gegen die Einführung von Mindestlöhnen, wissend, dass Sie damit politisch nicht durchkommen und inhaltlich falsch liegen?
Sie wissen doch, dass es gesellschaftlich nicht akzeptabel ist, dass in unserem Land 3,6 Millionen Vollerwerbstätige für einen Niedriglohn arbeiten – Tendenz steigend – und dass über zwei Millionen Erwerbstätige Anspruch auf ergänzendes ALG II hätten?
Das nehmen tatsächlich über 500 000 in Anspruch. Sie wissen, dass Armut trotz Arbeit in Deutschland bittere Realität ist.
Sie wissen auch, dass Ihre Behauptung nicht zutrifft, wonach Mindestlöhne in relevantem Umfang Arbeitsplätze kosten würden; zumindest dann nicht, wenn sie nicht zu hoch sind. Mindestlöhne kosten keine Arbeitsplätze; etwas anderes trifft nur unter ganz spezifi schen
danken. Ganz nebenbei erzielten Sie auch noch einen erheblichen politischen Nutzen. Sie entkämen nämlich künftig der chinesischen Tropfenfolter, die Ihnen sonst bis nach der Bundestagswahl droht und die für Sie, wenn Sie so wie bisher weitermachen, in der Opposition enden wird.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich muss offen gestehen, dass ich bezüglich der Ausführungen des Kollegen von der CSU etwas überrascht war. Ich hatte eigentlich erwartet, dass Sie in dieser Frage etwas fl exibler sind. Ich hatte das erwartet, weil man die Hoffnung nie aufgeben darf.
Es ist offenkundig – man muss dabei an Ihr christliches Selbstverständnis appellieren –, dass es nicht angehen kann, dass Menschen den ganzen Tag arbeiten und dann auf öffentliche Hilfen angewiesen sind, weil sie ihren eigenen Lebensunterhalt nicht selbst erwirtschaften können. Der Vergleich des Kollegen Lerchenfeld, der diese Sitzung in für mich völlig unverständlicher Weise zwei oder drei Minuten nach Beginn der Rede des Kollegen Hallitzky verlassen hat, mit seiner Studentenzeit geht völlig daneben. Wir hatten damals völlig andere Bedingungen; man muss das ganz offen sagen. Wir haben uns die Arbeitsplätze aussuchen können. Das ist bei den heutigen Arbeitnehmern und bei denen, die sich Jobs suchen, völlig anders.
Ich möchte etwas zu der Frage sagen, inwieweit Kommunen durch Mindestlöhne entlastet werden. Ich fi nde, das passt sehr gut zu dem Thema der heutigen Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten Beckstein. Er hat dazu leider nicht Stellung genommen, was ich ausgesprochen schade fi nde. Es ist keine Frage, dass Menschen von ihren Löhnen leben können müssen. Es ist ein wichtiger Nebeneffekt, dass auch Kommunen eine Entlastung erfahren können. Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Brief des Bayerischen Städtetages vom 30. Januar dieses Jahres hinweisen. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass im Präsidium des Städtetags sieben Mitglieder sitzen, die Ihrer Partei angehören und die sich einstimmig für die Einführung von Mindestlöhnen und gegen die Einführung von Kombilohnmodellen ausgesprochen haben.
Die Kommunen hätten einen doppelten Vorteil. Im Rahmen der Aufwendungen für die Unterkunft bei der Gewährung von ALG II sind die Kommunen in Bayern mit einem deutlichen dreistelligen Millionenbetrag belastet. Wenn es gelänge, Mindestlöhne generell durchzusetzen, dann würden für die Kommunen ganz erhebliche Entlastungseffekte entstehen. Sie müssen die Kosten für die Unterkunft zunächst alleine tragen, bekommen dann einen Ersatz durch den Bund, der sich auf etwa 30 % beschränkt, sodass immerhin 70 % bei den Kommunen hängen bleiben. Das ergibt den genannten deutlichen
Wettbewerbsvorteile verschaffen und damit gleichzeitig – das ist das wettbewerbspolitische Problem – die Unternehmer, die vernünftige Löhne zahlen, vom Markt drängen.
