Protokoll der Sitzung vom 12.03.2008

Wie gesagt, bisher haben sich neben Deutschland nur Frankreich, Österreich, Finnland und Malta gegen eine Quotenerhöhung ausgesprochen. Ungarn und Portugal, die Interesse gezeigt haben, scheinen abzuspringen. Damit ist die Sperrminorität wenige Tage vor dieser Abstim

mung in weite Ferne gerückt. Sie ist somit nicht mehr vorhanden. Ich habe gestern mit Seehofer telefoniert und werde noch einmal mit ihm telefonieren. Er muss alles tun, um mit den Franzosen noch einmal zu reden, damit verhindert wird, dass die beiden wichtigsten Milcherzeugerländer Deutschland und Frankreich – die sind in der Vergangenheit bei solchen Dingen nicht überstimmt worden – am Montag überstimmt werden. Wenn dies nicht gelingt – das muss man wissen –, dann ist das zum jetzigen Zeitpunkt ein Paradigmenwechsel hinein in den Ausstieg aus der Quote, obwohl die Quotenfortführung von der Europäischen Kommission bis 2015 versprochen wurde. Wir wollen das in keiner Weise durchgehen lassen und stellen das noch einmal deutlich infrage.

Ich freue mich, dass alle Fraktionen diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Es liegt keine weitere Wortmeldung vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 15/10171 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Dann einstimmig so beschlossen.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Hans-Ulrich Pfaffmann, Karin Pranghofer u. a. u. Frakt. (SPD) Schluss mit den Experimenten auf dem Rücken unserer Kinder Familien und Kinder entlasten – G 8 umfassend reformieren (Drs. 15/10172)

und

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nägel mit Köpfen: Korrekturen am G 8 sofort anpakken und umgehend vollziehen (Drs. 15/10177)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es vergeht kein Tag, an dem man nicht in der Zeitung Katastrophenmeldungen zum achtjährigen Gymnasium nachlesen kann. Es vergeht kein Tag, an dem man nicht feststellt, dass Eltern auf die Barrikaden gehen. Es vergeht kein Tag – so die „Abendzeitung“ heute, vielleicht haben Sie es schon gelesen –, an dem Schüler nicht

darstellen, wie katastrophal der Schulalltag am achtjährigen Gymnasium ist. Es vergeht kein Tag,

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU))

auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, Herr Kollege Waschler –, an dem sich Verbände nicht beschweren, dass die Schule mit dem achtjährigen Gymnasium unerträglich geworden ist.

Katastrophenmeldung Nummer 1: Pfaffmann … den Landtag! Es rächt sich bitter, meine Damen und Herren, dass das achtjährige Gymnasium vor einigen Jahren konzeptionslos eingeführt worden ist, ohne jeden Verstand, (Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

ohne jede Überlegung, welche Auswirkungen diese Umstellung von heute auf morgen haben könnte. Das rächt sich heute bitterlich.

Mittlerweile müssen Schülerinnen und Schüler im achtjährigen Gymnasium teilweise mehr arbeiten als so mancher Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler doch etwas lernen.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Schule macht Freude! – Gegenruf der Abgeordneten Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ich schicke Ihnen mal meinen Enkel!)

Sie sollen eben nicht, wie es heute ist, von einer Schulaufgabe zur nächsten Schulaufgabe hetzen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Sie sollen nicht von einer Ex zur anderen Ex hetzen. Sie sollen eben nicht, wie das zum Beispiel Lehrerverbände ausdrücken, paulinisches Wissen vorgesetzt bekommen, sondern sie sollen fürs Leben lernen. Und genau das fi ndet am G 8 derzeit nicht statt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Der Unterricht wird nach Hause verlagert. Die Eltern klagen, dass Familien und Kinder heutzutage auf Schule reduziert werden, dass in den Familien, in den Wohnzimmern und Küchen der Familien über nichts anderes mehr gesprochen wird als über Schulprobleme. Schulaufgaben spielen für Kinder, die am achtjährigen Gymnasium sind, zu Hause eine größere Rolle als das Familienleben.

(Zuruf des Abgeordneten Sebastian Freiherr von Rotenhan (CSU))

Das ist die bittere Realität.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Ihnen das nicht gefällt, das sind alles Zitate nicht aus der „sozialistischen“ Zentrale der SPD, auch wenn Sie sich noch so aufregen, sondern das sagen sogar die Verbände. Das sagen Lehrerverbände, Elternverbände, Schüler usw. usf.

(Gertraud Goderbauer (CSU): Unglaublich!)

Wir wissen aus den Sportvereinen, aus den Musikvereinen, aus den Kirchengemeinden der Dörfer und Städte, dass Gymnasiasten keine Zeit mehr haben, ihrem Sport nachzugehen. Wir wissen, dass junge Menschen immer weniger Zeit haben, um sich an einem gemeindlichen Leben beteiligen. Das ist alles der Situation G 8 geschuldet. Das ist die Lage.

(Gertraud Goderbauer (CSU): Das ist doch unwahr!)

