Frau Paulig, beim letzten Satz stimme ich Ihnen völlig zu. Allerdings kann ich verstehen, dass man bei Ihnen etwas aufgeregt ist, wenn ich es von Ihnen selbst auch nicht erwartet hätte, weil Sie hier eine so alte Häsin sind.
Sie hätten mir genau zuhören sollen. Ich habe gesagt, Frau Künast hat uns die 0,9 % eingebrockt. Das ist einer der für mich so berühmten Brüche, der das Ganze unglaubwürdig macht. Sie wissen genau, wie das Ganze entstanden ist. Frau Künast hat damals bei den Verhandlungen gesagt, wichtig für sie sei alles unter 1 %. Das bedeutet aber nicht gentechnikfrei, sondern mit Gentechnik verseucht. Das ist das, was ich Ihnen vorhalte – nicht Ihnen, sondern der Frau Künast, denn ich weiß nicht, wo Sie in dieser Frage stehen. Und nur das habe ich gesagt und sonst nichts.
Herr Präsident, ich fühle mich dazu gezwungen; denn wenn so falsche Behauptungen in die Welt gesetzt werden, muss man das widerlegen.
Zunächst herzlichen Dank, Frau Paulig. Es ist zum ersten Mal seit langer Zeit, dass Sie sich dafür stark machen, dass hier Recht und Gesetz herrschen, und Sie feststellen, dass wir nicht in einem rechtsfreien Raum leben. Vielen Dank dafür, dass Sie deutlich anerkannt haben, dass ein Land die EU-Regeln einzuhalten hat, ob es will oder nicht. Aus diesem Grund halte ich es auch nicht für korrekt, Herrn Bundesminister Seehofer in der Form anzugehen, wie es geschehen ist, als wolle er mit aller Gewalt die Dinge hier in Deutschland einführen.
misshandlungen und Vernachlässigungen mit Todesfolge bekannt. In allen Fällen war erkennbar, dass es Schwierigkeiten und Schwächen bei der Kooperation der beteiligten Hilfesysteme gab.
Genau hier, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzt der Gesetzentwurf an. Ziel ist die Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge und die Verbesserung des Kindesschutzes. Der Gesetzentwurf, den wir heute in Zweiter Lesung beraten, besteht aus vier zentralen Bestandteilen.
Zum Ersten: Eltern werden verpflichtet, die Teilnahme ihrer Kinder an Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sicherzustellen. Die Früherkennungsuntersuchungen sind ein wichtiges Mittel für die gesundheitliche Prävention, weil im frühen Kindesalter Defizite der altersgemäßen gesundheitlichen Entwicklung erkannt und ihnen möglicherweise entgegengewirkt werden kann.
Im Rahmen der Gesetzesberatung hat eine große Rolle gespielt, dass der zeitliche Abstand der Früherkennungsuntersuchungen und deren Inhalte überarbeitet und an die heutigen Erfordernisse angepasst werden müssen. Diese Forderung richtet sich übereinstimmend an den Bund, damit endlich die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen werden können, um die Früherkennungsuntersuchung anzupassen. Es muss heute zwingend möglich sein, dass Kinder psychisch und physisch beurteilt werden. Bislang ist das nicht ausreichend Gegenstand der Untersuchungen. Es hat immer wieder Beratungen auf Bundesebene gegeben. Da stockt es ebenso wie bei der Anpassung der Untersuchungsintervalle, und wir können diese Forderung nur noch einmal mit Nachdruck unterstreichen.
Im Bayerischen Landeserziehungsgesetz wurde der Bezug des Landeserziehungsgeldes vom Nachweis der Durchführung der U 6 und U 7 abhängig gemacht. Das ist richtig. Nun folgt der nächste Schritt. Gemäß Artikel 14 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes müssen die Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen und Belege bei der Anmeldung des Kindes für eine Kindertageseinrichtung vorgelegt werden. Sollte dieser Nachweis nicht vorgelegt werden können, sollte also die Untersuchung nicht stattgefunden haben, wird das pädagogische Personal die Eltern auf diese Verpflichtung hinweisen und bitten, die letzte fällige Gesundheitsuntersuchung nachzuholen.