Herr Kollege von und zu Lerchenfeld, ich höre nicht, was Sie sagen – das ist sicher interessant –, ich nehme aber zur Kenntnis, dass Sie überhaupt nicht zuhören. Das macht Sie möglicherweise immun gegen Argumente und gibt Ihnen die Möglichkeit, beim nächsten Mal genau den gleichen Unsinn wie eben zu verzapfen. Bleiben Sie sitzen und reden Sie weiter.
Wir sagen, dass diese Ausbeuterunternehmen, die selber zum Teil Millionen verdienen und deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Löhne durch ALG II aufstocken müssen, die wirklichen Sozialschmarotzer in unserem System sind. Das sind die Kollegen, die Kollege von und zu Lerchenfeld mit seinen Reden und politischen Ansätzen fördern will. Das sind die Sozialschmarotzer in unserem System – die Ausbeuterunternehmen, die keine vernünftigen Löhne zahlen.
Aus all diesen Gründen sagen wir Ja zu Mindestlöhnen, und zwar im Interesse der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, im Interesse der meisten Unternehmen, im Interesse eines fairen Wettbewerbs und damit auch im Interesse einer sozialen Marktwirtschaft.
Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wird unser Einsatz und der Einsatz der SPD für Mindestlöhne so lange weitergehen, bis Sie sich endlich bewegen oder eine neue Bundesregierung diese drängende Aufgabe endlich umsetzt.
Daher nochmals, liebe anwesende Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsfraktion: Folgen Sie den klugen Köpfen aus Ihren eigenen Reihen. Folgen Sie dem Ingolstädter Oberbürgermeister Lehmann oder den Vertretern des Städtetags, in dem alle sieben CSU-Vorstandsmitglieder die gleiche Position pro Mindestlohn vertreten. Die Genannten haben doch recht, wenn sie feststellen – Zitat Lehmann –: Es stimmt etwas nicht, wenn man den ganzen Monat arbeitet und dann noch zum Sozialamt gehen muss. – Ihre eigenen Leute haben doch nicht deshalb unrecht, weil sie als Verantwortliche ihrer Städte bezüglich der Finanzierung von Leistungen nach Hartz IV ein Interesse an der Vermeidung von Mindestlöhnen haben. Sie haben auch inhaltlich recht.
Deshalb nochmals: Vollziehen Sie die richtige Position Ihrer eigenen Leute endlich nach und sagen Sie Ja zu Mindestlöhnen.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die heute noch mit Hungerlöhnen abgespeist werden, werden es Ihnen
Menschen im erwerbsfähigen Alter müssen in der Regel ihre Existenz durch ihre eigene Arbeit sichern können. Meine Damen und Herren, es ist bemerkenswert, dass derzeit zwei Drittel der Beschäftigten im Niedriglohnbereich über einen qualifi zierten Abschluss verfügen.
Niedriglöhne sind also nicht mehr automatisch Beschäftigungschancen für gering Qualifi zierte oder Unqualifi zierte. Was bedeutet das in der Konsequenz? – Nicht eine pauschale Forderung nach dem Mindestlohn, sondern eine stärkere Differenzierung, wie Sie bereits in der Vergangenheit vorgenommen worden ist, ist dabei der richtige Weg. Die Art, wie Notwendigkeiten im Postzustelldienst geregelt wurden und wie Vereinbarungen über das Entsendegesetz geregelt worden sind, zeigt in diesem Bereich den richtigen Weg auf.
Als Sozialpolitiker sehe ich schon einen Skandal darin, dass Niedriglöhne, zum Beispiel im Postzustelldienst Stundenlöhne von 1,50 Euro, gezahlt werden. Ich frage mich in der Tat, wohin solche Entwicklungen führen sollen.
In diesem Zusammenhang müssen wir uns Gedanken machen. Das ist aber keine Aufgabe, die der Gesetzgeber lösen kann, sondern das ist eine Aufgabe für die Tarifvertragsparteien. Da muss man sich auch einmal fragen, wo die Verantwortung denn liegt.
Ich plädiere für die Umsetzung der jetzigen Koalitionsbeschlüsse, über die Sie überhaupt nicht gesprochen haben. Sie fordern nur pauschal den Mindestlohn. Die Große Koalition hat im Juni 2007 vereinbart, dass Branchen mit einer Tarifbindung von mindestens 50 % das Angebot erhalten, in das Arbeitnehmerentsendegesetz aufgenommen zu werden und tarifl iche Mindestlöhne zu vereinbaren. Im Falle der Allgemeinverbindlichkeitserklärung solcher Mindestlohntarifverträge gelten diese für alle in- und ausländischen Arbeitnehmer der Branche.