Es kommen noch andere Dinge hinzu, wenn man diese Beschreibung vervollständigen will. Da könnte man eine Riesenliste schreiben, zum Beispiel, dass der Stoff des G 8 oder das Bestehen im G 8 mittlerweile nur noch mit Nachhilfe zu bewältigen ist. Wir wissen, dass jeder dritte oder vierte Schüler Nachhilfeunterricht erhält, und wir wissen auch, dass sich viele Familien diese Nachhilfe nicht mehr leisten können. Deswegen ist das G 8 nicht nur ein organisatorisches Chaos, es ist auch eine ungerechte Schule, liebe Kolleginnen und Kollegen. Auch dafür sind Sie verantwortlich.

(Beifall bei der SPD)

Ich darf Ihnen ein Zitat vortragen, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. Hans Holzhaider hat heute in der „Süddeutschen Zeitung“ kommentiert: „Es gibt nur zwei Bedingungen, unter denen das G 8 zu einer menschenwürdigen Schule werden könnte.“ Ich will diese Bedingungen nicht sagen, aber was sagt uns der Journalist damit? Er sagt uns, dass das G 8 menschenunwürdig ist. Nichts anderes.

(Kopfschütteln des Abgeordneten Hans Rambold (CSU))

Ich glaube, da ist ein Stück Wahrheit dran.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Aber jetzt haben wir die Lösung gefunden. Die ganze Welt diskutiert über die Entschlackung, oder wie immer man sagen will, der Lehrpläne. Es gibt eine Ankündigung, dass die Lehrpläne nun entrümpelt werden sollen und damit alle Probleme gelöst würden. Ich sage Ihnen: Ja, es gibt die Notwendigkeit der Überprüfung von Lehrplänen, weil wir in einer Wissensgesellschaft, im Zeichen der Globalisierung darüber nachdenken müssen, ob Faktenwissen nicht zurückgedrängt werden muss zugunsten von vernetztem, anwendungsorientiertem All

gemeinwissen. Diese Diskussion müssen wir führen. Das ist gar keine Frage. Das ist eine Zukunftsdiskussion.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Hildegard Krona- witter (SPD))

Aber diese Diskussion gilt für alle Lehrpläne, nicht nur für die des Gymnasiums, weil das eine grundsatzpädagogische Debatte einer modernen Schulentwicklung ist.

(Beifall bei der SPD)

Aber was machen wir? Wir versuchen, diese Debatte als Ansatz für die Lösung der Probleme des achtjährigen Gymnasiums heranzuziehen. Wir überlegen: Ein bisschen weniger Geografi e – viel Freude bei dieser Debatte in Ihrer eigenen Fraktion; da gibt es ja schon Briefe, dass man das auf gar keinen Fall machen darf –, ein bisschen weniger Physik oder ein bisschen weniger Erdkunde oder was auch immer. So wird das diskutiert. Ich halte das für ein Problem. Ich sage Ihnen auch, diese Debatte wird die Baustelle G 8 nicht sanieren.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Wir haben nicht nur ein Problem der Lehrpläne, sondern ein strukturelles Problem am achtjährigen Gymnasium. Es ist nun mal so, dass man die Lernzeit nicht von heute auf morgen um ein Jahr verkürzen kann, ohne gleichzeitig strukturelle Maßnahmen einzuleiten. Das geht nun mal nicht.

Zweitens ist es ein Problem der Rahmenbedingungen. Sie können noch so viel arbeiten und diskutieren: Wenn Sie die Rahmenbedingungen am achtjährigen Gymnasium nicht verbessern, werden Sie diese Baustelle nicht schließen können. Das heißt, wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer, um kleine Lerngruppen machen zu könne und um individueller fördern zu können. Wir brauchen eine Entlastung des Lehrpersonals von unterrichtsfremden Dingen und viele andere Dinge. Das müssen Sie anpacken, um die Baustelle G 8 schließen zu können, und nicht eine Entlastungsdebatte über die Überprüfung der Lehrpläne führen.

Ich denke, es stimmt auch nicht, was der Bayerische Philologenverband uns hat weismachen wollen: dass wir lediglich eine gefühlte Überlastung hätten. Auch das ist falsch. Ich will das noch einmal darstellen. Es ist keine gefühlte Überlastung, sondern es ist eine echte Überlastung der Kinder und der Familien, was sich derzeit an der Schule abspielt.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich will noch etwas zur Qualität sagen. Ich bin auch der Meinung, lieber Herr Kultusminister, dass die Qualität des Abiturs nicht angetastet werden darf. Das ist völlig klar. Aber eines muss man schon dazu sagen: Wir müssen die Kinder im 11., 12., 13. und 14. Lebensjahr entlasten

und später vielleicht mehr Gas geben. Das bedeutet aber auch, dass wir endlich über die Struktur des Gymnasiums diskutieren müssen und nicht Scheindebatten über ein bisschen Unterrichtsstoff an der einen Stelle mehr und an der anderen Stelle weniger führen dürfen.

Ich glaube, wir müssen uns auch mit der Frage beschäftigen: Warum verliert das Gymnasium so viele Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zum Abitur – 40 %?

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))