Schon aus diesem Grund ist es wichtig, dass Kindertageseinrichtungen eng mit dem Gesundheitsamt zusammenarbeiten. Sollten sich Anhaltspunkte für die Gefährdung des Kindeswohls ergeben, haben die pädagogischen Fachkräfte auf die Inanspruchnahme geeigneter Hilfen seitens der Eltern hinzuwirken und erforderlichenfalls das Jugendamt hinzuzuziehen. Auch hier ist eine enge Kooperation notwendig. Auf den Verbleib des Kindes in einer Kindertagesstätte hat dies allerdings keine Auswirkungen. Das Kindeswohl steht im Vordergrund und im Mittelpunkt.
Zum Zweiten. Auch bei den Schulanmeldungen ist der Nachweis der U 9 nun verbindlich vorzulegen. Artikel 80
Die Stimmabgabe ist abgeschlossen. Die Stimmen werden außerhalb des Plenarsaals ausgezählt, und zu einem späteren Zeitpunkt wird das Ergebnis bekannt gegeben.
Ich möchte gerne die Sitzung wieder aufnehmen und bitte, Gespräche außerhalb des Plenarsaals zu führen.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 15/9366) – Zweite Lesung –
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wurden zehn Minuten Redezeit pro Fraktion vereinbart. Als Erster darf ich Frau Kollegin Dodell das Wort erteilen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den Ausschüssen des Parlaments diesen Gesetzentwurf intensiv beraten. Er hat Zustimmung im federführenden Sozialausschuss und im mitberatenden Kommunalausschuss erfahren. Im Bildungsausschuss ist eine Änderung, die schriftlich dargelegt ist, vorgenommen worden. Dieser haben sich der Finanzausschuss und dann der endberatende Rechts- und Verfassungsausschuss angeschlossen.
Das Ziel dieses Änderungsgesetzes ist der Ausbau bestehender Maßnahmen zu einem umfassenden bayerischen Gesamtkonzept zur Verbesserung der gesundheitlichen Vorsorge sowie des Schutzes von Kindern und Jugendlichen. Der Gesetzentwurf, der zum einen das Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz und zum anderen das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz ändert, soll Klarheit und verbindliche Regeln im Sinne der Kindergesundheit und des Kinderschutzes schaffen. Diese gesetzlichen Regelungen sind ein wichtiger Baustein in einem Gesamtkonzept, das sowohl der Bayerischen Staatsregierung als auch dem Bayerischen Landtag seit Langem am Herzen liegt. Ganz bewusst steht an erster Stelle des Konzeptes und nimmt damit auch breiten Raum ein die Prävention. Wir sehen es als vordringlich an, dass Familien und Kindern bereits ab der Geburt ausreichend Hilfestellung angeboten wird und dass insbesondere Risikofamilien auch aufsuchend begleitet werden.
Neben den präventiven und hilfreichen Maßnahmen sind jedoch im Rahmen dieses Gesamtkonzeptes auch Maßnahmen der Sanktion und der Verpflichtung notwendig. Dabei gibt es zwei aktuelle Handlungsfelder, zum einen die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Wir wissen, dass es eine auffällige Zunahme von gesundheitlichen Problemen gibt, wie zum Beispiel Übergewicht, Diabetes, Depressionsanfälligkeiten und vieles mehr. Der zweite Bereich, dem wir uns stärker zuwenden müssen, ist der Kinderschutz. In den vergangenen Monaten wurden immer wieder tragische Fälle von Kindes
Hebammen in der Praxis erleichtern, konsequent zu handeln. In der Gesetzesberatung wurde immer wieder kritisiert, dass Eltern ohne Weiteres den Arzt wechseln und damit diesen Untersuchungen entgehen könnten. Das trifft nicht zu, weil jeder Arzt und jede Hebamme verpflichtet ist, entsprechende Anhaltspunkte zu melden.
Vierter Punkt: die stärkere Vernetzung des Gesundheitswesens mit der Kinder- und Jugendhilfe. Bereits mit Beschluss des Landtags vom Februar 2007 wurde diese stärkere Vernetzung angeregt. Wenn all die vorhin von mir genannten Punkte mit dem vorrangigen Blick auf das Wohl des Kindes greifen sollen, ist eine stärkere Vernetzung und Kooperation von Gesundheits- und Jugendämtern sowie weiteren Einrichtungen unabdingbar.