Des Weiteren hat die Große Koalition beschlossen, das Mindestarbeitsbedingungsgesetz aus dem Jahr 1952 zu aktualisieren. Damit sollen für Wirtschaftszweige oder einzelne Regionen, in denen es entweder keine Tarifverträge gibt oder eine Tarifbindung nur für eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber besteht, Regularien für die Festsetzung von Mindestlöhnen geschaffen werden. Ich plädiere dafür, diese Regelung offensiv umzusetzen, auch in Branchen, über die wir noch zu diskutieren haben.
dreistelligen Millionenbetrag. Ich fi nde, es wäre aller Ehren wert, zu versuchen, auf diesem Wege auch den Kommunen eine Entlastung zuteil werden zu lassen.
Daneben ergibt sich ein mittelbarer Effekt. Wenn Gemeinden und Städte Eigenbetriebe, eigene Unternehmungen, unterhalten – auch wenn es in privater Rechtsform geschieht, wie bei der GmbH oder der Aktiengesellschaft –, dann werden dort natürlich, wie es sich auch moralisch gehört, anständige Löhne bezahlt, von denen die Menschen leben können. Die genannten Unternehmen sind einer Konkurrenz mit Unternehmen ausgesetzt, die ihre Mitarbeiter durch ein schäbiges Verhalten zu Löhnen beschäftigen, die weit unter dem liegen, was ein Mensch zum Leben braucht.
Wenn Mindestlöhne auf gesetzlicher Basis verankert würden, dann würde das dazu führen, dass eine derartig schmutzige Konkurrenz, die die Menschen nicht so fair behandelt, wie sie es verdienen würden, zurückgedrängt würde und es erschwert würde, auf diese Weise auf dem Markt mit den städtischen und gemeindlichen Unternehmen zu konkurrieren.
Dann würde auch insoweit eine größere Fairness geschaffen. Das wäre, wie gesagt, ein Nebeneffekt des Mindestlohns, der unsere Kommunen etwas entlasten würde. Das sollten auch Sie unterstützen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich darf zunächst die Vorwürfe, die aus Ihren Kreisen gegen Kollegen von Lerchenfeld gekommen sind, was die wirtschaftspolitische Argumentationslinie anbelangt, entschieden zurückweisen. Uns allen geht es darum, dass durch eine möglichst optimale wirtschaftliche Förderung Arbeitsplätze geschaffen werden, wie dies im Freistaat Bayern auch geschieht. Arbeit ist der beste Schutz vor sozialer Armut. Wir sollten allgemein, unabhängig von Parteigrenzen, anerkennen, dass jeglicher wirtschaftlicher Sachverstand diese Argumentationslinie verfolgt, und der sollten wir uns anschließen.
Gestatten Sie, dass ich Gemeinsamkeiten hervorhebe, die wir schon haben sollten. Ich verweise auf das CSUGrundsatzprogramm. Ich zitiere:
Wir wollen Voraussetzungen schaffen, damit alle Menschen ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien selbst erarbeiten oder dazu beitragen können.
Sofern es in unserer Gesellschaft außerhalb des Bankkontos noch Werte gibt, gilt schon der Grundsatz: Eigentum verpfl ichtet. Die Schmuddelkonkurrenzen, welche die Löhne dumpen, schaden den sozialen Systemen. Weil die Löhne so niedrig sind, dass davon fast nichts mehr bezahlt werden kann, fehlt das Geld in den Rentenkassen, den Krankenkassen und in vielen anderen Kassen. Dann klagen wir darüber.
Es ist faszinierend zu hören – das kann man belegen –, dass am Flugplatz – Boomtown! – die Zahl derer steigt, die staatliche Zuschüsse zu ihren Löhnen bekommen müssen, damit sie leben können, und das alles, damit man für 28 Euro spazieren fl iegen kann. Ich verstehe nicht, wie jemand, der in einem Staat lebt, der nicht zu den ärmsten dieser Welt gehört, solche Zustände dulden und auch noch unterstützen kann, wie Sie das tun.