Interdisziplinäre Kooperation bedeutet, bei den Eltern für die Inanspruchnahme von Unterstützungsmöglichkeiten, auch durch andere Institutionen und Einrichtungen, zu werben, Hemmschwellen abzubauen und rechtzeitig eine Brücke zur professionellen Hilfe zu bauen. Bereits bei der Ersten Lesung habe ich darauf hingewiesen, dass diese Kooperation Zeit braucht. Deshalb habe ich Frau Staatsministerin Stewens gebeten, dass die damit betrauten Mitarbeiter diesen zeitlichen Rahmen erhalten.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Kinder und ihre berechtigten Anliegen, ihre gesundheitliche Entwicklung und – davon abhängig – ihre Wahrnehmung von Chancen, stehen im Mittelpunkt unserer Politik. Wichtige Mosaik- und Bausteine sind dabei die gesundheitliche Entwicklung, abgesichert über regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, und der Kinderschutz und die damit zusammenhängende Wächterfunktion des Staates. Mit dem großen Paket von Hilfestellungen und Präventionsmaßnahmen, die ich am Anfang genannt habe, ist dies ein gutes Gesamtkonzept, das das Wohl des Kindes im Auge behält. Deshalb bitte ich Sie sehr herzlich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Nicht nur der Bayerische Landtag, auch der Deutsche Bundestag beschäftigt sich heute mit einem Gesetzentwurf zur Verbesserung des Kinderschutzes. Ich finde es gut, dass sich die Parlamente dieses wichtigen Themas annehmen. In dem breiten Feld der Grundlagen und der Notwendigkeiten besteht zwischen uns Konsens. Bei der Bewertung der Maßnahmen sind wir uns jedoch nicht ganz so einig.
Einig sind wir uns darüber, dass das gesunde Aufwachsen von Kindern nicht nur unser Ziel ist, sondern auch unsere höchste Aufmerksamkeit und sinnvolle Maßnahmen erfordert. Frau Kollegin Dodell, das gilt sowohl für das körperliche als auch für das seelische Wohl der Kinder. Das Problem ist, dass bei den Themen „Kindesverwahrlosung“ und „Vernachlässigung“ immer nur körperliche Schäden gesehen werden. Ich bin der Auffassung, dass
Kinder haben im Jahr vor der Aufnahme in die Jahrgangsstufe eins an einer Schuleingangsuntersuchung teilzunehmen. Schülerinnen und Schüler sind verpflichtet, sich den Untersuchungen im Rahmen der Schulgesundheitspflege nach Art. 14 Abs. 5 Sätze 1 und 2 des Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetzes und an sonstigen Untersuchungen, die in gesetzlichen Vorschriften vorgesehen sind, durch den öffentlichen Gesundheitsdienst zu unterziehen.
Das bedeutet: Alle Kinder in Bayern, die der Schulpflicht unterliegen, bekommen eine Einladung zur Schuleingangsuntersuchung, die jetzt gesetzlich verpflichtend und ein Jahr vor der Einschulung festgeschrieben wird. Alle Kinder sollen von einer sozialmedizinischen Assistentin des Gesundheitsamtes gesehen werden. Die Untersuchungen sollen noch nicht mit Zwang durchgesetzt werden, und trotzdem soll eine Inanspruchnahme von 99 % erreicht werden.
Bei dieser Untersuchung werden ein standardisierter, operativ ausgerüsteter Sehtest, Hörtest, Sprach- und Sprechtest, eine Screeninguntersuchung auf die neurophysiologische Entwicklung, die Kontrolle des gelben Vorsorgeheftes und die Kontrolle des Impfstatus durchgeführt. Eine schulärztliche Untersuchung wird in der Folge angeschlossen, wenn die U 9 nicht vorliegt, wenn das Screening Auffälligkeiten erbracht hat und/oder bei einem begründeten Wunsch der Schule oder der Eltern.
Gegenwärtig nehmen etwa 13 % der Eltern für ihre Kinder die U 9 nicht wahr. Wir erhoffen uns mit dieser Verpflichtung der Vorlage eine deutliche Steigerung. Es ist für die weitere Gesundheit der Kinder unabdingbar, dass möglichst von Anfang an lückenlos die Vorsorgeuntersuchungen wahrgenommen werden, sodass man frühzeitig auf eventuelle Fehlentwicklungen reagieren kann.
Erfreulicherweise nimmt der größte Teil der Eltern seine Pflichten in hoher Verantwortung von sich aus wahr. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass die Eltern, die die Vorsorgeuntersuchung vergessen oder nicht wahrnehmen, dazu verpflichtet werden. Dazu dient der vorliegende Gesetzentwurf.
Der dritte Punkt: In dem Gesetzentwurf wird die Mitteilungspflicht der Ärzte und Hebammen konkretisiert. Bei krisenhaften Zuspitzungen, die das Kindeswohl gefährden, besteht ein hoher Handlungsbedarf. Deshalb muss zur Sicherstellung des Kindeswohls auch ohne das Einverständnis der Eltern konsequent gehandelt werden. Wenn Ärzte oder Hebammen gewichtige Anhaltspunkte für Misshandlungen, Vernachlässigungen oder sexuellen Missbrauch feststellen, muss eine Mitteilungspflicht von Ärzten und Hebammen gegenüber den Jugendämtern vorgesehen werden. Eine Strafbarkeit wegen des Verstoßes gegen die Schweigepflicht ist in solchen Fällen ausgeschlossen. Diesbezüglich wird es auch Leitfäden und fachliche Empfehlungen geben, die es Ärzten und
milien mit Neugeborenen. In den Landkreisen, wo dies gemacht wird, hat sich gezeigt, dass dieses Verfahren sinnvoll ist, weil dadurch nicht von vornherein einzelne Familien dadurch stigmatisiert werden, dass man sie zu „Risikofamilien“ erklärt. Diese Beratung und Betreuung kommt zunächst einmal allen Familien zugute. Wo es Probleme gibt, werden weitere Hilfen angeboten.
Wir brauchen flächendeckend niederschwellige Angebote wie Opstapie. Wir brauchen einen Freistaat, der sich dafür finanziell in die Verantwortung nehmen lässt und die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt. Wir brauchen sehr viel mehr Familienberatung und Erziehungsberatung. Wir brauchen dagegen kein finanzielles Gezerre, wie es derzeit in den Landkreisen abläuft, wenn zum Beispiel eine sozialpädagogische Familienhilfe beantragt wird.
Wir brauchen eine deutlich höhere Sensibilität aller Betroffenen in den Einrichtungen und in der Gesellschaft, zum Beispiel bei Nachbarn, Bekannten und Freunden. Außerdem brauchen wir sehr viel mehr Qualifizierung bei den betroffenen Berufsgruppen. Leitfäden sind sicherlich sinnvoll, sie reichen aber nicht aus. Wir brauchen auch eine sehr viel höhere Vernetzung. Deshalb kann ich es nach wie vor nicht verstehen, dass Sie unsere Anträge auf Schaffung eines Runden Tisches auf Bayernebene, der bis auf die Landkreisebene abgesenkt werden soll, abgelehnt haben.
Zum zweiten Teil dieses Gesetzes, zur Meldepflicht für die betroffenen Berufsgruppen: Dagegen haben wir gar nichts. Wir meinen nur, dass die derzeitige Rechtslage das eigentlich schon hergibt und dass das derzeitige Hemmnis nicht die Rechtsunsicherheit ist, sondern eine Unsicherheit in der Bewertung dahin gehend besteht, was ein Fall von Misshandlung oder Verwahrlosung ist und was kein Fall von Misshandlung und Verwahrlosung ist. Auch dafür braucht es die Vernetzung, auch dafür braucht es die zielgerichtete Qualifikation. Im Moment ist es leider so, dass die einzige Berufsgruppe, die diese Fälle umfänglich beurteilen kann, die Berufsgruppe der Rechtsmediziner ist. Insofern gibt es auf diesem Feld noch viel zu tun.
Wir brauchen, wenn wir entsprechende Fortschritte erreichen wollen, ausreichend Personal. Wir brauchen ausreichend Personal in den Jugendämtern, und wir brauchen auch einen deutlich besser ausgestatteten öffentlichen Gesundheitsdienst. All dies sehen wir in dem, was Sie tun, leider nicht. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf – wie schon gesagt – wegen der teilweisen Unvereinbarkeit der Vorstellungen und wegen der Regelungslücken, zum Beispiel bei den Kindern, die nicht die Kindertagesstätten besuchen, der Stimme enthalten. Wir werden aber weiterhin dieses Thema auf der Agenda lassen und werden weiter an einem konstruktiven Dialog arbeiten, der auf die Umsetzung sehr vieler von uns vorgeschlagener Maßnahmen abzielt.
wir uns künftig sehr viel mehr Gedanken über die seelischen Schäden machen müssen. Klar ist aber auch, dass die besten Maßnahmen und Gesetze solche tragischen Fälle nicht verhindern können. Das müssen wir der Ehrlichkeit halber eingestehen.